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Cotton Comes to Harlem

Originaltitel: Cotton Comes to Harlem__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1970__Regie: Ossie Davis__Darsteller: Godfrey Cambridge, Raymond St. Jacques, Calvin Lockhart, Judy Pace, Redd Foxx, Emily Yancy, John Anderson, Lou Jacobi, Eugene Roche, J.D. Cannon, Mabel Robinson, Dick Sabol, Cleavon Little, Teddy Wilson, Maxwell Glanville, Arnold Williams, Van Kirksey u.a.

Cotton Comes to Harlem Banner

Cotton Comes to Harlem

Das Cover von “Wenn es Nacht wird in Manhattan”, aka “Cotton Comes to Harlem”.

Man kennt ihn als etablierten Topos aus unzähligen Western: Den Steppenläufer. Wo er von links nach rechts durchs Bild weht, da herrscht allenfalls noch ein trockenes Pfeifen, wenn nicht absolute Totenstille. Als einziges dynamisches Bildelement symbolisiert das rollende Gestrüpp traditionell die Inaktivität seines Umfelds. Aber wehe, man lässt mitten in Harlem einen Baumwollballen auf der Straße liegen! Plötzlich gerät der ganze Ameisenhaufen in Bewegung und es entsteht ein regelrechter Tanz der Partikel um das unbewegliche Objekt herum. So sind sie eben wohl gepolt, die Organismen im Viertel.

Wenn so ein Ballen Baumwolle in Harlem landet, dann landet damit natürlich im übertragenen Sinne ein Stück afroamerikanische Geschichte in der postindustriellen Großstadtrealität. Schließlich sah man noch weit über das verfassungsrechtliche Ende der Sklaverei hinaus schwarze Arbeiter, die auf Baumwollplantagen täglich unzählige Stunden für die Ernte eingesetzt wurden. Nur ein weiterer Topos des Kinos, gewissermaßen. Solche Bilder stehen heute sinnbildlich für Armut, Abhängigkeit und Ausbeutung. Das Harlem des Jahres 1970 müsste von derartigen Zuständen zumindest durch die zwischenzeitlich aufgekommene Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er isoliert sein. Die hohe Kriminalitätsrate sprach aber dafür, dass immer noch eine sehr konkrete Verbindungslinie zur blutigen Vergangenheit bestand.

Wenn es also heißt „Cotton Comes To Harlem“, dann geht es auch um die Eroberung eines ehemals weißen Stadtteils in Manhattan durch die afroamerikanische Bevölkerung. Regisseur und Drehbuchautor Ossie Davis (dem jüngeren Publikum vor allem bekannt als John F. Kennedy an der Seite von Bruce Campbell in „Bubba Ho-Tep“) verwandelt das kleine Stück vom New Yorker Kuchen mit tatkräftiger Unterstützung durch die Anwohner in ein buntes Potpourri, das mit viel Schwung und kräftiger humoristischer Schlagseite von jenen Themen erzählt, mit denen es sich am besten auszukennen meint: Betrug und Scharlatanerie.

Versucht man im Nachgang, sich die Eckpunkte der Handlung in Erinnerung zu berufen, so bleibt erstaunlich wenig Handfestes zurück. Im Wesentlichen geht es um einen Prediger namens O’Malley (Calvin Lockhart, “Katanga“), der auf der Straße als Heilsbringer in Erscheinung tritt, dem aber zwei argwöhnische Detectives mit den einprägsamen Namen Gravedigger (Godfrey Cambridge, “Beware! The Blob“) und Coffin (Raymond St. Jacques, “Der Liquidator“) nicht so recht über den Weg trauen. Ihr Instinkt trügt sie nicht, denn während die Öffentlichkeit den Baum vor lauter Wolle nicht sieht, durchschauen die Detectives sofort, dass es O’Malley nicht etwa um das Wohl des Viertels geht, sondern ausschließlich um sein eigenes, das mit dem Diebstahl einer stattlichen Spendensumme von 87.000 Dollar gesichert werden soll.

