Originaltitel: Child’s Play__Herstellungsland: Frankreich, USA__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Lars Klevberg__Darsteller: Aubrey Plaza, Tim Matheson, Brian Tyree Henry, Gabriel Bateman, David Lewis, Beatrice Kitsos, Trent Redekop, Ty Consiglio, Hannah Drew, Carlease Burke u.a. |
So richtig weg vom Fenster war die Horror-Ikone Chucky eigentlich nie. Ende der 80er und Anfang der 90er feierte sie mit ihren ersten drei Auftritten ihre größten Erfolge. Wer glaubte, dass damit alles um die Mörderpuppe gesagt war, sah sich spätestens 1998 getäuscht. Als Hongkong-Maestro Ronny Yu sie mit „Chucky und seine Braut“ zu neuem garstigen Leben erweckte. Sechs Jahre später versetzte Don Mancini, eigentlicher Schöpfer des Horrorkultes, seinem Hirngespinst mit dem missratenen „Chucky’s Baby“ beinahe selbst den Todesstoß. Chucky hatte seinen Horror verloren.
2013 reanimierte Mancini Chucky für „Curse of Chucky“ eindrucksvoll und legte 2017 mit „Cult of Chucky“ brutal nach. Er gab der Mörderpuppe ihren ursprünglichen Schrecken wieder, wenngleich diese neuen Gehversuche es nicht mehr ins Kino schafften. Chucky hatte seine Relevanz eingebüßt. Das war dann sicherlich auch ein gewichtiger Grund, 2019 den Film „Child’s Play“ auf den Weg zu bringen. Dieser stellt ein Remake des ersten Chucky-Filmes dar und hatte die Aufgabe, das gesamte Franchise zu rebooten. Und das geht so.
Irgendwo in einem asiatischen Billiglohnland übertreibt es ein Arbeitgeber mit einem sichtlich überspannten Arbeitnehmer. Als dieser einen Einlauf und die Kündigung serviert bekommt, dreht der Arbeitnehmer durch. Er deaktiviert in der KI einer gerade von ihm hergestellten Buddi-Puppe jedwede Schranken für amoralisches Verhalten und begeht danach Selbstmord. Die Puppe gelangt alsbald in ihren Zielhafen: Eine gutbürgerliche amerikanische Kleinfamilie. Doch sie scheint kaputt, weshalb die besorgten Eltern das Spielzeug umtauschen.
So gelangt es in die Hände der kleinen Verkäuferin Karen Barclay, die die Puppe ihrem Sohn Andy vermacht. Der ist ein ziemlicher Außenseiter. Ständige Umzüge entwurzeln ihn immer wieder aufs Neue. Er hat keine Freunde und der neue Freund seiner Mutter nervt ihn tierisch. In dieser Gemengelage weiß er zunächst mit dem Geschenk seiner Mutter nicht viel anzufangen. Immerhin ist er längst dem Alter entwachsen, in dem man noch mit Puppen spielt. Doch die Buddi-Puppe ist ein wahres High-Tech-Meisterwerk, die elektrische Geräte ihrer Umgebung zu steuern vermag, sich mit Clouds verbinden kann und obendrein flucht wie ein Kesselflicker.
Letzteres macht die Puppe, die bald Chucky getauft wird, ziemlich einzigartig. Weshalb Andy sie ebenfalls als einen Außenseiter begreift. So wachsen beide schnell zusammen. Die wider alle Regeln handelnde Puppe bringt Andy auch bald echte Freunde. Doch zunehmend wird das Verhalten der Puppe rabiater. Es gibt bald erste tote Tiere in der Umgebung zu beklagen. Und Chucky weiß sich immer mehr zu steigern.
Schaut in das Remake von “Die Mörderpuppe” hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=9k4s_zT2MFs
Das Drehbuch zu „Child’s Play“ von Tyler Burton Smith bleibt in seinen grundlegenden Abläufen natürlich dem Original verhaftet, etabliert aber auch Neuerungen, die das Franchise fit für ein neues Publikum machen. So ist die Idee, den ganzen Voodoo-Mumpitz der Originalreihe über Bord zu werfen, schlicht und ergreifend großartig. Die Rolle des Geistes in der Flasche übernimmt nun eine lernende Künstliche Intelligenz. Diese erdet das Franchise, verleiht ihr enormen Realismus und sorgt nebenbei für äußerst humorige und auch nachdenkliche Momente.
So kann man ordentlich abfeiern, wenn Chucky etwa neue Schimpfworte oder das Erschrecken von Leuten erlernt. Der Verstand wird gekitzelt, wenn die KI widersprüchliche Signale zu verarbeiten versucht. Etwa wenn Chucky aufgrund von Medienkonsum Gewalt zunächst als spaßig kennenlernt, Andy aber immer wieder versucht, ihm zu erklären, dass Gewalt in der Realität alles andere als spaßig sei. Da die KI in Chucky diesen Widerspruch nie vereint bekommt, darf der Film dann irgendwann munter durcheskalieren.
