Originaltitel: Deadpool 2__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: David Leitch__Darsteller: Ryan Reynolds, Josh Brolin, Morena Baccarin, Julian Dennison, Zazie Beetz, T.J. Miller, Brianna Hildebrand, Jack Kesy, Bill Skarsgård, Terry Crews u.a. |
2016 erlebte einer der kultigsten Marvel-Helden seinen wohlverdienten (nicht ganz) ersten Leinwandauftritt und wetzte damit die Scharte seines katastrophalen Fehlstarts in „Wolverine“ mit Leichtigkeit aus. Die Rede ist vom Söldner mit der großen Klappe. Von Wade Wilson alias Deadpool. Der Film von Tim Miller erzählte dabei seine eigene Variante einer Origin-Story von Deadpool.
Und da wir dank „Deadpool“ alle wissen, wie der Söldner mit der großen Klappe zum krebsbewucherten Superhelden mit schier endlosen regenerativen Fähigkeiten wurde, kann David Leitch, einer der Typen, die den Hund von „John Wick“ umgebracht haben, direkt in „Deadpool 2“ einsteigen. Zu Beginn erleben wir Pool, wie er seinen eigenen Tod vorbereitet. Als er in Fetzen auf das Publikum zugeflogen kommt, einen Mittelfinger gegen „Logan“ und Hugh Jackman gereckt, verspricht er, zu erklären, wie es dazu kommen konnte. Und das geht so:
Nach den Ereignissen in „Deadpool“ hat Pool seine Bestimmung gefunden: Die Lumpen der Welt ausschalten. In einer coolen Montage sind wir dabei, wie sich Deadpool durch die Gangster der Welt schnetzelt. Doch bei einem der Lumpen patzt er und lässt ihn entkommen. Was eine Kette unvorhersehbarer Ereignisse in Kraft setzt und mit dem Tod einer Person endet, die Deadpool verdammt viel bedeutet.
Ein großartiger, bei James Bond entlehnter Vorspann greift diesen Schock witzig auf und liefert einige großartige Bildgags zum Feiern. Doch „Deadpool 2“ haut nun, aus verständlichem Grund, erst einmal mit Gewalt die Bremse rein. Gibt Deadpool viel Gelegenheit in Selbstmitleid zu ersaufen und im Professor Xavier Rollstuhl durch das Anwesen der X-Men zu rollen. Hier zeigt sich dann auch, dass Fox ein wenig mehr Geld locker machte als beim Vorgänger, gibt es in einer grandiosen Miniszene doch mal eben so gut wie alle X-Men zu sehen.
Schaut in “Deadpool 2” mit Ryan Reynolds hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=DwkoA20SSt0
Doch der Film selbst braucht nun erst einmal eine ganze Weile, um sich zu berappeln. Auch weil er keine Superbedrohung ins Rennen wirft, um Deadpool eventuell auf diese Weise wieder auf Kurs zu bringen. Der schwebt nun durch Visionen und erkennt, dass es nur einen Weg gibt, mit dem geliebten Menschen wieder zusammen zu kommen: Er muss, genau wie dieser Wolverine-Waschlappen, der Deadpool seine Idee mit dem R-Rating geklaut hat, seiner Quasi-Unsterblichkeit Lebewohl sagen. Oder auch nicht. Visionen sind da nie ganz eindeutig.
Um sich abzulenken, geht er als X-Men-Azubi mit Colossus und Negasonic Teenage Warhead auf einen Einsatz und trifft auf einen fetten Teenager, der mit seinen Händen Feuer erzeugen und es durch die Gegend schleudern kann. Firefist ist dessen witziger Alias und irgendwie hat Deadpool den Eindruck, dass ebenjener Firefist ein wichtiger Schlüssel sein könnte, um seine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen.
Der Film selber hat zu diesem Zeitpunkt leider immer noch nicht die Kurve bekommen. Viele Gags versanden. So mancher Spruch wirkt arg bemüht. Vor allem aber wirkt „Deadpool 2“ in diesem Abschnitt seltsam zäh. Fühlt sich immer ein wenig ziellos an. Und macht auch nicht wirklich Action.
Erst als Cable, eine der absoluten Kultfiguren aus dem Deadpool-Comic-Universum, der schon häufiger mit Pool aneinandergeriet oder kooperierte – je nach Lust und Laune –, in den Film kracht, beginnen die zunächst verunglückt wirkenden Minuten nach dem Vorspann Sinn zu machen. Man beginnt zu ahnen, dass man in Wirklichkeit einer Genese eines Superschurken beiwohnte. Und Cable tritt nicht nur dem Film in den Arsch, er tritt auch Deadpool in den Arsch. Und plötzlich wirkt „Deadpool 2“ wie kickgestartet!
Du bist so düster! Sicher, dass du nicht aus dem DC-Universum stammst?
(Deadpool analysiert Cable)
In einer großartigen Sequenz wird die X-Force installiert und in einer noch großartigeren, urkomischen Szene wieder deinstalliert. Bei einem Angriff der X-Force auf einen Mutantentransport lässt es Regisseur David Leitch richtig scheppern und der Film rast nun ohne Vertun spürbar auf seinen Showdown zu, der im Vergleich zum restlichen Marvel-Film-Universum richtiggehend klein daherkommt. Sich ausschließlich in und wenige Meter um ein Gebäude abspielt, fast vollständig auf große Bilder verzichtet und dennoch rockt. Wegen diverser komischer Ideen, der längsten Sterbeszene der Filmgeschichte und immer wieder durchblitzenden, schön choreografierten, splattrig angehauchten Actionszenen.
