Originaltitel: Die Monster Die!__Herstellungsland: Großbritannien/USA__Erscheinungsjahr: 1965__Regie: Daniel Haller__Darsteller: Boris Karloff, Nick Adams, Freda Jackson, Suzan Farmer, Patrick Magee, Paul Farrell, Terence de Marney, Leslie Dwyer, Harold Goodwin, Sydney Bromley, Billy Milton, Sheila Raynor u.a. |
Während die Pre-Title-Credits eingeblendet werden, mäandert im Hintergrund ein Strudel aus Farben träge vor sich hin. Das Blaue umschlingt einen roten Kern, als wolle es darin eindringen – spielerisch, sich langsam herantastend wie von kleinen Tentakeln bewegt. Kostbare Minuten entzieht dieses vermeintlich aussage- und inhaltslose Schauspiel dem Film, der mit knapp 80 Minuten ohnehin bemerkenswert kurz geraten ist. Im Verborgenen jedoch, da walten längst die Prozesse, die so vielen Erfahrungen im Umgang mit Lovecraft-Stoffen zu eigen sind. Im Unterbewusstsein wird man langsam in die Dimension der Fiktion gezerrt, und der Strudel entpuppt sich als ein primitives visuelles Werkzeug des Horrorfilms der 60er Jahre, um den Betrachter nicht etwa nur zu einer Geschichte einzuladen, sondern ihn zu einem Teil von ihr werden zu lassen.
Es stellt sich dann heraus: die hypnotische Kreisbewegung wird nie zum Stillstand kommen, zumindest so lange nicht, bis der Abspann vorbei ist. Als Muster bleibt sie an jeder Phase dieser freien Adaption der Lovecraft-Story „Die Farbe aus dem All“ haften. Eine sehr auffällige Überblende bereitet den Übergang vom Vorspann in den Hauptfilm; sie bildet sich in Kreisform und gleicht in ihrer Bewegung dem sich öffnenden Lid einer Kameralinse. Sie verstärkt den Sog-Effekt noch einmal, um gleich im ersten Bild auch noch die Ankunft eines Zuges zu zeigen, der endgültig die Welt der Realität von jener des Übernatürlichen abspaltet. Auftritt Nick Adams, der seinen auffälligen, khakifarbenen Trenchcoat trägt wie ein Ritter seine Rüstung in einem verwunschenen Wald. Er wird die Unfreundlichkeiten der Bewohner eines alten britischen Dorfes über sich ergehen lassen, viele schlecht ins Bild integrierte Matte Paintings passieren und obskuren Fallen im gespenstischen Gehölz ausweichen müssen, um zum Landhaus der Witleys vorzustoßen, in dem seine Verlobte auf ihn wartet. Und nicht nur die…
„Das Grauen auf Schloss Witley“ zeigt sich wenig zaghaft, wenn es darum geht, die ominösen Vorgänge rund um den von Boris Karloff gespielten Hausherrn mit verräterischen Omen zu belegen und den Mystery-Anteil damit in die Höhe zu schrauben. Daniel Haller zaubert allerhand Merkwürdigkeiten aus dem Hut, um die Geschehnisse möglichst rätselhaft wirken zu lassen; abgesehen von den Ereignissen vor der Ankunft, die den Strapazen eines Jonathan Harker vor dem Eintreffen in Draculas Schloss gleichen, strotzt das Gebäude vor merkwürdigen Requisiten, zu denen unter anderem zwei bizarre Portraits nach Karloffs Abbild gehören. Karloff, wie in vielen seiner Spätwerke im Rollstuhl unterwegs, hatte bereits zwei Jahre zuvor im Oakley Court gemeinsam mit Regisseur James Whale („Frankenstein“) die Horrorkomödie „The Old Dark House“ dort gedreht, und man könnte beinahe meinen, er sei längst ebenso Teil der Ausstattung wie all die Bücher, der Whisky und der Tinnef, der dem Szenenbild Charakter verleiht.
