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Die falsche Schwester

Wie schon in „Ein Koffer für das Syndikat“ lässt Peter Hyams in „Die falsche Schwester“ den Film Noir in den 1970ern aufleben, dieses Mal fürs Kino. Michael Caine gibt in dieser Krimikomödie den Hard-Boiled-Privatschnüffler, der eine als Kind zur Adoption freigegebene Frau ausfindig machen soll und es bald mit Intrigen und Auftragsmördern zu tun bekommt.

Originaltitel: Peeper__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1975__Regie: Peter Hyams__Darsteller: Michael Caine, Natalie Wood, Kitty Winn, Michael Constantine, Thayer David, Timothy Carey, Liam Dunn, Don Calfa, Margo Winkler, Harvey J. Goldenberg, Dorothy Adams, Robert Ito u.a.

In der Krimikomödie “Die falsche Schwester” lässt Peter Hyams den Film Noir aufleben

Nach zwei Fernseharbeiten war Peter Hyams‘ Start im Kinogeschäft kein einfacher: „Spur der Gewalt“ und „Winter unserer Liebe“ waren keine großen Erfolge, doch zum karrieregefährdenden Fehlschlag bei Kritik und Kasse wurde dann „Die falsche Schwester“. Der Flop hätte fast verhindert, dass Hyams die Finanzierung für seine nächsten Film „Unternehmen Capricorn“ zusammenbekam – der wurde ironischerweise dann sein erster Erfolg.

Mit „Die falsche Schwester“ kehrt Hyams auf das Pflaster seines TV-Films „Ein Koffer für das Syndikat“ zurück. Wieder eine komödiantische Annäherung an den klassischen Film Noir, wieder zu dessen Zeiten angesetzt, genauer gesagt im Jahr 1947. Die Credits werden nicht eingeblendet, sondern von einem Humphrey-Bogart-Imitator (Guy Marks) aufgesagt, wodurch der Film mit einer Art Brechtschem V-Effekt einsteigt, ehe er doch zu einer relativ klassischen Krimikomödie wird, die gewisse Noir-Eigenschaften etwas überzeichnet, aber auch nicht zur großen Parodie auf das Genre wird.

Der im Original titelgebende Peeper, das ist Leslie C. Tucker (Michael Caine), den in erster Linie seine britische Herkunft von anderen Hard-Boiled-Detektiven unterscheidet. Sonst ist er ein Shamus, ein Private Eye, ein Peeper, der in Los Angeles arbeitet, natürlich notorisch pleite, wie er im genretypischen Voice-Over erzählt. Den berühmt-berüchtigten Auftrag, der ihn bald in Teufels Küche bringen soll, erhält er allerdings nicht von einer Femme Fatale, sondern von Anglich (Michael Constantine), einem gehetzten Kerl, der dereinst seine Tochter zur Adoption freigab, nun (unter dubiosen Umständen) zu Geld kam und ihr einen Anteil zukommen lassen will, jedoch Hilfe dabei benötigt sie ausfindig zu machen.

Tucker kommt schnell auf die reiche Familie Prendergast, die zwei Töchter hat: Ellen (Natalie Wood) und Mianne (Kitty Winn). Der Detektiv vermutet, dass eine von ihnen die Gesuchte ist, doch nicht nur diverse Familienmitglieder und die Umtriebigkeit Ellens kommen ihm in die Quere, sondern auch ein Killerduo, das hinter Anglich her ist…

httpv://www.youtube.com/watch?v=S_ueFCn6mGk

Die „Variety“ berichtete zum Kinostart, dass man die als „Fat Chance“ betitelte Ursprungsversion auf unter 90 Minuten hinunterschnitt und beim Ansehen von „Die falsche Schwester“ mag man diesen Berichten Glauben schenken. Es ist ein Anzeichen vieler Film Noirs, das ihre Plots verschachtelt sind und nicht immer Sinn ergeben, doch in Hyams‘ Film fehlen einfach diverse Informationen. Gerade die Gründe für Anglichs Reichtum und die Motivation der gedungenen Mörder, die hinter ihm her sind, werden bestenfalls umrissen, sodass einige Fragezeichen bleiben – und dabei ist es genau jenes Killerduo, das für einen Großteil der Bedrohungslage in „Die falsche Schwester“ sorgt. Aber so bleiben sie dann für einige oberflächliche, wenn auch sehr souverän inszenierte Spannungspassagen verantwortlich, etwa wenn sie im Büro eines Adoptionsvermittlers Jagd auf Tucker und Ellen machen. Inszenatorisch überraschend lahm ist dagegen eine Autojagd ausgefallen – sonst eines der Markenzeichen von Hyams.

