Originaltitel: Born a Champion__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Alex Ranarivelo__Darsteller: Sean Patrick Flanery, Katrina Bowden, Dennis Quaid, Costas Mandylor, Reno Wilson, Currie Graham, Maurice Compte, Johnny Jay Lee, Ali Afshar, Christine Kilmer u.a. |
Mitte der 90er Jahre starteten auf Sat.1 mit großem Werbeaufwand „Die Abenteuer des jungen Indiana Jones“. Die aufwändige, von George Lucas produzierte und in einer Folge sogar Harrison Ford auffahrende Serie schlug beim Autor dieser Zeilen vor allem aufgrund der Episoden rund um den ersten Weltkrieg voll ein. In diesen spielte Sean Patrick Flanery den jungen Indiana Jones in seinen Flegeljahren. Und seitdem bin ich ein verkappter Fan von Flanery.
Klar, der Mime hat einige Langweiler auf dem Kerbholz („Deadly Impact“, „Acceleration“ oder „Assault on Station 33“ seien genannt). Dem stehen mit „The Boondock Saints“ oder „Sinners and Saints“ aber auch echte Brecher gegenüber. Und sogar Trash wie „Lasso“ funktioniert, weil der Mime einen herrlich seltsamen Auftritt darin bestreitet. Kurzum: Was ich von dem Mimen mitnehmen konnte, habe ich mitgenommen. Sein neuester Streifen „Born a Champion“ ließ in vielerlei Hinsicht aufhorchen.
Sean Patrick Flanery produzierte hier nämlich nicht nur, sondern ersann auch die Story und schrieb am Drehbuch mit. Zudem bestreitet er die Hauptrolle. Und ein mir zwar bekannter, aufgrund seiner Rollen- und Projektauswahl aber nie sonderlich präsenter Fakt tritt hier endlich mal ganz offensichtlich zutage: Flanery ist ein Schwarzgurtträger im Brazilian Jiu-Jitsu! Dementsprechend choreografierte er auch alle Fights des Streifens selbst.
Sean Patrick Flanerys Ode an Brazilian Jiu-Jitsu
Flanery spielt Mickey Kelley. Als wir dem das erste Mal begegnen, befindet er sich auf einem Flug gen Dubai. Er wurde engagiert, um dem Sohn eines Scheichs Brazilian Jiu-Jitsu beizubringen. Eine Woche später kehrt Mickey in seine Heimat zurück und hat nicht nur viele Erfahrungen gesammelt, sondern auch seine große Liebe gefunden. Mit seiner Layla macht er sogleich Nägel mit Köpfen und heiratet sie. Als sich Nachwuchs ankündigt, packt Mickey der Ehrgeiz.
Er will seinem Kind etwas bieten können, weshalb er an einem Ultimate-Fighting-Turnier teilnimmt. Wider Erwarten schlägt sich der Grappling-Experte hervorragend und dringt bis ins Finale vor. Hier wird er von dem aufstrebenden Talent Marco Blaine unfair attackiert und derart vermöbelt, dass er beinahe sein Augenlicht verliert. Mit seiner Karriere als Fighter ist es damit vorbei. Die Geburt seines Sohnes lenkt ihn von all dem Ungemach ab und er geht vollkommen in seiner Vaterrolle auf.
Jahre später gilt Marco Blaine als unbesiegter Superstar. Da holt ihn die Vergangenheit in Form eines Videos ein. Auf diesem ist klar erkennbar, dass er Mickey vor Jahren nur mittels unfairer Mittel geschlagen hat. Als die Diskussionen im Internet losgehen, ob Mickey ihn hätte besiegen können, rückt für den immer noch eisern trainierenden Jiu-Jitsu-Experten die Möglichkeit eines Revanche-Fights in greifbare Nähe. Doch brutale Schicksalsschläge stehen ihm mehr als einmal im Weg.
Schaut in „Born a Champion“ mit Sean Patrick Flanery hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=kAQdkTvTZ2U
Geht man mit dem Vorsatz an „Born a Champion“ heran, einen krachledern furiosen Kampfsportfilm zu erleben, wird man von dem ruhig und konzentriert erzählten Film ganz sicher auf dem falschen Fuß erwischt werden. Mit seiner starken Fokussierung auf das Drumherum und das Zwischenmenschliche erinnert der Film eher an ruhige Genre-Vertreter wie „Rocky“ oder „Karate Kid“.
Schon der Einstieg verläuft im Vergleich zu anderen Genrevertretern vollkommen untypisch. Denn anstelle eines großen ersten Fights erleben wir die nur leicht kitschige, irgendwie süß rüberkommende erste Begegnung zwischen Mickey und seiner Layla, die ab da ein tolles Pärchen abgeben. Sich gegenseitig beistehen, sich zanken, sich vertragen – und das immer auf ihre Weise. Schon früh wird „Born a Champion“ also gefühlig und drückt dabei durchaus die richtigen Knöpfe.
Denn die beiden Turteltauben sind einem direkt sympathisch und werden von Sean Patrick Flanery und Katrina Bowden („Nurse 3D“) überzeugend mit viel lebenslustigem Leben gefüllt. Interessant ist, was für eine starke Aversion Layla gegenüber der Profession und Leidenschaft ihres Mannes hat. Rollt dann nach einer kleinen Ewigkeit das erste Turnier an, ist es direkt ein kleiner Gänsehautmoment, wenn Layla ihren Mann das erste Mal kämpfen sieht, sich erst abwendet und dann doch recht fasziniert ihrem Mann zuschaut. Denn dank Mickeys Art der Ausführung seines Kampfsportes hat dieser nichts Brutales, wirkt eher anmutig und schön.
