Originaltitel: Witchfinder General__Herstellungsland: Großbritannien__Erscheinungsjahr: 1968__Regie: Michael Reeves__Darsteller: Vincent Price, Ian Ogilvy, Rupert Davies, Hilary Heath, Robert Russell, Nicky Henson, Tony Selby, Bernard Kay, Godfrey James, Michael Beint, John Trenaman, Bill Maxwell u.a. |
Die Filmographie von Michael Reeves ist übersichtlich, da der Regisseur im Alter von nur 25 Jahren an einer Überdosis von Alkohol und Schmerzmitteln starb. Mit seinem letzten Werk „Witchfinder General“ löste er nicht nur eine Kontroverse wegen Gewaltdarstellung aus, sondern schuf gleichzeitig eine Blaupause für eine kleine Welle von Hexenjäger-Filmen.
Basierend auf realen Begebenheiten ist der titelgebende Hexenjäger bzw. Chef-Hexenjäger die zentrale Figur des Films: Matthew Hopkins (Vincent Price). Der durchstreift mit seinem Assistenten John Stearne (Robert Russell) und weiteren Mannen durch das England des Jahres 1645, das vom Bürgerkrieg gebeutelt wird. Der Zusammenbruch der Ordnung hilft ihm sogar, da er sich ohne große Kontrolle als Gesetzeshüter aufspielen und von Magistraten für seine Tätigkeiten bezahlen lassen kann. Inwieweit er einen offiziellen Auftrag hat, lässt der Film im Unklaren – der historische Hopkins war ein Anwalt, der lediglich behauptete zum Hexenjäger-Chef des Landes berufen worden zu sein.
Ein der Hexerei Beschuldigter ist der Pfarrer John Lowes (Rupert Davies), der mit seiner Nichte Sara (Hilary Heath) zusammenwohnt. Deren Verlobter ist der Soldat Richard Marshall (Ian Ogilvy), der auf Seiten des Parlaments gegen die Truppen des Königs kämpft. Um ihren Onkel zu retten, gibt sich Sara dem Hexenjäger hin, doch sie hat nicht mit der Verschlagenheit von ihm und seinen Mannen gerechnet…
„Witchfinder General“ ist irgendwo im Spannungsfeld von Folterhorror, Gesellschaftsdrama und Historienfilm anzusiedeln, wobei die von Fans gern proklamierte geschichtliche Genauigkeit von Historikern eher kritisch beurteilt wurde. Doch dies ist auch der falsche Ansatz, denn Reeves‘ Film geht es kaum um die geschichtlichen Zusammenhänge. Der Bürgerkrieg ist nur der historische Hintergrund, von dem man auch aus Budgetgründungen eher wenig zu sehen bekommt, sieht man von ein, zwei Einsätzen Richards ab. Viel lernt man nicht über den Bürgerkrieg zwischen Krone und Parlament, aber „Witchfinder General“ geht es sowieso um etwas Universelleres: Die Art, auf die Menschen auf Scharlatane hereinfallen, wenn diese nur genug Staub aufwirbeln und alles im Brustton der Überzeugung tun, die Verlogenheit mancher Leute, die nur auf ihren Ruf (bzw. den ihrer Gesellschaft) bedacht sind und die Lust an sadistischen Spektakeln.
So ist das Bitterböse an „Witchfinder General“ weniger die gezeigte Gewalt, sondern das Umfeld, in dem sie passiert. Da wird der gutherzige Dorfpfarrer angeschwärzt und von einem Gernegroß, den keiner Dörfler kennt, gefoltert, aber die Leute jubeln, weil der Hexenjäger angeblich im Namen Gottes unterwegs ist, während er (welch böse Ironie) dem Gottesmann Gewalt antut, den die Dörfler jahrelang kennen. Dabei ist sich Hopkins ist klar, dass sein Geschäft ein selbsterhaltendes ist: Nur wenn er stets neue Hexen findet, wird er auch bezahlt. Die Methoden mit Folter und dubiosen Tests sind natürlich so konzipiert, dass jeder und jede Beschuldigte früher oder später als Hexe „entlarvt“ wird, während die öffentlichen Hinrichtungen mittelalterliche Crowdpleaser deluxe sind. Das ist schon ein bitterböses Gesellschaftsbild, das sich aber auch mit wenig Phantasie auf andere Epochen übertragen lässt.
Dreh- und Angelpunkt ist natürlich Hopkins, bei dem man nie so recht weiß, inwiefern er Gutgläubigkeit und Religiosität der Leute ausnutzt und inwieweit er sich selbst in seine Rolle als göttlicher Richter hineinsteigert. Vielleicht glaubt er tatsächlich selbst, dass er sein Verlangen nach Sara nicht rechtfertigt, sondern dass diese ihn mit schwarzer Magie becirct. Allerdings reagiert er mit sehr weltlicher Eifersucht und Spießbürgermoral, als sich auch Stearne an der armen Frau vergeht. Vincent Price in der Hauptrolle ist dabei wirklich famos und das große Highlight des Films. Dabei war er gar nicht die erste Wahl von Regisseur Michael Reeves, der eher Donald Pleasance im Sinn hatte. Für ihn fuhr Price sein sonst eher expressives Mienenspiel herunter, ist aber auch mit diesem Schauspielstil sehr überzeugend. Der Rest liefert brauchbares, darunter Reeves‘ Stammdarsteller Ian Ogilvy, wobei Robert Russell in der verwarzt-hassenswerten Folterknechtrolle der einzige ist, der noch ein paar Akzente setzen und neben Price bestehen kann.
