Originaltitel: Daughter__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2022__ Regie: Corey Deshon__ Darsteller: Casper van Dien, Vivien Ngô, Elyse Dinh, Ian Alexander, … |
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The following is based more on fact than fiction…
Auf den ersten Blick könnte man “Daughter” für typischen B-Movie-Shlock halten: Ein Low-Budget-verschleppt-und-eingesperrt-Horror-Thriller mit Casper van Dien, der in Gestalt einer jungen Frau (Megan Le) eröffnet, die zu Fuß auf einer sich durch bergiges Ödland schlängelnden Straße vor zwei sie in einem Pick-up-Truck verfolgenden Gasmasken-tragenden Personen flüchtet – bis sie letztlich eingeholt sowie seitens des älteren der beiden brutal ermordet wird. Ungewöhnlich dabei ist allerdings sowohl die gewählte Musik-Untermalung als auch die Tatsache, dass die parallel dazu eingeblendeten Credits quasi der Form entsprechen, wie sie vom Umfang der Angaben und Nennungen her normalerweise am Schluss eines Films vorkommen. Dafür wird einem später dann – unmittelbar nach der finalen Einstellung des 95-minütigen Verlaufs – bloß nur eine The-End-Texttafel (und kein Crawl) präsentiert. Obendrein u.a. noch in sieben Kapitel unterteilt, hat Regisseur und Drehbuch-Autor Corey Deshon seinem generell ziemlich unkommerziellen Werk einen durchaus ambitionierten Indie-Vibe verliehen…
Als nächstes findet sich – nach einem Zeitsprung in der Handlung – ein gekidnapptes Mädel (Vivien Ngô) an den Fußboden einer Garage gekettet wieder. Sogleich erklärt ihr der Entführer (Dien), welchen sie fortan stets als Father anzureden hat: “I don’t want to hurt you. I don’t want any harm to come to you at all. But if it comes to it – you will be harmed. This could be the safest place you’ve ever been – if you let it. Or… you will die.” Man würde sie ab jetzt nur noch mit Daughter (ggf. Sister) ansprechen. Sie müsse keine Angst davor haben, von jemandem “sexuell berührt” zu werden – und bei gutem Betragen würde man sie in einigen Jahren unbehelligt gehen lassen; sollte sie das denn möchten. Ihre Haupt-Aufgabe sei es, seinem Son bzw. “ihrem” Brother (Ian Alexander) Gesellschaft zu leisten: Seines Zeichens noch nicht ganz ein Teen, der von Father unterrichtet wird sowie nichts anderes als diese Situation kennt – mit wechselnden Schwestern; sofern jene “ungehorsam” waren. Die Luft draußen sei toxisch – weshalb die Menschen krank werden sowie Schreckliches tun würden. Dort im Haus wären sie allerdings sicher…
“We’re not violent people”, beteuert er – doch weiß es der Zuschauer dank des Einstiegs ja besser. Kurz darauf stellt Father ihr “seine Frau” (Elyse Dinh) vor: “This is your mother. We had you twenty years ago – but we tell your brother it was eighteen years ago; because you’re too old to be here now; but we still need you to be around for a couple of years. Two more years with him – then you can leave unharmed. That’s it – that’s all we ask. Could be fun, if you let it…” Daughter ist clever genug, um Mother´s Ratschlag “It’s easier to give him what he wants.” zu befolgen – was es ihr über die nächsten Tage hinweg ermöglicht, sich im übrigen Haus aufhalten und sich darin umherbewegen zu dürfen. Sie spielt mit Son, hört sich Father´s Erzählungen und “Lehren” an, hilft Mother in der Küche – jedoch werden sie und Son jede Nacht in ihrem Zimmer eingeschlossen und muss selbst Mother abends immerzu eine Fußfessel anlegen. Es ist nach einer Weile, dass sie außerdem mitbekommt, dass Father Son regelmäßig Blut abnimmt und jenes in einer Kühlkammer aufbewahrt. “One day”, meint er, “That boy will save the world…”
2022 veröffentlicht, aber bereits 2019 gedreht, haben wir es bei “Daughter” mit einem überaus ruhigen, statt auf Action, physische Pein oder “cheap Thrills” vorrangig auf die Erzeugung einer beklemmenden Atmosphäre ausgerichteten Slow Burn zu tun – welcher sich somit auf jeden Fall schonmal positiv von der Schar eben jener Streifen abhebt, in denen man van Dien sonst relativ häufig antrifft (á la “Assailant”, “the Most Dangerous Game“, “Hunt Club” etc.). Ähnlich wie Daughter – deren echter Name an einer Stelle bloß beiläufig-indirekt preisgegeben wird – muss sich das Publikum erst einmal orientieren; sich dem Gebotenen vom Stil und Ton her bewusst werden. Father übt seine Macht nicht primär via körperliche Gewalt aus – obgleich ihn bestimmte Sachlagen und Empfindungen mitunter “dazu verleiten” – sondern wesentlich stärker durch seine autoritär-enervierenden Worte, Blicke und Ausstrahlung. Sein (wahnhaftes) Ziel ist es, dass sie eine harmonische Familie bilden, im Rahmen derer sein Sohn glücklich aufwächst, der wohl sein leiblicher ist und welchen er offenkundig liebt…
Daughter vermeidet Aufsässigkeit und startet keine überhastete Flucht- oder Überwältigungs-Aktionen. Gemäß der ihr zugeteilten “Rolle” erledigt sie die zugehörigen bzw. gewünschten Tätigkeiten fügsam – nichtsdestotrotz kontinuierlich beobachtend und abwartend. Schnell wird ihr klar, dass Father´s Methoden und Ansichten grundsätzlich nicht zu hinterfragen sind – und als Son ihr bei einem Brettspiel bspw. mal eine Vorgabe macht, die so eigentlich nicht Regel-konform ist, schweigt sie bloß, ohne es zur Sprache zu bringen. Jener malt gern mit Ölfarben und verfügt da durchaus über Talent. Als sie dieses Interesse an kreativen Dingen bei ihm bemerkt, kommt ihr mit der Zeit die Idee, das zu ihrem Gunsten zu nutzen – worauf sie ihn dafür zu begeistern vermag, gemeinsam ein Theaterstück zu konzipieren, welches sie an seinem Geburtstag aufzuführen anstreben. Father´s Skepsis und Misstrauen ist unverkennbar – zumal ja keineswegs unberechtigt – allerdings möchte er seinem ihn herzlich-aufgeregt darum bittenden Sohn diese Freude auch nicht ausschlagen – also erlaubt er es ihnen…
Son wurde eingetrichtert, dass außerhalb des Hauses alles “verseucht” sei. Ihm ist nichts anderes bekannt. Er glaubt fest daran, dass sein Vater ihn mit all den strengen Auflagen bloß beschützen würde. Eine tendenzielle “Gehirnwäsche”, sozusagen – resultierend aus selektiven Informationen und einer entsprechenden Erziehung. Von Daughter erfährt er einzelnes, über das er kein Wissen besitzt – u.a. was Kentucky oder ein Schauspiel ist. Auf diese Weise kann sie ihn diskret beeinflussen – während sie simultan herauszufinden versucht, ob sich Mother einfach nur gut verstellt oder sie Father eventuell wirklich unterwürfig ergeben beisteht (Stichwort: “Stockholm-Syndrom”). Dass Mother und Daughter einzelne Sätze auf Vietnamesisch wechseln, missfällt Father unterdessen, da er (so wie Son) ausschließlich Englisch beherrscht. Er ist ein weißer Amerikaner, sein Sohn gemischt-rassig sowie die beiden Frauen asiatischer Abstammung – welche seinem Bestimmen nach primär dafür da sind, vorgegebene “dienende Zwecke” zu erfüllen. Es wäre schön gewesen, wenn Deshon diesen reizvollen Faktor noch weiter vertieft hätte…
Deshon´s Anliegen war es, einen Film von und mit People of Color in zentralen Positionen und Rollen zu erschaffen – was ihm ebenso gelungen ist wie aus Casper van Dien eine überzeugende Performance herauszukitzeln: Nie überzogen agierend, portraitiert jener das “Familien-Oberhaupt” mit einer stoisch-dominanten Bedrohlichkeit – jedoch nicht völlig gefühlsfrei; vielmehr gestört-fehlgeleitet in seinem Denken. Auf dieser Basis hat er ein Bibel-eskes Manifest verfasst, welches er zum Predigen und Unterrichten verwendet, verlangt er Gehorsam ohne Widerrede, ist er zu einem Kidnapper und Mörder geworden und scheint er in Son´s Körper irgendein “Heilmittel” zu wähnen (Details bleiben einem da leider verwehrt). Er allein verlässt das Haus, um Vorräte zu besorgen oder Son´s gemalte Bilder zu verkaufen – was er mit Sicherheit nicht eine Gasmaske tragend erledigt (u.a. wegen sowas wurde die Sache mit dem Blut für mich recht unbefriedigend dargelegt). Das Toxische draußen ist eher “moralisch-allegorisch” aufzufassen – weshalb er Daughter eingangs auch anweist: “The rot stays out there!”
