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Bodyguard von Peking

Originaltitel: Chung Nam Hoi Bo Biu / The Bodyguard from Beijing__Herstellungsland: Hongkong__Erscheinungsjahr: 1994__Regie: Corey Yuen__Darsteller: Jet Li, Christy Chung, Kent Cheng, Collin Chou, Leung Wing-Chung, Ng Wai-Kwok, William Chu Wai-Lim, Wong Kam-Kong, Corey Yuen, Huang Kai-Sen, Wong Wah-Wo, Fong Yue u.a.

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Cover

Das Cover der britischen 88-Films-UHD-Blu-ray von „Bodyguard von Peking“, hier unter dem englischen Titel „The Bodyguard from Beijing“.

Männer müssen nicht immer gleich vom Mars und Frauen von der Venus sein, um das gewisse Knistern der unwahrscheinlichen Begegnung zu erzeugen, nach dem jeder romantische Film strebt. Manchmal reicht es auch, wenn der Mann vom Secret Service ist und die Frau aus dem Pop-Business – wie gesehen in „Bodyguard“ (1992), in dem Kevin Costner Whitney Houston vor Attentätern zu beschützen hatte. Tatsächlich ist der Bodyguard eine äußerst ergiebige Rollengattung, eignet sich sein kühler, emotionsloser Verhaltenskodex doch ideal für die Leinwandpaarung mit einer aufbrausenden Natur des zumeist anderen Geschlechts. Und so konnte sich diese Konstellation mit Erfolg zu einem etablierten Motiv entwickeln. Wie der nur zwei Jahre nach dem „Bodyguard“-Hype gestartete „Bodyguard von Peking“ zeigt, sogar zu einem global gültigen Motiv, das auf beiden Seiten der Erdkugel gleichermaßen funktioniert.

Schmale Schultern, breite Brust: Jet Li im Personenschutz

Jet Li, der vor seiner Schauspielkarriere zeitweise tatsächlich eine Karriere als Bodyguard in Betracht gezogen hatte, kehrt hier zurück ins Fach des zeitgenössischen Actionfilms, nachdem er zuvor mit Ausnahme von „Defector“ (1989) und „The Master“ (1992) ausschließlich in historischen Stoffen zu sehen gewesen war. Mit dem Wechsel in kontemporäre Gefilde scheint Li auch stets eine darstellerische Wandlung zu vollziehen. Die schelmische, jungenhafte Art seiner vielen Auftritte als wendiger Wushu-Kampfkünstler weicht hier einem harten, kantigen Stil, von dem nicht bloß der strenge Bürstenhaarschnitt zeugt, mit dem Li in die Rolle des chinesischen Bodyguards Allan schlüpft. Corey Yuen („Bodyguard“) verliert nicht viel Zeit, nachzuweisen, dass sein Hauptdarsteller über ein äußerst breites Repertoire voller Kontraste verfügt und dazu in der Lage ist, die Linienführung eines Actionfilms auch jenseits der eigentlichen Kernkompetenzen durch sein bloßes Arsenal an Physis und variablem Bewegungsraum zu bestimmen.

So wird gleich zum Einstieg effektiv der strenge visuelle Code etabliert, als Allan zum Schutz eines Staatsmanns eine ganze Gebäudeanlage säubern muss. Statt weiter Gewänder flattern hier allenfalls Krawatte und Bügelfalten eines Anzugs, statt der Fäuste fliegen die Kugeln. Das fließende Wushu wird vom steifen Gun-Fu verdrängt, das ausschließlich aus peinlich geradlinig verlaufenden Linien zu bestehen scheint, bei dem die grauen Hemdsärmel von der ballistischen Bahn der Flugkörper ins Unendliche verlängert wird. Anstatt des Henchmen-Chaos aus einem John-Woo-Exzess der Marke „Hard Boiled“ (1992) herrscht pure Ordnung, und Li bewegt sich in ihr ebenso elegant wie charismatisch, ganz so, als schwimme er in seinem Element der Wahl. Schnell besteht kein Zweifel mehr, dass er in die Maße des stoischen Agenten, der sich erst als eine Art „menschliche Tapete“ zu höchster Präzision aufschwingt, wie angegossen hineinpasst, praktisch so, als habe er nie etwas anderes verkörpert.