Schaut in den Trailer von “Der Hexenjäger”
Trotz all seiner Meriten ist „Witchfinder General“ nicht nur ein Gesellschafts- und Sittenbild, sondern auch Edel-Exploitation. So führt er zwar die Schaulust der Dorfbewohner vor, hat aber auch kein Problem vom Voyeurismus der Genrefans zu profitieren. Reeves‘ Film haut in Sachen Folter und Gewalt zwar weniger auf die Kacke als manche seiner Nachahmer, aber gezeigt werden entsprechende Szenen schon. „Witchfinder General“ ist zwar kein großer Splatterfilm und setzt seine Exploitation-Schauwerte eher dosiert ein, sie sind aber nicht ohne – etwa kreative Methoden der Hexenverbrennung. Das Blut fließt ähnlich wie bei Hammer-Produktionen oder den Italo-Horrorfilmen dieser Zeit immer knallrot, vor allem im dramatischen Finale, dessen Ergebnis nicht unbedingt Happy-End-Qualität hat. Hier sind auch mal ein paar Kampfhandlungen ausführlicher zu sehen, was sonst (wohl aus den erwähnten Budgetgründen) eher ausgespart wird.
Freilich hat „Witchfinder General“ auf der Handlungsebene weniger als auf der Ebene seines Gesellschafts- und Stimmungsbildes zu bieten. Über weite Strecken sieht man nur dem Antihelden Hopkins bei seinem schändlichen Treiben zu, während Richard auf dem Schlachtfeld und damit aus dem Mainplot hinaus ist. Erst im letzten Drittel entwickelt sich dann eine Racheplot, während das vorige Geschehen nicht im klassischen Sinne spannend ist – das Publikum kann wesentlich schneller als die verzweifelte Sara einschätzen mit was für einem Drecksack sie es zu tun hat und was wohl passieren wird.
„Witchfinder General“ ist weder eine akurate Geschichtsstunde noch ein beinharter Splatter- bzw. Horrorfilm im klassischen Sinne, aber ein mit Mitteln des Exploitation-Kinos erzähltes Sittenbild über Verlogenheit, religiösen Wahn und Manipulation. Und vor allem eine Vincent-Price-Show der Deluxe-Klasse. Denn der Mann hebt „Witchfinder General“ über die Ebene seiner eher sparsamen Handlung und über manches Budgetproblem hinweg.
© Nils Bothmann (McClane)
……
Zum Auftakt sieht man ein paar Rundköpfe, die in ihrer Rüstung durch einen englischen Wald reiten. Das Szenenbild ist auf das Jahr 1645 ausgelegt. Kaum ein Bildelement stört die Illusion. Obwohl aber alles darauf hindeutet, dass wir uns mitten im Englischen Bürgerkrieg befinden, haben wir es bei „Der Hexenjäger“ im Grunde von der ersten Minute an mit einem Western zu tun.
Das ist ein durchaus ungewöhnliches Merkmal für einen Film über das dreieinhalb Jahrhunderte zurückliegende England. Western spiegeln sich nur allzu gerne in Gegenwartsfilmen aller Art, eher selten findet man ihre Reflexion aber in Epochen, die älter sind als er selbst. Wenn eine Filmhandlung in einer Zeit angesiedelt ist, noch bevor Fotografien das Laufen lernten, haftet ihr meistens das absicherte Gefühl eines Museumsgangs an. Da ist es dann auch egal, wie grausam die Bilder sein mögen, die zu ihrer Illustration herangezogen werden. Es sind ja schließlich nur Bilder, im besten Fall geschöpft aus mündlicher oder schriftlicher Überlieferung, niemals jedoch dokumentiert durch die wahrhaftige Lebendigkeit des Films. Dem Zuschauer kann nichts geschehen, denn er hat zu dieser Zeit keinerlei direkte Verbindung; er ist im besten Falle historisch daran interessiert, wie sie einmal ausgesehen haben muss.
Gerade auch gilt das für die Anfang der 70er Jahre losgetretene Welle der Hexenjägerfilme. Unentwegt brannten darin Hexen, durch einfache Bildmontagen jedoch zumeist stilisiert wie abstrakte Abbildungen in einem Buch; vorne das knackende Feuer, dahinter die schreiende Frau am Kreuz, durch die Bildebenen klar vom Quell der Pein getrennt und doch einen Ausdruckstanz aufführend, um dem Betrachter symbolhaft etwas zu vermitteln. Durch die Verknüpfung mit okkulten und übernatürlichen Elementen fand eine Mythologisierung statt, die dazu führte, dass sich Phantastik und Geschichte untrennbar miteinander vermischten. Regisseure wie Jess Franco trugen zu dieser Zerstreuung maßgeblich bei, indem sie sich weigerten, einen konkreten Standpunkt in Bezug auf die Hexenverfolgung einzunehmen.
Ausgerechnet „Der Hexenjäger“, womöglich Auslöser der Welle, trägt keine dieser Eigenschaften. Nichts Märchenhaftes liegt in der Wiedervereinigung des Rundkopfs Richard (Ian Ogilvy) mit seiner Geliebten Sarah (Hilary Heath), denn in das ruhige Nest folgt ihm der Schatten eines Mannes in Schwarz, eines gewissen Hopkins (Vincent Price), der von sich behauptet, Hexen aufspüren und vernichten zu können. Am Ende steht reiner Terror, der tief in den Abspann hallt, entstanden aus dem unergründlichen Schmerz, den eine Gruppe von Menschen der anderen zuzufügen bereit ist.
Weite Distanzen und Figuren, die sich darin aufeinander zubewegen, vorbeiziehende Wolken über rotierender Erde, zwielichtige Gestalten und die Tragödien, die sie beschwören, das sind im Wesentlichen die Stoffe, aus denen Spaghettiwestern gemacht sind. Hier ist es nun der 25-jährige Brite Michael Reeves, der sich solche Stilmittel aneignet, um das letzte Vermächtnis vor seinem unverhofften Tod mit einer ähnlich grimmigen Grundstimmung auszustatten.
Im Theatraliker Vincent Price, den ihm die AIP-Bosse vor die Nase setzten, fand er allerdings eher ein Hindernis als eine Inspiration vor, um seine klare Vision kompromisslos umsetzen zu können. Ausgerechnet Price, der mit Vorliebe überzeichnete, der Rollenbilder brach und seinen Figuren erlaubte, ein Bewusstsein für das Konstrukt zu entwickeln, dessen Teil sie waren. Auch heute noch ist man als Betrachter überzeugt, dass „Der Hexenjäger“ mit Reeves’ Wunschkandidaten Donald Pleasence ein mindestens ebenso eindringlicher Film geworden wäre, der zudem wohl naht- und reibungsloser zustande gekommen wäre. Am Set jedenfalls muss es öfter mal geknallt haben zwischen dem Regisseur und seinem unerwünschten Star.
