Originaltitel: Braven__Herstellungsland: Kanada__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Lin Oeding__Darsteller: Jason Momoa, Garret Dillahunt, Stephen Lang, Zahn McClarnon, Jill Wagner, Sasha Rossof, Brendan Fletcher, Sala Baker, Teach Grant, James Harvey Ward, Fraser Aitcheson, Tye Alexander u.a. |

In Lin Oedings „Braven“ bekommt es Jason Momoa mit Schurken in der Wildnis zu tun
Bisher hatte Regisseur Lin Oeding in erster Linie für Fernsehserien wie „Blood Drive“ gearbeitet, 2012 aber bereits mit dem Kurzfilm „Wake“ eine Art Bewerbungsvideo für Actionweihen gedreht. 2018 bedient dann auch sein erster Langfilm „Braven“ das Actiongenre.
Der in Kanada gedrehte und dort spielende Film nimmt mal wieder den einfachen Kerl als archetypischen Genrehelden. Joe Braven (Jason Momoa) hat schon einen für sich sprechenden Nachnamen, betreibt eine Holzfirma und hat neben einem Häuschen in der Stadt noch eine Hütte im Wald, wie man aus den ersten Szenen erfährt. Daheim warten Gattin Stephanie (Jill Wagner) und Tochter Charlotte (Sasha Rossof), während Joes Vater Linden (Stephen Lang) zu einer Belastung für die Familie wird: Seit einem Unfall ist er zunehmend verwirrt, vergisst Dinge und sorgt mit seinem Verhalten für Ärger in örtlichen Pinte. Immerhin gibt dieses Fehlverhalten den Anlass für eine der beliebtesten Sorte von frühen Actionszenen in einem Genrefilm: Der Kneipenschlägerei, in der Joe und Linden ihre Durchschlagkraft gegen drei Kontrahenten beweisen.
Derweil hat Joes Angestellter und Holzfahrer Weston (Brendan Fletcher) einen Nebendienst als Drogenkurier gefunden, der ihn und Verbindungsmann Hallett (Zahn McClarnon) vor Probleme stellt, als Weston mit dem LKW einen Unfall baut. Bevor die Polizei kommt, entfernt man die heiße Ware und versteckt sie in Joes Waldhütte, da Joe diese derzeit nicht nutzt. Weston und Hallett lassen sich von der Polizei nach der Unfallaufnahme zu einem Motel mitnehmen, von wo aus sie Drogenschmugglerchef Kassen (Garret Dillahunt) über die missliche Lage informieren. Der erweist sich bei seinem ersten Auftritt schon als angemessen fieser Lump, der nicht nur das Rauchverbot in einem Diner ignoriert, sondern vor lauter Zeugen einen unfähigen Gefolgsmann zu Klump prügelt.
Am Folgetag bricht Joe ungeplant mit Linden zur Hütte auf, da er mit seinem Vater dort in Ruhe über eine Unterbringung in einem Heim reden will. Dummerweise machen sich auch die Gangster auf den Weg dorthin um ihre Drogen zu holen. Da Joe, Linden und die heimlich mitgereiste Charlotte von der schwer bewaffneten Truppe als unliebsame Zeugen angesehen werden, kommt es zum Überlebenskampf…
httpv://www.youtube.com/watch?v=hOwIQNA9A8I
Wenn es um Actionfilme geht, in denen die Helden in der Wildnis ihre Liebsten vor Schurken beschützen, muss sich „Cliffhanger“ auch nach „Braven“ keine Sorge um die Pole Position machen, auch nicht „Mörderischer Vorsprung“ und „A Lonely Place to Die“ nicht um die Plätze als Runner-Ups, doch „Braven“ ist ähnlich solide Genreware wie „Hunt to Kill“ oder „Enemies Closer“ geworden. Dabei profitiert Oedings Film vom nicht so häufig genutzten Hintergrund der kanadischen Wildnis, die stimmigen Bildern eingefangen wird, welche die Kälte und die Unwirtlichkeit transportieren, die im sich entspinnenden Überlebenskampf eine wichtige Rolle spielen. Denn Joe ist einer jener Everyman-Helden, der zwar mit Bogen, Messer und Gewehr umgehen kann, aber kein Übermensch ist, was schon die anfangs erwähnte Kneipenschlägerei zeigt: Obwohl Joe und Linden sich am Ende durchsetzen können, so müssen sie einiges einstecken und erleiden Verletzungen. Der Überlebenskampf im Hauptfilm läuft da nicht anders ab.
