In „China White“ mischt Regisseur Ronny Yu Gangsterdrama und bleihaltigen Actionfilm. Russell Wong spielt Bobby Chow, der sich zum chinesischen Paten von Amsterdam hochschwingt, aber Stress mit rivalisierenden Banden zu tun bekommt. In der Hongkong-Fassung hat Andy Lau eine Nebenrolle in einer Rückblende, war aber nicht unbedingt freiwillig am Set.
Originaltitel: Gwang Tin Lung Fu Wui__Herstellungsland: Hongkong__Erscheinungsjahr: 1989__Regie: Ronny Yu__Darsteller: Russell Wong, Steven Vincent Leigh, Lisa Schrage, Billy Drago, William Ho Ka-Kui, Victor Hon, Tommy Wong Kwong-Leung, Ku Feng, Ricky Ho Pui-Tung, Frank Sheppard, Andy Lau, Carina Lau, Alex Man, Saskia Van Rijswijk, Ronny Yu u.a. |
Mit „China White“ präsentierte Ronny Yu („Born Hero“) die im Hongkong-Kino spätestens seit „A Better Tomorrow“ beliebte Mischung aus Actionreißer und Gangsterdrama, hier allerdings mal auf eher ungewohntem europäischem Boden umgesetzt und mit deutlichem B-Touch.
Im Chinatown von Amsterdam herrscht eine Hierarchie unter den Gangstern. Der chinesische Pate Onkel Chi (Feng Ku) regiert das Viertel und teilt die Aufgaben unter seinen Leuten auf. Dabei bleibt er in seinem Viertel und expandiert nicht, um sich nicht mit Konkurrenten verschiedenster Nationalitäten und Methoden anzulegen. Mit dem Szenario kann sich „China White“ schon mal von ähnlichen Produktionen abheben, denn die Kulisse Amsterdams bietet eine nette Abwechslung zu den amerikanischen Großstädten.
Doch es beginnt zu brodeln, als einige Untergebene aufbegehren unter der Führung von Phong (Ka-Kui Ho) und sogar Chis Leute überfallen, um selbst mehr Profit zu machen. Chi kann diese jedoch mit seinen engsten Vertrauten, den Brüdern Bobby (Russell Wong) und Danny Chow (Steven Vincent Leigh), an ihre rechtmäßige Stelle verweisen – so glaubt er zumindest. Doch diese arbeiten mit dem italienischen Großdealer Scalia (Billy Drago) zusammen, ermorden Chi bei einem Überfall und zwingen die anderen in dem darauffolgenden Feuergefecht zur Flucht. An den Grachten Amsterdams kommt es zur erste großen Actionsequenz des Films, die den relativ ruppigen Ton setzt, etwa wenn eine Bettgespielin Dannys ins Kreuzfeuer gerät und ihr Leben lassen muss.
Bobby und Danny ziehen sich zurück, begraben Onkel Chi und bereiten sich auf den Gegenschlag vor. Zuerst muss Phong, der Drahtzieher des Attentats, dran glauben. Gleichzeitig versuchen sie dahinter zu kommen, ob noch weitere Gangs in das Attentat involviert waren, während sich Bobby zum neuen Paten von Chinatown aufschwingt und beginnt zu expandieren. Doch Scalia lässt sich dies nicht bieten und Bobby verliebt sich in die Casino-Angestellte Anne Michaels (Lisa Schrage) – die jedoch in Wirklichkeit eine Undercover-Cop ist…
In seiner Mischung aus Action und Dramatik erinnert „China White“ ein wenig an die Hongkong-Werke John Woos, auch wenn er deren Klasse nicht ganz erreicht. Dennoch ist die Handlung überraschend gut erdacht, dafür dass sich der Film zumindest teilweise in B-Action-Gefilden bewegt. Ganz im Stile klassischer Gangsterfilme erlebt man Aufstieg und weiteres Schicksal eines ausgesuchten Verbrecherkreises. Ähnlich wie dereinst Michael Corleone erhebt sich Bobby vom blutigen Anfänger zum gefürchteten Oberhaupt, muss dafür aber auch seine Seele verkaufen. Damit ist „China White“ nicht unbedingt innovativ, bietet eher bekannte Gangsterware und kann nur gegen Ende etwas überraschen. Doch Yu erzählt das mit Tempo, ein paar Längen im letzten Drittel mal ausgenommen, baut manchmal ein paar etwas abrupte Zeitsprünge ein, wodurch der Flow an diesen Stellen etwas abgehackt wirkt. Dafür kann der Film mit seinen Originalschauplätzen protzen, vor allem natürlich Amsterdam, aber es gibt auch eine Passage in Paris, während ein anderes Intermezzo Bobby und seine Getreuen nach Bangkok verschlägt, wo sie einen Revoluzzer-General als Drogenlieferanten gewinnen – an dieser Stelle erinnert der Film an ähnliche Momente aus „Im Jahr des Drachen“.
