Originaltitel: Bullet Train__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: David Leitch__Produzent: Antoine Fuqua__Darsteller: Brad Pitt, Joey King, Aaron Taylor-Johnson, Brian Tyree Henry, Andrew Koji, Hiroyuki Sanada, Michael Shannon, Bad Bunny, Zazie Beetz, Sandra Bullock, Logan Lerman u.a. |
Eigentlich ist es ein leichter Job für einen Killer, der mit dem Decknamen Ladybug unterwegs ist. In Tokio soll er in einen Bullet Train, den schnellsten Zug überhaupt, einsteigen. Hier soll er sich einen Koffer greifen und den Zug an der nächsten Haltestelle wieder verlassen. Dabei gilt es, die beiden Killer Lemon und Tangerine zu übertölpeln.
Die passen zum einen auf den Koffer auf und bewachen außerdem den Sohn des wahren Kofferbesitzers. Letzterer hört auf den Namen White Death und ist sogar in der japanischen Unterwelt gefürchtet. Was würde Lemon und Tangerine da wohl blühen, wenn ihnen der Koffer abhanden käme und der Junge ermordet werden würde?
Ersteres besorgt Ladybug und krallt sich den Koffer. Zweiteres passiert blöderweise ebenfalls. Nur dass nicht ersichtlich ist, wer den Jungen tötete. Schnell wird klar: In dem Zug sitzt noch mehr zwielichtiges Gesindel und alle scheinen Teil eines undurchsichtigen Planes zu sein.
Schaut in den Actionfilm von David Leitch hinein
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„Bullet Train“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Kotaro Isaka. Dieser steht unter der Tagline „Ein Zug, fünf Killer, wer kommt lebend an.“ Und im Grunde hat man damit die Handlung von Roman und Film auf das Wesentlichste heruntergebrochen vor sich liegen. Nur das der Film das Personenkarussell deutlich aufbläst und die Thrillerhandlung des Buches in Richtung eines schwarzhumorigen, temporeichen Actioners aufschließt.
Und so sind es in erster Linie die Art und Weise, wie die scheinbar simple Story erzählt wird, die dem Film seinen Drive geben. Entsprechend lässt er Zuschauer und Figuren lange Zeit im Dunkeln tappen, wer hier welche Rolle inne hat und vor allem, wie und warum die Schicksale der Figuren ineinandergreifen. Das sorgt für Spannung und hält im Film. Der vom Drehbuch angeschlagene Humor funktioniert prächtig und wider Erwarten entpuppt sich das vermeintliche Brad-Pitt-Starvehikel schnell als Ensemblestück, das allen Figuren viel Zeit einräumt und ihnen coole Szenen spendiert.
Sonderlich komplex geraten die nicht, ABER sie sollen auch nur eine Zugfahrt lang interessant sein – und das funktioniert. Vor allem das Duo Lemon und Tangerine gerät so zum unerbittlichen Showstealer, auch und vor allem, weil ihre Darsteller Aaron Taylor-Johnson („Kick-Ass“) und Brian Tyree Henry („Godzilla vs Kong“) prächtig harmonieren, irre spielfreudig unterwegs sind und ein herrlich granteliges Killerduo abgeben.
Womit Regisseur und Ex-Stuntman (er doubelte unter anderem in mehreren Produktionen Brad Pitt!) David Leitch („Deadpool 2“) zusätzlich punkten kann, ist natürlich die Action. Im Zug wird auf engstem Raum der Kampfkunst gefrönt. Verspielt, immer unter Einbindung der Umgebung und mit Sinn für derbere Nicklichkeiten. Leitch selbst möchte Keilereien im Ruheabteil und im Verpflegungswagen des Zuges als Hommagen an Jackie Chan und dessen körperlichen Slapstick verstanden wissen, was beim Zuschauer definitiv genauso ankommt.
Mit zunehmender Laufzeit werden die Actioneinlagen von „Bullet Train“ größer. Züge fliegen über andere Züge, werden aufgerissen, aufgesprengt und Türen fliegen weg. Alles mit viel (gelungenem) CGI und alles zum grundlegend humorigen, überkandidelten Ton des Filmes passen. Abseits des Zuges werden Leute erschossen, fliegen explodierende Karren über die Leinwand und gerät ein Putsch unter Superlumpen zum astreinen Augenfutter. Genauso geil: Ein unfassbar clever und rasant montierter Bodycount mitten im Film.
