Originaltitel: Damsel__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Juan Carlos Fresnadillo__Darsteller: Millie Bobby Brown, Ray Winstone, Angela Bassett, Brooke Carter, Nick Robinson, Robin Wright, Milo Twomey, Nicole Joseph, Patrice Naiambana, Ulli Ackermann u.a. |
So sprach’s der Off-Kommentar zum Einstieg:
„Es gibt viele Geschichten über Ritterlichkeit, in denen der heldenhafte Ritter das Frollein in Not rettet. Dies ist keine davon.“
Und so meint er’s:
„Viele Geschichten trenden gerade, in denen das heldenhafte Frollein dem feigen Ritter den Arsch versohlt. Wir möchten bitte auch ein Stück vom Kuchen abhaben.“
Es waren Disney, die die Formel des feministischen Actionfilms gerade erst ganz konkret auf den Märchenfilm angewandt hatten. „The Princess“ (2022) drehte kurzerhand die aus dem Videospielsektor bekannte Tower-Defense-Mechanik auf links, indem zum Ziel erklärt wurde, dem Turm zu entkommen anstatt ihn zu verteidigen. Man ließ die Heldin im Flickflack die Wendeltreppe nach unten nehmen und dabei zahllose Fußsoldaten vermöbeln, anstatt einem „heldenhaften Ritter“ das seidene Haar herunterzulassen. So schlug man zwei Fliegen mit einer Klappe: Überholte Stereotype aus Märchenbüchern konnten genüsslich als Rollenvorbilder demontiert werden und als Bonus winkte auch noch kurzweiliges Family Entertainment für aktuelle Sehgewohnheiten.
Kein Wunder, dass eine so bemerkenswert einfache Rezeptur in Windeseile Nachahmer auf den Plan bringen würde. „Damsel“ steht ganz im Zeichen seines noch jungen Wegbereiters und betreibt schon von Titel wegen bewusste Selbstzensur, indem man den „…in Distress“-Teil provokativ einfach auslässt. Zurück bleibt das Frollein, das zwar durchaus in Not gerät, diese aber aus eigener Kraft zu bewältigen weiß. Und nicht nur das: Es ist ausgerechnet der feine Herr Ritter, der sie in die Bredouille bringt.
Im Zuge dessen von einer vorhersehbaren Fügung der Ereignisse zu sprechen, ist gelinde gesagt untertrieben. Wahrscheinlich wusste das Publikum schon, wie der Hase läuft, lange bevor Drehbuchautor Dan Mazeau, Verfasser solch geistiger Stimulationen wie „Fast & Furious 10“ oder „Zorn der Titanen“, den ersten Satz seines Skripts verfasst hatte. Es ist nämlich eine im Affekt des Moments gebündelte Verwurstung von Motiven, die derzeit besonders angesagt sind. Eine toughe Heldin im Survivalmodus, wie Schwarzenegger zu besten „Predator“-Zeiten, verkörpert von Millie Bobby Brown, die ohnehin die momentane Verkörperung von „angesagt“ schlechthin ist, mit all ihrer „Stranger Things“- und „Godzilla“-Erfahrung erneut kämpfend gegen ein Ungetüm, das zufällig dank „Dungeons & Dragons“ und „Game of Thrones“ samt Ableger ebenfalls im Trend liegt… und Robin Wright als fiese Königin, die man auch mal ganz schnell mit Lena Headey verwechselt hat, wenn da schon überall Drachen herumfliegen. Dazu noch Ray Winstone, der als Beowulf selbst schon gegen drachenartiges Getier gekämpft hat (und dort ebenfalls an der Seite von Robin Wright spielte). Dazu dank Angela Bassett, Nicole Joseph, Esther Odumade und Tasha Lim ein wenig Farbe in einer erzählerischen Gattung, die von der Reinheit von Weiß traditionell regelrecht besessen ist. Man weiß ganz genau, wie all diese Figuren ticken, man weiß, was sie anstellen werden, man weiß, worauf der Autor hinauswill, ohne das Werk auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben, und so hat man die Handlung über alle Akte hinweg mitsamt aller Twists & Turns durchschaut, noch bevor Prinz und Prinzessin überhaupt Zeit hatten, sich einander mit Namen vorzustellen.
Das macht „Damsel“ zu einem Hohlkörper von Film, der seine oberflächlich zur Schau getragene Frechheit mit öder Berechenbarkeit konterkariert, noch bevor der einführende Off-Kommentar zu Ende gesprochen ist. Man kann nicht behaupten, man hätte wirklich etwas Grundlegendes verpasst, wenn man den Überlebenskampf der verlorenen Magd im Kampf gegen einen hundsgemeinen Drachen einfach auslässt. Wir kennen das schon.
Vielleicht lohnt die Sichtung aber doch. Denn man hätte wohl eher nicht erwartet, dass „Damsel“ so düster und gnadenlos geraten würde, wie er dann doch streckenweise geraten ist. Der von Lava und brennenden Rittern handelnde Prolog schickt vorab eine Warnung voraus, und im Hauptteil werden dann auch wahrlich keine Gefangenen gemacht. Wunden sind hier wirklich Wunden, ein kurzer Kontakt mit dem Drachenatem genügt für üblen Fleischbrät, der an manchen Antikriegsfilm erinnert. Körper werden gegrillt, mit Krallen durchbohrt, zerquetscht oder achtlos aus großer Höhe gegen Säulen geworfen, wobei auch die Protagonistin nicht immer ungeschoren davonkommt. Richtig grafisch wird es zwar selten, doch die Grausamkeit des Drachen kommt in den gequälten Gesichtern der Opfer ungeschönt zur Geltung. In einem Spielfilm ging vielleicht seit „Herrschaft des Feuers“ keine derart tödliche Wirkung mehr vom populärsten aller Fabelwesen aus. Der brennende Schwarm Vögel, von denen die Prinzessin in der Höhle symbolisch willkommen geheißen wird, bebildert nichts als das kommende Unvermeidliche.
Doch schon längst bevor es zum Kontakt mit dem Ungetüm kommt, weiß Juan Carlos Fresnadillo eine äußerst unangenehme Atmosphäre zu erzeugen, als sich zwei Königsfamilien zusammenfinden, um ihre Kinder miteinander zu vermählen. Die stechende Note lauernden Verderbens, die an der Oberfläche durch den vornehmen Umgangston des Adels überdeckt wird, breitet sich wie Aasgeruch in den auf Hochglanz polierten Kulissen des Königreichs aus, das mit düsteren Vorzeichen regelrecht gespickt ist. Wenn schon klar ist, wohin die Reise geht, kann man ja schließlich auch mit dem Suspense spielen, so wohl der Gedanke. Die unbekümmerte Art der Prinzessin beunruhigt fast eben so sehr wie die Wortkargheit ihres Vaters und die Sorgenfalten ihrer Stiefmutter, wobei nichts das scheißfreundliche, falsche Lächeln der Königin zu toppen weiß. Menschen unter sich sind eben immer noch die größten Bestien.
Als es in die Drachenhöhle geht, wird der Suspense noch eine Zeit lang weiter ausgereizt. Ihr Bewohner ist längere Zeit nur schemenhaft zu erkennen, stets verborgen durch die Schatten der Felswände oder den geheimnisvollen Schnitt, dafür hingegen durchschneidet seine androgyne Stimme die Dunkelheit äußerst effektiv. Harte, saubere Peitschenhiebe führt seine sadistische Zunge im Zwiegespräch mit der Besucherin aus, zumindest die Dialoge sind also recht stimmungsvoll geschrieben. Die technische Verfremdung der Stimme tut ihr Übriges, um die Auftritte des Drachen selbst ohne ausgeleuchtete Halbtotale effektiv zu gestalten. Als er sich irgendwann dann in voller Pracht offenbart, ist auch das keineswegs eine Enttäuschung; ein gestachelter, geflügelter Flammenwerfer mit hinterlistigen Ziegenaugen ist den Creature Designern da gelungen, dem man nachts nicht im Park begegnen möchte. Brown begegnet ihm wiederum in geschickt arrangierten Situationen, mal als langsamer Tod durch eine schmelzende Eiswand hindurch, mal als übler Jump Scare aus einer Richtung, aus der man ihn sicher nicht hatte kommen sehen. Das Katz-und-Maus-Spiel ist effektiv inszeniert und abwechslungsreich choreografiert, zumal die Höhle nebenbei für den Zuschauer sichtbar zu einem labyrinthischen System zusammengesetzt wird, in dem die Gefangene auch auf die Spuren ihrer Vorgängerinnen stößt. Die Umgebung erweist sich dabei als durchaus abwechslungsreich, wird doch hier in Reaktion auf den Drachen ein eigenes ökologisches System zum Leben erweckt (unter anderem mit blauen Insekten, die ein Gleichgewicht zum Feuer des Höhlenherrschers erzeugen), das als Parcours für Kampf- und Fluchttechniken sinnvoll genutzt wird.
Manch einer mag Millie Bobby Brown im Rahmen dieser unerbittlichen Tour de Force eine knallharte Gesamtleistung bescheinigen, zumal sie große Teile der Handlung nahezu im Alleingang bewältigt, doch wenn man genau hinschaut, ist das eher der Verdienst der temporeichen Regie als ihr eigener. Schauspielerisch wirkt sie selbst in dieser mimisch eher wenig abverlangenden Rolle oftmals überfordert, und sich in einem Akt der Emanzipation des störenden Reifrocks zu entledigen, um aus dem hübschen Kleid ein Badass-Survival-Outfit zu machen, das könnte prinzipiell jeder Komparse, dem man dies aufträgt. Allenfalls kann man ihr zugute halten, dass ihr oftmals unsicheres, wechselhaftes Schauspiel dem langweiligen Portrait einer unnahbaren und unzerstörbaren Superheldin zuwiderläuft, welches man zum Glück diesmal nicht zu sehen bekommt, obgleich zumindest ihre Belastbarkeit etwas Übermenschliches an sich hat.
So ist es also der herrlich fiese Drachen, weit fieser noch als der andere Drachen in Königsrobe, der den Film rettet, indem er ihm zu einer unerwartet bedrohlichen Grundstimmung verhilft. Zum Ende hin wird es mit komplizierten Fragen nach Schuld und Erbfolge sogar inhaltlich noch einmal leidlich interessant. Dennoch ist „Damsel“, was seinen feministischen Subtext angeht, ein austauschbares Produkt seiner Zeit, plump zusammengestellt aus Zutaten, die es inzwischen zuhauf gibt. Als Fabelhorror-Variante des eher am Action-Genre orientierten „The Princess“, der mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte, macht das Frollein dann aber zum Glück doch noch aus der Not eine Tugend, so dass es wenigstens zu einem fetzigen Märchenfilm der modernen Spielart reicht.
Schaut in den Trailer von “Damsel”
„Damsel“ sollte eigentlich schon im Herbst vergangenen Jahres über Netflix erscheinen, doch aufgrund des damals herrschenden Schauspielerstreiks in Hollywood entschied man sich dazu, den Releasetermin zu verschieben. Seit 8. März 2024 kann man den Mix aus Fantasy, Horror, Action und Thriller nun endlich bei Netflix sehen.
Sascha Ganser (Vince)
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