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Der große Frust

Originaltitel: The Big Chill__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1983__Regie: Lawrence Kasdan__Darsteller: Tom Berenger, Glenn Close, Jeff Goldblum, William Hurt, Kevin Kline, Mary Kay Place, Meg Tilly, JoBeth Williams, Don Galloway, James Gillis, Ken Place, Jon Kasdan, Jake Kasdan u.a.
Der große Frust

In Lawrence Kasdans Ensembledrama “Der große Frust” spielen unter anderem Tom Berenger, Jeff Goldblum, Kevin Kline und Glenn Close mit

Lawrence Kasdan ist ein Hans Dampf in allen Genre-Gassen: Erst der große Durchbruch als Drehbuchautor von Spielberg/Lucas-Megablockbustern wie „Jäger des verlorenen Schatzes“, „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, der Neo-Noir „Body Heat“ als Regiedebüt und später immer wieder kleine Ensembledramen – wie etwa „Der große Frust“, seine zweite Regiearbeit.

Sieben College-Freunde treffen einander wieder: Der Schauspieler Sam (Tom Berenger), der Journalist Michael (Jeff Goldblum), der Veteran Nick (William Hurt), die Anwältin Meg (Mary Kay Place), die Hausfrau Karen (JoBeth Williams) sowie das Ehepaar Harold (Kevin Kline) und Sarah (Glenn Close). Der Anlass ist allerdings ein trauriger: Ihr alter Freund Alex hat Selbstmord begangen, man findet sich zur Beerdigung ein. Ebenfalls dabei ist – neben weiteren Freunden und Verwandten – Alex‘ Freundin Chloe (Meg Tilly). Den Verstorbenen sieht man nie, obwohl tatsächlich ein paar entsprechende Szenen mit Kevin Costner in der Alex-Rolle gedreht wurden, die aber wieder aus dem fertigen Film herausfielen.

Harold und Sarah beherbergen den Freundeskreis plus Chloe übers Wochenende. Auf engstem Raum müssen die Freunde feststellen, dass sie auseinandergedriftet sind, dass sie Alex vielleicht nicht (mehr) so gut kannten wie gedacht und dass sich ihre Leben nicht immer so entwickelt haben wie gewünscht…

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Den großen Frust, oder in den Worten des Originaltitels: ein großes Frösteln angesichts der Ernüchterung, will Kasdans Zweitling beschreiben. Allerdings halst sich der Regisseur mit seiner Herangehensweise gleich zwei große Probleme auf. Zum einen meckern seine Figuren auf sehr hohem Niveau. Natürlich wäre es klischeehaft zu denken, dass auch reiche und/oder erfolgreiche keine großen Probleme haben, doch so wirklich die meisten fallen hier sehr weich: Sam ist Schauspieler mit eigener TV-Serie (die sehr an „Magnum“ erinnert), Michael schreibt für „People“ und nicht irgendein Provinzblatt, Harold hat gerade seine Firma verkauft und wird eine Menge Geld damit machen, Karen ist zwar unglücklich in ihrer Ehe, der Ehemann, mit dem sie zwei Kinder hat, ist aber alles andere als ein Unmensch. Der unerfüllte Kinderwunsch von Meg ist da eher nachvollziehbar, aber sie ist noch im gebärfähigen Alter und einen Vater für das Kind will sie auch nicht, weshalb sie einfach diverse alte Freunde anhaut, ob sie ihr da zeugungsmäßig aushelfen können. Selbst die Affäre, die Sarah und der Verstorbene hatten, wird zwar immer wieder erwähnt, doch Harold hat ihr in der Gegenwart des Films längst vergeben, sodass auch das eher ein Problemchen denn ein ausgewachsenes Problem ist. So findet sich innerhalb eines Wochenendes eine Lösung für fast jedes Problem und jede Krise, dass es fast märchenhaft wirkt. Vieles wird tatsächlich durch Poppen gelöst, und für den Nick, der in seinem Auto lebt und mit Drogen dealt, haben Harold und Sarah noch ein Ferienhäuschen parat, das er renovieren und bewohnen kann.