Man spürt richtig, was für einen Spaß Leitch beim Arrangieren dieser Actionachterbahn gehabt haben muss. Da ist es fast verzeihbar, dass der Showdown dann ein wenig zu derb auf die Kacke haut. Weil Spaß macht’s trotzdem. Gewalttechnisch bewegt sich „Bullet Train“ auf „Deadpool 2“ Niveau: Blut spritzt, es gibt ein paar derbe Tote, Schwerter landen brutal in menschlichen Körpern, Köpfe zerplatzen. Alles aber halb so schlimm, weil mit Augenzwinkern inszeniert, comicesk im Ton und teils sichtlich künstlich.
In optischer Hinsicht fokussiert Leitch überwiegend auf den Schauplatz des Zuges. Der ist zum einen freilich der Haupthandlungsort, zum anderen wurde „Bullet Train“ 2020 gedreht. In der Corona-Hochphase, als ein Impfstoff noch Zukunftsmusik war. Da war ein solch begrenzter Schauplatz Gold wert. Gedreht wurde auf einer gewaltigen Soundstage in Kalifornien und zwei hier aufgebauten Waggons versuchte man, für jede Szene einen individuellen Look zu verpassen. So dominieren mal warme Sepiafarben, mal Orangetöne, mal kalte Farben und mal Komplementärfarben.
Selten öffnet „Bullet Train“ den Fokus. Zeigt Bilder jenseits des Zuges nur, um Charaktere etwas anzureichern, Action zu machen und wichtige Story-Einsprengsel ein wenig vom Rest abzuheben. Unter den dynamischen Bildern tönt ein großartiger, augenzwinkernder Score, der eine Menge zu bieten hat, etwa eine coole asiatische Version von „We don’t need another Hero“. Und das Augenzwinkern wird fast schon zu derb, wenn „Staying Alive“ von den Bee Gees über den Bildern eines Zuges voller Killer schwebt.
Darstellerisch gefällt Brad Pitt („World War Z“) als zwischen überfordert und superschluffig changierender Held, der sich selbst nur zu gerne einredet, immer Pech zu haben, und parallel die haarsträubendsten Actioneinlagen ohne einen Kratzer übersteht. Johnson und Henry habe ich bereits erwähnt. Joey King („Slender Man“) zieht ihr manipulatives Lolita-Ding ordentlich durch, wusste mich aber trotz der interessanten Anlage ihrer Figur nicht abzuholen. Ich kann mit ihr einfach nix anfangen.
Hiroyuki Sanada („Mortal Kombat“) kommt wie der eigentliche Superbösewicht, der in seinen wenigen Szenen aber grandios überinszeniert wird, ein wenig spät im Film an, haut dann aber zumindest im Showdown amtlich einen raus. Unsere Zazie Beetz („Geostorm“) kommt leider ein wenig zu kurz, hat aber auch ein oder zwei gelungene Szenen. Zudem wartet der Film mit witzigen Cameos auf. Eines wird bereits im Trailer zerspoilert, doch selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte ich mich darüber ausgelassen, wie erschreckend Sandra Bullock in „Bullet Train“ dank einer offensichtlichen Überdosis Botox aussieht. Gruselig!
„Bullet Train“ rast ins Fanherz
„Bullet Train“ ist in Sachen Story, Charakterzeichnung und Action eine knallbunte, quietschfidele und total überzogene Actionsause, die teils vollkommen enthemmt in Richtung Groteske steuert. Das ist megaunterhaltsam anzusehen, hat starke Darsteller, wirklich witzige Dialoge und ist obendrein spannend.
Dennoch darf man nicht verschweigen, dass der von Antoine Fuqua („The Equalizer“) produzierte Actioner kurz vorm großen Finale ein wenig seine Leichtfüßigkeit verliert, weil manche Szene und mancher Gag überstrapaziert oder repetitiv wirken. Zudem werden die zahlreichen guten CGIs wieder die üblichen Verdächtigen triggern. In meinen Augen allerdings alles keine Gründe um diesen Actionspaß auszulassen.
Der Film ist seit dem 4. August 2022 in den deutschen Kinos. Verliehen wird er von Sony Pictures Entertainment. Das ganze kommt ungeschnitten mit einer Freigabe ab 16.
In diesem Sinne:
freeman
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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Sony Pictures Entertainment Germany__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 4.8.2022 in den deutschen Kinos |