Sean Patrick Flanery zeigt hier dann direkt auf, dass er den schwarzen Gürtel im Jiu-Jitsu nicht umsonst trägt. Eigentlich bin ich ja kein großer Fan des Grapplings, aber Flanery zeigt hier so großartig flüssige Transitions und Griffvariationen, dass er vollkommen ohne Schläge, Tritte oder dergleichen auskommt. Das ist schon eine eindrucksvolle Demonstration.
Ist er dann trotzdem – der Dramaturgie des Filmes folgend – gescheitert, hat der Kampfsport ein wenig Pause. Aber nie ganz. Denn parallel zu Mickeys Schicksal wird auch ein wenig die Geschichte des MMA in den USA aufgerollt. Die Diskussionen darum werden thematisiert, ebenso die eigentliche Geburtsstunde und die etablierten Regeln.
Das ist ein interessanter Unterton, der freilich auch deshalb immer wieder in den Film einfließt, weil Mickeys Jiu-Jitsu-Background mit den Grappling-Techniken ja ein wesentliches Element des MMA werden wird/heute ist. Allerdings erzählt der Film keine wahre Geschichte. Er ist vielmehr Flanerys Liebeserklärung an den Sport, was er im Abspann mit einer Danksagungstafel noch dick unterstreicht.
Ist Gras über die erste niederschmetternde Niederlage gewachsen, bekommen wir ein paar Klischee-Sequenzen des Genres. Etwa eine musikalisch anfeuernd untermalte Trainingsmontage, in der Flanery, inzwischen ja auch schon 55, ordentliche Körperbeherrschung beweist.
Danach wird es noch einmal dramatischer und dann steigt auch schon das perfekt inszenierte Finale, das selbstbewusst alles heraufbeschwört, was Filme des Genres ausmacht: Ein Kampf David gegen Goliath, eine letzte verzweifelte Wette, ein brutales Handicap, tolle Musik, eine spannende Inszenierung und ein großartig choreographierter Fight, in dem Flanery dann vollends zeigt, was er kann. Wenn hier unvermutet die Ringglocken zu den Pausen läuten, ist man als Zuschauer genauso aufgeputscht wie Mickey im Ring. Großartig.
Interessant ist auch, dass wenn Flanery Hiebe und Tritte kassiert, man auch als Zuschauer unvermutet zusammenfährt, weil sein Mickey mit seinen Grifftechniken irgendwie immer unterlegen und schutzbedürftig wirkt. Ebenfalls auffällig ist, dass „Born a Champion“ seine Figuren nicht endlos kassieren lässt. Meist ist nach ein oder zwei heftigen Schwingern sehr realitätsverbunden Feierabend. Mit teils verheerenden gesundheitlichen Folgen.
„Born a Champion“ ist auf seine Weise sehr gelungen
„Born a Champion“ ist ein Film der eher leisen Töne, der mit durchaus glaubwürdigen Figuren und ebensolchen Motiven gesegnet ist und von starken Darstellern (zu Flanery und Bowden gesellen sich Dennis Quaid („KIN“) als Manager von Blaine, Maurice Compte („Criminal Squad“) als bester Freund von Mickey, Costas Mandylor („Cosmic Sin“) als reicher Grieche, ein paar echte MMA-Größen sowie Flanerys Söhne Charlie und Porter, die Mickeys Sohn in verschiedenen Jahrgängen verkörpern) angetrieben wird. Leider ist der Film mit 110 Minuten Laufzeit ein wenig zu lang geraten und hätte sich manche Momente einfach schenken sollen.
Dabei bleibt vor allem der irritierend egale, viel zu lange und einzige Dialog zwischen Quaid und Flanery in Erinnerung. Dramatisch sollte sich bestimmt auch der mithin traurigste Moment im Film anfühlen, bei dem der ansonsten stilsichere, mit angenehm warmen Farben und breiten Bildern arbeitende Regisseur Alex Ranarivelo auf das Stilmittel der Auslassung setzt – was hier aber die mögliche Dramatik unglücklich verpuffen lässt.
Richtig überfahren wird man als Zuschauer dagegen von dem starken Finalkampf, in dem Sean Patrick Flanery der von ihm geliebten und gelebten Kampfsportart des Brazilian Jiu-Jitsu ein toll choreografiertes, spannend anzuschauendes Denkmal setzt. Auch sonst erweist er seinem Sport viel Ehre. Lässt ein wenig hinter die Kulissen blicken und beeindruckt damit, dass er den Grappling-Techniken des MMA durchaus reizvolle Seiten abzugewinnen vermag. Im Großen und Ganzen ergibt das einen dramatischer angehauchten, charaktergetriebenen, in Teilen angenehm realistischen, hier und da auch mal hinreißend kitschigen Kampfsportstreifen, den man mit einem absolut ernst gemeinten „schöner Film“ wieder aus dem Player nimmt.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 9. Juli 2021 von Capelight Pictures. Mit einer Freigabe ab 16 ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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