Der dramatische Aspekt ist recht überzeugend geraten, spielt aber meist eher die zweite Geige hinter dem Gangsterplot. Recht eindrucksvoll ist die Beziehung zwischen Bobby und Anne, da beide lange Zeit nichts von der eigentlichen Beschäftigung des anderen wissen und die Geschichte zwischen ihnen so immer tragischer wird. Denn die Undercover-Ermittlerin wird von Kollegen im Dunkeln gehalten, da sie als Unwissende eine noch bessere Tarnung hat. So bedient sich „China White“ eines eher düsteren Weltbilds, in dem die Polizei nur geringfügig moralischer als die Gangster handelt und man das Gute eher in Einzelbeziehungen wie jener zwischen Bobby und Anne findet, nicht aber in den Institutionen. Ebenfalls recht tragisch ist das Finale des Films, welches überraschend kompromisslos ausfällt, vor allem was das Sterben einiger Figuren angeht. Ruppig ist der Ton sowieso, gerade mit Blick auf die genretypischen Morde und Exekutionen, hier mit dreckigem B-Faktor, etwa wenn Scalia seine beste Killerin einen Knilch mit einer Axt bearbeiten lässt.
Die Actionszenen des Films sind nicht so zahlreich, aber dafür ist die Story halt gut genug, dass sich der Film nicht nur auf diese verlassen muss. Von einigen kurzen Fights abgesehen bietet „China White“ vor allem Shoot-Outs und ein paar Stunts. Alles hier ist noch handgemacht, weshalb einige der Aktionen auch heute noch relativ beeindruckend sind und vom Mut der Stuntleute zeugen, etwa wenn eine Leiter mit einer Person über eine Gracht kippt und auf ein Auto fällt. An größeren Actionszenen gibt es an sich nur das Attentat, die Rache an Phong und den Showdown, doch diese sind allesamt ziemlich gut inszeniert, lassen Yus inszenatorisches Können durchscheinen, haben Schmackes und sind zudem mit vielen blutigen Einschüssen gesegnet.
Russell Wong („Escape Plan: The Extractors“) spielt den Aufsteiger in der Gangsterwelt ebenso charismatisch wie cool, weshalb er ziemlich überzeugend rüberkommt. Auch Lisa Schrage („Prom Night 2“) kann ihre Rolle gut verkörpern und Billy Drago („Delta Force II“) als Fiesling vom Dienst agiert auf gewohntem hohem Niveau – sein Scalia hat zwar enttäuschend wenig Screentime, ist in diesen Szenen aber ordentlich hassenswert. Weitere Akzente setzen Steven Vincent Leigh („Death Match“) als impulsiver Danny und Frank Sheppard („Das Söldnerkommando“) als Annes Undercover-Kollege. In der Hongkong-Fassung des Films ist zudem Andy Lau („City Under Fire – Die Bombe tickt“) in einer zehnminütigen Rückblende zu sehen. Ganz freiwillig war der Star nicht dabei: Er wurde, ebenso wie Carina Lau („Detective Dee und die Legende der vier himmlischen Könige“) und Alex Man („Rich and Famous“), von den Triaden-Produzenten des Films mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen in „China White“ mitzuspielen, zumindest für das Hongkong-Release, bei dem man auf seinen guten Namen bauen wollte.
Trotz solch dubioser Produktionsumstände gelang Ronny Yu mit „China White“ allerdings ein unterhaltsamer Action-Drama-Gangsterfilm-Mix, der aufgrund einiger Längen, des manchmal etwas abgehacktem Flow und seinem B-Appeal nicht ganz die Klasse von John Woos artverwandten Filmen erreicht. Natürlich werden Genrestandards eher bedient als unterlaufen und erweitert, aber als Kost nach bekanntem Strickmuster weiß „China White“ schon zu überzeugen.
Über lange Jahre war „China White“ in vielen Ländern nur auf VHS erhältlich und dort gekürzt, unter anderem in Hongkong und den USA. Die deutsche VHS war auch mit FSK 18 noch um diverse Gewaltspitzen erleichtert. Inzwischen hat Imperial Pictures/Cargo Records den Film hierzulande ungekürzt auf DVD veröffentlicht – man hat dabei die Wahl zwischen der Export- und der Hongkong-Fassung. In Sachen Bonusmaterial gibt es Trailer.
© Nils Bothmann (McClane)
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