Originaltitel: The Return Of Count Yorga__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1971__Regie: Bob Kelljan__Darsteller: Robert Quarry, Mariette Hartley, Roger Perry, Yvonne Wilder, Tom Toner, Rudy De Luca, Philip Frame, George Macready, Walter Brooke, Edward Walsh, Craig T. Nelson, David Lampson u.a. |
Trotz des zweifelhaften Stands, den „Junges Blut für Dracula“ genießt, hat es ein Jahr später immerhin noch zu einer Fortsetzung gereicht. „Die sieben Pranken des Satans“ sieht kein Hindernis darin, Robert Quarrys Vampirfürsten wieder aus dem Sand zu rekonstruieren, zu dem er zerfiel (magischer Wind hat im Phantastischen Film noch immer Wunder gewirkt). Und er wird umgehend zur seltenen Sorte von Fortsetzung, die mindestens genauso frisch wirkt wie das Original. Dass noch ein dritter Yorga-Film geplant war, in dem er als abtrünniger Kanalisationsbewohner zum Strippenzieher einer Armee von Fußsoldaten werden sollte, ja dass sogar ein Crossover mit Dr. Phibes zur Diskussion stand, untermauert das Vertrauen in die Festigkeit der Markenzeichen dieser Mini-Saga, die relativ unbehelligt im Niemandsland zwischen klassischem Vampirfilm und moderner Neuinterpretation schwebt… wie eine plötzliche Brise unerklärlichen Pfefferminzduftes in den Katakomben eines alten Schlosses.
Schade, dass das Vertrauen nicht vom Publikum geteilt wurde und weitere Fortsetzungen nie entstanden. Der geringe Erfolg der Count-Yorga-Figur erschließt sich bei alleinstehender Betrachtung des ersten Teils durchaus noch. Man stellt sich ein sehr gemischtes Publikum vor, von dem keine Untermenge hundertprozentig zufriedengestellt worden sein dürfte. Die Fortsetzung allerdings ändert etwas an diesen Eindrücken. Indem sie sich dem Original gegenüber verpflichtet und jede seiner Ideen verteidigt, egal wie hohlbirnig oder auch gerissen sie sein mögen, hebt sie dessen Charakter noch einmal hervor und entwickelt dadurch auch einen eigenen. Diese besondere Konstanz bezieht „Die sieben Pranken des Satans“ vor allem aus seiner stabilen Besetzung: Regie, Drehbuch, Musik, Hauptdarsteller und einige Nebendarsteller sind allesamt ein zweites Mal mit dabei. Eine Besonderheit in einer Zeit, da Horrorfilme gerne schnell und billig mit C-Mannschaften zur Ehre ungefragter Fortsetzungen kamen. Ausgetauscht wurde dann doch der Mann hinter der Kamera, dies ist aber nicht unbedingt als Entwicklung zum Schlechten zu verstehen, wenn man bedenkt, dass Bill Butler vier Jahre später von Steven Spielberg für die Kamera von „Der Weiße Hai“ engagiert wurde. Schmuddelige Trailerpark-Impressionen muss man bei ihm nicht mehr befürchten, er ist hauptsächlich damit beschäftigt, die samtverhangenen Gemächer Quarrys möglichst räumlich zu treffen.
Robert Quarry, der im ersten Teil bereits Anschluss hielt zu den ganz großen Interpreten des Vampirkinos, führt seine Rolle mit einer Mischung aus Zurückhaltung und Exaltiertheit fort, die durchaus wieder in Entzücken versetzt. Als armer Tropf, der vor dem Zauber des weiblichen Geschlechts nicht gefeit ist, eröffnet er dem Film auch noch die Wirkungsbereiche der unvergänglichen Tragik, die nur ein Vampir empfinden kann, bis zum Hilariousity-Faktor, der aus genau dieser Tragik entstehen kann, wenn sie allzu linkisch umgesetzt wird. Yorga ist so etwas wie ein bemitleidenswerter Tor, über den man lachen kann oder auch sich vor ihm fürchten – abhängig davon, ob er möglicherweise gerade in Reichweite ist, um einem mal eben seine Fänge in den Hals zu schlagen. All die Plastikbeißer, wehenden Umhänge und trägen Gesichtsausdrücke der Untoten tragen eben auch ein komödiantisches Potenzial in sich, dessen sich die Macher durchaus bewusst sind: Schließlich lässt man gleich am Anfang einen albern geschminkten Faschingsdracula in einem Kostümwettbewerb den ersten Preis gewinnen, woraufhin der Gewinner süffisant zu Yorga hinübersieht und dieser mit höflichem Beifall reagiert.