Spannender ist aber nun das Ergebnis, das mit Price zustande kam, denn die Hürden, mit denen er während der wütenden Regieanweisungen zu kämpfen hatte, peitschten ihn zu einer der außergewöhnlichsten, wenn auch untypischsten Leistungen seiner Karriere. Ambivalenzen durchströmen seine Mimik und sein oftmals unsicheres Handeln, die Augen tief in die Höhlen zurückgezogen, der Mund verzerrt vor Verbitterung. In der Anlage spielt er einen klassischen Villain, keinen jedoch, der wie ein Bond-Gegner absolute Kontrolle über sein Umfeld ausstrahlen würde. Zumeist in Untersicht gefilmt und die Räume füllend, die er betritt, wird Prices Figur, mit ihr womöglich auch Price selbst, immer wieder in unangenehme Situationen manövriert, die seine enorme physische Präsenz konterkarieren und seine Schwächen zum Vorschein bringen. Erstmals macht man diese Beobachtung, als eine andere Figur von den vorbestimmten Pfaden abweicht: Sarah nämlich, die sich dem Hexenjäger anbietet, wenn er nur ihren Onkel verschont…. und das nicht etwa mit einem Ausdruck der Verzweiflung im Gesicht, sondern mit dem perfekten Schauspiel einer Verführerin. Ein Moment tiefster Irritation nicht nur für Hopkins, sondern auch für den Zuschauer.
Ab hier gerät das Gefüge, das etwa den klassischen Hammer-Streifen jener Zeit noch eine gewisse Zuverlässigkeit bot, mächtig ins Wanken, als die unkontrollierbaren Unebenheiten der Realität mit dem einfachen Weltbild der Herrschenden und Unterdrückenden kollidiert. Das Monster ist vom Menschen nicht mehr länger eindeutig zu trennen, und der Versuch, diese Trennung aufrecht zu erhalten, führt sukzessive zur Eskalation. Diese wiederum inszeniert Reeves keineswegs mit dem comichaften, von Aberglauben angetriebenen Anstrich seiner weniger versierten Trittbrettfahrer. Übernatürliches lässt sich nicht finden in „Der Hexenjäger“, im Gegenzug aber eine deutliche Positionierung. Das Hadern der Titelfigur mit sich selbst führt zu der geschlossenen Stärke dieses Films, die sich in schockierenden, längst nicht mehr abstrakten Darstellungen von Gewalt entlädt, die deswegen so schockierend wirken, weil sie so stumpf, unvermittelt und ungehindert aus reiner Willkür jener entstehen, die das Recht auf ihrer Seite sehen. Körper, die unter Wasser getaucht werden, Körper, die Feuer fangen, Körper, auf die Äxte niederfahren… Reeves wagt sich weit genug vor, dass kein Zweifel mehr an der Wahrhaftigkeit des Schreckens besteht, der sich sicht- und hörbar in die Welt drängt.
Mit der Anmutung eines historischen Horrorschinkens mag „Der Hexenjäger“ auf den ersten Blick nicht zur Aufbruchsstimmung beitragen, mit der etwa „Rosemary’s Baby“ oder „Night of the Living Dead“ im gleichen Jahr das Genre revolutionierten. Der altbackene Anstrich ist allerdings nur eine Illusion. Tatsächlich traf Michael Reeves den Zeitgeist in seinem Land durch den Rückgriff auf eine heidnische Vergangenheit ziemlich genau, weil er es verstand, sie so real wirken zu lassen, dass sie an die Gegenwart erinnerte.
bis
© Sascha Ganser (Vince)
Informationen zur Neuveröffentlichung
Limited Collector’s Edition #56
Es ist schon erstaunlich, wie großzügig „Der Hexenjäger“ bislang schon ausgewertet wurde. Obwohl er nicht eben zu den ganz großen Klassikern des Horrorfilms gehört und jenseits von Horrorfilm- und Cineastenkreisen einen vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrad aufweisen dürfte, spricht es für seine Bedeutung, dass er über Jahre hinweg im Grunde niemals vergessen wurde. Am Ende einer vorläufigen Kette von Super-8-Spulen, Videokassetten und DVDs, mal geschnitten, mal nicht, stand 2016 in Deutschland eine reichhaltig ausgestattete 3-Disc-Edition von `84 Entertainment, die neben dem Hauptfilm auf Blu-ray nicht nur eine Menge Extras zu bieten hatte, sondern auch mehrere Alternativfassungen. Man hätte wohl eher nicht geglaubt, dass da allzu schnell noch etwas Größeres nachkommt. Aber nun stehen wir hier und halten die 56. „Limited Collector’s Edition“-Ausgabe von Wicked Vision in den Händen, die in jeglicher Hinsicht noch einen draufsetzt.
