Originaltitel: Bulletface__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2010__ Regie: Albert Pyun__ Darsteller: Victoria Maurette, Steven Bauer, Morgan Weisser, Jenny Dare Paulin, Scott Paulin, Eddie Velez, Francia Raisa, Michael Esparza, Jeremy Parrish, … |
httpv://www.youtube.com/watch?v=mgaMsG-T5Wk
„Walk away. Let their karma get them.”
„Honey, I am their karma…”
Bei “Bulletface” (2010) handelt es sich um einen eigenwilligen, diverse von “Neo-Noir-Crime-Movies” bis hin zu “Exploitation-Flicks” der ’70er und ’80er reichende Genre-Versatzstücke und cineastische Einflüsse aufweisenden sowie über eine “holprige” Entstehungsgeschichte verfügenden “Rache-Streifen” des berühmt-berüchtigten B-Filmers Albert Pyun (“Cyborg“, “Nemesis“, “Mean Guns” etc.), der damals für nur rund 100.000 Dollar in bloß fünfeinhalb Drehtagen realisiert wurde. Ursprünglich von Skriptautor Randall Fontana (“Bitter Harvest”) mit einem männlichen Hauptprotagonisten als ein Thriller im Stile der klassischen (so genannten) “Schwarzen Serie” Hollywoods konzipiert, wandelte Pyun nach seinem Aufgreifen des Projekts den Lead-Part kurzerhand in eine Frau um und strebte eingangs noch eine stärker Horror-orientierte Herangehensweise im “Sin City“-Look an – siehe einen leicht im Internet zu findenden “Pre-Visualization Test“-Clip aus dem Jahr 2006 – bevor jener Ansatz aus Budget-Gründen irgendwann jedoch ebenfalls wieder fallengelassen sowie das Werk dann letztlich auf “traditionelle Weise” (u.a. frei jeglicher “Green Screen”-Verwendung) verwirklicht wurde…
Obgleich Dara Marren (Victoria Maurette) eigentlich eine Beamtin im Dienste der DEA ist, pflegt sie dennoch aktive Verbindungen zu “bestimmten Personen” innerhalb der kriminellen Szene der amerikanischen Ostküste – und das auf beiden Seiten der Grenze zwischen den USA und Mexiko, über welche ihr jüngerer Bruder Bruno (Michael Esparza) regelmäßig Frauen für einen in L.A. ansässigen Unterweltler namens Eric Muller (Eddie Velez) schleust. Bei einer solchen Aktion werden die Geschwister eines Tages jedoch von mexikanischen Gesetzeshütern “auf frischer Tat” erwischt sowie im Zuge dessen verhaftet: Um Bruno zu schützen, nimmt Dara vor Gericht die Schuld (samt der damit verbundenen Haftstrafe von 25 Jahren) allein auf sich – worauf er (im Gegenzug) als freier Mann nach Kalifornien zurückkehren darf. Der brutalen Willkür der Leute um sich herum nun nahezu hilflos ausgeliefert, erlebt sie hinter Gittern fortan “die Hölle auf Erden” – wird u.a. misshandelt sowie mehrfach (sowohl von Wärtern als auch weiblichen Mitgefangenen) vergewaltigt…
Als Bruno einige Zeit später ermordet wird und man Dara (zwecks Behandlung ihr zugefügter Leiden) in ein ziviles Krankenhaus überstellt, zieht ihr ehemaliger Kollege, der DEA-Agent Walker (Steven Bauer), einige “inoffizielle Strippen” und verschafft ihr so einen 60-stündigen “Freifahrtschein”: Mit Hilfe ihrer alten Connections soll sie in diesen herausfinden, was genau es mit einer neuartigen Droge auf sich hat, die äußerst beunruhigende “Nebenwirkungen” auslöst und zudem eventuell mit zig zuletzt in der Gegend gefundenen Leichen in Zusammenhang steht. Nach dem Wochenende muss sie sich wieder in Gewahrsam begeben – doch hat sie bis dato die Gelegenheit, den (oder die) Mörder ihres Bruders eigenmächtig zur Strecke zu bringen. Mit diesem Ziel kehrt sie also in die “Stadt der Engel” zurück, wo sie im Milieu rasch wieder den erhofften Anschluss findet – u.a. bei ihrer einstigen Freundin Shannon (Jenny Dare Paulin), ihrem Bekannten Josh (Morgan Weisser) sowie Brandon Wexler (Scott Paulin), der die angesagte “Ware” künftig vertreiben will. So manch eine erschütternde (ihr Vorhaben merklich verkomplizierende) Erkenntnis steht ihr allerdings erst noch bevor – während die ihr gegebene Frist unaufhaltsam rasch verstreicht…