Weder ist die staatliche Ordnung zusammengebrochen noch gab es eine ökologische Katastrophe. Das ist kein Spoiler – stattdessen evident (etwa durch den Anfang, einen Garagentür-Spalt sowie Daughter´s Reaktionen, als sie mit solchen Behauptungen konfrontiert wird). Father manipuliert Son auf diesem Wege – die anderen müssen da “mitspielen”; ihre Kleidung von den Farben und der Art her an die einiger Sekten erinnernd. Unweigerlich werden einem Begriffe wie Patriarchat und Indoktrination in den Sinn gerufen – allerdings wird nicht deutlich, was genau uns Deshon damit (über das Offenkundig-Oberflächliche hinaus) sagen möchte. Die verschiedenen Ansätze, Elemente und angerissenen Subplots hätten eine Konkretisierung benötigt, um eine stärkere Wirkung zu erzeugen – möglichst hinsichtlich Father´s Motiv. Was hat diese Abneigung gegen die aktuelle Form der Gesellschaft sowie die Idealisierung der Nuclear Family (samt ihrer traditionellen Werte) ausgelöst? Was hat ihn dazu gebracht? Wie “irre” ist er im Ganzen? Was ist sein Plan für die Zukunft – z.B. wenn Son erwachsen ist?
Ich habe nichts gegen Interpretations-Freiraum und muss beileibe nicht alles haarklein aufgedröselt bekommen – doch war mir das hier einen Zacken zu unfokussiert-diffus; auch im Hinblick auf die “Lehren” Fathers. Derweil wusste mir Daughter seitens der Ausgestaltung der Figur ebenso wie von der Darbietung Vivien Ngôs (“Wyrm”) her zu gefallen: Allein schon weil sie bedacht agiert, nie herumschreit und keine dummen Entscheidungen trifft, ist man bei ihrem Meistern der Gefangenschaft stets uneingeschränkt empathisch “bei ihr”. Eylse Dinh (“the Good Neighbor”) vermittelt die Komplexität des folgsamen, wohl aber dienliche Ratschläge gebenden Mother-Parts gut: Es herrscht Unsicherheit, inwieweit ihr zu trauen ist bzw. an welchem Punkt sie Daughter ggf. “aufgeben” würde, um ihre eigene “Position” nicht zu gefährden. Als naive-unschuldiger, Sister´s Gesellschaft schätzender, oft breit grinsend Father unbedingt erfreuen wollender Sohn – den aber auch gewisse Belastungen plagen – ist Ian Alexander (TV´s “the OA“) indes der schwächste vier Leads…
Für sein Spielfilm-Regiedebüt hat Deshon eine ambitionierte Herangehensweise gewählt: Um die klaustrophobisch-ungemütlich-rohe Atmosphäre zu verstärken, griffen er und Cinematographer Hana Kitasei (“the Unborn”) auf grainy 16mm-Bildmaterial sowie ein 1.66:1 Format zurück, gibt es innerhalb der Dialoge immer wieder unbehagliche Pausen zwischen einzelnen Worten, Sätzen und Erwiderungen zu verzeichnen und hat Newcomer David Strother die Geschehnisse mit einem minimalistischen, nichtsdestotrotz effektiven Score untermalt. Die Ausstattung sowie Einrichtung des Hauses lässt nicht klar erkennen, in welchem Jahr angesiedelt sich die Handlung entfaltet – wobei das aufgeführte (seltsam surreal-schräge) Musik-Theaterstück durchaus auf die Achtziger hindeuten könnte – während die Unberechenbarkeit Fathers für Anspannung sorgt und einem ein paar Szenen tatsächlich länger im Gedächtnis verbleiben. Insgesamt war mir einiges leider jedoch zu vage sowie das Tempo zu ruhig, um mich über die volle Laufzeit hinweg in einem optimalen “aufmerksamen und emotional involvierten Zustand” zu halten…
Fazit: Mit “Daughter” hat Corey Deshon einen ambitionierten Kammerspiel-artigen Psycho-Thriller vorgelegt, der sich angenehm von ähnliche Geschichten erzählenden B-Movie-Veröffentlichungen abhebt – alles in allem aber von bestimmten “Präzisierungen” profitiert hätte…
gute
Während “Daughter” in den USA bereits auf DVD und BluRay erhältlich ist, sind mir bis heute (12/2023) indes noch keine Veröffentlichungspläne für Deutschland bekannt…
Stefan Seidl
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Copyright der “Daughter” Cover-/Postermotive und Pics/Screenshots: Thirteenth Floor Pictures / OneWorld Ent. / Yellow Veil Pictures / Dark Star Pictures (US) __ Freigabe der amerikanischen VÖ: Not Rated__ DVD/BluRay: ja/ja |