„Butcher’s Crossing“ ist eine Art Psychodrama im Westerngewand. Nicolas Cage und seine Crew an Büffeljägern reisen für eine Rekordjagd in die Berge und finden tatsächlich riesige Büffelbestände. Doch die Lage bleibt nicht so rosig wie anfangs, als es zu Konflikten innerhalb der Gruppe kommt.
Originaltitel: Butcher’s Crossing__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Gabe Polsky__Darsteller: Nicolas Cage, Rachel Keller, Fred Hechinger, Xander Berkeley, Jeremy Bobb, Paul Raci, Amber Rose Mason, Jeff Medley, Duncan Vezain u.a. |
Trotz seines phasenweise hohen Outputs und seiner Genrevielfalt spielte Nicolas Cage erst rund 40 Jahre nach seinem ersten Leinwandauftritt in einem Western mit, ließ dafür mit „The Old Way“ und „Butcher’s Crossing“ gleich zwei Werke des Genres in kurzer Folge auf das Publikum los.
War „The Old Way“ noch eine vergleichsweise generische Rachegeschichte, so ist „Butcher’s Crossing“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von John Williams, eher dem realistischen Western verpflichtet. Eine Hauptfigur ist der junge Will Andrews (Fred Hechinger), der in das Kansas des Jahres 1874 einreitet und gerade sein Harvard-Studium geschmissen hat, weil er das Leben der Cowboys und Westerner kennenlernen will. Zu diesem Zweck sucht er MacDonald (Paul Raci) auf, der früher mal bei Will und seinem Vater unterkam, sich inzwischen aber eine Existenz als Händler von Büffelfellen aufgebaut hat. Doch der will den jungen, unerfahrenen Mann aus wohlmeinenden Gründen nicht mit den Jagdgesellschaften ausreiten lassen, die für ihn arbeiten, rät ihm zu einer Rückkehr an die Uni.
In dem Städtchen lernt Will auch den charismatischen Miller (Nicolas Cage) und dessen Kompagnon Charlie Hoge (Xander Berkeley) kennen. Miller hat Großes vor, will nicht mehr die ausgedünnten Büffelherden in der Nähe bejagen, sondern den Bestand im Indianergebiet in den Bergen – Herden so groß, dass nichts als deren schwarzes Fell sieht, so beschreibt Miller den Anblick der Büffelpopulation. Will kommt ihm da mit seinem Wunsch nach Abenteuer und seinem Geld gerade recht, denn so kann der Glücksritter die Ausrüstung kaufen und den Büffelhäuter Fred Schneider (Jeremy Bobb) anheuern. Eine klassische Konstellation der Marke „Moby Dick“: Der charismatische An-, aber auch Verführer auf der einen Seite, der abenteuerlustige Jungspund auf der anderen Seite, nur ohne einen Queequeg als helfende Instanz an seiner Seite.
Das Büffeljägerquartett bricht zur Expedition auf und wird tatsächlich an der von Miller bezeichneten Stelle fündig. Miller kriegt seine Rekordjagd, Will kriegt sein Abenteuer und sie alle die Aussicht auf dicke Kohle für die vielen Felle – doch es bleibt nicht so rosig…
Schaut euch den Trailer zu „Butcher’s Crossing“ an
„Butcher’s Crossing“ ist bisweilen eher ein Psychodrama im Gewand eines Western, das auf große äußere Einflüsse verzichtet. Zwar werden klassische Westernbedrohungen kurz erwähnt oder angeteasert, etwa rivalisierende Jägertrupps, Wölfe oder Indianer, die ihr Land beschützen, doch letzten Endes entstehen alle Konflikte aus der Gruppe heraus. Will ist der naive Jüngling, der die Welt sehen will, Charlie der einhändige, streng religiöse und etwas abergläubische Helfer, der Wölfe für eine Inkarnation des Teufels hält, und Fred ist ein raubeiniges Großmaul, das gerne provoziert, aber auch immer wieder als Stimme der Vernunft herhält. Denn es gibt ja Miller, der zunehmend wie eine Mischung aus Captain Ahab und Colonel Kurtz auftritt. Die Rekordmenge an erbeuteten Fellen treibt ihn an, selbst wenn der Trupp diese gar nicht auf einmal mitnehmen kann. So entstehen Spannungen und Konflikte innerhalb der Gruppe, die sich mit jedem weiteren Tag in der Wildnis nur noch verschärfen und schließlich immer mehr Konsequenzen haben, ehe der Film mit gleich mehreren bitteren Pointen endet. Erlösung oder auch nur Erkenntnis ist den Figuren kaum möglich, stattdessen werden sie alle mit den Folgen von Hybris, Fanatismus und Hörigkeit konfrontiert.