Unverkennbar weist “Bulletface” die Handschrift seines Regisseurs auf – was ohne jede Frage und Zweifel sowohl “des einen Freud wie des anderen Leid” sein dürfte. Nachdem ihm Produzenten und/oder Vertreter der jeweils beteiligten Studios in der Vergangenheit immer wieder in die Umsetzung und Vermarktung seiner Projekte “reingeredet” und sich des Öfteren zudem gar aktiv in jene Prozesse eingemischt hatten, ist es Pyun jüngst zunehmend gelungen, die umfassende Kontrolle über die Entstehung und Gestaltung seiner Werke zu erkämpfen bzw. sich derartige Arbeitsgrundlagen selbst zu erschaffen. Vorliegend ist es ihm erstmals möglich gewesen, eine seiner Veröffentlichungen “entlang des kompletten Weges” (bis hin zur 100-prozentigen Ergebnis-Zufriedenheit) zu betreuen – was selbst die Distribution mit einschließt sowie von Anfang 2010 an übers Internet geschah. Ein interessanter Versuch, dessen Erfolg zwar scheiterte – ihm auf jeden Fall aber größere “kreative Freiheiten” bot sowie den Fans obendrein eine nett zusammengestellte “Exclusive 5 Disc Collector´s Edition” bescherte…
Die Handlung vereint unterschiedliche Genre-Einflüsse und Ausrichtungen zu einer Kombination, in deren Zentrum die Rache-Geschichte Daras steht: Eine Kreuzung aus Thriller, Drama und verschiedenen Eigenschaften klassischer “Neo Noirs” – wie etwa die “seelisch vernarbten Persönlichkeiten” der Protagonisten oder die hohe Zahl der sie verknüpfenden Geheimnisse und Verstrickungen. Das “konzeptionelle Fundament” ist durchgehend erkennbar – und das trotz des Verzichts auf ein eigentlich quasi obligatorisch mit dazugehörendes “Hard-Boiled-Voiceover” sowie auch unabhängig der vorgenommenen Anreicherung des Plots mit einigen eher “fremdartigen” Elementen, von denen einzelne gar bis in gewisse “Horror-Gefilde” vordringen. So ist es bspw., dass die neue Droge aus menschlichem Rückenmark hergestellt sowie den “unfreiwilligen Spendern” mit Hilfe einer speziellen Apparatur am Nacken entnommen wird: Ein gewaltsamer Vorgang, den die Betroffenen nie lebend überstehen. Kreiert von einem kaltblütigen Arzt, führt die Einnahme bei den Konsumenten u.a. zu einem äußerst intensiven “High-Gefühl” sowie dunkelrot gefärbten Augen – weshalb sie inzwischen “Red Eyes” genannt sowie aufgrund der Nebenwirkungen mit Vampiren verglichen werden…
Ein sich negativ auf das “Sehvergnügen” des Zuschauers auswirkendes Problem, mit dem “Bulletface” merklich zu kämpfen hat, ist die nicht unbedingt hochwertige Qualität des oberflächlichen Drehbuchs: Inhaltlich wirkt vieles ziemlich “unausgegoren”, die meisten Charaktere sind unsympathisch und “eindimensional”, diverse Andeutungen (wie dass Muller bereits über etliche Abnehmer in wichtigen Macht-Positionen verfügt oder offenbar wohl auch im Gefängnis ein illegaler Organ-Handel betrieben wird) verbleiben unaufgegriffen und so mancher Story-Strang (á la einer, der sich um einen sich stets am Rande des Geschehens aufhaltenden FBI-Agenten rankt) lassen überdies ein zuträgliches Maß an “Substanz” vermissen: Einzig Dara´s Freundschaft zu einer jungen, offenbar häufig von ihrem Zuhälter geschlagenen Prostituierten trägt letztlich etwas ansatzweise “Nachhaltiges” zum Gesamtbild bei – kann aber ebenfalls nicht verhindern, dass einen die meisten Aspekte des Gebotenen im Prinzip vollkommen “kalt” lassen…
