Originaltitel: The Babadook__Herstellungsland: Australien__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Jennifer Kent__Darsteller: Essie Davis, Noah Wiseman, Daniel Henshall, Hayley McElhinney, Barbara West, Benjamin Winspear, Cathy Adamek, Craig Behenna, Adam Morgan u.a. |
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„Der Babadook“ ängstigte sogar Horror-Ikonen wie Stephen King und William Friedkin.
Dem australischen Horrorstreifen „Der Babadook“ eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus. Stephen King fand ihn mindestens so spannend wie William Friedkin („Der Exorzist“). Auch „normale“ Filmfans abseits derart prominenter Fürsprecher lobten das Spielfilm-Regiedebüt von Jennifer Kent über den grünen Klee. Das weckt natürlich Erwartungen. Erwartungen, denen der Film letzten Endes nicht gerecht werden kann. Eindrucksvolle Horrorkost bietet er aber dennoch…
Amelia verliert bei einem Unfall ihren innig geliebten Mann. Sie bleibt zurück mit dem gemeinsamen Sohn Samuel, zu dem sie aus unerfindlichen Gründen überhaupt keinen Draht findet. Samuel macht es ihr allerdings auch nicht leicht. Der Junge hat eine überbordende Fantasie und wird gefühlt von Tag zu Tag immer verhaltensauffälliger. Amelia fühlt sich davon extrem überfordert. Die Situation verschärft sich noch, als sie Samuel zum Einschlafen aus einem Buch vorliest, das jener in einem Schrank gefunden hat. Darin geht es um eine seltsame Kreatur… den Babadook.
Die Geschichte ängstigt den Jungen förmlich zu Tode und scheint ihn noch Tage nach dem Vorlesen über Gebühr zu beschäftigten. Amelia bekommt ihn nun gar nicht mehr besänftigt. Samuel wird in der Folge von der Schule beurlaubt und verletzt sogar ein anderes Kind schwer. Irgendwann hat Samuel einen schweren Anfall. Vorgeblich verursacht durch den Babadook. Amelia erhofft sich von einem anschließenden Besuch bei einem Arzt Hilfe. Doch nichts ändert sich. Vielmehr gerät auch Amelia immer mehr in den Bann des Buches. Selbiges scheint sich von alleine fortzuschreiben und kann von ihr partout nicht zerstört werden… Ist der Babadook vielleicht doch keine Einbildung?
httpv://www.youtube.com/watch?v=lYQQ_VsJfKw
„Der Babadook“ lässt sich vor allem zu Beginn viel Zeit, die dysfunktionale Beziehung zwischen Amelia und ihrem Sohn Samuel zu etablieren. Dabei gelingen dem Film eindrückliche Szenen, in denen Zuneigungsbekundungen an Automatismen erinnern und der Familienhund Amelia mehr positive Emotionen abzuringen vermag als ihr eigenes Kind. Sie baut eine enorme Distanz zu dem Jungen auf, die er zu überwinden versucht, indem er sie immer wieder beeindrucken will. Mit Verhaltensweisen, die sich letzten Endes als wenig zielführend erweisen. Dem Zuschauer geht es in dieser Phase wie Amelia. Samuel ist einfach zu nervend. Man schlägt sich beinahe sofort auf die Seite der überforderten Mutter.
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Kann Samuel dem Babadook entkommen?
