Originaltitel: Centurion__Herstellungsland: Großbritannien/Frankreich__Erscheinungsjahr: 2010__Regie: Neil Marshall__Darsteller: Michael Fassbender, Dominic West, Olga Kurylenko, Noel Clarke, Liam Cunningham, David Morrissey, Riz Ahmed, JJ Feild, Dimitri Leonidas, Imogen Poots, Ulrich Thomsen, Lee Ross, Axelle Carolyn, Andreas Wisniewksi, Dave Legeno u.a. |

Splattrige Action im Römer-Gewand: Neil Marshalls „Centurion“
Nach dem Erfolg von „Gladiator“ erlebten Historienstoffe ähnlicher Bauart eine Mini-Renaissance: Neben großen Epen wie „Alexander“ oder Kino-Actionhauern wie „300“ kamen dabei auch kleinere Projekte herum, etwa die TV-Serie „Spartacus“ oder Neil Marshalls für zehn Millionen gedrehter, britischer „Centurion“.
Angesiedelt ist „Centurion“ im Jahr 117 nach Christus. Das römische Reich expandiert gen Großbritannien, holt sich aber bei Kämpfen gegen das Volk der Pikten regelmäßig eine blutige Nase. Das bekommt der Centurio Quintus Dias (Michael Fassbender) hautnah mit, als sein Lager nachts von den Pikten überrannt wird und er als einziger Überlebender in Gefangenschaft gerät, da er die Piktensprache spricht. Schon beim Auftakt wird klar, dass es hier nicht um historische Genauigkeit geht, sondern Marshall sich bei den Motiven des Action- und des Kriegsfilms bedient, etwa wenn eine Piktin einem verwundeten Römer beiläufig abknallt, hier allerdings mit einem Bogen anstelle einer Pistole.
Derweil bekommt der volksnahe General Titus Flavius Virilus (Dominic West) einen Spezialauftrag: Mit der neunten Legion, durchs Gelände geführt von der abtrünnigen Piktin Etain (Olga Kurylenko), soll er das Lager des Piktenkönigs Gorlacon (Ulrich Thomsen) ausfindig und dem Anführer den Garaus machen. Dabei beruft sich Regisseur und Drehbuchautor auf den Mythos der verschwundenen neunten Legion, frönt aber in erster Linie seiner Neigung dazu kleine Personengruppen in ein lebensfeindliches Umfeld zu verfrachten: Soldaten in einen von Werwölfen verseuchten Wald („Dog Soldiers“), Höhlenklettererinnen in eine von Monstern behauste Grotte („The Descent“) und eine Spezialeinheit in ein postapokalyptisches Kannibalenrevier („Doomsday“).
Ein erster Erfolg für die Legion ist die Befreiung des fliehenden Quintus Dias, doch danach bricht die Glückssträhne ab: Die Römer geraten in einen piktischen Hinterhalt, werden fast vollständig niedergemetzelt und der General gerät nun in Gefangenschaft. Quintus Dias und die sechs weiteren Überlebenden begeben sich auf eine Rettungsmission im Feindesland…
httpv://www.youtube.com/watch?v=tDu-06Dw2OQ
Um historische Genauigkeit geht es Neil Marshall bei diesem Film nicht, sondern um reines Genrekino, dem man seine Inspirationen schnell anmerkt. Im Abspann dankt der Regisseur Walter Hill, dessen „The Warriors“ Pate für die zweite Filmhälfte stand, in welcher die verbliebenen Legionäre von den Pikten durch die Wälder gejagt und dezimiert werden. Bei manchen Verweisen kann man rätseln, ob es sich dabei um absichtliche Referenzen handelt, z.B. ob die Figur des wehrhaften, messerwerfenden Kochs an Casey Ryback aus „Alarmstufe: Rot“ angelehnt sein soll, „Ich bin nur der Koch“-Spruch inklusive. Ansonsten werden aber pausenlos Standards der Vorbildgenres durchexerziert, von der obligatorischen Folterszene über das bekannte „Dies sollte mein letzter Einsatz sein“-Gerede bis hin zum Sprung vom gigantischen Wasserfall auf der Flucht vor Verfolgern. Zwischenzeitlich erinnert das Ganze auch an Men-on-Mission-Filme wie „Das dreckige Dutzend“ oder „Agenten sterben einsam“, hier eben nur im Römergewand.