Die Verpackung
Wie schon bei ’84 erscheint natürlich auch das Upgrade wie üblich in dreifacher Mediabook-Ausführung, wobei alle Covervarianten jeweils 333 Mal gedruckt wurden. Das hier besprochene Cover C entspricht dem deutschen Originalmotiv, das schon auf der A-Variante von ’84 verwendet wurde. Diesmal sieht das Ganze aber nochmal ein Stück edler aus, weil sich abgesehen vom Filmtitel in der Mitte keinerlei Schriftzüge ins Bild drängen, während die Vorgänger-Edition noch das Label-Logo, das Blu-ray-Logo, den Schriftzug „3-Disc Limited Collector’s Edition“, den Namen des Hauptdarstellers sowie die Tagline „Ein Dämon in Menschengestalt“ trug. Zwar ist das Motiv relativ minimalistisch und bietet Platz für solche Zusatzinformationen, in der schlichten Form erzielt es aber dennoch die größere Wirkung. Puristen und Sammlern von Original-Artworks stellt sich somit gar nicht die Frage, welches Cover in der Sammlung landet. Optisch spektakulärer sind allerdings die beiden modernen Motive. Zumindest Cover B von Graham Humphreys ist dabei auch nicht brandneu, denn gezeichnet wurde es für die britische Blu-ray, die vor bereits mehr als zehn Jahren erschien. Die kantigen, fast holzschnittartigen und trotzdem ungemein detailreichen Züge Prices transportieren aber gemeinsam mit dem Lodern und Kreischen der unteren rechten Hälfte wunderbar den straffen Charakter des Films. Noch dazu ist das Layout überaus gelungen und übertrifft sogar die ursprüngliche Nutzung für die britische Disc. Frisch, neu und exklusiv wiederum ist das wunderbar leuchtende A-Cover von Timo Wuerz, das nicht ganz unerwartet als erstes vergriffen war. Die Anordnung der Collage ist eher konventionell, durch das Spiel aus Blau und Rot entsteht aber eine enorme Dynamik.
Das Booklet
So viel zum äußeren Anschein, beachten wir nun also die inneren Werte und beginnen mit dem Booklet. Dessen Frontcover wurde ebenfalls zuvor bereits von ’84 verwendet, es handelt sich um das weiß-schwarz-rötliche Motiv vom Konterfei Prices hinter einer brennenden Hexe, ähnlich im Grunde wie auf dem Wuerz-Cover, nur ein wenig anders arrangiert. Zum gewohnten Beige-Ton der Discs passt es jedenfalls wunderbar. Und mit der schwarzweißen Scherenschnitt-Abbildung Prices auf dem Booklet-Rücken haben wir dann auch alle Mediabook-Motive von ’84 abgedeckt.
Das Innere der 24 Seiten teilen sich diesmal zwei Autoren. Es beginnt Dr. Rolf Giesen, den man auch gleich an Begriffen wie „Kintopp“ und Wendungen wie „Ich erinnere mich daran“ aus Tausenden herauslesen würde. Demnach geht es über weite Strecken um eine Einordnung der Kulisse, die den „Hexenjäger“ in die Kinos begleitete, in etwa so, wie ein Romanautor die Umgebung beschreiben würde, um sich in die Hauptfigur zu versetzen. Tigon, Hammer und Amicus dienen dabei als Orientierungspunkte, Roman Polanski oder Tony Tenser als Nebendarsteller, Michael Reeves schließlich als Hauptdarsteller, der anhand seiner filmischen Arbeit charakterisiert wird. Obwohl auch Robert Zion in seinem Folgetext „Witch!“ nicht darauf verzichtet, den „Hexenjäger“ anhand der Wechselwirkung mit äußeren Faktoren zu beschreiben, betrachtet er den Gegenstand viel deutlicher anhand seiner inhärenten Eigenschaften. Er analysiert ihn im theologischen, soziologischen und filmtheoretischen Sinne und verleiht ihm mit seinen Deutungen eine tiefe Substanz. Ferner bietet er noch einen Ausblick auf die historische Vorlage des Hexenjägers, den wahren Matthew Hopkins, der tatsächlich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein kurzes Leben verlebte. Auch sein Kollege John Stearne und deren Opfer John Lowed kommen zur Sprache. Zum Abschluss geht es dann noch um die Filmmusik von Paul Ferris, sich erstreckend von autobiografischen Details bis zu den Feinheiten im Klang der Aufnahmen. Unter dem Strich also ein enorm dicht gefüllter Buchteil, der mit gerade mal fünf halbseitigen Bildern hauptsächlich aus Text und viel Inhalt besteht.
Nun weiß man gar nicht so recht, wie man mit der Besprechung weitermachen soll, denn das Mediabook beherbergt am Ende gleich vier Silberling, allesamt bis zum Rand mit Material vollgepackt. Der Übersicht halber bietet sich da noch am besten eine Disc-für-Disc-Betrachtung an…
BLU-RAY #1
Zur Einführung
Die erste Blu-ray im Paket sollte man als Haupt-Disc des Pakets betrachten, denn laut Aufdruck beinhaltet sie den „Director’s Cut… und ganz viele Extras“. Michael Reeves’ Wort sei Gesetz, und so kann man jedem Käufer, der den Film noch nicht kennt, nur empfehlen, sich als erstes auf die vom Regisseur bevorzugte Schnittfassung zu stürzen. Vor Einsprung ins Menü wird man zunächst noch gewarnt, dass man sämtliche Rechtehinweise doch bitte befolgen möge, da man sonst von Matthew Hopkins der Hexerei bezichtigt werde. Es folgt eine stimmungsvolle Einführung von Prof. Dr. Marcus Stiglegger. Im Jahr 2020 verabredete der sich mit dem Wicked-Vision-Team in einem Waldstück. Der Kamera den Rücken zugedreht, wird stimmungsvolle Musik eingespielt und die Credits rollen, während sich Stiglegger langsam umdreht und mit halb ernster, halb ironischer Miene in einem Fluss zu referieren beginnt. Bei der Einordnung konzentriert er sich vornehmlich auf die Terror-Aspekte von „Der Hexenjäger“, indem er betont, dass dieses Drama seine Horror-Aspekte aus dem Leid bezieht, das Menschen anderen Menschen antun – anders als in der damals herrschenden Hammer-Domäne, wo es in der Regel um Monster und Kreaturen ging. Nicht nur stimmt die fünfminütige Einführung ideal auf den Hauptfilm ein, sie ist auch für sich selbst durchaus stilvoll produziert – mit hypnotisierenden Waldaufnahmen in HD und einem Vor- und Abspann, der sogar künstlerische Ambitionen erkennen lässt.
Und dann darf es auch schon losgehen… Film ab.