Wie schon in “Left for Dead“, liefert die Argentinierin Victoria Maurette (“Tales of an Ancient Empire“) auch in dieser Hauptrolle eine achtbare Leistung ab: Rhythmisch heimgesucht von grausamen Erinnerungen bzw. den “düsteren Dämonen ihrer Vergangenheit”, geht es Dara im Grunde einzig um die Bestrafung der Mörder ihres Bruders, für welchen sie das Martyrium hinter Gittern ja auf sich genommen hatte: Einem Bestreben, dem sie konsequent alle darüber hinaus reichende Faktoren unterordnet – inklusive der Frage danach, wie das Ganze am Ende wohl für sie ausgehen mag. Nicht bloß seitens ihrer “rauchigen” Stimme, äußeren Erscheinung und generell zur Schau gestellten Darbietung markierte die von Natur aus “kantig-herbe” Maurette eine gute Wahl für den Part – und so vermittelt sie die geforderte Kombination aus Entschlossenheit, Coolness sowie einer unter der “harten Schale” Daras zu verortenden “Verletzbarkeit” ebenso stimmig wie glaubwürdig. Anständig gelingt es ihr, den Streifen zu “tragen”, in welchem sie in angrenzend jeder Szene zu sehen ist und dessen Titel sich übrigens auf einen gleich zu Beginn an der Wange erlittenen Streifschuss bezieht…
Dara´s Bisexualität, in deren Rahmen sie Frauen deutlich zugeneigter ist als den “Herren der Schöpfung” und welche aus der Entscheidung heraus resultiert, das ursprüngliche Skript von einem männlichen Lead zu einem weiblichen hin umzuschreiben – dabei allerdings die vorhandenen Beziehungsstrukturen nahezu unverändert zu belassen – stellt eine nette Variation des traditionellen “Geschlechter-Schemas” innerhalb dieses noch immer primär von “möglichst maskulinen Typen” dominierten Genres dar und wird zum Glück auch weder allzu vordergründig noch aufdringlich präsentiert. Jenny Dare Paulin (“Cool Air“) spielt Dara´s ehemalige Geliebte Shannon, mit der sie eigentlich “durchbrennen” wollte, bevor sie dann aber verhaftet wurde, solide – was gleichermaßen für Morgan Weisser (“Infection”) als ihren gemeinsamen Freund Josh sowie die eine “Schlüssel-Position” einnehmende Franca Raisa (“Dirty Lies”) gilt. Während Steven Bauer (“Pit Fighter“) und Scott Paulin (“Knights“) – die beiden erfahrensten Akteure der Runde – ihre Parts routiniert, aber glanzlos “über die Bühne bringen”, enttäuscht Eddie Velez (“Black Dawn”) als “Main Villain” indes nicht gerade unerheblich und sollte man über die restliche Besetzung lieber den “Mantel des Schweigens” bewahren…
“Bulletface” wartet mit diversen “Pyun-typischen” visuellen Stilmitteln auf, die insgesamt den Eindruck eines “zweischneidigen Schwerts” heraufbeschwören: Prima gefielen mir z.B. die gewählten “Split-Screens”, mit denen man selbst in eigentlich eher minder aufregende Sequenzen noch eine gewisse Form von “Abwechslung und Dynamik” zu injizieren vermochte – wohingegen die ständigen “Freeze-Frames” auf Dauer schon zu nerven beginnen; nicht bloß weil jede zentrale Figur bei ihrem jeweils ersten Auftritt per Standbild sowie mit eingeblendetem Namen vorgestellt wird und selbst herannahende “Mexican Federal Agents” als eben solche ausgewiesen werden. Auf diese Weise erhält man regelmäßig auch noch zahlreiche weitere Infos offeriert – wie etwa Dara´s heruntertickender “Stunden-Countdown”, Übersetzungen nicht-englischer Dialogzeilen sowie mehrerlei Orts- und Zeitangaben. Ergänzt um ebenfalls mit eingebundene Flashbacks, wechselnde Abspiel-Geschwindigkeiten, Überblendungen sowie gar noch weitere “Kamera- und Editing-Mätzchen”, fügt sich das alles zu einer nicht reizarmen Impression zusammen, die in so mancher Hinsicht aber “zurückhaltender” hätte daherkommen dürfen…
Bei seiner Umsetzung konzentrierte sich Pyun in erster Linie auf das Erzeugen einer zu der Materie passenden Atmosphäre – was ihm insgesamt recht anständig gelungen ist und auch seitens eines stimmigen Scores seines Stamm-Komponisten Anthony Riparetti (“Road to Hell“) dienlich ergänzt wird. Was angesichts des Titels einige vielleicht verwundern mag: Es gibt kaum “echte Action” zu verzeichnen – und jene Momente wirken ihrerseits überdies noch “leicht ungelenk” arrangiert. Vieles steht definitiv mit den finanziellen Limitierungen und dem damit verbundenen straffen Dreh-Plan in Verbindung – nichtsdestotrotz gebührt Pyun Anerkennung für das in der Kürze der Zeit mit nur