Schaut in “Die 7 Pranken des Satans” hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=7KXfkuRQubQ
Bob Kelljan widersteht aber trotz dieser humoristischen Experimente der Versuchung, Count Yorga zum heimlichen Sympathen auszuarbeiten, wie es viele Sequels zu tun pflegen, die auf charismatische Bösewichte zurückgreifen können. Quarrys Szenen sind keinen Deut zugänglicher als im ersten Teil, er operiert immer noch aus dem Schatten und setzt zu Überraschungsattacken an, die den Schreckmomenten ein sehr spezielles Pacing verleihen, das mit dem heute bekannten Jump Scare überdies nicht viel zu tun hat. Seiner Präsenz tut die spärliche Screentime keinen Abbruch: Wo immer Quarrys blasser Teint aus dem Dunkel hervorbricht, wird er zum Spezialeffekt, der sogleich alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auch wenn vielleicht sogar die ganz großen Auftritte des ersten Teils fehlen. Darüber hinaus ist es beachtlich, dass er überhaupt diese Wirkung erzeugen kann; alleine auf der Kostümparty führt er mit seiner Angebeteten ein Gespräch, das sich über mehrere Minuten zieht und mischt sich anschließend auch noch unter die Leute. Mit einer solchen Einführung trotzdem noch das Bild eines mysteriösen Schlossbewohners abzugeben, unterstreicht die Vermischung von klassisch und modern. Ebenso wie das Fun Fact, dass in einer Szene „Gruft der Vampire“ im Fernseher läuft – ein klassisch geprägter Hammer-Streifen, der zu jener Zeit aber erst ein Jahr alt war.
Die Vampirdamen, zahlenmäßig inzwischen vom Draculas-Bräute-Trio zum wahrhaftigen Harem angewachsen, bedienen derweil unter dem Einfluss Yorgas mit ihrer schlafwandlerischen Fortbewegungsweise eher Zombie-Ästhetik, die gerade bei ihrer Auferstehung „from beyond the grave“ zur Geltung kommt. Der Dank dafür geht an „Night Of The Living Dead“. Dabei beschränkt sich Kelljan längst nicht auf Romero’schen Schnecken-Grusel. So gemahnt der Junge mit dem Ball an Mario Bavas „Operazione Paura“ und schürt die Furcht vor besessener Kindersaat. Insbesondere aber das Sounddesign im Zusammenspiel mit Kamera und Schnitt sorgt für flotte Buh-Effekte, bei denen geisteskrankes Gelächter (toll in diesem Punkt auch wieder die deutsche Synchronisation) und das Gefühl der Deckungslosigkeit ein harmonisches Ganzes ergeben. Die Flucht durch Yorgas labyrinthisches Anwesen spielt zudem mit Sackgassen und ausgehenden Optionen. Sogar der finale Freeze Frame ist zurück – nicht als banale Kopie, sondern in einer interessanten Variation.
Die Zivilisation hat sich zwar inzwischen zugunsten altmodischer Friedhöfe und anderer Schauerorte ein wenig zurückgezogen, da ein Großteil der Handlung rund um das Anwesen Yorgas stattfindet. Nichtsdestotrotz, nur in wenigen Filmen mit einem uralten Vampirfürsten dürfte wohl ein Blick auf die Golden Gate Bridge geboten werden. Und wann sieht man schon mal einen Untoten mit gebleckten Fangzähnen über einen Bootsteg rennen?
Dass „Die 7 Pranken des Satans“ oft als der bessere Film eingestuft wird, könnte sogar ein Trugschluss sein. Was ihm eben besonders gut gelingt: Er erzeugt das Gefühl, dass man es mit einem eigenständigen Werk zu tun hat, das sein eigenes Tempo geht; und doch verhält es sich komplementär gegenüber dem Original. Das aufgestockte Budget tut sein Übriges. Überragende Genre-Werke wird man in beiden Fällen nicht finden, wohl aber eine Menge Charakter, der sich in weiteren Fortsetzungen gut hätte ausbauen lassen.
Informationen zur Veröffentlichung von “Die 7 Pranken des Satans”
Sieben Monate und sechs „Limited Collector’s Editions“ nach „Junges Blut für Dracula“ schließt Wicked Vision die kurze Yorga-Reihe also nun mit der Veröffentlichung von „Die 7 Pranken des Satans“ ab. Während das Ausland bereits auf DVD- und auch Blu-ray-Veröffentlichungen zurückgreifen kann (Arrow veröffentlichte im Jahr 2016 ein Set mit beiden Teilen), handelt es sich im deutschem Raum wieder um eine Premiere.
Wenig überraschend, dass man wieder auf das bewährte Hochglanz-Mediabook mit Blu-ray und DVD (inhaltsgleich) setzt, das es diesmal nicht in drei, sondern nur in zwei Cover-Varianten zu erwerben gibt, limitiert auf jeweils 666 Stück. Ungewohnt hingegen, dass nun für die platz- oder preisbewusste Käuferschicht alternativ auch eine Amaray angeboten wird.
