Originaltitel: Captain America: Brave New World__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2025__Regie: Julius Onah__Darsteller: Anthony Mackie, Harrison Ford, Danny Ramirez, Shira Haas, Carl Lumbly, Giancarlo Esposito, Tim Blake Nelson, Xosha Roquemore, Jóhannes Haukur Jóhannesson, Takehiro Hira, William Mark McCullough, Rachael Markarian, Sebastian Stan, Liv Tyler u.a. |
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In „Captain America: Brave New World“ tritt erstmals Anthony Mackie als Cap auf.
In Comicform ist es längst Usus, dass die Aufgaben eines Helden wie Batman, Spider-Man oder Captain America nicht nur von der ursprünglichen Figur, sondern auch von Nachfolgern übernommen werden können. Mit „Captain America: Brave New World“ kommt dieses Konzept nun auf die große Leinwand.
So gibt es den titelgebenden Helden zwar immer noch, aber im Kostüm steckt nicht mehr Steve Rogers, sondern Sam Wilson (Anthony Mackie), der frühere Falcon, hat nun die Kleidung und den Schild seines Kumpels übernommen. Die Flügel seines früheren Superheldenegos nutzt er allerdings weiterhin, hat er im Gegensatz zu Steve Rogers schließlich kein Supersoldatenserum intus, wenn er um die Welt jettet und Missionen im Auftrag der USA erledigt. Bei seinem jüngsten Auftrag trifft er auf die Söldnergruppe Serpent, angeführt von Seth Voelker (Giancarlo Esposito) alias Sidewinder.
Dieser kann Sam zwar entkommen, doch der neue Cap kann sowohl Geiseln befreien als auch die wertvolle Fracht bergen, welche die Söldner für einen Käufer dabei hatten. Trotz Sams Flugfertigkeiten orientiert sich die Action von Anfangssequenz an eher an den früheren „Captain America“-Filmen, sodass Sam körperlich gefordert wird, etwa im Duell mit Copperhead, verkörpert von dem bulligen Isländer Jóhannes Haukur Jóhannesson („Bloodshot“), der ähnlich wie Geoges St-Pierre in „Captain America: The Winter Soldier“ nur für diese zünftige Kampfszene vorbeischaut.
Der neue US-Präsident ist ein alter Bekannter von Sam, nämlich der frühere General Thaddeus Ross (Harrison Ford). Das gespannte Verhältnis der beiden und Ross‘ umstrittene vergangene Aktionen werden vom Film dargelegt, sind MCU-Zuschauern aber noch präsenter aus „Der unglaubliche Hulk“ und „Captain America: Civil War“. Auch Sams Freunde, darunter der neue Falcon Joaquin Torres (Danny Ramirez) und der frühere Supersoldat Isaiah Bradley (Carl Lumbly), werden von „Captain America: Brave New World“ gut genug vorgestellt, die Beziehung zum neuen Cap verstehen Kenner der Serie „The Falcon and the Winter Soldier“ noch besser. Dem MCU-geschulten Publikum ist natürlich auch eine notwendige Umbesetzung bewusst: Harrison Ford („Indiana Jones und das Rad des Schicksals“) ersetzt den 2022 verstorbenen William Hurt in der Ross-Rolle.
Sam, Joaquin und Isaiah werden zu einem wichtigen Termin im Weißen Haus eingeladen, bei dem Ross mit anderen Nationen einen Vertrag über die Nutzung des Adamantiums aushandeln möchte, das sich in den Celestial-Überresten im Indischen Ozean findet. Als es jedoch zu einem Anschlag kommt und Isaiah in die Geschichte hineingezogen wird, begibt sich Sam auf eigene Faust auf die Suche nach den Verantwortlichen…
Schaut euch den Trailer zu „Captain America: Brave New World“ an
Nachdem das MCU in den letzten Jahren nicht nur kommerziell, sondern auch erzählerisch ins Schlingern geriet, kommt „Captain America: Brave New World“ eine gewisse Scharnierfunktion zu, da dieser einige Handlungsstränge verzahnen soll. Die Beinahe-Geburt des Celestials in „Eternals“ hat politisch-wirtschaftliche Implikationen für den Marvel-Kosmos, Ross will Wiedergutmachung für seine frühere Engstirnigkeit suchen und denkt an eine Reaktivierung der Avengers, eine frühere schwarze Witwe könnte in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Und mit den Geheimgesellschaften und Strippenziehern im Hintergrund gibt es Optionen für neue Oberschurken, nachdem der Skandal um Schauspieler Jonathan Majors eventuell verhindert, dass der ursprünglich geplante Kang die zukünftige Hauptbedrohung im MCU wird. Erfreulicherweise funktioniert „Captain America: Brave New World“ immer noch als eigenständiger Film (im Gegensatz zu „Iron Man 2“, der oft eher als „Avengers“-Vorbereitung erschien) und versucht auch ein Publikum abzuholen, das nicht alle vorigen Filme und Serien aus dem MCU gesehen hat.