Corey Yuen, der Jet Lis Bewegungen im Laufe seiner Karriere oft koordiniert hat, lässt nach dem hektischen Auftakt aber erst einmal Ruhe einkehren, um die althergebrachten Romance-Muster zu etablieren, wie sie in abgewandelter Form auch in Hongkong üblich sind (man vergleiche etwa mit den situativen Plotelementen aus Filmen wie „The Iceman Cometh“, 1989). Mit Kent Cheng (als Fat-Po) und Joey Leung (als Ken) werden gleich zwei Sidekick-Cops in die Handlung eingeschleust, die auch dann für ein wenig Wirbel sorgen sollen, wenn sich in Sachen Action mal nichts rührt.

Gerade im Zusammenspiel mit Kinderdarsteller William Chu entstehen so einige Comedy-Einlagen, die aber Hongkong-typisch auch mal in mulmige Momente umschwenken, wenn in einem Kaufhaus beispielsweise eine Gruppe von Kindern an eine Schusswaffe gerät und sie für ein Spielzeug hält. Gemischt mit dem Wissen darum, dass Kinder selbst in heiteren HK-Actionkomödien nicht immer auf Unversehrtheit hoffen dürfen, entsteht so aus dem Nichts zuweilen kribbelnder Suspense, wie er in vergleichbaren Hollywood-Filmen undenkbar wäre.

Schaut in den Trailer zu „Bodyguard von Peking“

Der Harte und die Zarte

Indes wird im Main Plot Christy Chung eingeführt, die am Anfang ihrer Karriere nicht unbedingt mit schauspielerischem Können, aber doch mit ihrer Schönheit zu fesseln weiß, die das ganze Bild in Beschlag nimmt. Im Zusammenspiel mit Jet Li kommt man da schnell auf den Gedanken, dass hier wohl die Basis gelegt wurde für Lis endgültigen Hollywood-Durchbruch sechs Jahre später in „Romeo Must Die“ (2000). Darin wickelte er Sängerin Aaliyah, damals ebenfalls eine aufstrebende Exotin in der Welt des Films, mit seiner körperlichen Eleganz auf ähnliche Weise um den Finger, gleichwohl die gemischtrassige Konstellation in der US-Produktion seinerzeit wohl noch eine Spur zu gewagt war, um mehr daraus zu machen als augenzwinkernde Koketterie.

Zwischen Chung und Li hingegen, beziehungsweise in der Einbahnstraße von Chung aus Richtung Li, funkt es bisweilen ganz ungeniert. Dass es nicht vollends zur Explosion kommt, wie man es aus plumpen Liebeskomödien gewohnt ist, in denen am Ende zwingend das Verlangen nach Happy Ends bedient werden muss, gehört zu den besonderen Vorzügen dieses einseitigen Balztanzes. Li, der nicht einmal seinen starren Blick geradeaus verliert, wenn seine Schutzbefohlene seitlich von ihm nackt in der Dusche steht, kommt so zu ein, zwei überaus effektiven Gelegenheiten, den typischen Ablauf einer Filmromanze ironisch zu brechen.

Diese unorthodoxen Geistesblitze sind auch bitter nötig, denn ansonsten hat „Bodyguard von Peking“ im Mittelteil kaum mehr zu bieten als Dienst nach Vorschrift. Klebrig-süßliche Musik untermalt kitschige Momente, in denen der Zwiespalt zwischen dem Auftraggeber (bemitleidens- und dadurch fast liebenswert: Ng Wai-kwok), seiner Herzensdame und seinem Bodyguard herausgearbeitet wird, derweil die Sidekicks für peinliche Verweise auf das Offensichtliche sorgen und das Unterschwellige somit unangenehm an die Oberfläche befördern (insbesondere William Chu kann einem als Kinder-Amor mit Pfeil und Bogen streckenweise ganz schön auf den Nerv gehen). Noch dazu will auch die Action abseits punktueller Highlights einfach nicht mehr in Gang kommen, zumal der Villain (Sing Ngai als skrupelloser Killer Wong) relativ spät und umständlich eingeführt wird.