Was die Richtungsänderung des Filmes zur Hälfte der Laufzeit nur umso eindrücklicher macht. Ab sofort verliert man mehr und mehr die Bindung zu Amelia, die dem gleichen Wahn wie Samuel verfällt und höchst seltsame Verhaltensweisen an den Tag legt. Obwohl der Film in dieser Phase sehr nah an Amelia dran bleibt – verstörend intensiv verkörpert von Essie Davis („Matrix Reloaded“) – wird Samuel Darsteller Noah Wiseman allmählich zum kleinen Helden der Geschichte, der unverhofft für eine starke Involvierung auf Seiten der Zuschauer sorgt. Erst im letzten Drittel wird dann endgültig geklärt, ob der Babadook nur wahnhafte Fantasie einer überforderten Mutter und eines zu wenig geliebten Kindes ist, oder doch eine reale Bedrohung darstellt. Was, zumindest soviel sei verraten, für einige hübsch scary Momente sorgt. Auch wenn der Film hier ein wenig zu eindeutig Stellung bezieht, ist das Spiel mit Fantasie und Realität die mithin reizvollste Seite an „Der Babadook“. Der allerdings im Subtext eine ganz andere Geschichte erzählt. Eben eine Familiengeschichte, die, von einer Tragödie eingeleitet, noch nicht vollends zu Ende geschrieben ist…
„Der Babadook“ ist formal sehr streng ausgefallen. Jede Einstellung wirkt bis ins kleinste durchgeplant und bekommt viel Raum zum Atmen. Die Perspektiven muten ab und an experimentell an. Flaue Farben, harte Kontraste und eine interessante Ausleuchtung lenken den Blick und lassen viele Bildinhalte in tiefstem Schwarz absaufen, was das Kopfkino hier und da wirklich Amok laufen lässt. Die Folge ist eine artifizielle Anmutung, was durch den Fakt, dass „Der Babadook“ weitgehend ein Zweipersonenstück ist, deutlich unterstrichen wird. Die eine oder andere Szene gerät Jennifer Kent dabei allerdings auch ein wenig zu theatralisch und schafft eine kühle Distanz zwischen Zuschauer und Film. Tonal arbeitet der Film mit harten Gegensätzen. Von einer beinahe lautlosen Tonspur bis zu heftigen Schocks – inklusive dem fiesen baBa-ba Dook! Dook! Doook! – reicht die Palette. Leider erhält man recht selten eine optische Entsprechung zu den akustischen Schocks.
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Amelia und Samuel stellen sich der Bedrohung.
Letzten Endes steht „Der Babadook“ inszenatorisch und in Sachen Erzählfluss eindeutig in der Tradition von Schockern wie „The Conjuring“, „Sinister“ oder „Insidious“, ohne jeweils deren Intensität in Sachen Schocks zu erreichen. Das liegt auch und vor allem daran, dass dem Film sein Subtext um die dysfunktionale Familie deutlich wichtiger ist als ein konsequentes Einbinden des Babadooks. Doch dieses Herangehen hat durchaus seinen Reiz. Ohne brachiale Jump Scares, ohne überbordende CGI-Orgien, ohne Blutbäder entsteht hier trotzdem eine reizvolle Grundspannung aufgrund des formvollendeten Spiels mit der Frage, was Realität und was Wahn ist. Angeheizt wird diese durch das fantastische Spiel der beiden Hauptdarsteller und die konzentrierte, artifizielle Bebilderung. Ein weiteres Highlight ist die Umsetzung des Buches „Der Babadook“. Die Illustrationen Alex Jukasz‘ alleine reichen schon aus, um einem eine Gänsehaut zu bereiten. Wenn diese Illustrationen dann sogar zum teilweise sehr atonal klingenden Soundtrack zum Leben erwachen, hat der Film einen ganz besonders intensiven Moment. Obendrein übernimmt der Film viele Gestaltungsmittel des Buches für seine eigene Optik. So wird mit teilweise simplen Mitteln eine tolle Horrorstimmung aufgebaut, die allerdings nicht durchgehend funktionieren mag. Vor allem das Ende, in dem alles ein wenig zu offensiv ausformuliert wird, und das letztlich arg unspektakuläre Finale erden den Spaß unsanft. Ab und an findet man wirklich so gar keinen Zugang zu den Figuren und fühlt sich seltsam auf Distanz gehalten. Eine gewisse Mythologie hätte dem Babadook ebenfalls gut gestanden und letzten Endes fehlen eben doch die wirklich bedrohlichen Momente, was durch den quasi nicht vorhandenen Bodycount noch unterstrichen wird. Dennoch bietet „Der Babadook“ eindrückliche, teilweise sehr tiefgehende Horrorunterhaltung, die man nicht so schnell wieder vergisst.
Der Film ist ab Donnerstag, den 7. Mai 2015 in den deutschen Kinos und kommt von Capelight Pictures.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Capelight Pictures__FSK Freigabe: ???__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 7.5.2015 in den deutschen Kinos |