Schaut in den Trailer zu “Das Grauen auf Schloss Witley” hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=psOfe41Gq-I
Um dem Geheimnis des Hauses Witley auf die Spur zu kommen, verhält sich unser Mann im Trenchcoat gemäß des Archetyps, auf dem er basiert: Seine Verlobte an der Hand führend, streift er von einem Raum in den nächsten, stets auf der Suche nach Hinweisen, um ein Rätsel zu lösen, das den Weg zu einem noch größeren Rätsel freigibt. An einer Aufdeckung der Geschehnisse ist er im Grunde nicht interessiert, er sucht lediglich nach einem Ausgang aus dem Irrenhaus, in dessen Innerstes, wie so oft, die Liebe geführt hat. Doch die Innereien erweisen sich als äußerst verknotet und so kommt es zum wiederholten Male zu einer unendlichen Wanderung von Raum zu Raum, zur Konfrontation mit Sackgassen, zur Rückkehr und hermeneutischen Neueinschätzung der Situation, bis der Fluch und mit ihm das undefinierte Böse endlich besiegt ist.
So gesehen handelt es sich um einen typischen Horrorfilm jener Zeit, der Kulissen beinah wie begehbares Stock Footage verwendet, das sich verschiedene Produktionen untereinander teilen; die Art, wie beispielsweise der Keller eingerichtet und ausgeleuchtet ist, erinnert doch sehr an die Ausstattung der schwarzen Messe, die drei Jahre später in „Die Hexe des Grafen Dracula“ abgehalten wurde – ebenfalls mit Karloff, ebenfalls basierend auf einer Lovecraft-Erzählung und gedreht nur eine gute halbe Autostunde entfernt.
Schmücken kann sich die altmodische, zum Teil auch altbackene Produktion aber zumindest mit Lovecrafts Federn, die dem trägen Aufbau ein paar überraschende Momente schenken. Dem Landhaus gehört nämlich weiterhin ein Treibhaus an, dessen Pflanzen sich verselbstständigen. Mit ihrem vor Chlorophyll triefenden Grün und ihren organischen Verwachsungen bilden sie perfektes Lovecraft-Material, auch wenn in diesem Fall rein tricktechnisch betrachtet kaum mehr geschieht, als dass sich mal ein paar Lianen um die Beine von Susan Witley schlingen. Giesen und Naumann verweisen in ihrem Audiokommentar dennoch zu Recht auf den 1963 entstandenen SciFi-B-Klassiker „Blumen des Schreckens“ und eine spezielle Sequenz aus Carpenters „Die Mächte des Wahnsinns“ (vielleicht immer noch die Lovecraft-Adaption mit der höchsten Immersion), zu ergänzen vielleicht um „Little Shop Of Horrors“ (1960 / 1986) oder Science-Fiction-Filme wie „Lautlos im Weltraum“ (1972) und „Il Pianeta degli uomini spenti“ (1961). Doch ein paar drastische Spezialeffekte hat auch „Das Grauen auf Schloss Witley“ zu bieten. So zerfällt einer Frau unter Einfluss des Kometen das Gesicht und eine Art verschmolzene, undefinierbare Kreatur in einem Käfig macht dann die ganze Bandbreite des Einflusses des Gesteins aus dem All deutlich. Auch Karloffs Figur bekommt noch einen spektakulären Auftritt. Aus seiner Gebundenheit an den Rollstuhl könnte man schließen, dass er wie in so vielen seiner Spätwerke nur aufgrund seines großen Namens noch in einer so großen Rolle zugegen sein durfte, doch Haller nutzt die Passivität seines Altstars für einen effektiven Überraschungseffekt.
Man sollte wohl eher von gepflegtem Grusel sprechen als von echtem Grauen, um zu beschreiben, was sich auf Schloss Witley abspielt. Über naive Tricks darf geschmunzelt werden, manch zäher Abschnitt im Mittelteil vielleicht auch mal mit einem Gähnen quittiert. Nick Adams in der Hauptrolle absolviert seine Aufräumaktion zugeknöpft und weitgehend humorlos, was mit der regelmäßig entgleisenden Visage des körperlich längst versteinerten, mimisch jedoch immer noch engagierten Karloff einen hübschen Kontrast ergibt. Für die notwendigen Farbtupfer sorgt dann eben die Vorlage, die sich in der elliptischen Merry-Go-Round-Erzählweise ebenso niederlegt wie in die Taktik, krude Effekte zur Auflösung mysteriöser Andeutungen anzubieten. Das ergibt 66,6% „old-fashioned Victorian Gothic Horror“, 33,3% „Lovecraftian Cosmic Horror“… und ein reinigendes Feuerchen zur wonnigen Aufwärmung der „The End“-Einblendung.