Mehr ist da nicht, und mehr scheint auch niemand beabsichtigt zu haben. So durchziehen deutlich spürbare Brüche die Handlung und teilen sie in grobschlächtige Rudimente auf, die nur lose miteinander verknüpft sind; wie unverbindliche Skizzen, bei denen eine assoziativ zur nächsten führt. Situationen werden wie Mauersteine aufeinander gestapelt, derer es letztlich nur wenige braucht, um die Mauer zu vervollständigen; hier eine Kundgebung auf offener Straße, dort eine Theateraufführung, dazwischen einige Verwicklungen, et voilà. Nuff said. Nein, mit der nackten Story gewinnt „Cotton Comes To Harlem“ keinen Blumentopf. Eher schon mit den vielen obskuren Situationen, die nebenbei ablaufen. Sie sind zwar kaum entscheidend für den Handlungsfortgang, verleihen der temporeichen Krimikomödie aber erst ihren Zunder.

Schaut in den Trailer von “Cotton Comes to Harlem”

Dass Ossie Davis bezugnehmend auf die Romanvorlage von Chester Himes weniger ein realistisches Straßendrama als vielmehr dessen Überzeichnung im Sinn hat, macht er von der ersten Minute an klar und deutlich. Als Melba Moore zu den Pre-Title-Credits die Zeilen von „Ain’t Now But It’s Gonna Be“ schmettert, trägt die Collage aus Bild und Ton bereits den postmodernen Hauch von Quentin Tarantinos „Jackie Brown“ in sich, obwohl der 1969 gedrehte Streifen selbst zu den ersten nativen Werken jener Welle des schwarzen Kinos gehört, auf die sich ein Tarantino eigentlich bezieht. Letztlich ist das ein Indiz dafür, dass schon Davis als aktiver Filmemacher von innerhalb der Szene dazu in der Lage war, über den Horizont des eigenen Radius hinauszublicken und den übergeordneten Kontext zu begreifen. Denn was er da in Klein- und Kleinstepisoden hinter dem Aufhänger um einen unmoralischen Prediger verbirgt, ist das Portrait eines ethnografischen Wandels, der nicht etwa still und heimlich die US-Bevölkerung unterwandert, sondern mit dem Megafon angekündigt wird. Der Wechsel der Machtverhältnisse vollzieht sich schrill und laut durch steile Kontraste aus schwarz, weiß und bunt, weiblich und männlich, alt und jung, Autoritäts- und Arbeitervolk. Dynamiken, wohin das Auge blickt.

Obwohl die verspielte Regie mit ihren Einfällen zu einem regelrecht comichaften Ergebnis führt, betont sie dabei durchaus die Lebensrealität der Einwohner Harlems. Es mag extrem karikaturistisch wirken, wenn eine alte Dame von einem Straßenkünstler abgelenkt wird, während ein Komplize ihr Kleid von hinten aufschneidet, um an die (in weiser Voraussicht) gut versteckten Wertgegenstände zu gelangen, aber dieses Aufwiegeln von Überlebensstrategien stellt lediglich auf übertriebene Weise dar, was die Realität vorgibt; ebenso wie das Gefeilsche um die Baumwolle, dessen Ausgang durch Verhaltensnormen praktisch derart vorgeskriptet ist, dass beide Parteien den Endpreis der Ware bereits kennen, bevor er überhaupt vorgeschlagen wurde.

Diese Stilmittel werden ganz im Geiste von Chester Himes in erster Linie dazu eingesetzt, Machtverhältnisse ins Gegenteil zu verkehren, gewissermaßen also die Karten neu zu mischen. In einer bemerkenswerten Sequenz soll ein weißer Polizist die schwarze Freundin des Predigers bewachen und muss praktisch willenlos miterleben, wie seine durch Law and Order legitimierte Dominanz nicht nur auf die gewiefte Frau übergeht, sondern er im Verlauf der Auseinandersetzung auch noch jegliche Würde verliert.