Dementsprechend ist die Action auch etwas kleiner skaliert und auf Realismus ausgelegt: Joe legt sich selten mit mehr als einem Gegner an, versucht die Schurken zu trennen und greift auf Hilfsmittel von der Bärenfalle über ein Tau bis hin zu seiner Ortskenntnis zurück. So sind die Feuergefechte und Nahkämpfe ohne allzu viel akrobatischen Schnickschnack inszeniert, sondern roh und direkt, aber ästhetisch eingefangen. Und für spektakuläre, manchmal kreative Gegnerbeseitigungen ist da auch immer noch Zeit: Einmal springt Joe durch ein Fenster in die Hütte, rollt sich ab und deckt einen draußen stehenden Kontrahenten mit Schüssen ein, einen anderen Gegner erledigt er, indem er ihm erst eine brennende Axt in den Körper wirft und ihn danach mit hochprozentigem Moonshine überschüttet. Manchmal wird der (verhältnismäßige) Realismus zugunsten des Schauwerts hinter sich gelassen, gerade die finale Gegnerbeseitigung mutet leicht abstrus an, aber man will ja auch ein zünftiges Finale sehen.
Ansonsten läuft das Ganze in erwartbaren Genrebahnen ab, die aber als straight durchgezogener Reißer von etwas mehr 90 Minuten anlegt sind – Lindens Krankheit ist Plotmotiv, wird aber nicht unnötig in den Mittelpunkt gestellt, andere Subplots gibt es kaum, sodass sich „Braven“ wohltuend aufs Wesentliche konzentrieren kann. Manchmal vielleicht etwas zu sehr, denn über Joe und seine Sippschaft erfahren wird nur das Allernötigste. Aber immerhin herrscht Gleichberechtigung: In Sachen Survivalskills steht Stephanie Joe in kaum etwas nach und der Film nimmt es als erfrischend selbstverständlich hin, dass sie ebenso mit Bogen und Messer umgehen kann wie ihr Gatte. Dessen Waldhütte ist dabei Schauplatz mehrerer Belagerungsszenarien, die einerseits Budget sparen, von der Regie aber ebenso mit solidem Spannungslevel umgesetzt werden wie zwischenzeitliche Exkurse in die Wildnis. Wirklich Überraschendes passiert dabei nicht, doch „Braven“ hat Tempo und die Fieslinge haben durchaus Ausstrahlung, auch wenn vielleicht ein, zwei Informationen mehr ihnen noch mehr Profil gegeben hätten.
Glücklicherweise können die Darsteller noch aus diesen Rollen etwas herausholen. Allen voran Garret Dillahunt, der seine Talente als eiskalter Schurke bereits in Serien wie „Life“, „Burn Notice“ und „Justified“ eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte, und hier als skrupellos mordender Schurkencheffe voll in seinem Element ist. Brendan Fletcher („Rampage: President Down“) als Mitläufer und Zahn McClarnon („Bone Tomahawk“) als großmäuliger Handlanger verleihen ihren Rollen ebenfalls Profil, während die restliche Schurkentruppe oft nur auf Einzelmerkmale (Sniper, Pfeifenraucher etc.) reduziert bleibt. Auf der Heldenseite erweist sich Jason Momoa („Once Upon a Time in Venice“) als kerniger Hero, dem man auch die Familienszenen problemlos abkauft,und dem die Rolle des Naturburschen mit Actionqualitäten sehr gut zu Gesicht (und zum muskulösen Körper) steht. Stephen Lang („Gridlocked“) leistet gelungenen Support als Vater, bei dem körperliche Vitalität und geistige Schwäche eine ungute Kombination abgeben, während Jill Wagner („Vendetta Rider“) und Sasha Rossof („Thinking Speed“) in den Frauenrollen mit den Männern konkurrieren können.
„Braven“ könnte dem Helden und den Schurken etwas mehr Profil verleihen, liefert weder in Sachen Story noch in Sachen Schauwerte wirklich Neues, bietet aber gelungenen, erfreulich schnörkellosen Actionthrill vor eisiger Kulisse mit starker Besetzung. Aus dem knappen Budget macht Oeding – trotz einiger suboptimaler CGI-Einsätze (Feuer, Reh) – eine Tugend, indem er die Schauplätze beschränkt und auf Belagerungssituationen setzt.
Während es bisher noch keine Pläne für eine deutsche Veröffentlichung gibt, ist „Braven“ in Ländern wie den USA oder Großbritannien bereits auf DVD und Blu-Ray erschienen. Die britische DVD kommt von 101 Films, ist ab 15 Jahren freigegeben und hat in Sachen Bonusmaterial ein Making Of und Interview mit Cast und Crew an Bord.
© Nils Bothmann (McClane)
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