Informationen zur Veröffentlichung von “Das Grauen auf Schloss Witley”
Klar, dass die Horror-Experten von Wicked-Vision hier zugreifen mussten. „Das Grauen auf Schloss Whitley“ ist weder der erste Karloff noch die erste Lovecraft-Adaption innerhalb der „Limited Collector’s Edition“, insofern passt #19 thematisch ganz hervorragend in die Regalreihe.
Über MGM wurde der britische Horror-Mystery-Streifen erstmals im Jahr 2004 auf DVD zugänglich gemacht, vor fünf Jahren erschien dann noch einmal eine Neuauflage von 20th Century Fox im Rahmen der „Horror Cult Uncut“-Serie. Scream Factory veröffentlichte 2014 im Ausland eine Blu-ray mit Regionalcode A. Hier liegt nun die deutsche Blu-ray-Premiere vor, und zwar wie gewohnt als Blu-ray-DVD-Combo im Mediabook.
Gewählt werden darf erneut zwischen drei Motiven. Cover A und B, jeweils limitiert auf 444 Stück, laufen beide unter dem Titel „Das Grauen auf Schloss Witley“. Cover C trägt den Originaltitel „Die Monster Die!“ (der Simpsons-Fan unter den 222 potenziellen Mediabook-C-Käufern wird sich auf die Lippe beißen müssen, um nicht Sideshow Bob zu zitieren). Ein Deckblatt liegt wie immer lose auf und hält die „2-Disc Limited Collector’s Edition #19“-Banderole, eine Tafel mit Infos zur Veröffentlichung, diverse Logos sowie natürlich das FSK-Logo vom eigentlichen Cover fern, das man auf der Mediabook-Vorderseite also ohne Störelemente begutachten darf.
Das Grauen… in Comic-Panels!
Wenn das Büchlein diesmal etwas mehr wiegt als gewöhnlich, so liegt das an dem ungewöhnlich dicken Buchteil. Satte 44 Seiten spannen sich zwischen den beiden Discs. 1966 veröffentlichten Dell Comics zum Preis von 12 Cent einen Comic zum Film – jetzt findet man ihn in dieser Blu-ray-Ausgabe wieder. Auch wenn man den Comic-Teil leider nicht aus dem Mediabook entfernen kann (das ergäbe allerdings auch nur Sinn bei einer Einschubmöglichkeit, was beim Mediabook denkbar schwierig ist): Was für eine wunderbare Beigabe! Nachdem bereits „Lurking Fear“ aus dem gleichen Hause eine Kurzgeschichte an Bord hatte und aktuell „The Dunwich Horror“ sogar ein Hörbuch auf CD an Bord hat, wünscht man sich, das Label möge doch bitte weitere Lovecraft-Verfilmungen ins Portfolio aufnehmen und mit vergleichbaren Features ausstatten. Das englischsprachige Comic nimmt sich vereinzelte Freiheiten heraus, hält sich ansonsten aber eng an die Vorlage und fasst den gesamten Film auf 32 Seiten zusammen (so gesehen ein Beweis dafür, das im Film grundsätzlich nicht besonders viel Handlung vonstatten geht), hauptsächlich indem er die Highlights und memorablen Augenblicke festhält. Der Zeichner bevorzugt einen schraffierten, in den Konturen aber sehr ausdefinierten Stil. Die Linien sind teilweise sauber mit schwarzer Tusche ausgefüllt, der Rest ist mit erdigen Farben koloriert, die das Vintage-Feeling verstärken. Eine wirklich lohnenswerte Sache, die man da ausgegraben hat – idealerweise zu genießen, nachdem man den Film gesehen hat.