Der Rausschmeißer kommt zum Schluss

Kaum hat man sich damit abgefunden, eine Kevin-Costner-Variante serviert zu bekommen, in der das Pendant Jet Li auch kaum mehr zulangen darf als der hüftsteife Costner, haut Corey Yuen zum Finale nochmal so richtig einen raus und rettet den Tag. Der Showdown im Penthouse liefert auf einmal alles, was man sich über den Film verteilt gewünscht hatte, in einem einzigen spektakulären Rundum-Sorglos-Paket. Messer fliegen mit Kugeln um die Wette, um teils recht blutig in ihr Ziel einzuschlagen, Arme und Beine dürfen ebenfalls endlich in Aktion treten (und schlagen), vorab sorgfältig eingeführte Gadgets wie ein Beeper kommen zwecks Spannungssteigerung auf reflektierte Weise zum Einsatz. Die während des Einsatzes herrschende Dunkelheit wird für abstruse, aber im Kontext des bedienten Genres legitime Einlagen zur Spannungssteigerung genutzt (Stichwort „fliegende Taschenlampe“), ohne dass die Übersicht verloren ginge, bis sich die Fußsoldaten reihenweise als rote Teppiche auf dem Boden des Apartments schlafen legen.

Neben den Lichtverhältnissen werden die Umweltbedingungen noch um einen weiteren originellen Aspekt verkompliziert, bei dem austretendes Gas und der Wasserhahn in der Küche eine Rolle spielen. Das Ergebnis ist Adrenalin pur, ohne Gelegenheit zum Luftholen. Li darf ebenso wie sein Kontrahent Ngai mit vollem Körpereinsatz explosionsartig demonstrieren, was sich bis dahin aufgestaut hat. Gemeinsam liefern sie Szenen, die sich in kurzen Augenblicken fast schon mit dem legendären Stahlfabrik-Finale von „Drunken Master II“ aus dem gleichen Jahr messen können, bei dem Jackie Chan übrigens gegen Ken Lo antrat, der, man ahnt die Pointe, Chans Bodyguard war. In Chaos artet die Situation trotz allem nie aus, weil Corey Yuen mit Übersicht inszeniert und das Taktische immer in den Vordergrund rückt.

Wenn schon Bodyguard, dann „Bodyguard von Peking“

Als Entschädigung für den nicht immer ganz runden Mittelteil nimmt man diese unerwartete Entwicklung gerne mit und geht letztlich mit einem Gefühl der Zufriedenheit in den Abspann. Dass dieses Gefühl nicht die vollen 90 Minuten währt, liegt nicht zuletzt an dem Standardplot, der durch unerwartete Wendungen und Action-Einlagen zwar gelegentlich, unter dem Strich aber zu selten überdeckt wird. Nichtsdestotrotz; Wenn man den Actionfan fragt, stellt sich gar nicht erst die Frage, ob man den „Bodyguard“ mit oder ohne Beijing-Zusatz bevorzugt.

Gute
5 von 10

„Bodyguard von Peking“ erschien in Deutschland bislang ausnahmslos in geschnittener Form. Der 1995 indizierte Film, dessen Indizierung im Jahr 2020 schließlich wieder aufgehoben wurde, war auf der 2001 erschienenen DVD von Splendid um etwa 30 Sekunden geschnitten. Die Schnitte betrafen allerdings keine Gewalt, sondern lediglich Handlung. In einigen TV-Ausstrahlungen wurde dabei noch zusätzlich die Schere angesetzt.

Diese Rezension basiert auf der 2024 erschienenen Ultra-HD Blu-ray von 88 Films. Hier bekommt man den Actionstreifen völlig ungeschnitten in einer neuen 4K-Abtastung von den Originalnegativen – Dolby Vision inklusive. Der Edition liegt auch eine Blu-ray bei, die man wahlweise auch einzeln bekommt. Unter den Extras befindet sich ein Audiokommentar von Asia-Experte Frank Djeng, ein ausführliches Interview mit dem Drehbuchautoren Gordon Chan sowie der Trailer. Die Erstauflage kommt im matt glänzenden Pappschuber und hat ein DIN A3-Poster mit zwei Motiven sowie ein 20-seitiges Booklet mit Essays von Tom Cunliffe und David West zu bieten.

Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: 88 Films / Golden Harvest__FSK Freigabe: BBFC18 (UK-Release) / FSK18 (deutscher Release)__Geschnitten: Nein__UHD/Blu Ray/DVD: Ja (Ausland) / Ja (Ausland) / Ja

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