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Die Faust des Cthulhu – Edition One

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Cover

Das Cover-Artwork zu “Die Faust des Cthulhu – Edition One”

Lovecrafts Erbe ist einfach nicht totzukriegen. Wie ein gigantischer Sendeturm ragt es immer noch in den Himmel hinein und beeinflusst die Gedanken zahlloser kreativer Köpfe, die wie gebannt auf diesen diffusen Monolithen im Nebel starren und ihre eigenen Welten nach seiner Silhouette konzipieren. Romanautoren orientieren sich an seinen Schriften, Musiker leihen sich seine Namen, Filmemacher versuchen, das nicht Darstellbare in Bilder zu bannen und bekommen meist nur einen flüchtigen Schatten zu fassen. Zum Scheitern verurteilt waren vor allem stets die großen, teuren, ambitionierten Werke, fast so, als dulde Lovecraft keine weiteren Götter neben sich. Lieber räkeln sich seine Tentakel aus der weiten Ferne heraus fein verästelt mitten in die Denkzentren unabhängiger Künstler, die sich in kleinem Rahmen jeweils zumindest an einem Teilausschnitt dessen abarbeiten können, woraus der unermessliche Cthulhu-Kosmos besteht.

Marco Felici ist einer dieser unabhängigen Künstler, doch ehrfürchtig im Staub kriechen und als Teil einer gleichgeschalteten Legion dem Gebieter willenlos Opfer darbieten, das ist seine Sache offenbar nicht. Seine Comicreihe trägt einen wenig subtilen Titel, der Lovecraft nicht nur von seiner mythischen Aura entkoppelt, sondern dem Leser quasi nonchalant mitten ins Gesicht schlägt: „Die Faust des Cthulhu“.

Fäuste und Schwerter für ein Halleluja

Kosmischer Horror versus Körperkult also, einfache Lösungen für komplexe Problemstellungen. Die eigene Handschrift ist damit schon mal gefunden, denn wer einem Wurf sich windender Tentakel ein Paar Schwarzenegger-Fäuste entgegensetzt, der signalisiert, dass er nicht gerade mit heiligem Ernst bei der Sache ist. Dazu passt auch, dass Felici nach eigener Aussage eher selten zum Zeichnen kommt, so dass sich das nach ganzen Bibliotheken sehnende Cthulhu-Universum regelrecht vor Schmerzen windet bei all der Zeit, die bei der Entstehung neuer Episoden – frei nach Einstein gesprochen – für den Zeichner zu schnell und für den Leser zu langsam vergeht.

Die Faust des Cthulhu - Edition One

Der als Bonus beigelegte Prolog versprüht den Charme eines skizzenhaften Storyboards.

Was Quereinsteiger freuen dürfte: Inzwischen existieren bereits fünf reguläre Ausgaben der unregelmäßig fortgeführten Reihe mit jeweils 14 bis 20 Seiten, die im hier besprochenen Sammelband aus dem Jahr 2022 vereint sind. Das Paperback mit den kompakten Maßen 18,8 x 13,3 cm umfasst insgesamt 120 Seiten in Schwarzweiß mit buntem Frontcover. Neben den fünf Kapiteln mit Zwischentiteln und eigenen Covermotiven (hier anders als bei den Einzelausgaben in Schwarzweiß) findet man darin außerdem einen Prolog zur Hauptreihe, bei dem es sich laut Nachwort des Autoren um die ersten Versuche handelt, über Einzelskizzen hinaus zu denken und testweise erstmals eine sequenzielle Geschichte in Panels zu erzählen. Die in den 15 Seiten etablierten Settings, in denen wohl der vom Autoren selbst genannte Einfluss des Mangas „Fist of the North Star“ durchkommt, sowie überhaupt der gesamte visuelle Stil wurden dann die Grundlage für „Die Faust des Cthulhu“. Während der Prolog jedoch eher den Charme einer Reihe unfertiger Storyboard-Skizzen verströmt, bekommt man im Hauptteil detailliert ausgearbeitete Schwarzweißkompositionen in professioneller Präsentation (Lettering und Druck: Till Felix, Farbe und Titeldesign: Olaf Hänsel), prall gefüllt mit Blut, Muskeln, Schwertern und Gekröse.

Durch den vollständigen Verzicht auf Graustufen ist es einzig und alleine das Zusammenspiel aus rein schwarzen und rein weißen Flächen und damit verbunden die Dynamik aus Positiv- und Negativräumen, durch welche die Bilder zum Leben erweckt werden. Unweigerlich muss man dabei an Frank Miller denken, dessen Stil dank Robert Rodriguez’ „Sin City“ auch im Mainstream salonfähig wurde. Anders als Miller jedoch, der eher kantige bis abstrakte Kompositionen bevorzugt, in denen Anatomie und Plastizität kaum eine Rolle spielen, ist Felici regelrecht besessen von den Wölbungen von Muskeln und Sehnen, von Knorpeln, Knochen und Gewebestrukturen. Dass man auf seinem Instagram-Account auch Illustrationen der Charaktere aus der „Masters of the Universe“-Reihe findet, verwundert da kaum, denn es ist deren Credo, das die Logik des hier beschriebenen Universums definiert: Macht hat der, der körperliche Kraft besitzt.

Die Faust des Cthulhu - Edition One

Wer es sich zum Ziel setzt, alle Tentakel-Saugnäpfe im Comic zu zählen, wird sich über viele Stunden Lesespaß freuen können.

“Für meinen Geschmack redest du zu viel. Du solltest mal Luft holen.”

Entsprechend zurückhaltend geht Felici daher beim Füllen von Sprechblasen und Anmerkungsfeldern vor. Meist wird man mit Floskeln aus dem klassischen Cthulhu-Sprachschatz beliefert, posaunt von größenwahnsinnigen Anführern, die ihre Anhänger in Hypnose versetzen, oder von grunzenden Monstern, die dem Helden den nächsten Oneliner auf dem Silbertablett präsentieren. Zwei- oder dreimal wird auch die Sprache der alten Götter verwendet. Für seinen Geschmack, so moniert der Faustschwinger an einer Stelle, werde sogar noch zu viel geredet. Ein wortloses Abenteuer wäre wohl ganz in seinem Sinne, nur wäre es dann noch schneller gelesen als ohnehin schon. Ein ganz schön grummeliger Geselle, der zu den kosmischen Wesen, die er bekämpft, übrigens in einer ähnlichen Konstellation steht wie ein „Spawn“ oder „Hellboy“ zur Hölle. Wo er seinen Widersachern mit trockenem Spruch auf den Lippen ein Körperteil nach dem anderen entfernt, muss man jedenfalls an so manches Zusammentreffen zwischen Spawn und dem Violator denken, wo in der Regel ähnlich viel Geschnetzeltes auf dem Boden verteilt wurde.

Felici entschädigt für die fehlende inhaltliche Tiefe also mit Nonstop-Tempo und einer ganzen Armada an widerwärtigen Gegnern. Man hat mitunter das Gefühl, dass sie nur deswegen eingeführt werden, damit sie noch im laufenden Panel fachgerecht filetiert werden können. Wo dann Körper wie Schweinehälften auseinandergerissen werden, macht sich der Zeichner die Mühe, die Sollbruchstellen in der Skelettstruktur allesamt sorgfältig einzeln zu behandeln. Ebenso glaubt man mitunter, hier sollen Rekorde für die meisten Saugnäpfe auf einem Tentakel gebrochen werden, gedoppelt auch noch durch die Spiegelungen aus dem Wassertümpel, in dem die Blutopfer für die Götter verschwinden. Hintergründe bleiben zwar oft schwarz oder werden als schraffierte Muster aus Linien dargestellt, dadurch wird der Fokus jedoch auf die Objekte gelenkt, die umso detailreicher gestaltet sind. Wenn der Leser will, hat er den Sammelband aufgrund des geringen Textanteils in Windeseile beendet, doch es bleibt ihm die Wahl, in den Details der Bilder und dem darin aufgehenden Einfallsreichtum zu verharren und auf diese Weise zu einem längeren Leseerlebnis zu kommen. Wenn man möchte, findet man auch kreative Verweise auf Grundsteine der modernen Unterhaltungskultur, von Carpenters „The Thing“ bis zur Videospielserie „Resident Evil“, für deren Funktionsweisen von Horror ein großes Verständnis unter Beweis gestellt wird.

Die Faust des Cthulhu - Edition One

Über zu wenig Action kann man sich bei Marco Felici nicht beschweren.

Die kantigen Gesichter und die manchmal ungelenk wirkenden Posen der Charaktere (fast wie die He-Man-Actionfiguren von damals) können manchmal ein wenig irritieren, jedoch werden solche vermeintlichen Schwächen durch den Awesome-Faktor im Creature Design wieder aufgewogen. Womöglich macht sich die lange Entwicklungszeit hier bezahlt, denn man kommt nicht mal eben mit einer solchen Armee von Ungetümen um die Ecke, wenn man im Akkord arbeitet. Jeder Zweite von ihnen hätte locker Final-Boss-Qualität, würden sie nicht alle ob der Kürze der Einzelausgaben oft nach zwei Handvoll Panels wieder zur Erde gebettet werden, aus der sie gekrochen kamen.

“Die Faust des Cthulhu”: Lovecraft vs. Muskelkraft

„Die Faust des Cthulhu“ ist sicher nicht gerade eben sättigender Stoff für Lovecraft-Anhänger, macht aber auch nie einen Hehl daraus, eher für Freunde pulpiger Monster-Trash-Unterhaltung erschaffen worden zu sein. Irgendwas ist immer in Bewegung in diesem Fleischwolf von Comic, der unbeschwert literweise schwarzer und weißer Farbe durchdreht und dabei keine Angst vor brechenden Knochen hat. Größter Trumpf ist das teils wahnwitzige Monsterdesign, aber auch der Antiheld verströmt, obgleich er die Standards seiner Genres bedient, mit seinem mächtigen Hackmesser – und seiner Faust, versteht sich – einen gewissen Kultfaktor. Als Wermutstropfen bleibt die Tatsache, dass Marco Felici nicht gerade zu den Schnellsten seiner Zunft gehört, und dass Kapitel 5 endet mit den Worten „Fortsetzung folgt“… aber wann?

„Die Faust des Cthulhu“ kann man unter anderem über Etsy oder über den Comicroom Hamburg auch käuflich erwerben.

Alle Informationen zur Buch-Veröffentlichung

Die Faust des Cthulhu – Edition One
von Marco Felici (Idee, Text und Zeichnungen)
Taschenbuch: 120 Seiten
Verlag / Copyright aller Bilder: Marco Felici (Selbstverlag)

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Sascha Ganser (Vince)

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