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Creed II – Rocky’s Legacy

Originaltitel: Creed II__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Steven Caple Jr.__Darsteller: Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Wood Harris, Russell Hornsby, Florian Munteanu, Andre Ward, Phylicia Rashad, Dolph Lundgren, Brigitte Nielsen, Milo Ventimiglia, Michael Buffer u.a.
Creed II

In “Creed II” lassen Sylvester Stallone und Dolph Lundgren als Trainer ihre Schützlinge gegeneinander antreten

So ganz scheint man dem Zugpotential der Titelfigur in Deutschland nicht zu trauen: Wie der Vorgänger bekam „Creed II“ hierzulande den Untertitel „Rocky’s Legacy“ verpasst, als offensichtlicher Verweis auf die populäre „Rocky“-Reihe, deren Spin-Off die „Creed“-Filme sind.

Der erste Teil hatte noch analog zu „Rocky“ vom Aufstieg eines jungen Boxers erzählt, dem titelgebende Adonis Creed (Michael B. Jordan), der als unehelicher Sohn die Fußstapfen seines berühmten Vaters trat. „Creed II“ beginnt mit dem Moment, in dem er mit seinem Vater gleichzieht, selbst den Titel im Schwergewicht erringt. Aber viel eingängiger als der starke Fight sind die Auftritte zweier Trainer und Boxlegenden, die „Creed II“ erst unscheinbar etabliert und dann in einprägsamen Szenen in die Bildmitte kommen lässt. Der eine ist Adonis‘ Trainer Rocky Balboa (Sylvester Stallone), der andere ist der Russe Ivan Drago (Dolph Lundgren), der seinen Sohn Viktor (Florian Munteanu) in ukrainischen Straßen trainiert und bei Kämpfen coacht, in denen die Kampfmaschine ähnlich abräumt wie der Vater dereinst.

Während Adonis derzeit also alles hat und seiner Musiker-Freundin Bianca (Tessa Thompson) in einer lustigen wie rührenden Szene einen Heiratsantrag macht, will Viktor alles, so wie Adonis zu Beginn von „Creed“. Auf Creed-Seite geht es dann um den Champ, der nach kometenhaftem Aufstieg den großen Dämpfer erhält, analog zu „Rocky II“. Doch der Bezugspunkt von „Creed II“ ist ein anderer. Nicht wirtschaftliche Fehlentscheidungen wie dereinst bei Rocky führen bei Adonis zur Krise, sondern alte Wunden. Und da kann der Bezugsfilm nur einer sein: „Rocky IV“. Der grelle, etwas comichafte, aber kommerziell erfolgreichste Teil der Reihe, in dem Ivan Drago Apollo Creed zu Tode prügelte. In dem Rocky anschließend in der Sowjetunion Ivan bei der Revanche besiegte.

So holt der windige Boxpromoter Buddy Marcelle (Russell Hornsby) Ivan und Viktor in die USA, die Adonis als Champ herausfordern. Der nimmt an, doch Rocky ist von Adonis‘ Chancen nicht überzeugt, nicht zuletzt wegen der Wut auf Ivan, die seine Sinne vernebelt. Also trainiert Adonis mit seinem Halbbruder Tony ‘Little Duke‘ Burton (Wood Harris) für den Kampf…

httpv://www.youtube.com/watch?v=StqlGyBnLz4

Creed II

Trainer Rocky Balboa (Sylvester Stallone) und Schüler Adonis Creed (Michael B. Jordan)

Man kann sich vorstellen, dass dieser Kampf nicht mit einem eindeutigen Sieg für Adonis ausgehen wird – schon allein deshalb, weil er in der Filmmitte stattfindet. Aber auch deshalb, weil „Creed II“ dann doch mehr der Nostalgie als der Innovation verpflichtet ist. Ryan Coogler, der nach „Creed“ zu „Black Panther“ abwanderte, blieb der Reihe zwar als Produzent treu, doch Regisseur Steven Caple Jr. ist im Gegensatz zu ihm eher ein braver Franchise-Verwalter, der dem Ganzen nicht so seinen eigenen Stempel aufdrückt wie Coogler es bei „Creed“ tat. Dabei gleichen sich die Hintergründe beider Regisseure, denn beide hatten vor ihrem „Creed“-Film nur ein Indie-Drama über schwarzes Leben in Amerika auf dem Kerbholz: Coogler „Fruitvale Station“, Caple Jr. „The Land“. Auch das Drehbuch, das Sylvester Stallone und Juel Taylor nach einer Story von Sascha Penn und „Luke Cage“-Showrunner Cheo Hodari Coker schrieben, hält sich zumindest vom Konstrukt her klar an klassische Boxerfilmstrukturen. Dem Fall in der Mitte des Films folgen die Rückbesinnung, das harte Training und das große Finale, bei dem selbstverständlich wieder Rocky als Trainer in Adonis‘ Ringecke steht.

Dabei wird der Fokus weniger auf den gealterten Fighter gelegt, der im Vorgänger noch den Subplot um seine Krebsbehandlung bestritt. Noch mehr steht das Reifen von Adonis im Mittelpunkt, der immer noch jung ist, immer noch Fehler macht und maulig ist, der den Rat Rockys braucht, wie jener Mickeys Rat brauchte. Für den persönliche Veränderungen anstehen, die über das Boxer-Dasein hinausgehen. So führt „Creed II“ die Story seiner Titelfigur durchaus wohlüberlegt weiter, auch wenn sich der Film im Mittelteil etwas kürzer fassen könnte. Zwar ist es gelungen, dass hier die physischen und psychischen Auswirkungen eines erbarmungslosen Fights mal mehr in den Mittelpunkt rücken (in der „Rocky“-Reihe fand die Genesung ja meist zwischen den jeweiligen Filmen statt), aber manchmal walzt „Creed II“ das Leid und Selbstmitleid seines Helden etwas zu sehr aus.

Creed II

Wie der Vater, so der Sohn: Ivan (Dolph Lundgren) und Viktor Drago (Florian Munteanu)

Durchweg stark sind jedoch die Leitmotive des Films. Zum einen ist da das Thema von Vätern und Söhnen, das schon der Vorgänger bestimmte: Das Erbe Apollos für Adonis, Rockys nicht-existente Beziehung zum eigenen Sohn und Enkel, Ivans Fürsorge für Viktor, der dort obsiegen soll, wo sein Vater scheiterte. Das ist auch mit dem zweiten Hauptthema des Films verbunden, nämlich dem des männlichen Stolzes, vor allem des verletzten. Adonis steigt aus Rache für einen Vater in den Ring, den er nie kannte, Ivan und Viktor kämpfen für ein System, das sie verstieß. Zwar kommt die russische Obrigkeit nur geringfügig besser weg als in „Rocky IV“, aber gerade bei Ivan und Viktor gönnt sich „Creed II“ erfreulich menschliche, mehrdimensionale Züge. Eine Szene zwischen den Dragos kurz vor Schluss gehört zu den bewegendsten des Films, auch wenn zuvor das „I must break you“ aus „Rocky IV“ in veränderter Form Einzug in den Film erhält. Doch auch Kampfmaschinen wie die Dragos sind Menschen, das macht „Creed II“ klar.

So kann auch Dolph Lundgren („Aquaman“) sein Kämpfergesicht die Geschichte erzählen lassen, ohne viel zu reden – er sagt nur geringfügig mehr als in „Rocky IV“, aber „Creed II“ ist auch deutlich länger. Zwar könnte der Film ihn etwas mehr fordern, doch Lundgren überzeugt als vom Leben und von der Niederlage gezeichneter Mann, verstoßen von jenen, die ihn vorher hofierten. Sein Filmsohn Florian Munteanu ist auch im realen Leben Boxer, beeindruckende 1,93 Meter groß, Kampfname Big Nasty. Dem wird er mit seiner unglaublichen physischen Präsenz auch gerecht, da muss er gar nicht mehr schauspielern. Das muss Michael B. Jordan („Fantastic Four“) dagegen umso mehr, der sich nur beeindruckende Muckis antrainiert hat (vor allem für die Schlussphase des Films), sondern auch die verschiedenen Facetten Adonis‘ (junger Familienmensch, unsicherer Neu-Champ, von sich überzeugter Boxer usw.) hervorragend verkörpert. Tessa Thompson („Thor – Tag der Entscheidung“), Phylicia Rashad („Jean-Claude Van Johnson“) und Wood Harris („Dredd“) liefern starken Support in ihren aus „Creed“ gewohnten Rollen ab, während aus „Rocky IV“ tatsächlich erneut Stallone-Ex-Frau Brigitte Nielsen („Terminal Force“) dabei ist – auch wenn ihre Rolle leider bloß ein besserer Cameo ist und etwas verschenkt. Ein weiteres bekanntes Gesicht in einer Gastrolle ist Milo Ventimiglia („Wild Card“) als Rockys Sohn. Doch vor allem Sylvester Stallone („Escape Plan 2: Hades“) als Rocky ist mal wieder das Herz des Films, der liebenswerte, einfache Typ, der mit liebenswerten, einfachen Geschichten seinen Schützling einnordet, mit seinen verstorbenen Lieben an deren Grab spricht und schlussendlich als Trainer die richtigen Methoden findet.

Creed II

Bianca (Tessa Thompson) steht auch privat in Adonis’ Ringecke

Die sorgen dann, ebenso wie jene von den Dragos, für gewohnt starke Trainingsmontagen. Viktor erbringt in verfallenen Turnhallen Höchstleistungen, Adonis trainiert in der ersten Trainingsmontage im und unter Wasser, ehe die zweite eine Rückbesinnung zu seinen Wurzeln und denen der Reihe ist: Training mit einfachen, rauen Mitteln, vom Rennen auf der Straße über improvisierte Boxsäcke aus Autoreifen bis hin zum Kurzdistanz-Sparring ohne Helm – ein Leitmotiv der Reihe, hier gewohnt stark umgesetzt. Auch der Soundtrack greift musikalische Leitthemen Bill Contis wieder auf, setzt aber gleichzeitig je R’n’B- und treibenden Hip-Hop-Klänge ein, die schon den Vorgänger auszeichneten und für die schwarze Variante der „Rocky“-Reihe standen. Und dann gibt es natürlich die Kämpfe, in denen Caple Jr. einen Mittelweg zwischen dem realistischen Boxen eines „Creed“ und der Actionshow eines „Rocky IV“ sucht. Also wird hier bodenständiger geboxt und auf die Deckung geachtet, wobei sowohl Michael B. Jordan als auch Florian Munteanu großes Talent zeigen. Eingesteckt wird natürlich immer noch in unglaublichem Maße (was die intradiegetischen Kommentatoren auch immer wieder anmerken) und wenn besonders harte Kopftreffer mit Zeitlupen und Standbildern unterstrichen werden, dann orientiert man sich wieder eher an „Rocky IV“. Der Stilwille und die Einfälle von Coogler fehlen war, aber sehr gutes Handwerk mit starker Kameraführung von Kramer Morgenthau („Terminator: Genisys“) gibt es trotzdem. Vielleicht ist es auch ein Zeichen, dass zwei der Kämpfe in Las Vegas ausgetragen werden: „Creed“ war bodenständig, erdverbunden, „Creed II“ ist mehr Show und mehr Glamour.

„Creed II“ besitzt nicht ganz die Eigenständigkeit seines Vorgängers, der auf bekannter Basis für eine Neuinterpretation mit eigenem Stil sorgte. „Creed II“ dagegen verwaltet das Erbe seiner Vorgänger, setzt auf nostalgische Wiederkennungseffekte, macht aber das aber sehr kurzweilig und emotional packend, gerade mit Blick auf die Vater-Sohn-Konstellationen dieses Männermelodramas. Und das ist dann die Hauptsache in diesem gelungenen Sequel.

Warner bringt „Creed II“ ab 24. Januar 2019 in die deutschen Kinos. Die FSK gab den Film ab 12 Jahren frei.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Warner__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 24.1.2019 in den deutschen Kinos

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