Und hier greift dann die zweite coole Idee: „Child’s Play“ präsentiert einen Charakter, der in der Lage ist, Modernismen wie das Smart Home oder das Internet of Things gegen uns zu wenden. In diesen Szenen schwingt sogar etwas milde Gesellschaftskritik mit und natürlich dynamisiert sie unseren Puppenkiller deutlich. Der muss sich nun nicht mehr an seine Opfer heranpirschen und sie selbst killen, sondern er kann seine gesamte Umgebung gegen seine Opfer einsetzen.
Das ist freilich alles nichts, was das Genre revolutionieren oder erneuern würde. Aber das war sichtlich auch nie das Ziel. Das wichtigste Ziel war, das Franchise mit neuem Leben zu erfüllen und genau das schaffen derartige Ideen spielend. „Child’s Play“ fühlt sich wahnsinnig frisch, dynamisch und auch spannend an, ohne dabei ein gewisses Quäntchen Ironie und Humor zu vernachlässigen.
Definitiv Geschmackssache ist das Makeover, das Chucky zuteil wurde. War die Puppe noch nie ein Quell an Süßheit, wirkt sie dank dem neuen Design nur noch creepy und irre gruselig. Man fragt sich schon, was das für Eltern sind, die ihren Kindern derartig aussehende Spielzeuge schenken. Davon abgesehen erfreut, dass die Macher um Regisseur Lars Klevberg („Polaroid“) auf einen gelungenen Mix aus Animatronics, Puppenspieltricks und CGI setzen, um die Figur, die gerade vor dem Hintergrund heutiger technischer Möglichkeiten erfreulich altmodisch rüberkommt, zum Leben zu erwecken. Das schräge Organ von Mark Hamill („Star Wars: Die letzten Jedi“), der den bisher bei Brad Dourif liegenden Job übernahm, trägt dazu eine Menge bei.
Auch das natürliche Spiel von Gabriel Bateman („Lights Out“) und seine wie selbstverständlich wirkenden Interaktionen mit Chucky tragen viel zur Lebendigkeit des Puppen-Charakters und des Filmes bei. Als Andys Mutter agiert eine souveräne Aubrey Plaza („Charlies Welt“), der man gerne noch mehr Screentime hätte zuschanzen dürfen. Auch die restlichen Darsteller, vor allem auch die anderen Kinderdarsteller, ziehen ihren Stiefel sauber durch. Für humorige Highlights sorgt Brian Tyree Henry („Widows“) als Cop, der als Nachbar zum einen Freundschaft zu Andy aufbaut und zum anderen aufgrund seines Jobs alsbald mit den Taten Chuckys konfrontiert wird.
“Child’s Play” macht verdammt viel richtig
Was man dem Neustart des Chucky-Franchises vorwerfen könnte, ist, dass er reichlich spät in den Slasherpart übergeht. Dementsprechend ist auch der Bodycount eher als verhalten zu bezeichnen. Dafür kommen die Gorehounds bei den wenigen Mordszenen absolut auf ihre Kosten. Die KI in Chucky killt fast noch derber als das Original. Wann auch immer Chucky Hand anlegt, spritzt das Blut im hohen Bogen, werden Körperteile abgetrennt und setzt es gar ein irres „Texas Chainsaw Massacre“-Zitat, das sich eine lange Zeit durch den Film ziehen darf.
Schade ist auch, dass der Showdown ein wenig überstürzt wirkt und manche Ideen hier nicht zu Ende gedacht wirken. So lässt man den Ansatz, Chucky könnte mehrere seiner Nachfolgemodelle gegen die Menschlein ins Feld ziehen lassen, so schnell wieder fallen, wie er aufgekommen ist.
Doch davon abgesehen ist „Child’s Play“ das absolute Idealbeispiel eines gelungenen Reboots. Es verneigt sich vor dem Original, ohne in Ehrfurcht zu erstarren. Es bringt exakt die richtigen Neuerungen ins Franchise, um die Kult-Ikone auch einen neuem Publikum schmackhaft zu machen. Und man lässt der Figur seine Garstigkeit und macht sie wieder richtig creepy. Dazu gesellt sich eine ungeahnte Kurzweiligkeit sowie eine technisch perfekte Umsetzung mit angenehm farbsatten Bildern und einem feinen Score von Bear McCreary. Dementsprechend kann man die mehrfach im Film ertönende Standardfrage Chucky-KI „Haben wir jetzt Spaß?“ nur mit: „Ja, absolut!“ beantworten.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 22. November 2019 von Capelight Pictures. Mit einer teils gnädig wirkenden FSK 16 ist der Film ungeschnitten. Nette Extras zur Entstehung des Filmes und Sing-Along-Clips zum Chucky-Theme runden die gelungene Veröffentlichung ab. Diese erscheint im Übrigen auch in einem Mediabook.
In diesem Sinne:
freeman
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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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