Calvin Lockhart passt als Aufschneider natürlich ideal in dieses Schema, bedient er doch einen Rollentypus, wie Burt Lancaster ihn zuvor („Elmer Gantry“, 1960) und Richard Pryor („Car Wash“, 1976) oder Steve Martin („Leap of Faith“, 1992) ihn danach erfolgreich bedient haben. Derartige Charaktere ohne jedwede Moral braucht ein jeder Film über Revolutionen, um zu zeigen, dass ein Umbruch der Machtverhältnisse auch in den eigenen Reihen schwarze Schafe hervorbringen kann. Was Godfrey Cambridge und Raymond St. Jacques anbelangt, wirken deren Ermittler bereits dann wie Serienfiguren, wenn man gar nicht weiß, dass es tatsächlich Serienfiguren sind; die Romanvorlage ist nämlich der sechste Teil einer ganzen Krimireihe und daraus die erste, die verfilmt wurde. Im Chaos der Neuordnung, das Davis fast schon mit der Verschrobenheit späterer Spike-Lee-Filme einfängt, treten die Cops als Hüter der Balance auf. Im Trubel der Masse wird diese Berufung in sehr schönen Einzelmomenten festgehalten – so beispielsweise, als einem Taschendieb die Beute gleich wieder abgenommen wird und das Diebesgut postwendend zum Besitzer zurückkehrt… der die ganze Szene aber gar nicht mitbekommen hat, weil er in beiden Händen Getränke balanciert, weshalb ihm der Arm des Gesetzes die entwendete Börse kurzerhand in den Mund schiebt. Der gelangweilte Blick, den insbesondere Godfrey Cambridge dabei aufträgt, ist reines Comedy-Gold, was die Lust auf eine Fortsetzung anregt… und die sollte ja zwei Jahre später in Form von „Come Back, Charleston Blue“ tatsächlich auch folgen.

Ansonsten lebt „Cotton Comes To Harlem“ von seinen authentischen Sets, dem manchmal ins Experimentelle reichenden Zusammenspiel aus Schnitt und Kamera, den recht aufwändigen Massenszenen (inklusive Show-Finale) und den rasanten Verfolgungsjagden, die im völligen Kontrast zu den lässigen Ermittlungen der Detectives stehen. Die Bierdeckel-Story rückt schnell in den Hintergrund, wenn man erst einmal die Vibrationen im Viertel spürt. Ob man das nun wirklich den Startschuss der Blaxploitation-Welle nennen möchte oder schlicht einen flotten Actionkrimi mit reichlich selbstironischem Humor, ist wahrscheinlich einfach Wortklauberei.

07 von 10

Informationen zur Veröffentlichung von “Cotton Comes to Harlem”

Black Cinema Collection #11

Box Set

“Wenn es Nacht wird in Manhattan” erschien unter dem Originaltitel “Cotton Comes to Harlem” als Starttitel der zweiten “Black Cinema Collection” inklusive hochwertigem Pappschuber.

Schwarzes Kino / deutscher Markt? Das klang nicht unbedingt nach einem „perfect match“, als im Dezember 2020 mit dem Jim-Brown-Streifen „Slaughter“ die zehnteilige „Black Cinema Collection“ eröffnet wurde. Würde der Sammlermarkt hierzulande wirklich genug Interessenten aufbringen, die über die absoluten Klassiker hinaus daran interessiert wären, tief in das schwarze Kino der 70er und 80er einzutauchen? Nun, hinterher ist man immer schlauer. Nach Komplettierung der ersten Box muss man einfach konstatieren: Black Cinema in Deutschland? Anscheinend gar keine so blöde Idee.

Unter den wenigen unbesetzten Nischen, die der gut gesättigte Markt noch bietet, gehört diese nämlich vermutlich zu denjenigen mit den meisten nicht geborgenen Perlen. Der eigentliche Geniestreich lag in dem von vorne bis hinten perfekt durchgeplanten Konzept. Der weit gefasste, aber dennoch klar definierte Überbegriff erlaubt eine heterogene Auswahl an Filmen, die wohl nicht so schnell langweilig wird, und bleibt dabei trotzdem in einem thematischen Rahmen, den eine solche Reihe benötigt. Dazu das inhaltlich erlesene, gut durchgeplante Bonusmaterial, das individuelle Design mit Wiedererkennungswert und nicht zuletzt die schmucke Sammlerbox als Einstiegshilfe… so entstand im Zeitraum von eineinhalb Jahren eine der schönsten Blu-ray-Sammelboxen, die man überhaupt in Deutschland erwerben kann… zumal die enthaltenen Filme nicht nur weitgehend unbekannt, sondern auch nur ungemein sehenswert sind.

Da ist die „“Black Cinema Collection 2“ nicht nur die logische Konsequenz, sondern auch Frucht des mutigen Vorstoßes in unbekannte Gewässer, denn nun hat man eine Marke an der Hand, die hoffentlich auch nach der zweiten Staffel noch nicht das Ende der Reise erreicht hat. Entfernen wir also die Folie des neuen Sammelschubers und tauchen ein in die Gassen von Harlem.

Der Schuber

Einheitlichkeit lautet die Devise, denn man weiß ja schließlich, was Sammler so wollen. In Sachen Maße (B 15,5 + H 17,5 x T 14,0) und Design bleibt auch bei der zweiten Box alles beim Alten. Wieder bietet der Schuber Platz für insgesamt zehn nebeneinander aufgereihte Scanavo Cases, wobei die Nr. 1 natürlich direkt im Lieferumfang enthalten ist. Der restliche Platz wird vorerst von einem Styroporklotz ausgefüllt, damit sich an der Umverpackung keine Knicke bilden. Verkleidet ist der Klotz mit einem Papiereinleger, auf dem schon mal die Backcover-Informationen samt Cover-Artwork verraten werden: Inhaltsangabe, filmhistorische Einordnung, Credits, Ausstattungs- und Disc-Informationen sowie eine kurze Einführung dazu, was bei der „Black Cinema Collection“ zu erwarten sein wird. Außerdem findet man noch eine maschinelle Nummerierung der erneut auf 1500 Stück limitierten Edition.

Auf allen fünf geschlossenen Seiten des stattlichen Würfels werden Ausschnitte der bereits eingeplanten Filme schon mal in einer Collage von Darstellern angeteasert. Aufgemacht ist das Ganze in einem stilbewussten Weißgrau, das wirkt wie der Hinweis auf eine bereits verblasste Vergangenheit. Mit Spotlack ist auf einer Seite das Wicked-Vision-Logo, die schwarze Symbolfaust und der Schriftzug „Black Cinema Collection 2“ aufgetragen, und zwar im exakt gleichen Stil wie bei der ersten Box. Wer die anderen Seiten gegen das Licht hält, entdeckt außerdem wieder Taglines zu einigen Filmen, aufgedruckt in durchsichtigem Spotlack… „Meet the Student Welcome Committee of Cooley High“ („Cooley High“, 1975) zum Beispiel, die omnipräsente Pam Grier in „Wham! Bam! Here Comes Pam!“ („Friday Foster“, 1975) oder der vorliegende Titel mit „Introducing Coffin Ed and Gravedigger. Two Detectives Only a Mother Could Love.“. Sogar die Unterseite ist bedruckt und hat neben dem EAN-Code und der Artikelnummer außerdem noch einen Hinweis auf die Limitierungshöhe zu verbuchen. Die Verarbeitung hat keinen Deut nachgelassen, der hochwertige Druck liegt auf stabiler Pappe, die dem Schuber auch ohne Inhalt Stabilität verleiht.

Die Hülle

Box Set

Schuber mit Amaray Case, Blu-ray, DVD und Booklet. Links zum Vergleich: die abgeschlossene erste “Black Cinema Collection”.

Nicht viel anders sieht es mit der Hülle aus. Ein schönes Mediabook wie im Basisprogramm von Wicked Vision hat etwas für sich, aber wenn man sich die vervollständigte erste Box mit den aufgereihten Scanavos so anschaut, weiß man, dass auch diese Verpackungsform unter den richtigen Voraussetzungen ziemlich schick ausschauen kann. Wie für die Box gilt auch für die Hülle, dass Veränderungen an Design und Layout tabu waren. Das Sleeve ist durchgehend mit weißem Hintergrund gestaltet und weist am oberen Rand einen schwarzen Streifen auf, in den auf der Vorderseite der Schriftzug „Black Cinema Collection #11“ eingefasst ist. Das Artwork findet sich darunter in einem weißen Rahmen wieder. Es handelt sich um eine Abwandlung der Elemente vom Originalposter, die in exakt dieser Zusammensetzung bereits auf der 2014er-Blu-ray von Kino Lorber genutzt wurde. Die Mitte ist mit einer wilden Collage aus Knarren, Autos, harten Typen und leichten Mädchen ausgefüllt, die vor allem durch ihre Farbkontraste im 70er-Stil auf sich aufmerksam machen: Kanariengelb, kaffeebraun, giftgrün, lila-rosa und orange vermischen sich da zu einem avantgardistischen Farbklecks, ganz nach Art der Poster zu „Jackie Brown“ und „Coffy“, während der Originaltitel oben links in gestanzten 3D-Buchstaben inklusive Anführungszeichen wie die Schlagzeile einer Tageszeitung abgedruckt ist. Auf den weniger einprägsamen deutschen Titel „Wenn es Nacht wird in Manhattan“ hatte man wohl keine Lust. Beim Spine bleibt ebenfalls alles beim Alten: Oben das Wicked-Vision-Auge, dann der Filmtitel, die nummerierte Faust, das MGM-Logo und das Blu-ray-Logo. Auf dem Backcover findet man noch einmal die Informationen, die auch auf dem Einleger der Box zu finden waren.

Der Innendruck zeigt Calvin Lockhart als Prediger, der von Raymond St. Jacques als Ermittler mit der Waffe bedroht und dabei unschuldig mit der Schulter zuckt. Das Ganze wieder als Schwarzweißpanorama. Auf der rechten Seite findet man wie üblich die bewährte Disc-Doppelhalterung (die wohl beste Variante von allen Aufstecklösungen) mit einer Blu-ray und einer (fast) inhaltsgleichen DVD. Und links, da ist ein entnehmbares Booklet eingeklammert, diesmal mit einer Stärke von 32 Seiten.

Das Booklet

Wie wir es von den letzten zehn Ausgaben gewohnt sind, verteilt sich der Filmtitel wieder in verschiedenen Transparenzstufen in stetiger Wiederholung über das Cover des Booklets, auf dessen Hintergrund diesmal die Tänzerin aus der finalen Theaterszene zu sehen ist. Und nachdem es Christoph N. Kellerbach in seinem Text zu „Black Caesar“ schwer fiel, vorläufigen Abschied zu nehmen, packt er die Euphorie des Neustarts gleich mal in Fettdruck an den Anfang seines neuen Essays: „Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer: WILLKOMMEN ZUR ZWEITEN BLACK CINEMA COLLECTION!“ heißt es da. Es folgt ein kurzer Ausblick auf das, was in den nächsten Monaten in der Reihe zu sehen sein wird, und obwohl nicht alle Titel beim Namen genannt werden, ist wohl davon auszugehen, dass die weiteren Titel bei Produktionsstart bereits alle feststanden.