Es folgt eine Abfolge der vermutlich geilsten Abspann-Gags aller Zeiten und schon wankt man als Pool-Fan glücklich aus dem Kino… Ja, so könnte man „Deadpool 2“ durchaus treffend umschreiben. Würde aber soooo viel unterschlagen. Einen absolut geilen Thanos-Gag etwa. Ein irres Superstar-Cameo. Herrlich selbstreflexive Gags. Deadpools Ansprachen an das Publikum. Und die wohl abartigste Basic-Instinct-Beaver-Shot-Verarsche der Filmgeschichte.
Nicht zu vergessen: Die Action! „Deadpool 2“ drückt ein paar mal auf die Tube und verteilt die adrenalingetriebenen Momente gut über seine Laufzeit. Die Montage gleich zu Beginn ist eine Aneinanderreihung von cool choreografierten „Schöner Töten“-Momenten. Eine Actionszene in einem Knast, der schwer an den Knast aus „Escape Plan“ erinnert, gerät angenehm wuchtig. Schade ist, dass die Szene um die Enterung eines Mutantentransportes sehr CGI-lastig daherkommt. Erklärt Deadpool in einer vorherigen Szene noch stolz, dass ein durchs Bild rennender brennender Bäddie kein CGI wäre, ist die CGI-Last in dieser späteren Actionsequenz schon in Maßen enttäuschend.
In Maßen deshalb, weil einige Momente der Actioneinlage in der Realität wohl schlicht und ergreifend nicht umsetzbar gewesen wären. Richtig problematisch an der Szene ist allerdings, dass man ihr die Herkunft aus dem Rechner teils etwas zu stark ansieht. Allgemein hat der Film ein paar Mankos in Sachen Special Effects. So wirkt beispielsweise der durch den Film tobende Juggernaut immer zu künstlich. Schön ist aber auch, dass Deadpool die CGI-Momente ironisch bricht, indem er selbst in diese hinein hechtet und das mit einem „Und jetzt gibt’s eine CGI-Orgie“-kommentiert.
Darstellerisch gibt es keinen Grund zum Klagen. Ryan Reynolds („Green Lantern“) merkt man einfach an, wie wichtig ihm die Figur ist. Er wuchtet sich mit Verve und Witz durch den Streifen, frotzelt, jammert und witzelt ohne Unterlass und beweist in wirklich vielen Szenen enorme Selbstironie, die immer auf den Punkt funktioniert. Seine Chemie mit Josh Brolin („Avengers: Infinity War“) ist obendrein einfach genial, was Brolin hilft, den beliebten Comic-Charakter Cable zu quicklebendigem Leben zu erwecken.
Die Berlinerin Zazie Beetz als glücksverwöhnte Domino und Morena Baccarin („Spy – Susan Cooper Undercover“) als Vanessa sorgen für das Eye Candy im Film, haben aber leider beide insgesamt zu wenig Screentime abbekommen. Neben Baccarin konnten alle Darsteller aus Teil 1, zumindest jene, die überlebt haben, reaktiviert werden. Dabei haben vor allem T.J. Miller („Transformers: Ära des Untergangs“) als Barmann Weasel, Karan Soni als Taxifahrer Dopinder und Leslie Uggams als Blind Al die Lacher auf ihrer Seite. Als Neuzugänge sind unter anderem Terry Crews („The Expendables“) als Bedlam, Bill Skarsgård („It“) als Zeitgeist und Julian Dennison als Firefist am Start. Alle machen in ihren mehr oder weniger großen Rollen einfach richtig viel Spaß.
“Deadpool 2”: Gaga-Humor trifft Gaga-Action
Was bleibt, ist eine extrem unterhaltsame, im Großen und Ganzen als absolut gelungen zu bezeichnende Fortsetzung, die im Grunde an zwei Problemherden krankt: Zum einen startet sie zu behäbig. „Deadpool 2“ zieht sich zu Beginn spürbar und irgendwie hat man das Gefühl, dass nur wenige geplante Pointen funktionieren. Letzteres spielt sich mit der Zeit ein, ersteres mag man dem Film angesichts der weiteren Entwicklung gar nicht so übel nehmen. Denn wie sich herausstellt, wird in dieser Phase auf Umwegen, dafür aber durchaus glaubwürdig, eine Nemesis installiert, die sich bis zum Ende des Filmes dem Begriff „Superschurke“ entzieht. Eine Ambivalenz, die angesichts des Prollhelden Deadpool eine interessante Fußnote darstellt.
Dementsprechend sind die vielen Schimpftiraden Deadpools auf die Autoren seines zweiten Kinoabenteuers (ein Typ namens Ryan Reynolds war einer davon) gar nicht mal sooo berechtigt. Zumal auch die stilleren Momente wie im Vorgänger super funktionieren. Viel mehr hätte Deadpool über die Effekte schimpfen sollen. Die sitzen leider nicht immer.
Ein Overload an Gags, ein intelligentes Finale, spielfreudige Darsteller, kultige, die Handlung immer mal wieder ironisch brechende Musik, blutige, lustvoll überhöhte Gaga-Action und die zunehmend runder laufende Dramaturgie des Streifens lassen allerdings die Probleme schnell zu Problemchen werden. „Deadpool 2“ macht einfach richtig fett Laune! Und steht damit eindeutig in der Tradition der Comicvorlagen. Nur den Vorgänger, den erreicht die Fortsetzung nicht ganz…
„Deadpool 2“ läuft seit dem 17. Mai 2018 in den deutschen Kinos, kommt in perfektem 2D (das mit unseren 2D-Brillen noch besser wird) und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Twentieth Century Fox__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__ Blu Ray/DVD: Nein/Nein, seit dem 17.5.2018 in deutschen Kinos |