Doch bei all der Freude am vorbildreichen Genreradau vergisst Marshall leider, dass für ein zünftiges Spektakel doch besser eine einigermaßen vernünftige Script-Unterfütterung braucht. Doch leider krankt das Drehbuch von „Centurion“ an mehreren entscheidenden Punkten. Zum einen sind die Römer um Quintus Dias nur Pappkameraden mit den üblichen Scherenschnitt-Charaktereigenschaften (opportunistischer Feigling, kampfesmüder Krieger usw.), deren Schicksal dem Zuschauer angesichts derartiger Oberflächlichkeit ziemlich am Hintern vorbeigeht. Zum anderen kommt das Drehbuch von Hölzchen auf Stöckchen, so als misstraue Marshall der eigentlich effektiven Grundprämisse vom Überlebenskampf. Die Rettungsmission erweist sich mitten im Film als beinahe sinnlos, ein Zwischenstopp bei der ausgestoßenen Piktin und vermeintlichen Hexe Arian (Imogen Poots) ist fast reine Laufzeitschinderei: Die sich anbahnende Romanze zwischen ihr und Quintus Dias wirkt komplett unmotiviert, während der Film die Zeit im Haus der Hexe nur für zwei ausgesprochen seichte Spannungsmomente nutzt. Einmal, wenn es um die Frage geht ob die Gastgeberin sie vergiften will, ein anderes Mal, wenn die anderen Pikten nach den verstecken Römern sorgen.
So bleibt Imogen Poots („Need for Speed“) hier auch nur bessere Staffage in einem Film, der mit lauter bekannten Gesichtern besetzt ist, die später meist größere Karrieren machten. Michael Fassbender („X-Men: First Class“) macht einen recht starken Eindruck in der Hauptrolle, auch wenn er – wie die meisten hier – eher körperlich aus schauspielerisch gefördert ist, den bleibendsten Eindruck hinterlassen allerdings einige Nebendarsteller: Ulrich Thomsen („Banshee“) gibt den Piktenchef mit Charisma, leider auch mit wenig Screentime, Dominic West („Tomb Raider“) punktet als General, während Liam Cunningham („24 Hours to Live“) und David Morrissey („Enemies – Welcome to the Punch“) Akzente als Legionäre setzen. Olga Kurylenko („Gun Shy“) müht sich nach Kräften ihre stumme Amazone ähnlich eindrucksvoll zu gestalten, kommt da aber nicht ganz heran, nicht zuletzt, da das Drehbuch ihr nicht genug unter die Arme greift.
Dieses Ensemble schickt Marshall in ein Gemetzel mit rauer Blut-und-Dreck-Ästhetik, das leider inszenatorisch nicht ganz an seine vorigen Arbeiten heranreicht. Einige Szenen, vor allem der nächtliche Überfall auf das Piktenlager und die Vernichtung der neunten Legion, sind von Übersichtsverlust, Wackelkamera und hektischem Schnitt geprägt, außer wenn es um die Splattereffekte geht: Zermatschte Rüben, klaffende Wunde und durchbohrte Leiber gibt es in aller Deutlichkeit zu sehen, der Weg dahin ist dagegen beinahe nur zu erahnen. Bei anderen Actionszenen, vor allem im späteren Verlauf, werden Inszenierung und Choreographie dann deutlich übersichtlicher und besser, etwa beim Duell im Piktenlager oder im Showdown. Für letzteren sind leider nur noch wenige Römer und Pikten übrig, weshalb der dann etwas kurz und antiklimaktisch wirkt.
Die piktischen Verfolger sind, bis auf wenige Ausnahmen, leider eine gesichtslose, anonyme Metzelmasse, denen es daher weitgehend an vernünftigen Schurken in ihrer Mitte fehlt. Immerhin versucht sich Marshall bei der Darstellung der Kriegsparteiengelegentlich an (eher semi-gelungenen) kritischen Zwischentönen: Viele der piktischen Verfolger sind von Rache für erlittenes Unrecht durch Römerhand motiviert, zu der ausgestoßenen Arian waren sie aber kaum besser, und am Ende werden noch ultrakurz die Ränkespiele in der römischen Gesellschaft thematisiert, allerdings ohne Nachhall. So bleiben diese Ansätze unterentwickelt, weshalb „Centurion“ eher als Antiken-Actioner funktioniert, der von Marshall und Kameramann Sam McCurdy („The Legend of Hercules“) in stimmigen Bildern, meist in nüchternen Grau- und Brautönen, eingefangen wird, der Atmosphäre hat.
Doch trotz dieser einnehmenden Inszenierung, des prominenten Ensembles und der Ansätze zu einem zackigen Actionreißer römischer Bauart nutzt „Centurion“ sein Potential nicht aus: Die Action leidet phasenweise unter Übersichtsverlust, während das fahrige Drehbuch den Fluss des im Grunde simplen Survival-Actioners unterschön unterbricht. „Centurion“ ist eine okaye Schlachtplatte für Genrefans, spielt aber nicht in der Liga von Marshalls vorigen Filmen oder dem durchaus ähnlichen „Der 13te Krieger“.
Starke:
In Kino gab es „Centurion“ hierzulande nur auf dem Fantasy Filmfest zu sehen. Danach erschien er ungekürzt mit FSK-18-Freigabe auf Blu-Ray und DVD bei Constantin. Das Bonusmaterial umfasst entfallene Szenen, Outtakes, Featurettes, Interviews mit Cast & Crew, Trailer sowie Infos zu den Darstellern.
© Nils Bothmann (McClane)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Constantin__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |