Originaltitel: Darkweb__Herstellungsland: Frankreich__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Bruno Vaussenat__Darsteller: Petra Silander, Olivier Gruner, Kendra Waldman, Hind Attassi, Guillaume Delbart, Danny Glover, Tony Harrisson, Ibrahima Keita, Vincent Lezenes, Mohammed Abnou Noussair u.a. |
Für einen Menschenjagd-Film braucht es eigentlich nicht viel: Ein cooles Areal, in dem die Jagd steigt. Ein paar fiese Jäger, die sich vornehmlich aus zynischen Drecksäcken rekrutieren. Ein Verfolgter, mit dem man gerne mitfiebert, und eine marginale Story, die der Action nicht im Weg steht. Wenn für ein solch simples Konstrukt mal eben vier Drehbuchautoren verschlissen werden, sollte man als Actionfan misstrauisch werden. Zu recht?
Das Dark Web, gerne auch Deep Web oder Hidden Web bezeichnet, ist der Teil des Internets, der nicht mit den üblichen Webbrowsern und den Standard-Suchmaschinen erreicht werden kann. Meist steht der Begriff synonym für anrüchige Inhalte. Also Webseiten, über die Waffen, Drogen und Menschen gehandelt werden. Zumindest, wenn es nach dem Film „Dark Web“ geht. Der berichtet von einem jungen, technikaffinen Kerl, der das Dark Web als Wirkungskreis für seine Geschäfte auserkoren hat.
Er lässt reiche Geldsäcke arglose Menschen jagen. Dieses Mal hat er die junge Ilona bestimmt. Um sie zu motivieren, tötet er ihren Vater und entführt ihren Bruder. Sollte sich Ilona weigern, an der Jagd als Beute zu partizipieren oder die Regeln brechen, ist ihr Bruder ebenfalls dem Tode geweiht. Die Motivation für die Jäger ist da simpler: Wer bei der Jagd mitmachen will, muss 100 000 Dollar zahlen. Wer die Beute erlegt, bekommt seinen Einsatz zurück und eine fette Prämie oben drauf.
Die Jagd selbst zeichnet der junge Mann mit zig Kameras auf, die er im Jagdgebiet installiert hat. Aus dieser Flut an Daten schneidet er die interessantesten Momente zusammen und verkauft diese als Snuff-Filme im Dark Web. Doch diesmal könnte es sein, dass er sich die falsche Beute ausgesucht hat. Denn Ilona bekommt unvermutet Hilfe von einem der Jäger…
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Das klingt jetzt, wo ich es niederschreibe, gar nicht mal so verkehrt. Leider krankt „Dark Web“ an zig Problemen. Während die grundlegende Situation recht schnell installiert ist, schmiert „Dark Web“ nämlich ausgerechnet bei der Menschenjagd komplett ab. Der Regisseur bekommt kein Tempo in die Chose. Die Heldin ist ein schlechter Witz in Pippi-Langstrumpf-Strapsen und das Drehbuch ist teilweise einfach nur blöde.
Absolutes Highlight: Bewusstlos geschlagene Verfolger werden weder gekillt noch entwaffnet! Man lässt sie einfach liegen, um zehn Sekunden später wieder von ihnen verfolgt zu werden. Derartig bescheuerte Momente türmt „Dark Web“ mit weiterer Laufzeit immer weiter auf. Dazu gesellen sich peinliche Anschlussfehler und mal wirklich behämmerte Dialoge. Und was der Einfall soll, dass die Jäger die Beute nicht nach ihrem Gutdünken killen dürfen, sondern sich dafür erst einmal Regie-Anweisungen holen sollen, dass muss mir auch mal einer erklären.
Bei solchen Böcken wundert es einen auch nicht, dass die Heldin mit ihrem Retter KEIN EINZIGES gerades Wort wechselt, was dann den finalen Twist mehr als offensichtlich vorwegnimmt. Wenngleich dieser gar nicht mal so schlecht ist. Da hatte zumindest einer der Drehbuchautoren so etwas wie einen lichten Moment.
Davon hat es noch einen, der vom Film aber erstaunlicherweise nicht ausgekostet wird. Es handelt sich um einen Monolog von Danny Glover („Bad Asses“), in dem selbiger in einer Winzrolle einen amateurig anmutenden Snuff-Film verlangt, denn nur diese würden Abnehmer finden. Prinzipiell könnte „Dark Web“ nun also richtig scheiße aussehen und es wäre zumindest im Drehbuch eine Rechtfertigung dafür da gewesen. Erstaunlicherweise sieht „Dark Web“ aber alles andere als amateurig aus. Ganz im Gegenteil. So manche Szene im satten Gegenlicht der Sonne (etwa die urst voyeuristische Zeitlupen-Kamerafahrt über den halbnackten, knackigen Körper der Heldin) ist richtig schön anzusehen. Und auch in dem Jagdabschnitt gelingen ein paar atmosphärische Bilder.
Gleich zu Beginn wird obendrein ordentlich geprotzt, wenn die Fieslinge mit schwerem Militärgerät (unter anderem ein Panzer!) anrollen, um Ilona zu entführen. Derartiger Aufwand wird zwar nicht noch einmal betrieben, kurz kommt aber dennoch die (unberechtigte) Hoffnung auf, „Dark Web“ könnte nach den gurkigen „Re-Generator“ und „Sector 4“ mal wieder ein ordentlicher Film mit Olivier Gruner („Nemesis“) werden. Der hat neben einer unwichtigen Nebenrolle als Ilonas Bruder auch hinter der Kamera einen wichtigen Job inne und besorgte die Second-Unit-Regie.
In dieser Funktion dürfte er für die Umsetzung der netten Fightszenen von Sebastien Vandenberghe verantwortlich sein. Der wuchtige Franzose, der unter anderem einige Stunts für die „Taken“-Reihe umsetzte, ist für die meiste Action im Film verantwortlich und hat letzten Endes auch die interessanteste Figur abbekommen. Apropos Action: Die braucht Ewigkeiten, bevor sie wirklich losgeht. Rollt sie dann, sehen wir meist Ilona rennen. Kommt es zu Konfrontationen mit den Lumpen, darf lange Zeit keiner ins Gras beißen, denn das Bösewicht-Interieur ist mit sechs Jägern eher kläglich aufgestellt.
Diese agieren immer in Pärchenkonstellationen, wobei zwei tatsächlich mit Frauenbegleitung unterwegs sind. Und denen sind die eigenen Fingernägel wichtiger als das Überleben. „Dark Web“ hat demnach effektiv nur vier Jäger zu bieten, von denen einer schnell auf Ilonas Seite wechselt. Auf 90 Minuten Laufzeit verteilt bleibt da nicht viel für amtliche Duelle. Was man als Zuschauer leider auch zu spüren bekommt. Als selbiger wird man zur Strafe für seine Geduld malträtiert von Nina Seuls Performance als radebrechend mit einem scheußlich unverständlichen Akzent parlierendes Gangsterliebchen, das an eine recht billige Lederdomina erinnert.
Kurzum: Egal wie offen man „Dark Web“ auch entgegentritt und wie sehr man einzelne Aspekte des Actionstreifens gut finden möchte, der Film bedankt sich immer wieder mit einem Tritt in die Eier! Die eigentlich mächtig sexy Heldin (Petra Silander) ist so rotzenhohl wie nichtssagend, die Verfolger sind peinliche Luftpumpen und die uninspiriert und gar nicht aufregend runtergerotzte Story ist so 0815 wie sonst irgendwas. Zumindest sieht „Dark Web“ ganz ordentlich aus und hat, wenn es denn mal ruppiger wird, ein paar hübsch derbe Gewaltmomente zu bieten. Auch Olivier Gruner macht das Beste aus dem Film: Er poppt Nina Seul ordentlich durch, zieht sich einigermaßen schadlos aus der Affäre und übt seine Regie-Fertigkeiten. Ein spannender, mitreißender, actionreicher, zynischer und turbulenter Menschenjagd-Film geht allerdings gaaaanz anders!
„Dark Web“ ist bislang nur auf einer Code 1 Scheibe von Screen Media Films erschienen und trägt ungeschnitten eine „Not Rated“ Freigabe.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
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