Weil Kellerbach immer besonders an den Ursprüngen eines Stoffs interessiert ist, fällt ein Löwenanteil seines Textes auf die Biographie von Chester B. Himes, der die Romanvorlage zum Film schrieb. Die Fakten wurden laut Quellenangabe der offiziellen Autobiografie „The Quality of Hurt“ aus dem Jahr 1971 entnommen. Anhand einschneidender Erlebnisse aus seiner Jugend wird veranschaulicht, wie es dazu kam, dass sich Himes in seinen Arbeiten so intensiv mit Rassenthemen beschäftigte und wieso er überhaupt Autor wurde. Die Episoden um den Alltagskampf von Himes’ Mutter, um Konflikte in der Empfangshalle des Krankenhauses, Eskapaden während des Studiums, Einbrüche, Diebstahl und Gefängnis sind so lebhaft geschrieben, dass man sich die Entstehung der Romane bildlich vorstellen kann. Der Weg führt schließlich zur Hardboiled-Krimireihe um Gravedigger und Coffin, die dann auch zur Verfilmung von „Cotton Comes to Harlem“ führte. Die Überleitung zu dessen Produktion bewältigt Kellerbach durch einen Direktvergleich zwischen Film und Buch, zwischen denen sich eklatante Unterschiede ergäben; neben dem Fehlen essenzieller Charaktere aus dem Buch wie dem Colonel sei dies vor allem der humoristische Tonfall, der den bitteren Zynismus aus Himes’ Feder abgelöst habe. Idealerweise sollte man den Film vor Lektüre des Booklets gesehen haben, da im Zuge dieser Gegenüberstellung einige Details verraten werden. Aber auch zur Produktion selbst weiß der Autor einige Fakten beizusteuern, etwa zur Zusammenarbeit zwischen Ossie Davis und Produzent Samuel Goldberg, zum Komponisten Galt MacDermot, Kameramann Gerald Hirschfeld und natürlich zu diversen Darstellern. Besonders interessant liest sich allerdings die Reaktion der Anwohner Harlems auf den Dreh, die nicht unbedingt alle durchweg begeistert waren, dass Hollywood in ihrem Viertel einen Film produziert, bei dem die Cops die Helden sind.

Das Menü

Legt man schließlich die Blu-ray ein, stellt man fest, dass auch die Menügestaltung der bisher gefahrenen Linie treu bleibt. Wobei es doch zumindest ein Upgrade gibt: Die Faust, die nach wie vor als Navigations-Icon dient, ist jetzt nämlich mit einer kleinen Animation ausgestattet. Sie knufft den Menüpunkt in die Seite, wenn man die Auswahltaste drückt. Niedlich!

Bild und Ton

Gibt man nun der „Filmstart“-Auswahl eins auf die Nase, wird man automatisch zum Hauptfilm mit deutschem Ton geführt. Der kommt im DTS-HD Master Audio 2.0-Ton daher und klingt tendenziell etwas dumpfer als das englische Pendant im gleichen Format, das die Dialoge allerdings auch wirklich kristallklar wiedergibt und selbst in den vielen Massenszenen oder bei musikalischer Untermalung immer gut verständlich bleibt. Beiden Spuren ist gemein, dass das Hintergrundrauschen der Straßen von Harlem durchgehend für eine gewisse Wärme und Lebendigkeit sorgt, die wunderbar mit dem Geschehen auf der Leinwand harmoniert.

Jenes Leinwandgeschehen wiederum überzeugt durch eine hohe Auflösung, die sich gleich am Anfang bei dem anrollenden Rolls Royce im Lack spiegelt. Sattes Filmkorn ist präsent und sorgt für ein filmisches Sehgefühl, was der authentischen Kulisse sehr schmeichelt. Eine besondere Herausforderung ist die farbenfrohe Ausstattung, etwa in der Wohnung der Freundin des Predigers, die einen doch recht extravaganten Inneneinrichtungsgeschmack pflegt. Und trotzdem bleiben die Abstufungen einigermaßen natürlich. Die ausgewogene Palette trägt entscheidend dazu bei, dass der Film seinen radikalen Ausdruck vermitteln kann, ohne gleich auf der völlig überzogenen Schiene zu fahren und ohne vollständig den harten Krimi-Kern zu begraben.