Bild und Ton
In Sachen Bild und Ton wurde nicht einfach das Material von ’84 übernommen, sondern eine Neuabtastung vorgenommen, mit der nun ein hervorragendes Kinoerlebnis in den eigenen vier Wänden möglich wird. Das Bild hat, vermutlich materialbedingt, in dunklen Passagen ein wenig mit dem Kontrast zu kämpfen, der dann viele Hintergrunddetails verschluckt (etwa in der Dinner-Szene oder mancher Gegenlichtaufnahme im Wald). Da es sich aber um einen überwiegend offen und hell gedrehten Film bei Tageslicht handelt, wird man vor allem mit tollen Landschaftsaufnahmen und feinen Details in Nahaufnahmen verwöhnt. Die Farben wirken erdig und herb, sie verbinden sich organisch mit dem gut sichtbaren Filmkorn. Ein, zwei diffuse Zwielicht-Einstellungen an einem Fluss wirken sogar regelrecht magisch. „Der Hexenjäger“ profitiert jedenfalls auch sehr von seinen optischen Qualitäten, die auf dieser Edition vortrefflich herausgearbeitet werden.
Ganz ähnlich sieht es mit dem Ton aus. Die Filmmusik von Paul Ferris dringt schon im Vorspann tief unter die Haut und sorgt von innen heraus für Gänsehaut, das überragende Sounddesign mit dem Knarzen von Galgen, dem Knistern von Feuer und dem Rhythmus galoppierender Pferde tut sein Übriges. In der frisch aufbereiteten deutschen Synchronisation in DTS-Mono funktioniert das Zusammenspiel sogar fast noch besser als im Originalton mit dem gleichen Format, weil die Abmischung überaus homogen wirkt und doch immer wieder kräftige Akzente setzt. Da hat sich die Restauration wirklich gelohnt.
Doch wir erinnern uns: Der Disc-Aufdruck versprach nicht nur den Director’s Cut, sondern eben auch „ganz viele Extras“. Und das ist nicht zu viel versprochen. Alleine die Menge an Audiokommentaren grenzt schon an Übertreibung. Derer haben es nämlich ganze vier Stück auf die Scheibe geschafft, die nach und nach über die verschiedenen Releases angesammelt und hier vereint wurden.
Die Audiokommentare
Als da wäre zum Einen der Audiokommentar mit Benjamin Halligan, der 2003 ein Buch über Michael Reeves in der Reihe „British Film Makers“ geschrieben hat, sowie Michael Armstrong, der sich nicht nur mit der Regie bei „Hexen bis aufs Blut gequält“ des gleichen Sujets angenommen hat, sondern auch Mitarbeiter bei Tigon British war. Es versammelt sich am Mikrofon also eine ausgewogene Mischung aus Theorie und praktischer Erfahrung. Nicht ganz unerwartet nimmt Halligan ein wenig die Rolle des Moderatoren an, der die Wirkung von etwas beschreibt und Armstrong dann erläutert, woher die Wirkung stammen könnte. Aufgenommen wurde der Kommentar möglicherweise für die britische Odeon-Blu-ray von 2011, auf dieser ist er jedenfalls auch vertreten.
Dann gibt es da noch den Kommentar mit Filmhistoriker Dr. Steve Haberman, Co-Produzent Philip Waddilove und Marshall-Darsteller Ian Ogilvy. Haberman beginnt fast schon lyrisch, indem er die idyllischen ersten Sekunden mit bildhaften Worten beschreibt, bevor auf der Leinwand die Hölle ihre Pforten öffnet und er seine Kollegen vorstellt. Aufgrund der beiden an der Produktion beteiligten Sprecher eignet sich diese Audiospur besonders für Zuhörer, die gerne mehr wissen würden über die Details der Entstehung des Films, hier wird man ausreichend bedient. Darüber hinaus ist die Chemie in der Runde äußerst heiter, so dass es durchaus Spaß macht, sich zu den Herrschaften zu gesellen. Das Gespräch entstand 2007 für die DVD von MGM und wurde dann an einige Re-Releases weitervererbt, so auch an diesen. Für beide englischsprachige Audiokommentare sind natürlich auch wieder deutsche Untertitel an Bord.
Deutschsprachig wird es aber auch, etwa beim Kommentar mit Dr. Marcus Stiglegger, der schon auf der ’84-Blu-ray zu hören war. Es ist selbsterklärend, dass dieser Solo-Vortrag von Deutschlands wohl berühmtestem Filmwissenschaftler eine betont interpretative Richtung einschlägt, egal ob es um die Schauspielperformance einzelner Darsteller geht, um die Bildkomposition einzelner Szenen oder die Gesamtwirkung des Films.
Exklusiv neu dabei ist zuletzt ein Kommentar mit den Doktoren Gerd Naumann und Rolf Giesen. Vorstellen muss man die Beiden wohl kaum mehr, die Anzahl der Filme, die sie sich gemeinsam angeschaut haben, ist kaum mehr zählbar. Wobei das mit dem Anschauen immer so eine Sache ist. Der Bezug zum konkreten Geschehen auf der Mattscheibe fehlt meist komplett, führen die Exkurse doch immer so tief ins Abseits, dass keine Zeit mehr bleibt, auf einzelne Szenen einzugehen. Wie üblich bei dieser Paarung nimmt Giesen das Heft in die Hand und lässt seinem Kollegen nur selten Platz für Einwürfe. Nach den üblichen Ausflügen in die Kino-Jugend rücken irgendwann immerhin Reeves, Price, Hopkins & Co. ins Zentrum und werden mit Hintergründen in Bezug auf vorliegende Produktion versehen.
Die Dokumentationen
Wer sich nach dieser monumentalen Wissenssammlung nun noch ins Abteil mit dem Bonusmaterial traut, der sieht sich mit einer mindestens ebenso reichhaltigen Video-Bibliothek konfrontiert. Den Auftakt macht hier eine Dokumentation, deren Laufzeit schon an einen kleinen Spielfilm heranreicht. Das 73-minütige „The Young General“ bezieht sich von Titel wegen natürlich auf den 25-jährig verstorbenen Regisseur Michael Reeves, dessen Persona nach allen Regeln der Kunst aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert wird. Die Dokumentation von Calum Waddell wurde erst in diesem Jahr produziert und basiert auf Interviews mit Richard-Marshall-Darsteller Ian Ogilvy, dem Mitarbeiter des DarkSide-Magazines Allan Bryce, den Regisseuren Norman J. Warren und Pete Walker sowie den Kritikern / Filmhistorikern Jonathan Rigby und Kim Newman. Eine vielseitige Mischung, die zu einer ebenso vielseitigen Aufarbeitung des Phänomens Michael Reeves führt. Beginnend mit dessen Bewunderung für den amerikanischen Regisseur Don Siegel, arbeitet Waddell am Beispiel „Der Hexenjäger“ die Stationen Reeves’ ab und ordnet seine Arbeiten ein. Es geht, ähnlich wie bei Giesens Essay, um die von Hammer und Amicus dominierte britische Filmlandschaft, in der Tigon eine eigene Nische zu finden versuchte, es geht um den Bezug Reeves’ zu Ikonen des klassischen Horrorfilms, mit denen er zusammenarbeitete, wie eben Boris Karloff („Im Banne des Dr. Monserrat“) oder hier Vincent Price, es geht um das What-If-Szenario mit Donald Pleasence als Hexenjäger, es geht darum, ob man Reeves’ finales Werk als Horrorfilm bezeichnen kann oder nicht, so wie es überhaupt um Reeves’ ambivalente Position zum Genre des Horrorfilms geht und darum, was aus seiner Karriere geworden wäre, wäre er älter geworden und hätte die Möglichkeit gehabt, weitere Filme zu drehen. Obwohl gar nicht so viel über die vielseitigen Deutungsmöglichkeiten von „Der Hexenjäger“ gesagt wird, bekommt man ein Gefühl für dessen filmhistorisches Gewicht.
Mit „Witchfinder General: Michael Reeves Horror Classic“ (25 Min.) ist noch eine weitere Dokumentation auf der Disc, die 2007 für die amerikanische DVD von MGM produziert wurde. Anders als die eingangs genannte Langfilm-Dokumentation in HD-Qualität sieht man hier die Standard-Definition-Herkunft. An den Inhalten ändert die Bildqualität aber nichts, und diese werden wiederum von Personen vom Fach kommuniziert: Diesmal Richard Squires, dem Kuratoren der Vincent-Price-Ausstellung, Christopher Wicking, dem Autoren von „Die lebenden Leichen des Dr. Mabuse“, dem Autoren Stephen Jones sowie erneut Kim Newman, diesmal noch mit etwas mehr Farbe im Haar, aber immer noch der gleichen charakteristischen Langhaarfrisur. Biografisches zu Reeves wird thematisiert und geht dann über in eine Betrachtung seiner Arbeitsmethodik. Ein besonderes Augenmerk gilt diesmal auch der Musik von Paul Ferris und der Problematik um die Tatsache, dass sie für spätere Auswertungen gegen einen Synthesizer-Score ausgetauscht wurde – darüber wird später noch genauer zu sprechen sein.
Vincent Price über “Der Hexenjäger”
Dann findet man noch ein Vor- und Nachwort zu „Der Hexenjäger“ von Vincent Price persönlich (insg. ca. 5 Min.). Gedreht wurde es 1982 anlässlich einer TV-Reihe mit Werken des Darstellers, die er mit begleitenden Worten vor und nach dem Hauptfilm selbst als Host präsentierte. Das Schloss-Ambiente, der Smoking und die Kerzen auf dem Tisch betonen die klassische Grusel-Ausstattung alter Vampir- und Werwolf-Filme, was Price natürlich entsprechend theatralisch transportiert. Die Qualität der Clips sieht nach VHS-Mitschnitt aus, die Doppelkonturen machen es mitunter sogar schwer, die Gesichtszüge des Mimen auf weitere Distanz erkennen zu lassen. Seine Stimme allerdings ist jederzeit unverkennbar.
Alternativmaterial
Weiter geht es mit dem deutschen Vor- und Nachspann (ca. 3 Min.), der für Nostalgiker deutscher Kino- und Videogeschichte wie immer ein besonderer Schatz ist, der für diese Edition zu Recht geborgen wurde. Und es werden darüber hinaus noch weitere Schnipsel zu Alternativfassungen geboten. So finden wir hier ebenfalls den Vor- und Abspann zur Alternativfassung „The Conqueror Worm“ (ca. 7 Min.). Unter diesem Titel des gleichnamigen Gedichts von Edgar Allan Poe wurde „Der Hexenjäger“ irgendwann vermarktet, ohne dass die Inhalte der beiden Werke direkt etwas miteinander zu tun hätten. Zu diesem Zweck ließ´man Vincent Price allerdings Zeilen aus dem Gedicht für den Vor- und Abspann zitieren. Diese Kuriosität bekommt man hier in Kurzform geboten, und zwar wahlweise mit dem Originalscore von Paul Ferris als auch mit dem Synthie-Score von Kendall Schmidt, der grundsätzlich mit dieser Fassung des Films verbunden ist. Beim Wechsel der Tonspuren wird deutlich, wie radikal die Wirkung der Bilder durch den Soundtrack verändert wird, wobei Ferris’ Arbeit das mit Abstand tiefere Beben in der Magenhöhle hinterlässt, so dass heute schwer nachvollziehbar ist, weshalb der Austausch vorgenommen wurde. Und da aller guten Dinge drei sind, gibt es auch noch einen Bild-gegen-Bild-Vergleich der Unterschiede zwischen Director’s Cut und der Exportfassung (ca. 3 Min.). Letztere bietet im Bildhintergrund in vier oder fünf Szenen ein wenig mehr Nacktheit; da sitzt dann mal eine Dame im Gasthaus auf einer hinteren Bank oben ohne oder Hopkins’ Assistent erwacht nach einer durchgezechten Nacht mit einer Hand auf dem Busen seiner Gespielin anstatt neben einer vollständig bekleideten Dame. Besonders interessant wird der Vergleich dadurch, dass sich abgesehen von diesen Details praktisch nichts im Ablauf ändert; oft sind die Szenen inklusive der Bewegungsabläufe der Darsteller sogar völlig synchron, was dafür spricht, dass Reeves’ am Set genaue Vorstellungen zu haben schien, wie sich seine Akteure bewegen sollten.