Bis es soweit kommt, sind schon rund zwei Dittel des Films herum. „Butcher’s Crossing“ nimmt sich Zeit, wirkt unkonventionell, ja beinahe sogar etwas experimentell in seiner Dramaturgie. Langsam werden die Figuren eingeführt, immer wieder gibt es Momente, in denen Will eigentlich von dem Vorhaben ablassen könnte. MacDonald rät ihm mit den besten Absichten ab, die Prostituierte Francine (Rachel Keller) ist ehrlich an ihm interessiert, er empfindet etwas für sie, traut sich aber noch nicht einmal den Liebesakt mit ihr zu. So mag Miller die charismatischste Figur sein und vom größten Namen im Cast gespielt werden, doch Will macht am ehesten eine Entwicklung durch. Einen großen Raum nimmt die Büffeljagd ein, die Regisseur und Co-Autor Gabe Polsky, der zuvor die Sportdokus „Red Army – Legenden auf dem Eis“, „In Search of Greatness“ und „Red Penguins“ verantwortete, als ein repetitives Handwerk darstellt: Das Leittier schießen, um die Herde orientierungslos zu halten, dann das neue Leittier schießen usw., anschließend die Büffel häuten und zerlegen, Giftköder für die Wölfe aufstellen, abends Büffelfleisch und Gespräche am Lagerfeuer. Das ist bewusst nervenzehrend inszeniert, verdeutlicht es doch, wie sehr das Ganze zur Belastungsprobe für die Männer und speziell Will wird. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass „Butcher’s Crossing“ über weite Strecken auf einen klassischen Spannungsbogen verzichtet, wenn sich die Konflikte erst im letzten Drittel zuspitzen.
Bei der Bebilderung der Büffeljagd spart Polsky auch nicht expliziten Einblicken. Man sieht das Häuten, das Zerlegen, man sieht aber auch den fast maschinellen Charakter des Abschlachtens der Tiere, die auf diese Art von Bejagung nicht vorbereitet sind und deren Fleisch nur zu einem kleinen Bruchteil verwertet wird, weil es den Jägern nur um die Felle geht. Das erinnert an jene Szene in „Der mit dem Wolf tanzt“, in welcher der Protagonist und sein Stamm die Unmengen von Büffelkadavern finden, nur dass „Butcher’s Crossing“ den Weg zu diesem Anblick bebildert. In der Aussage will er das Gleiche wie der Costner-Western, wie eine Texttafel zu Beginn des Abspanns verdeutlicht, welche die historischen Folgen für die Büffelpopulation herausstellt. Die im Film vorkommenden Tiere sind aus den Beständen des Blackfeet-Stammes, auf deren Land Polsky drehen durfte und die an der Erholung der Büffelpopulation arbeiten. Dementsprechend authentisch wirkt der Film, in dem viele Szenen eben mit echten Büffeln gedreht wurden, der wenig auf Computerunterstützung bei seinen Bildern setzt und der Location-Dreh gut zu Gesicht steht.
Ebenfalls authentisch ist auch die Glatze von Nicolas Cage, die dieser sich für den Film rasieren ließ. Seine Darbietung steht jedoch nicht im Zeichen des Overacting, sondern lässt sich eher mit seinen zurückgenommenen Leistungen in Werken wie „Pig“ oder „Dream Scenario“ vergleichen: Er spielt Miller als jemanden, dessen anfänglicher Enthusiasmus und Tatkraft in Fanatismus umschlagen, der sich dann jedoch eher leise bedrohlich als laut geifernd äußert. Fred Hechinger („Fear Street“) ist als neugieriger Jungspund okay, charismatischer kommen Jeremy Bobb („The Continental“) als großmäuliger, unsensibler Häuter und ein kaum wiederzuerkennender Xander Berkeley („City of Lies“) als verschrobener Helferstyp mit Bibel-Faible daher. Paul Raci („The Mother“) und Rachel Keller („Ein Mann namens Otto“) können in etwas größeren Nebenrollen Akzente setzen, der Rest der Belegschaft spielt dermaßen kleine Rollen, dass diese keine Namen, sondern nur Funktionsbezeichnungen haben.
„Butcher’s Crossing“ ist ein Psychodrama im Western-Gewand, eine auf Realismus getrimmte Beschreibung des Büffeljagdhandwerks und Gruppendynamiken. Mit seiner ungewohnten, auf Repetition bedachten Dramaturgie ist er interessant, bisweilen auch etwas eintönig, während Nicolas Cage als Anführer mit einer tollen Perfomance glänzt. Als Experiment nicht gänzlich gelungen, aber doch nicht ohne.
„Butcher’s Crossing“ erscheint in Deutschland bei Splendid Film auf Blu-Ray und DVD, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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