Der Audiokommentar

„Ein Jahr vor Shaft… war Cotton“, leitet Dr. Gerd Naumann den begleitenden Audiokommentar ein und bereitet damit den Boden, im Gespräch mit seinem Kollegen Christopher Klaese den Ausgangspunkt zu legen für eine weiterführende Betrachtung des Black Cinema, für das „Cotton Comes to Harlem“ eben auch einen der ersten Steine legte. Während es zu Beginn des Kommentars durchaus noch im Stil des Booklets um den Film und seine konkreten Vorbilder geht, verlagert sich das Gespräch in der zweiten Hälfte doch sehr arg in eine allgemeine Diskussion zum übergeordneten Thema und verkommt zwischenzeitlich sogar zu einer reinen Aufzählung der relevanten Genre-Beiträge und der Verdienste, die sie beigetragen haben. Die Kompetenz der beiden Sprecher ist dabei absolut unbestritten und die Diskussion entsprechend interessant, nur mit dem Besprechungsobjekt hat sie manchmal nicht mehr unmittelbar etwas zu tun. Es werden aber zumindest teilweise Referenzen ausgewählt, die einen konkreten Bezug zum Film ausweisen. Vor Spoilern sollte man sich übrigens auch hier in Acht nehmen, nicht nur zum Hauptfilm, sondern auch zu den Referenzen wie „Watermelon Man“ werden entscheidende Handlungsdetails verraten, nicht aber ohne vorherige Warnung.

Das Bonusmaterial

There is a Riot Going On - Volume 1

Die Doktoren Marcus Stiglegger und Andreas Rauscher diskutieren den blinden Fleck der Filmwissenschaften: Das Black Cinema.

Bei den Bonusfeatures hatte Wicked Vision mit der Doku-Reihe um Dr. Andreas Rauscher in der ersten Box einen absoluten Volltreffer gelandet und man konnte gespannt sein, ob sie auch für die zweite Box wieder mit dem Medienwissenschaftler zusammenarbeiten würden. Und in der Tat… er ist zurück! Dem Titel nach zu urteilen auch nicht nur einmal für einen Gastauftritt, sondern als dauerhafter Begleiter. „There is a Riot Going On… Vol. 1“ nennt sich die Featurette, in der es eine entscheidende Änderung gibt: Rauscher bestreitet den Exkurs in die Geschichte der Blaxploitation nicht mehr alleine, sondern im Zusammenspiel mit dem allseits bekannten Prof. Dr. Marcus Stiglegger. Die Beiden kennen sich offenbar schon seit den 90ern, als sie einige Zeit gemeinsam für die „Splatting Image“ gearbeitet hatten. Stiglegger übernimmt gewissermaßen die Moderation und Rauscher bleibt in seiner gewohnten Position als Experte, wobei Stiglegger natürlich auch selbst eine Menge Expertise ins Gespräch einbringt und den Redeanteil gefühlt fast ausgleicht. Wie beim Kommentar driftet auch diese Diskussion weit weg vom exemplarischen Beispiel „Cotton Comes to Harlem“ und richtet sich zeitweise stark auf Pam Griers Filme, auf Spike Lees New Black Cinema und auf das schwarze Kino in der Mainstream-Kultur, aber hier hat das auch entscheidend damit zu tun, dass die Doku-Reihe vermutlich wieder in ein oder zwei Sitzungen abgedreht und erst in der Postproduktion in einzelne Kapitel aufgeteilt wurde, so dass es zwangsläufig zu einer erweiterten Betrachtung kommt. Inhaltlich ist das alles fast noch einmal eine Spur fundierter als im Kommentar, konkret auf wissenschaftlichem Niveau nämlich, gleichwohl in einer verständlichen Argumentationskette vorgetragen, die auch durch die vielen eingeblendeten Poster und Szenenbilder nochmals anschaulicher gemacht wird. Das Problem des offenen Endes der Diskussion umgeht die Regie charmant mit einer „Missing Reel“-Einblendung am Ende. Während zumindest die Beleuchtung in dem halbdunklen Wohnzimmer etwas schummrig wirkt, ist der Vorspann übrigens absolut kinoreif und kann sich problemlos mit den Dokus messen, die etwa Netflix regelmäßig produzieren lässt. Mit knapp 36 Minuten ist der Beitrag außerdem fast doppelt so lang wie eine durchschnittliche Featurette dieser Art auf den vorhergehenden Editionen.

Ergänzend ist ein Promo-Paket mit an Bord, bestehend aus dem deutschen Trailer (mit einigen wirklich absurden Punchlines des Trailer-Kommentators), dem bis auf die Titeleinblendung identischen englischen Trailer, einem englischen TV-Spot (in 4:3-Format und Standard Definition) und einem Radio-Spot, der quasi 1:1 aus den Boxen eines Autos in der Videospielreihe „Grand Theft Auto“ schallen könnte. Abrundend gibt es noch eine großzügige Bildergalerie, die über rund 15 Minuten Laufzeit Poster, Artworks, Lobby Cards, Stills und Mediencover im Programm hat und dabei Teile des Soundtracks abspielt.

Abgesehen von den Menüs, die bei der Blu-ray wesentlich liebevoller gestaltet sind, hat die DVD übrigens sämtliche Features ihres Schwestermediums an Bord… mit Ausnahme eines Easter Eggs, das ausschließlich im Blu-ray-Menü verborgen ist. Wer keine Lust hat, selbst zu suchen, bekommt auf Seite 2 dieses Artikels ein wenig Hilfestellung. Ansonsten: Viel Spaß beim Erkunden der Disc, die weit mehr zu bieten hat als bloß ein paar Fäuste und Eier.

Sascha Ganser (Vince)

Bildergalerie

Cotton Comes to Harlem

Prediger O’Malley (Calvin Lockhart) präsentiert sich als Messias, hat aber viel Dreck am Stecken.

Cotton Comes to Harlem

Was man da auf der Leinwand sieht, ist der Zorn der Dame, wenn sie merkt, dass ihr da jemand am Kostüm herumfummelt.

Cotton Comes to Harlem

Zwei Detectives, die laut Tagline nur von ihren Müttern geliebt werden können: Gravedigger (Godfrey Cambridge, 2.v.l.) und Coffin (Raymond St. Jacques, 1.v.r.).

Cotton Comes to Harlem

Can’t you see? It’s a trap!!

Cotton Comes to Harlem

Vom realen Wert des Baumwollbündels haben die Akteure im Film jeweils eine unterschiedliche Vorstellung.

Cotton Comes to Harlem

Einfach mal eben eiskalt die Karre vom Pimp mit Schuhcreme gepimpt.

Cotton Comes to Harlem

Während einige nach Baumwolle suchen, wollen andere sie loswerden.

Cotton Comes to Harlem

Ups, sorry. Falscher Kurs.

Die Black Cinema Collection bei den Actionfreunden:

01: Slaughter [1972]
02: Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs [1970]
03: Strasse zum Jenseits [1972]
04: Ghetto Busters [1988]
05: Die Organisation [1971]
06: Foxy Brown [1974]
07: Car Wash [1976]
08: Coffy [1973]
09: Visum für die Hölle [1972]
10: Black Caesar – Der Pate von Harlem [1973]
11: Cotton Comes to Harlem [1970]
12: Riot – Ausbruch der Verdammten [1969]
13: Hit! [1973]
14: Vampira [1974]
15: Sugar Hill [1974]
16: Hell Up In Harlem [1973]
17: Friday Foster [1975]
18: In the Heat of the Night [1967]
19: Cooley High [1975]
20: Hammer [1972]

Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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