Das hier besprochene Mediabook ist dank Deckblatt wieder frei von FSK-Flatschen und Banderolen. Es enthält wie üblich ein reichhaltig gefülltes Booklet mit einer Stärke von satten 24 Seiten. Zum Einstieg gibt Dr. Rolf Giesen einen Überblick über die Produktionsgeschichte von AIP (American International Pictures) und verknüpft sie mit dem Entstehungsumfeld von „Die 7 Pranken des Satans“ und der Biografie von Hauptdarsteller Robert Quarry. Auf weiteren elf Seiten rezensiert David Renske den Hauptfilm unter Rückgriff auf unzählige Referenzen. Dazu gibt es ausführliche Produktionsdaten zum Film und vereinzelt Poster und Screenshots. Der rotschwarze Hintergrund der Seiten und die gelb-schwarz-rot bedruckten Discs sind abgestimmt mit dem Mediabook zum ersten Teil.
Beim Einlegen der Disc erfolgt zunächst eine Texttafel, auf der sich das Label für die suboptimale Tonqualität entschuldigt; man habe die beste verfügbare Quelle verwendet, diese sei aber bereits irreversibel beschädigt. Dabei stört die jeweils in DTS-HD MA 2.0 Mono präsentierte Tonspur (verfügbar in Deutsch und Englisch) den Filmgenuss in keiner Weise. Ein gewisses Grundrauschen ist hörbar, wenn man sich darauf konzentriert, die Stimmen erklingen aber klar und deutlich. Gerade auf die wirklich gelungene deutsche Synchronisation möchte man in dieser Form nicht verzichten. Das Bild profitiert im Vergleich mit dem ersten Teil von dem hochwertiger gefilmten Quellmaterial. Schwarzes Rauschen wie bei den vielen Handkamera-Nachtszenen aus „Junges Blut für Dracula“ sind diesmal nicht zu befürchten, selbst der nächtliche Angriff an einem Hafen sieht deutlich besser aus als Yorgas damaliges Geschlurfe um einen Wohnwagen herum. Ansonsten fallen ein paar Verschmutzungen auf und allzu viel Schärfe ist nicht zu erwarten, aber Farbpigmente (bunte Gewänder, Wandverkleidungen etc.) kommen ebenso kräftig zur Geltung wie erdigere Töne (z.B. Friedhofssequenz) natürlich wirken.
Bei den Extras hatte „Junges Blut für Dracula“, rechnet man die „Nostalgiefassung“ mit dazu, mit drei Stunden Laufzeit natürlich ein massives Paket zu bieten, das mit der Fortsetzung nicht mehr geboten werden kann. Insgesamt kommt man nun auf rund eine Stunde Extra-Material. Dieses setzt sich hauptsächlich aus Produktions- und Werbematerial zusammen, das sehr ausführlich zusammengetragen wurde. So kann man den gesamten Film in einer auf rund 17 Minuten gerafften Version noch einmal im Super8-Format sehen. Diverse Trailer sind auch mit im Paket; dabei zwei „Trailers From Hell“, in denen Mick Garris ein wenig über seine Erfahrungen mit den beiden Yorga-Filmen spricht. Hinzu kommen Aushangfotos, Promomaterial, Artworks, Werberatschläge und Filmprogramme. Was man vermisst, sind Making-Ofs oder Interviews, allerdings scheint beispielsweise das 2-Film-Set von Arrow im Gesamten auch eher weniger als mehr zu bieten zu haben.
Seine filmhistorischen Informationen holt man sich also von den Audiokommentaren. Derer sind zwei an Bord: Einer von „Dracula – Tot aber glücklich“-Autor Steve Haberman und Rudy de Luca, der ebenfalls u.a. an der Mel-Brooks-Vampirkomödie mitgeschrieben hat und darüber hinaus in „Die 7 Pranken des Satans“ als Lt. Madden sein Filmdebüt als Schauspieler gab. Auf Wunsch gibt es zu dem englischsprachigen Kommentar deutsche Untertitel. Der andere Kommentar bietet eine Konversation zwischen Dr. Rolf Giesen und Gerd Naumann. Beide Kommentare sind lohnenswert, weil sie teilweise unterschiedliche Ansichten zum Hauptfilm einnehmen und auch unterschiedliche Quellen heranziehen, um ihre Argumentationen zu begründen.
Also, auch wenn die Veröffentlichung nicht hundertprozentig aufklären kann, was der Film eigentlich mit Satan zu tun hat und was seine sieben Pranken sind – im Regal hat man sie trotzdem gerne stehen.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie von “Die 7 Pranken des Satans”
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