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Der neue Captain America: Sam Wilson (Anthony Mackie).
In anderer Hinsicht ist „Captain America: Brave New World“ eine Rückbesinnung auf die Vorgänger „The Winter Soldier“ und „Civil War“, ohne ganz deren Klasse zu erreichen. Vor allem deren Politthriller-Ton trifft der Film, weniger wie die 1970er wie in „The Winter Soldier“ (mit entsprechendem Robert-Redford-Casting), sondern eher wie die 1980er und 1990er, auch verkörpert durch das Harrison-Ford-Casting, der ja damals in den Tom-Clancy-Verfilmungen „Die Stunde der Patrioten“ und „Das Kartell“ groß auftrat.
So geht es hier um ein fragiles Gleichgewicht der Supermächte, das von Verschwörern ins Visier genommen wird, zentral das Verhältnis von Japan und USA, die als Hauptverhandlungspartner in Sachen Adamantium auftreten. In der Politthriller-Tradition stehen nicht nur Geheimgesellschaften, gut ausgerüstete Terroristen und unwissentliche Schläfer, sondern auch die Ambivalenzen der Figuren. Hat sich Ross wirklich zu einem Mann entwickelt, der für ein vereintes Amerika, Verständnis und Zusammenarbeit steht, oder ist das nur politisches Schauspiel? Welche Rolle spielt seine Sicherheitschefin Ruth Bat-Seraph (Shira Haas)? Viele Rollen sind nicht klar verteilt, Gewissheit stellt sich erst im Laufe des Films ein.
Der funktioniert nach den Gegebenheiten eines Polit-Actionthrillers, lässt seinen Helden und dessen Verbündete ermitteln, immer neue Schichten der Verschwörung offenlegen und sich dabei selbst in Gefahr bringen. Das funktioniert vor allem in der ersten Filmhälfte ziemlich gut, lässt danach jedoch nach, weil die Karten dann eigentlich auf dem Tisch liegen und man sich den Rest einfach zusammenreimen kann. Hinzu kommt ein ungeschicktes Marketing, das eine bestimmte Szene unbedingt im Trailer zeigen wollte, damit allerdings auch schon offenlegt, worauf der Plan des Bösewichts wohl hinausläuft.
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Thaddeus Ross (Harrison Ford) ist mittlerweile Präsident und will seine vorigen Differenzen mit Sam angeblich überwinden
Tonal ist das Ganze eher ernst, mit den MCU-üblichen Auflockerungen in Form von ein paar kleinen Gags oder flotten Sprüchen – etwa wenn eine etwas pathetische Rede von Bucky Barnes (Sebastian Stan) mit einer flotten Erwiderung etwas abgemildert wird. Geht es in der Haupthandlung um die Weltpolitik, so geht es in Sideplots um Politik im Kleinen. Darum, wie das Heimatland mit dem schwarzen früheren Supersoldaten Isaiah umsprang, aber auch darum, wie USA als Land wieder nach mehr Einigkeit suchen können, wenn sie Differenzen überwinden. Wie auch schon Steve Rogers aus der Vorgängerfilmen ist Sam Wilson ein Captain America, der nicht für dumpfen Patriotismus steht, sondern Menschlichkeit und Verständnis über nationale Interessen stellt.
Weil aber nicht alle in der MCU-Welt wie Sam Wilson sind, muss der Held den Übelwichten zur Freude von Actionfans auf die Pfoten oder auf die Glocke hauen. Das Stunt- und Fighteam rund um Joey Box („Criminal Squad“), Cameron Early („Eternals“) und Travis Gomez („Tyler Rake: Extraction 2“) leistet gute Arbeit, gerade wenn sich der Cap in Nahkämpfen und Shoot-Outs mit Soldaten und Söldner duelliert – nicht immer hat er seine Flügel und seine Gadgets dabei und selbst wenn, dann stimmen die Choreographie und die Körperlichkeit des Ganzen, auch wenn die herausragende Qualität der Arbeit von Sam Hargrave in „The Winter Soldier“ und „Civil War“ nicht erreicht wird.
Im Schlussdrittel wird die Action großformatiger und CGI-lastiger, wenn es erst zu einem Fliegerduell zwischen Superhelden und Kampfjets kommt und später noch ein Final Fight auf dem Programm steht, in dem einer der Kontrahenten eine CGI- und Motion-Capturing-Figur ist. Das hat weniger Bodenhaftung und ist daher nicht mehr ganz so aufregend, bemüht sich im Gegensatz zu manch anderem Superheldenfilm aber immer noch um physikalische Glaubwürdigkeit, sodass auch diese Action trotz kleinerer Aussetzer (das Quasi-Surfen auf einer Rakete) immer noch Druck besitzt.
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Sind die nicht eigentlich grün? Der Red Hulk!
Anthony Mackie („Ghosted“) muss nicht nur in seiner Filmrolle, sondern auch als Schauspieler in große Fußstapfen treten, war sein Vorgänger Chris Evans doch zum Inbegriff von Captain America geworden. An dessen All-American-Hero-Charisma kommt Mackie nicht ganz heran, kann jedoch eigene Duftmarken setzen, wenn er Sam Wilson als jemanden spielt, der immer noch mit der eigenen Rolle hadert, der immer noch Angst hat im Schatten seines Vorbildes zu stehen, aber letztendlich doch immer noch das Richtige tut.
Ein Casting-Coup ist Harrison Ford, den man als Indiana Jones, Han Solo und Jack Ryan als uramerikanische Verkörperung von Tatkraft und Werten kennt, der dieses Image in ausgewählten Filmen aber auch bewusst unterlief – so stellt sich die Frage auch bei seinem Thaddeus Ross, in welche Sparte er gehört. Ford spielt ihn als Tatmenschen, als Macher, der das Beste will, der aber auch ganz andere Seiten zeigen kann, wenn die Dinge anders laufen als von ihm erwartet.
In größeren Rollen überzeugen vor allem Carl Lumbly („Der Untergang des Hauses Usher“) als verbitterter Veteran und Shira Haas („Bodies“) als einsilbige Sicherheitschefin, während Danny Ramirez („Top Gun: Maverick“) als großer Schwachpunkt herauskristallisiert. Seine Perfomance ist blass, er wirkt ein paar Nummern zu klein für die Rolle als Superheld in spe und nomineller Partner des Helden. In weiteren Rollen setzen dagegen Giancarlo Esposito („Abigail“) und Tim Blake Nelson („The Bricklayer“) noch Akzente, Liv Tyler („The Strangers“) schaut für eine Miniszene vorbei, führt dabei aber in erster Linie jede Menge Botox im Gesicht spazieren.
„Guardians of the Galaxy 3“ bleibt zwar weiterhin der beste Post-„Endgame“-Film im MCU, doch „Captain America: Brave New World“ ist ein Schritt in die Richtung früherer Tage. Die Geschichte ist vor allem in der ersten Hälfte recht spannend, die Action ist trotz des unvermeidlichen CGI-Einsatzes um möglichst viel Handarbeit und physische Glaubwürdigkeit bemüht, der Film baut Brücken zu anderen Marvel-Titeln, ohne ein reines Verbindungsglied zu sein. „The Winter Soldier“ und „Civil War“ hatten die Messlatte hochgelegt, da kommt das Sequel unter der Regie von Julius Onah („The Cloverfield Paradox“) leider nicht ganz heran, weil Story und Action im Schlussdrittel etwas nachlassen. Ansonsten ist das Ganze aber gelungene Comic-Action, die mit einer Laufzeit von knapp zwei Stunden erfreulicherweise auch nicht über Gebühr aufgeblasen wird.
Walt Disney bringt „Captain America: Brave New World” am 13. Februar 2025 in die deutschen Kinos, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Marvel / Walt Disney__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 13.02.2025 in den deutschen Kinos |