Das zweite große Problem des Films liegt darin, dass es zwar um gestorbene Träume und nicht nach Wunsch verlaufene Lebenswege geht, man aber die College-Vergangenheit nie sieht. Selbst die Schilderungen der Figuren sind nicht allzu ausführlich, kurze „Weißt du noch damals, als…“-Erwähnungen, die intradiegetisch sofort verstanden werden, das Publikum außerhalb des Films allerdings irgendwie außen vor lassen. Man erfährt nur skizzenhaft etwas darüber, wer diese Leute da auf der Leinwand waren oder was sie werden wollten, versteht daher kaum, warum es so tragisch ist, dass sie in diesem oder jenem Job bzw. in dieser oder jener Beziehung gelandet sind. Andere Probleme sind dagegen nachvollziehbarer. Gerade die Trauerarbeit bringt „Der große Frust“ sehr gut hinüber: Die einen versuchen ihren Schmerz mit Witzen oder coolen Sprüchen zu überspielen, andere haben Gefühlsausbrüche, wieder andere versuchen die Situation zu analysieren. Warum nahm sich ausgerechnet Alex, der manchen als sozialer Kitt und größter Hoffnungsträger der Gruppe galt, das Leben? Warum malochte dieser brillante, hervorragend ausgebildete Typ lieber in banalen Jobs? Und vor allem: Hätte man den Suizid verhindern können? Denn alle Beteiligten spüren, dass die vermeintlich ewig haltenden Freundschaften aus der Collegezeit teilweise erkaltet sind, dass sie nicht nur zu Alex, sondern auch zueinander oft nicht viel Kontakt in den letzten Jahren hatten. Weniger geschickt ist allerdings der Einsatz des Soundtracks: Etwas zu aufdringlich ist der Einsatz von Evergreens (u.a. Marvin Gayes „Heard It Through Grapevine“, Creedence Clearwater Revivals „Bad Moon Rising“ oder „You Can’t Always Get What You Really Want“ von den Rolling Stones), mit denen Kasdan seinen Film phasenweise regelrecht zukleistert.

Trotz mancher dramaturgischer Probleme merkt man „Der große Frust“ an, dass Kasdan ein begnadeter Autor ist. Auch wenn nicht jede Figur die gewünschte Tiefe, nicht jeder Konflikt die gewünschte Fallhöhe erreicht, so sind die Charaktere sympathisch, auch und gerade in ihrer fehlerhaften Art. Zudem vermeidet Kasdan einen Depri-Ton, gewinnt der Situation auch immer wieder lakonischen Witz, lebensbejahende Momente und starke Dialoge ab, die er vor allem Michael in den Mund legt. Der eloquente Chefzyniker merkt bei der Beerdigung beispielsweise an, dass dies das wohl rauschendste Fest ist, dass für einen Menschen veranstaltet wird, der Betroffene aber nicht kommen kann.

Auch das Casting von „Der große Frust“ ist superb – fast alle Darsteller waren aufsteigende Stars oder schafften später den Durchbruch. Jeff Goldblum („Hotel Artemis“) als Windhund und Sprücheklopfer hat den vielleicht dankbarsten Part, den er auch großartig ausfüllt, doch auch sonst sind alle Darsteller stark: Kevin Kline („Dave“) als gute Seele mit Helfersyndrom, Glenn Close („What Happened to Monday?“) als Ehefrau mit Schuldgefühlen, Tom Berenger („Sniper: Assassin’s End“) als äußerlich starker, emotional jedoch schwächelnder Macho und William Hurt („Avengers: Endgame“) als vom Leben gebeutelter Hallodri. Auch diejenigen, deren Karriere nicht ganz so groß durchstartete, überzeugen auf voller Linie: JoBeth Williams („Hunde des Krieges“) als patente Klartextrederin, Mary Kay Place („Being John Malkovich“) als idealistische Anwältin und Meg Tilly („Body Snatchers“) als Neuzugang und damit Außenseiterin der verschworenen Truppe.

„Der große Frust“ bietet somit durchweg starke Leistungen eines hervorragend gecasteten Ensembles, Einfühlungsvermögen für seine Figuren und geschliffene Dialoge, doch so ganz will der Funke nicht überspringen. Viele Konflikte wirken enttäuschend banal, ihre Auflösung noch mehr und oft wirkt das Ganze wie Jammern auf hohem Niveau. Man kann „Der große Frust“ ein wenig mit „Breakfast Club“ vergleichen, in dem ebenfalls eine Ensemble Konflikte räumlich und zeitlich verdichtet durcharbeitet. Doch wo John Hughes diese Versuchsanordnung nachvollziehbarer machte und man Teens gewisse Überdramatisierungen nachsehen kann, da wirken Probleme der Erwachsenen bei Kasdan etwas künstlich aufgeblasen.

„Der große Frust“ ist bei Sony, früher Columbia/Tristar auf DVD in Deutschland erschienen und ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Das Bonusmaterial umfasst Filmographien, entfallene Szenen und die einstündige Doku „The Big Chill: A Reunion“.

© Nils Bothmann (McClane)

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