So durchläuft der Film dann diverse Klischees und Standardsituationen des Noir- bzw. Hard-Boiled-Genres, teilweise sehr offensichtlich inspiriert von Raymond Chandlers „The Big Sleep“. Nicht nur die Personenkonstellation erinnert an den Crime-Klassiker, auch manche Szenen, etwa wenn der Hausherr den Privatdetektiv in seinem Gewächshaus empfängt. Hyams und Drehbuchautor W.D. Richter („Big Trouble in Little China“) legen falsche und richtige Fährten aus, etablieren eine Handvoll von Verdächtigen, die in mehr oder minder klaren Beziehungen zueinander stehen, und ziehen den Sack beim Finale auf einem Kreuzfahrtschiff zu, in dem zumindest der Mainplot um die Prendergast-Schwestern zu einem sauberen, logisch nachvollziehbaren Abschluss gebracht wird. Schade nur, dass die gleiche Sorgfalt nicht dem Handlungsstrang um Anglich und seine Verfolger zuteil wurde. Schade auch, dass die physischen Konfrontationen im Finale keine besonderen Schauwerte bieten, sondern es eher zerdehnen und Spannung ab- statt aufbauen. Vielleicht hätte das Studio lieber hier die Schere angesetzt.

Durchweg auf der Höhe ist dagegen der Cast, bei dem vor allem Michael Caine („Tenet“) als schlagfertiger Privatschnüffler mit Charme und Witz zu überzeugen weiß. Natalie Wood („Der schwarze Falke“) und Kitty Winn („Der Exorzist“) sehen sich nicht nur so ähnlich, dass man ihn die Zwillingsschwestern durchaus abkauft, aber sie verkörpern die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der umtriebig-lebenslustigen Ellen und der methodisch-spröden Mianne hervorragend. Akzente setzen auch Thayer David („Rocky“) als unsympathischer Patriarch, Liam Dunn („Ein Zug für zwei Halunken“) als windig-undurchsichtiger Kerl, Dorothy Adams („Zähl bis drei und bete“) als durchgedrehte Mutter sowie Timothy Carey („Revolte in der Unterwelt“) und Don Calfa („H.P. Lovecraft’s Necronomicon“) als eiskaltes Killergespann.

Hin und wieder bekommt das Ensemble auch dankbares Material, denn manches Wortgefecht – vor allem jene zwischen Tucker und Ellen – ist tatsächlich ziemlich gewitzt geschrieben. Die an Philip Marlowe erinnernde Hauptfigur hat eh die Zuschauersympathien auf seiner Seite: Ein Glücksritter, der nie um einen Spruch verlegen ist, sich in seinen Fall verbeißt, aber manche Entscheidung wider besseres Wissen trifft, gerade wenn er sich mit Ellen einlässt. Die hat natürlich Femme-Fatale-Potential, erscheint aber lebenslustiger und offenherziger als manches Vorbild. Fast ein Sinnbild dafür, wie der Film sein Genre zwar etwas komödiantischer präsentiert als seine Vorbilder, aber weniger reflektiert oder parodiert als etwa „Der Tod kennt keine Wiederkehr“ oder „Chinatown“.

So bleibt dann ganz putzige Noir-Krimi-Unterhaltung mit einem starken Ensemble, manch guter Dialogzeile und einer einnehmenden Hauptfigur, die jedoch wenig Neues bietet und schreiberisch wie inszenatorisch eher durchwachsen daherkommt. Gerade die Autoverfolgungsjagd und das Finale von „Die falsche Schwester“ sind für einen Peter-Hyams-Film überraschend lahmarschig geraten, Teile des Plots geraten aufgrund mangelnder Erklärungen nur begrenzt involvierend, auch wenn dies der Einflussnahme durch das Studio geschuldet sein mag.

HanseSound hat „Die falsche Schwester“ hierzulande auf DVD veröffentlicht, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. In Sachen Bonusmaterial gibt es Trailer, Biographien und eine Bildergalerie.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: HanseSound__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Ja

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