Originaltitel: Cooley High__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1975__Regie: Michael Schultz__Darsteller: Glynn Turman, Lawrence-Hilton Jacobs, Garrett Morris, Cynthia Davis, Corin Rogers, Maurice Leon Havis, Joseph Carter Wilson, Sherman Smith, Norman Gibson, Maurice Marshall, Steven Williams, Jackie Taylor, Christine Jones, Lynn Caridine, Mary Larkins, Cherene Snow, Alicia Williams u.a. |
Chicago, Illinois. Cooley High Abschlussklasse 1964. Die letzten Wochen vor dem großen Sommer der Veränderung. In dieser Zeit und an diesem Ort dreht sich alles um die Heranwachsenden des Viertels, die vom Leben noch nicht viel wissen, die aber vor lauter kreativer Energie zu platzen drohen. Keinesfalls wird die Energie ins Lernen investiert, lieber werden da schon praktische Erfahrungen gesammelt, an die man sich später vielleicht mal erinnern wird. Im Klassenraum geht’s drunter und drüber; noch ganz befreit von den düsteren Untertönen späterer „A Dangerous Mind“- und „187“-Generationen, fast schon auf einem Level mit der heiteren Unbefangenheit harmloser deutscher Pennälerkomödien.
Bei den Arbeiten von Michael Schultz lässt man sich gerne mal von der vermeintlich seichten Stimmung aufs Glatteis führen, die er immer wieder so nonchalant zu beschwören scheint. Eine ganze Schulklasse dirigiert er da zum Auftakt im natürlichen Licht des Alltags. Dazu bewegt er sich auf Pulthöhe von einer Sitzreihe zur nächsten, erprobt sogar den typischen Schulterblick zum hinteren Sitznachbarn und studiert aus nächster Nähe voller Interesse, wie sich die Kommunikationspfade quer durch den Raum wie ein Adergeflecht von Mund zu Ohr spannen. Dass die Schüler allesamt schwarz sind und die Lehrerin die einzige Weiße im Raum, mag bereits ein demografisches Indiz für tief verwurzelte gesellschaftliche Muster sein, die in Kürze das Leben der Schüler bestimmen werden. Aber noch ist die Zeit nicht reif für solche Gedanken: „Cooley High“, nach einem Drehbuch von Eric Monte, der selbst Absolvent der Schule war, soll für die afroamerikanische 64er-Generation von Chicago zunächst einmal genau das sein, was „American Graffiti“ für die weiße 62er-Generation von Modeste war, nämlich nichts anderes als der unbeschwerte, beswingte, hoffnungsvoll-sentimentale Übergang von einem Lebensabschnitt in den nächsten, der Aufbruch in ein neues Kapitel.
Dass der mit Anteilen von Comedy und Drama jonglierende Coming-of-Age-Streifen aufgrund seines unverbindlichen Ansatzes zunächst einmal profan wirken kann, ist einkalkulierter Teil des Plans. Es ist einer dieser Filme, über die es inhaltlich gar nicht so schrecklich viel zu sagen gibt, weil sie sich hauptsächlich über etwas definieren, das weit mehr ist als Handlung, mehr sogar als einfach nur eine Stimmung oder eine Atmosphäre: Ein Lebensgefühl nämlich, das gemessen an der kompletten Lebensspanne eines Menschen nur über einen sehr kurzen Zeitraum Gültigkeit besitzt. Die Melancholie im Wissen um ihre Vergänglichkeit ist es, die auch die ähnlich gearteten Werke von Richard Linklater („Confusion – Sommer der Ausgeflippten“, 1993; „Everybody Wants Some!!“, 2016) oder Allan Arkush („Rock ‘n’ Roll Highschool“, 1979) so wertvoll erscheinen lassen; hier ist es nicht anders.
Im Gegensatz zu Schultz’ nächstem Film „Car Wash“ (1976), der sich fest an seinen Schauplatz, eine Autowaschanlage, band, heftet sich „Cooley High“ lieber an die Fersen seiner Protagonisten. Die Schule ist lediglich Startpunkt für eine turbulente, an überlebensgroße Road-Movie-Abenteuer angelehnte Tour durch die Near North Side, in deren Verlauf alle erdenklichen populären Treffpunkte für Jugendliche zur Eroberung freigegeben werden. Das kann ein Kino sein, in dem gerade „Godzilla und die Urweltraupen“ läuft, dessen Gekloppe bald darauf im Saal imitiert wird, oder auch ein Diner, in dem Freund und Feind nur zwei Tische voneinander entfernt sitzen. Vielleicht auch eine Party, wo in abgeschiedenen Räumen Liebesgedichte diskutiert werden, während sich im Wohnzimmer nebenan eine Prügelei anbahnt, oder ein Zoo, in dem man einfach ein wenig Zeit totschlägt, nicht ohne zu registrieren, dass im unschuldigen Ausdruck der Tiere auch etwas vom Menschen selbst verborgen ist. Die Verbindungspunkte zwischen diesen bisweilen wahllos sich ablösenden Locations können je nach Laune mal harte Schnitte sein oder auch zum Spektakel ausgebaute Personentransfers – zu Fuß durch die Gassen, am Heck eines Busses hängend oder in einem gestohlenen Auto vor der Polizei flüchtend. Die Handlung deckt alles und auch wieder nichts ab, sie ist lediglich eine Blase aus Erfahrungen, die das spätere prosaische Ich des Erzählers offensichtlich ausreichend geprägt haben, um einen Film über diese vermeintlichen Nichtigkeiten zu machen, und die letztlich nichts Geringeres als die eigene Identität ausmachen.
Das Ensemble wächst oder schrumpft je nach Episode um mehrere Nebenfiguren, doch letztlich kristallisieren sich mit Glynn Turman als Preach und Lawrence Hilton-Jacobs als Cochise zwei Hauptdarsteller heraus, deren einziger Makel darin liegen könnte, dass sie als Mittzwanziger damals bereits ein wenig zu alt für ihre Rollen waren. Dennoch: Freunde fürs Leben, das spürt man. Hier der angehende Autor (offensichtlich das Alter Ego von Eric Monte), dort der Basketballer und Frauenschwarm (ein Parallelismus zu Montes Jugendfreund Apache) – sie bedienen stark voneinander abweichende Rollenbilder im Mikrokosmos High School, gegen jede Wahrscheinlichkeit zusammengeschweißt. Bei der Konstellation fühlt man sich gleichermaßen an Ben Affleck und Matt Damon in „Good Will Hunting“ (1997) wie auch an Leo Fitzpatrick und Justin Pierce in „Kids“ (1995) erinnert, was erstmals dramatische Untertöne in die Handlung pflanzt. Gerade im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht kommt eine gewisse Unruhe zum Vorschein, die die vermeintliche Endlosigkeit des Sommers dann doch mit einem Ende am Horizont ausstattet.
Und trotzdem bleibt „Cooley High“ beinahe durchgehend ein erstaunlich leichter Film, vitalisiert von einem phänomenalen Soundtrack, der mit „Baby Love“ von den Supremes beginnt, einem Song, den Quentin Tarantino für „Jackie Brown“ (1997) wieder aus dem Plattenregal holen würde, gefolgt von den Marvelettes und den Miracles, den Temptations und Stevie Wonder. Er ist konzeptionelles Verbindungsstück zu „American Graffiti“ und trägt doch enorm dazu bei, sich von George Lucas’ Rock-‘n’-Roll-Klassiker zu emanzipieren, indem er eigene Identifikationsmerkmale für jenen Bevölkerungsteil bereitstellt, der sich mit den schwarzen Jugendlichen aus Chicago zu identifizieren weiß.
Wahrscheinlich ist gerade das die größte Qualität des Films und der Quell der Inspiration folgender Generationen von Filmemachern, die dann zu Filmen wie „Boyz n the Hood“ (1991), „School Daze“ (1988) oder „Juice“ (1992) geführt hat. Es gab natürlich auch vorher schon einige Filme über Afroamerikaner auf dem Weg zum Erwachsensein, aber selten zuvor hatte man welche gesehen, die sich das Recht herausnahmen, sich derart sorglos dem Augenblick des Moments hinzugeben, ohne politische und ideologische Aspekte in den Vordergrund zu stellen. „Cooley High“ unterscheidet sich dahingehend praktisch kaum von vergleichbaren Filmen, die in den Milieus privilegierterer Bevölkerungsgruppen spielen. Gesellschaftliche Konstellationen bleiben dem neutralen Betrachter zwar nicht verborgen, sie beeinflussen aber nicht unmittelbar das Handeln der Figuren, das ganz und gar dem unschuldigen Trieb Jugendlicher entspricht, die sich zutiefst individuell auf ihre nahende Zukunft vorbereiten.
Desillusionierend wird es dann doch noch, als sich das Drama mit einem Schlag den Weg an die Oberfläche bahnt. Die Abruptheit, mit der sich letztlich alles verändert, deutet auf einen holprigen, wenig lyrischen Schreibstil des Drehbuchautoren hin… oder einfach auf die Unwägbarkeiten des Lebens selbst. Ein bisschen Hollywood-Kitsch kann sich auch Michael Schultz nicht verkneifen, um sein Zeitportrait abzurunden. Die Formeln eines Studiosystems kommen bei alldem aber trotzdem kaum zur Entfaltung. Jene Formeln, die „Cooley High“ verwendet, stammen viel mehr aus einer gesunden, vor Vitalität strotzenden Unschuld, die erst spät, aber leider unvermeidlich verloren ist, sobald das Leben sie einholt. Umso wichtiger, sie in Bild und Wort festzuhalten. Der Jahrgang ’64 ist nun schon weit mehr als ein halbes Jahrhundert Vergangenheit, seine Muster spiegeln sich aber weiter in den ersten Jahrzehnten neuer Generationen. Das macht ihn bei aller Besonderheit so nachvollziehbar und lässt ihn zum Spiegel der eigenen Erinnerungen werden, selbst wenn sie nicht in der Cooley High gesammelt wurden.
(knappe)
Informationen zur Veröffentlichung von “Cooley High”
Black Cinema Collection #19
„Hurra, die Schule brennt!“, lautete das Motto in deutschen Landen eher, wenn Filme in den Kinos landeten, in denen es darum ging, dem Pauken zu entkommen. „Cooley High“ soll zwar ein paar Jahre nach Entstehung auch kurzzeitig in einigen deutschen Kinos angelaufen sein, hat aber nie einen breitflächigen Kinostart bekommen und wurde auch später im Heimkino geflissentlich ignoriert, weswegen sich hier nicht einmal ansatzweise ein Kult bilden konnte, der dem Film grundsätzlich nicht weniger zugestanden hätte als den bekannteren, zugleich aber „weißeren“ Variationen desselben Themas. Die USA bekamen immerhin irgendwann eine DVD von MGM im Vollbildformat, bevor 2015 von Olive Films eine erste Blu-ray erschien. Schließlich folgte die Adelung durch die Aufnahme in die „Criterion Collection“ mit einem neuen 4K-Transfer, auf dem die Wicked-Vision-Edition als erste europäische HD-Ausgabe des Films nun aufbaut.
Die Verpackung
Als Poster für die Cover Art stand durchaus einiges an Material zur Verfügung. Eines ist wie bei einigen artverwandten Filmen im Comic-Collage-Stil gehalten, ein anderes orientiert sich als Schwarzweißportrait mit pinkem Schriftzug an stilisierten Gangsterfilmen der 60er Jahre. Die Criterion hatte letztlich ein Foto der beiden Hauptdarsteller in eine edle Zeichnung verwandelt, die „Black Cinema Collection #19“ ziert nun aber ein Foto der Beiden in alternative Pose mit leicht überdrehten Kontrasten in Pastelltönen, wobei der grüne Hintergrund dominiert und gemeinsam mit den Schiebermützen und der Baseballjacke im Vordergrund die Augen auf sich lenkt. Die breitflächigen Bestandteile des Covers übertragen sich auch auf den Filmtitel, der in überdimensionalen Buchstaben über den Köpfen der Darsteller prangt. Das ist nun kein künstlerisches Highlight der Reihe, es kommt aber schnell zum Wesentlichen und vermag sogar das Gefühl zu erzeugen, dass man hier einen zu lange verborgenen Klassiker vor sich haben könnte, der auf dem Cover gar nicht viel mehr zeigen muss als die beiden Hauptfiguren.
Das Booklet
Einen „Klassiker“ nennt Christoph N. Kellerbach seinen Besprechungsgegenstand dann auch gleich in der Überschrift seines Begleittextes im Booklet, das diesmal 36 Seiten umfasst, die fast ausschließlich dem Autoren gehören. Lediglich auf der letzten Seite vor den Credits ist noch einmal das Comic-Motiv ganzseitig in Farbe abgedruckt, ansonsten dominiert der Text. Da „Cooley High“ eine echte Schule war und Ursprung der Erfahrungen von Drehbuchautor Eric Monte, ergibt es Sinn, dass Kellerbach zunächst versucht, ein historisches Bild der Chicagoer Near North Side zu zeichnen. Dazu geht er zunächst einmal sogar bis vor die Zeit des Ersten Weltkriegs, um die wirtschaftlichen und demografischen Veränderungen seitdem aufzeichnen zu können.
Es folgt eine Biografie Montes mit allen Stationen, die ihn auf dem Weg zum Autoren geprägt haben, gefolgt von der Biografie von Michael Schultz, die eine komplett andere Abzweigung nahm, was letztlich auch zu unterschiedlichen Ansichten bei der Umsetzung geführt haben soll. Anschließend kommen einige der wichtigsten Darsteller im Film zur Sprache, wobei vor allem der Abschnitt um die Kleinganoven Stone und Robert interessant ist, wurden diese doch nicht von professionellen Schauspielern verkörpert, sondern von echten lokalen Kleinkriminellen. Einer von ihnen wurde nur wenige Monate nach den Dreharbeiten auf offener Straße erschossen. Auch zur Veröffentlichungsgeschichte werden noch einige Informationen geboten. Der Text endet recht traurig, indem Montes letzte Jahre bis zum heutigen Tag nachgezeichnet werden, die leider nicht unbedingt vom Glück gesegnet waren.
Das Bild
Nach dem Ausreißer „In der Hitze der Nacht“, der als Ultra-HD- und Blu-ray-Combo ausgewertet wurde, sind wir nun wieder zurück beim gewohnten Format Blu-ray und DVD, wobei der Film und die meisten Extras wieder auf beiden Formaten zu finden ist. Bereits im Booklet findet man ein paar Anmerkungen zum gebotenen Transfer: So sei dieser von Regisseur Michael Schultz persönlich in Zusammenarbeit mit Lee Kline, dem Technischen Direktor bei Criterion, angefertigt worden. Anders als auf der alten US-DVD wird der Film natürlich im originalen 1,85:1-Breitbildformat präsentiert, das in frischer 4K-Auflösung erstrahlt, die vom originalen 35mm-Negativ erstellt wurde. Tatsächlich erweist sich das Cover mit seinen steilen Kontrasten als Vorbote des Bildes, das ebenso drastisch mit seinen Farben umgeht. Grelle Türkis- und Grüntöne an Brücken, Zäunen, Türen, Autos und selbst am Himmel sind keine Seltenheit. In dunklen Sequenzen werden auch mal gerne Details verschluckt. Die Beleuchtung pendelt zwischen natürlich und poetisch-realistisch, was dem Film in ausgewählten Passagen einen netten melancholischen Anstrich verpasst. Die Bildschärfe ist eher auf einer weichen Stufe eingepegelt, dafür überzeugen die Punkte Sauberkeit, Stabilität und Homogenität.
Der Ton
Während die Criterion-Disc den Originalton in echtem 1.0-Monoton bot, setzt Wicked Vision aus technischen Gründen bei Monoquellen traditionell auf Zweikanal-Aufteilung und bietet daher ebenso wie die ältere Olive-Films-Disc 2.0-Monoton in DTS-HD Master Audio. Auch diese Tonspur basiert auf einem neuen Mastering. Die Soundtrack-Passagen erschallen wunderbar sauber aus den Boxen. Dialoge und Soundeffekte klingen im Vergleich eine Spur matschiger, aber Rauschen und andere Störquellen sind praktisch nicht vorhanden, so dass alles problemlos verständlich ist.
Die deutsche Synchronisation, die im gleichen Format vorliegt, überrascht dann doch sehr mit ihrer hohen Qualität, wenn man bedenkt, wie stiefmütterlich der Film in Deutschland behandelt wurde und dass er selbst im Kino lediglich im O-Ton mit Untertiteln lief. Angefertigt wurde sie offenbar für eine TV-Ausstrahlung, wird aber nicht einmal in der offiziellen Synchronkartei geführt. Dabei hört man hier einige echte Kaliber heraus, wie Sven Plate („Bugs Bunny“, „Unser lautes Heim“) und Simon Jäger (Matt Damon, Heath Ledger, Josh Hartnett und und und…). Die Hintergründe wirken sogar weniger dumpf als im Original, so dass diese Fassung technisch allermindestens ebenbürtig ist, lediglich auf den (allerdings ohnehin vom Regisseur domestizierten) Slang der Originalfassung muss man verzichten. Untertitel gibt es wie gewohnt in Deutsch und Englisch, auch wenn zum wiederholten Mal nur die deutschen Untertitel auf dem Backcover vermerkt sind.