Vincent Price zu Gast bei Michael Aspel
Das soll aber noch längst nicht alles gewesen sein. Weiter geht es mit einem Besuch von Vincent Price bei Aspel & Company (ca. 11 Min.), einer Talkshow mit TV-Host Michael Aspel, die zwischen 1984 und 1993 im britischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Der Gast wird hier vom Moderatoren zu einem oberflächlichen Abriss seiner besten und schlechtesten Filmrollen genötigt, wobei Price extrem witzig und schlagfertig auftritt. Zwar wirkt die Unterhaltung geskriptet, weil Price stets wie mit der Pistole geschossen einen frechen Spruch auf der Zunge hat, einen enormen Unterhaltungswert kann man diesem Auftritt allerdings definitiv nicht absprechen.
Kurzfilm “Intrusion”
Sogar ein wenig künstlerische Substanz versteckt sich noch in den Untiefen des Bonusmaterials, und zwar mit dem Kurzfilm „Intrusion“ (ca. 11 Min.), den Michael Reeves drehte, als er etwa 17 oder 18 Jahre alt war. Hierbei handelt es sich um eine Art frühen Vorläufer des Home-Invasion-Horrorfilms, bei dem sich zwei Eindringlinge (einer davon Reeves selbst) im verschneiten Winter den Weg in ein Haus bahnen. Reeves nutzt hier einerseits Klischees des Horrorfilms (etwa die arglose Frau im Bad), experimentiert zugleich aber mit ungewöhnlichen Kameraperspektiven, was bereits zu diesem frühen Zeitpunkt sein ambivalentes Verhältnis zu Genre-Konventionen untermauert. Der Film ist komplett in Schwarzweiß gehalten und verfügt über keine Tonspur. Allerdings kann man dazu auf Wunsch einen Audiokommentar abspielen, und zwar von Reeves-Spezialist Benjamin Halligan, der auch für die 2019er-Dokumentation „The Magnificent Obsession of Michael Reeves“ beratend tätig war, sowie Regisseur und Autor Michael Armstrong. Beide hatten ja bereits den Hauptfilm kommentiert. Über Andeutungen des Talents Reeves’ hinaus, das sie anhand technischer Besonderheiten hervorheben, wissen die Beiden nicht viel in den Film zu interpretieren, aber sie scheinen zumindest ihren Spaß zu haben. Ian Ogilvy hat übrigens im Film einen Kurzauftritt als Butler, den man aber nur bis zum Kinn im Bild sieht.
Musikvideo von Cathedral
Sogar die britische Doom- und Hardrock-Band Cathedral schaut noch mit einem Musikvideo (ca. 5 Min.) vorbei. Warum? Na, weil ihr Song „Hopkins“ heißt und Filmausschnitte aus „Der Hexenjäger“ verwendet werden. Das wird die meisten Mattenschwinger aber wohl ehrlich gesagt weniger vom Hocker gehauen haben als die spärlich bekleidete Dame, die da in den trashigen Kulissen die Hüften schwingt, so wie es eben in der Blütezeit des Hard Rock üblich war.
Trailer und Bildergalerie
Als Absacker dienen der amerikanische und der deutsche Trailer (je ca. 3 Min.), wobei besonders Letzterer wegen des dreisten Sprechers einen Blick wert ist, der hier doch tatsächlich mit „jung und knusprig“ wirbt, während im Bild gerade eine vermeintliche Hexe ins Feuer gehalten wird… da muss man schon zweimal hinhören, um es zu glauben. Fans von Fotoalben kommen zudem in der 21-minütigen Bildergalerie voll auf ihre Kosten. Die hat nämlich allerhand Artworks, Poster, Lobby Cards, Promo-Material, Fotos, Werberatschläge, Artikel und Cover von Büchern, Soundtracks, Super-8s, VHS, DVDs und Blu-rays zu bieten.
Sämtliches Material ist im Übrigen optional komplett deutsch untertitelt. Wer das alles übersetzt hat, dem müssen jetzt wohl die Hände bluten…
BLU-RAY #2
“The Conqueror Worm” und europäische Exportfassung
Und es geht ja noch weiter. Und zwar auf Disc Nr. 2, bei der es sich wieder um eine Blu-ray handelt. Die wiederum wurde getauft „The Conqueror Worm… und weitere Extras“. Damit ist nun also verraten, dass die Alternativfassung des Films mit dem Namen des Poe-Gedichts nicht nur als Extra auf Disc 1 gelandet ist, sondern als vollständige HD-Filmfassung mit integriertem Vor- und Abspann. Laut Label-Angaben wird diese Fassung erstmals überhaupt in Europa veröffentlicht und sogar erstmals weltweit in HD. Abspielbar ist sie mit deutschem Lichtton inklusive Originalscore, oder alternativ auf Englisch, wobei man hier sogar die Wahl hat zwischen dem Originalscore, der in dieser Form in dieser Fassung zuletzt bei der Kinouraufführung zu hören war, und dem Synthie-Score von Kendall Schmidt.
Wenn man nun nicht so der Poet ist, sondern eher etwas mit nackter Haut anfangen kann, hat man aber immer noch die europäische Exportfassung zur Auswahl, die ja auch bereits im Bonusmaterial von Disc 1 als Bildvergleich präsent war. Schon auf der ’84-Disc war sie im Bonusmaterial enthalten, aber hier ist sie nun erstmals überhaupt in HD-Qualität verfügbar, wahlweise auf Deutsch oder Englisch.