Auf den klassischen Buchteil mit Infotext wird dennoch nicht verzichtet. Auf 8 Seiten darf sich Rolf Giesen ausreichend über den Hauptfilm und die Story-Vorlage auslassen. Dazu gibt es Aushangfotos, Produktionsnotizen und zur Abrundung noch einmal das komplette Poster, das auch Mediabook A ziert (so zumindest in der besprochenen Cover-B-Variante). Bedingt durch die Dicke des Booklets wurde diesmal auch eine Klebung statt Klammerung verwendet, so dass für die notwendige Stabilität gesorgt ist.
Bei Einlegen der Blu-ray zunächst einmal eine große Überraschung: Es wird ein restaurierter Trailer zu „Monster Squad“ gezeigt, einem Film, dessen Veröffentlichung vor kurzem vom Label noch dementiert wurde. Die werden doch nicht etwa…?
Das Grauen… in HD!
Vor Start des Hauptfilms klärt eine Texttafel freundlicherweise darüber auf, dass der deutsche Ton nicht ganz den eigenen Ansprüchen gereicht, da die Originale zerstört worden seien und man auf eine VHS-Kopie zurückgreifen musste. Dafür kann sich das Ergebnis allerdings durchaus sehen lassen. Zumindest fällt der in dts-HD MA 2.0 abgemischte Ton in keiner Szene negativ auf. Deutsche und englische Untertitel sind auf Wunsch zuschaltbar (auch wenn letztere nicht auf dem Backcover angegeben werden).
Das Bild darf insgesamt sogar als sehr gut bezeichnet werden, auch wenn es nicht frei von Schwächen ist: In einigen Passagen ist ein leichtes Flackern in dunkleren Flächen zu erkennen, dann wieder fallen leichte Unschärfen an den Rändern auf, ein Phänomen, das man bisweilen aber sogar in neueren Produktionen entdecken kann, wenn man gezielt auf die Schärfenunterschiede zwischen den Rändern und der Bildmitte achtet. Dafür überzeugen die leuchtenden Farben und kräftige Konturen, mit denen gerade die Matte Paintings überdeutlich als die Illusion entlarvt werden, die sie sind.
Verschmutzte Vollbildfassungen und Hofnarren mit roten Knöpfen: Grauen, wohin das Auge blickt!
Unter den Extras sticht erneut der Audiokommentar heraus. Dr. Rolf Giesen und Dr. Gerd Naumann sind längst die Waldorfs und Statlers der Audiokommentare. Sie informieren mit einem Schatz an filmhistorischen Wissen und auch persönlichen Erfahrungen, die gerade Erstgenannter gerne teilt, um ein Gefühl dafür zu schaffen, welches Stimmungsbild zur jeweiligen Zeit der Veröffentlichung herrschte. So habe man auch in den 60ern tatsächlich noch grundsätzliches Interesse daran gehabt, Karloff zu erleben (also wohl nicht zu vergleichen mit den Seagals von heute, die mutmaßlich Filme nur noch für ihren Scheck und ein paar Eingeschworene drehen). Giesen und Naumann unterhalten aber auch mit manch zynischem Blick auf die Kultur und leisten sich dabei gerne mal ein paar Entgleisungen der herzhaften Art. Selbst Donald Trump hat es irgendwie als Erwähnung in den Kommentar geschafft… mit der schönen Umschreibung als Hofnarr mit Zugang zum roten Knopf.
Videoromantiker und Spinnwebensammler erfreuen sich an der deutschen Nostalgiefassung mit Schmuddelbild im 4:3-Format. Das ist dann auch das einzige Extra, das nur auf der Blu-ray und nicht auf der DVD Platz gefunden hat. Die Trailer, Bildergalerien (darunter auch noch einmal der Comic aus dem Booklet in digitaler Form) und Werberatschläge sind ebenso wie der Kommentar auf beiden Formaten zu finden.
Man kann bei einem solchen Film natürlich nicht mit langen Begleitdokumentationen rechnen, ebenso wenig mit technischen Wundern. Doch das gesamte Drumherum, die Comic-Einlage, der Kommentar, die hübsche Präsentation, die bestmögliche Aufbereitung, die offene Kommunikation mit dem Käufer über Texttafel, das ist schon Liebe zum Sujet, die daraus spricht. Ob einem der Film selbst das alles wert ist, muss man eben selbst entscheiden.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie von “Das Grauen auf Schloss Witley”
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