Die Audiokommentare
Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese indes wären wohl nicht Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese, wenn sie nicht zum 19. Mal in Folge einen Titel der Reihe kommentieren würden. Zum zweiten Mal nach „Friday Foster“ haben sie sich dazu die deutsche Schauspielerin / Moderatorin / Synchronsprecherin Annabelle Mandeng ins Studio geholt, die zwar keine eigenen direkten Erfahrungspunkte in Bezug auf afroamerikanische Kultur oder eine spezielle Expertise für das zugehörige Kino vorweisen kann, die aber eben im Filmgeschäft tätig ist, sich scheinbar mühelos neue Stoffe aneignen und diese präsentieren kann und nicht zuletzt als Tochter eines dunkelhäutigen Afrikaners eine eigene Perspektive auf den Umgang mit Hautfarben und Rassenthemen einbringt.
Demgemäß nimmt der argumentative Verlauf des Gesprächs eine ähnliche Richtung wie bei „Friday Foster“, wenngleich beide Filme in ihrer Machart natürlich völlig unterschiedlich sind. Der Kern von Michael Schultz’s Coming-of-Age-Film wird jedenfalls nicht nur von den Filmexperten Naumann und Klaese, sondern auch von der Gastkommentatorin ganz treffend erkannt und in passende Worte gefasst, auch wenn so mancher Exkurs wieder sehr stark vom besprochenen Gegenstand abdriftet.
Mehr persönliche Konnektivität zu den im Film gezeigten Inhalten zeigt Justin Murray im zweiten Audiokommentar. Zwar ist der Betreiber des „Black Media Man Cave“-Kanals zu jung, um eigene Erfahrungen in den 60er Jahren gesammelt zu haben, seine Mutter allerdings war wohl immer großer Fan des Films und er selbst kennt viele der Darsteller aus anderen Produktionen, die seine Jugend begleitet haben. Die Perspektive, die Murray einbringt, ist weder eine filmwissenschaftliche noch die eines Filmemachers, und dennoch, oder gerade deswegen, erweist sie sich als sehr ertragreich.
Wenn er von den selbst erlebten Hauspartys erzählt und sie mit denen aus dem Film vergleicht, bekommt man ein Gespür dafür, wie sich Zeiten und Normen geändert haben und wie sehr dennoch in gewissem Sinne alles gleich geblieben ist. Murray beweist hier zum wiederholten Mal, dass er mehr für die Einordnung von Filmen zu leisten imstande ist als in 5-Minuten-Clips auf Logikfehler, besondere Schwächen und besondere Stärken eines Films hinzuweisen. Er ist der missing link zwischen den theoretisierenden Ausführungen seiner deutschen Kollegen im anderen Kommentar und den Filmemachern, die ihrerseits leider nicht in einem weiteren Kommentar zur Sprache kommen.
Open-Matte-Fassung
Alle Kommentare und Tonspuren sind auf Blu-ray wie auch auf DVD gleichermaßen enthalten, und selbiges gilt auch für die Extras – mit einer Ausnahme. Exklusiv auf der Blu-ray befindet sich der komplette Film nämlich nochmals in der 1,33:1-Open-Matte-Fassung. Die Tonspuren sind dabei inklusive aller Kommentare identisch zur Hauptfassung, lediglich das Bild ist oben und unten geöffnet, wodurch es zwar nicht mehr der originalen Kino-Maskierung entspricht, jedoch weitere Bildinformationen offenlegt, was die Fassung zu einem wertvollen Zusatz macht. Man folgt damit den Editionen von „Hell Up in Harlem“ und „Sugar Hill“, die ebenfalls in zwei (und mehr) Fassungen zur Verfügung standen.
Podiumsdiskussion
Wenn die Perspektive der Filmemacher bei den Audiokommentaren noch fehlte, so wird sie im Kernstück des Bonusmaterials doch nachgereicht. 2019 fand an der Academy of Motion Picture Arts and Sciences eine Ehrung von „Cooley High“ statt, an der unter anderem Regisseur Michael Schultz, Casting-Direktorin Gloria Schultz und die Schauspieler Robert Townsend (hatte lediglich eine im Abspann nicht erwähnte Cameo-Rolle als Basketballspieler), Lawrence Hilton-Jacobs (Cochise) und Garrett Morris (Mr. Mason) teilnahmen. Die Ehrengäste sitzen auf der Bühne, hinter ihnen eine große Leinwand, vor ihnen die gut mit Publikum gefüllten Sitzreihen, aus denen heraus die Kamera die Podiumsdiskussion relativ statisch, d.h. immer aus der gleichen Position und lediglich in verschiedenen Einstellungsgrößen, aufnimmt.
Es herrscht eine enorm heitere, fast schon aufgedrehte Stimmung. Dem Film gedenkt man mit der üblichen Mischung aus Sentimentalität, Verbeugung vor den Kollegen und einem kräftigen Schlag Selbstironie, während seine Bedeutung für nachfolgende Generationen hervorgehoben wird, doch zwischendurch bekommt man auch einige Fakten vom Dreh serviert, auch wenn diese sicher nicht so detailliert ausfallen, wie es bei einem Audiokommentar möglich wäre. Im Booklet-Text werden viele dieser Erzählungen auch aufgegriffen. Im weiteren Verlauf werden dann noch Music Supervisor Barry De Vorzon und Editor Christopher Horn aus dem Publikum auf die Bühne gerufen, um das Ensemle zu verstärken. Ein ganz besonderes Schmankerl gibt es ungefähr zur Mitte der 67-minütigen Sitzung, als für einige Minuten Ausschnitte aus Michael Schultz’ Debütfilm „Together for Days“ gezeigt werden, der bis zum heutigen Tage unveröffentlicht ist. Der Ausschnitt ist auch deswegen so interessant, weil in einer Szene ein blutjunger Samuel L. Jackson zu sehen ist, der mit diesem Film ebenfalls sein Schauspieldebüt feierte.
Promo-Material
Abgesehen von diesem Kernstück wartet noch das übliche Promo-Paket. Es besteht diesmal aus dem Originalteaser, einem Radio-Spot und einer kleinen Bildergalerie mit insgesamt 26 Bildern. Larry Karaszewski, der unter anderem das Drehbuch zu „Dolemite is My Name“ geschrieben hatte, kommentiert außerdem den „Trailer from Hell“ zum Hauptfilm. Man hätte eigentlich noch das „Blax History Month“-Feature von Justin Murray erwartet, da dieser im Audiokommentar erwähnt, dass er im Rahmen der 28-teiligen Reihe auch „Cooley High“ besprochen hatte, doch das Feature ist nicht vertreten. Dafür gibt es noch ein „Car Wash“-Special mit dem Trailer, einigen Radio-Spots und einem weiteren „Trailer from Hell“ mit Larry Karaszewski zu Michael Schultz’ Nachfolgefilm.
Fazit
Klappe zu für einen der vielleicht besten Filme, die in der gesamten „Black Cinema Collection“ bisher veröffentlicht wurden. In Sachen Extras, technischer Präsentation und Aufmachung gibt es sicherlich überzeugendere Veröffentlichungen in der Reihe, aber was die Filmqualität angeht, macht ihm keiner so schnell was vor – trotz des hierzulande vergleichsweise unbekannten Namens. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen… erst recht nicht, wenn man den alten Motown-Klassikern aus dem Soundtrack nicht widerstehen kann.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie
Die Black Cinema Collection bei den Actionfreunden:
01: Slaughter [1972]
02: Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs [1970]
03: Strasse zum Jenseits [1972]
04: Ghetto Busters [1988]
05: Die Organisation [1971]
06: Foxy Brown [1974]
07: Car Wash [1976]
08: Coffy [1973]
09: Visum für die Hölle [1972]
10: Black Caesar – Der Pate von Harlem [1973]
11: Cotton Comes to Harlem [1970]
12: Riot – Ausbruch der Verdammten [1969]
13: Hit! [1973]
14: Vampira [1974]
15: Sugar Hill [1974]
16: Hell Up In Harlem [1973]
17: Friday Foster [1975]
18: In the Heat of the Night [1967]
19: Cooley High [1975]
20: Hammer [1972]
Sascha Ganser (Vince)
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