ca. $100.000 realisierte Ergebnis. Dank einiger “Indie-Kniffe” – unter ihnen das Verwenden von “HD”-Kameras, einer akribischen Planung der einzelnen Takes sowie einer optimalen Ausnutzung zur Verfügung stehender Locations, von denen es im Prinzip nur fünf gab; inklusive des Hauses eines der Produzenten – sieht man dem Streifen sein geringes Budget nur bedingt an. Unabhängig der Gegebenheit, dass die meisten der in der Post-Production hinzugefügten “digitalen Ergänzungen” (á la Mündungsfeuer, Blutspritzer und Eintrittswunden) ebenso “künstlich” wie “billig” ausschauen, lieferte Pyun alles in allem handwerklich passable Arbeit ab, bei der er übrigens auch auf eine Einstellung aus “Left for Dead” sowie Clips einer vom ihm zuvor gedrehten Rave-Doku zurückgriff…
Irgendwie hat mich “Bulletface” (vom Stil und “Feeling” her) an Pyun´s 1998er Flick “Crazy Six” erinnert: Beides eindeutige Fälle von “Ambience over Action” sowie “Style over Substance”, jeweils ähnlich ruhig, redselig und nicht gerade spannend – jedoch mit verschiedenen brauchbaren Ansätzen und “Hintergedanken” versehen (vorliegend spezielle Ereignisse und Schicksale einfach mal unter dem Gesichtspunkt “Karma” betrachten). Mit gewohntem Auge für ansprechende Bild-Kompositionen hat er erneut ein klar abseits des Mainstreams zu verortendes Werk gestemmt, an dem sich die “Geister” unverkennbar scheiden. Ich selbst fand es über weite Strecken hinweg durchaus “in Ordnung” – bloß hat am Ende ein spezieller Aspekt den maßgeblichen Ausschlag dafür gegeben, dass ich mich “unterm Strich” doch nur für eine Wertung “südlich des Durchschnitts” entschieden habe: Nämlich die Flashbacks zu den Situationen, in denen Dara im Gefängnis sexuell missbraucht wird bzw. genau genommen die konkrete Präsentationsweise dieser…
Da Pyun sich selbst nicht schlüssig darüber war, wie man diese Szenen am besten angehen sollte, wurde die Veröffentlichung immer wieder verschoben – bis er das Duo Joe Baile (“Devil Girl”) und Howie Askins (“Evidence”) traf, welche die brutalen Vergewaltigungen Daras (zum einen von zwei männlichen Wärtern, zum anderen von zwei weiblichen Mitgefangenen) schließlich für ihn umsetzten. Angesehen davon, dass man mitbekommt, dass Maurette dabei von einer anderen Aktrice (Porno-Darstellerin Tiffany Rose) gedoubelt wurde, markiert mein “Hauptproblem” mit diesen Sequenzen, dass man die betreffenden Einstellungen meiner Meinung nach sowohl nicht sonderlich geschickt als auch viel zu “vordergründig” gefilmt hat und jene Momente überdies schlichtweg zu lang ausgefallen sind – was ihnen eine optimale (sprich: wahrlich abstoßende bzw. einen im nötigen Maße “emotional bewegende”) Wirkung letztlich verwehrt sowie den Streifen zudem unvorteilhaft deutlich in “platte Exploitation-Gefilde” abrutschen lässt…
Abschließend bleibt nun also festzuhalten, dass wir es bei “Bulletface” mit einem eigenwilligen, ruhigen, relativ unaufregenden sowie mit etlichen unverkennbaren Schwächen behafteten B-Movie zutun haben, welches man eigentlich kaum einem mehr als nur der Gruppe der “treuen Albert Pyun Fans” empfehlen kann…
knappe
Bis heute (04/2019) ist “Bulletface” noch nirgends auf BluRay erschienen. Die einzige Veröffentlichung auf DVD stellt eine “5 Disc Collector´s Edition” dar, die es mal via AlbertPyunMovies.com zu beziehen gab. Derzeit findet sich auf der Seite AlbertPyun.net zumindest noch eine Möglichkeit, sich den Streifen als Stream “auszuleihen”...
Stefan Seidl
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zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright des “Bulletface” Cover- und Postermotivs sowie der DVD-Screenshots: Curnan Pictures / CMPS / Sofia Films / Sound Logic Studios / Magic Rock Ent.__ Infos zur amerikanischen bzw. internationalen VÖ:__ Freigabe: Unrated__ DVD/BluRay: ja/nein__ |