Dokumentation über Michael Reeves
Und weil auch diese Blu-ray nicht ganz barebone daherkommen will, gibt es auch hier wieder ein Bonusabteil. Das fällt zwar nicht ganz so exzessiv aus wie auf der ersten Disc, die Inhalte will man aber trotzdem nicht verpassen. Highlight ist die Dokumentation „The Blood Beast – Die Filme des Michael Reeves“ (ca. 25 Min.) aus dem Jahr 1999. Wiederum geht es um Michael Reeves, begonnen mit seinem Aufstieg zum Regisseur vom ersten Handlanger-Job, den ihm Don Siegel verschaffte, über die Second-Unit-Regie bis zu seinem Debüt „She Beast“. Diverse Autoren (Tom Baker, Ian Sinclair, Benjamin Halligan), Produzenten (Paul Maslansky, Patrick Curtis, Tony Tenser, Philip Waddlove) und Schauspieler (Ian Ogilvy, Hilary Dwyer) haben Anekdoten vom Dreh auf Lager, etwa über eine Hammer-und-Sichel-Idee aus „She Beast“ oder die Auto-Explosion aus „Im Banne des Monserrat“. Sogar Kim Newman ist schon wieder dabei, erneut ein Stück jünger, nahezu wie ein schrulliger Benjamin Button, wenn man alle Dokus der Edition am Stück anschaut.
Trailer
Die Informationen wiederholen sich inzwischen natürlich ein wenig; das gilt auch für den „Trailer from Hell“ (ca. 3 Min.) mit Josh Olson, in dem gefühlt zum x-ten Mal die schlagfertige Antwort auf Prices Frage zitiert wird, was der junge Regisseur denn schon geleistet habe gegenüber den mehr als 80 Filmen, in denen Price mitspielte. Neben dem „Trailer from Hell“ gibt es passenderweise dann noch den „The Conqueror Worm“-Trailer mit Verweisen auf Edgar Allan Poe und fetten, lilafarbenen Credits.
DVD
Director’s Cut und Super-8
Was den Hauptfilm angeht, bietet die DVD die übliche Standard-Definition-Kopie des Materials auf der (ersten) Blu-ray. Das heißt, man bekommt den Director’s Cut, und zwar mitsamt Einführung von Stiglegger und auch mitsamt aller Audiokommentare. Relativ ungewöhnlich ist es aber, dass sogar die DVD eigenes Bonusmaterial hat, das auf keiner der beiden Blu-rays zu finden ist.
Und zwar finden wir da neben dem Director’s Cut, neben der Exportfassung und der „The Conqueror Worm“-Fassung tatsächlich noch eine vierte und sogar fünfte Fassung des Films: Die deutsche (25 Min.) und englische (17 Min.) Super-8-Fassung nämlich. Erstgenannte konzentriert sich vornehmlich auf Tod und Folter, hat sie doch quasi alle Höhepunkte für den Horror-Gaumen an Bord, gemischt mit auffällig ruhigen Dialogszenen. Interessanterweise scheint die Chronologie dabei nicht ganz dem Hauptfilm zu entsprechen. Die englische Fassung, die man auf Wunsch aber auch in Deutsch abspielen kann, blendet zu Beginn eine Texttafel ein, die den Englischen Bürgerkrieg zum Hintergrund und zur Legitimation für den Feldzug des Hexenjägers hervorhebt. Betont werden hier vor allem die religiösen Elemente, unter anderem die Szene in der Kirche, gefolgt von der Hexenverbrennung. Selbstverständlich liegen beide Super-8-Spulen in der erwarteten und erhofften Schmuddel-Qualität vor mit ausgewaschenen Farben, Verschmutzungen und Unschärfen en masse.
Dokumentation über Hexenverfolgung
Und dann wäre da noch „Blutige Verbrechen – Die Hexerei“. In der 24 Minuten langen Dokumentation führt der Historiker Bryan McNerney zuerst allgemein durch die Geschichte der Hexenverfolgung, wobei er die theatralische Präsentation eines Unterhaltungsformats anstatt der seriösen Linie eines Geschichtsbeitrags verfolgt, inklusive nachgestellter Szenen durch Schauspieler. Das London Dungeon und das Anwesen von St. Osyth’s Priory nutzt er als Kulisse, während er versucht, den Wahnsinn und die Willkür der Urteile hervorzuheben, mit denen unschuldige Menschen zum Tode verurteilt wurden. Im letzten Teil wird dann klar, warum ausgerechnet diese Dokumentation auf dieser Edition gelandet ist, denn hier geht es nun ganz konkret um den historischen Matthew Hopkins, der hier doch deutlich tiefer beleuchtet wird als in allen anderen Teilen des Bonusmaterials. Übernommen wurde das Feature offenbar von der britischen Odeon-Blu-ray.
CD
Der Soundtrack
Um das Paket endgültig rund zu machen, gibt es auch noch den Soundtrack zu “Der Hexenjäger” von Paul Ferris oben drauf, und das in der bestmöglichen Darreichungsform, nämlich auf einer eigenen CD. Künstlerisch ist die Beigabe ohnehin über alle Zweifel erhaben: Ferris’ Arbeit prägt die Wirkung des Films schließlich enorm. Die lauernden Streicher und Bläser, die immer wieder vom eruptierenden Schlagwerk an die Oberfläche getrieben werden, muss man nur einmal gehört haben, um sie so schnell nicht wieder zu vergessen. Insgesamt 33 Stücke mit Laufzeiten zwischen 10 Sekunden und knapp 4 Minuten findet man auf der Scheibe, führend zu einer Gesamtlaufzeit von etwa 50 Minuten. Bedenkt man, dass die 2013 über De Wolfe Music veröffentlichte CD gar nicht mehr so einfach zu bekommen ist, bekommt man hier wahrlich Gegenwert fürs Geld.
Zeit, einen Schlussstrich zu setzen. Geht es noch ultimativer? Man weiß ja nie, aber es ist schwer vorstellbar, dass hier noch was Besseres kommen kann. Das Ding ist eigentlich jetzt endgültig abgehakt, selbst wenn da irgendwann doch nochmal eine UHD kommen sollte. Restaurierter Director’s Cut, Exportfassung und Conqueror Worm in HD, zwei Super-8-Fassungen, vier Audiokommentare, unzählige Dokumentationen und Promo-Materialien und der Soundtrack auf CD… dem Andenken an Michael Reeves ist hiermit endgültig Genüge getan.
Bildergalerie von “Der Hexenjäger”
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |