„Stirb Langsam“, „Stirb Langsam 2“ und zu weiten Teilen auch „Stirb Langsam – Jetzt erst recht“ haben unter Actionfans einen fast schon kultigen Status. „Stirb Langsam 4.0“ und „Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben“ boten immer noch ordentliches, wenngleich nicht mehr ganz so frisches Spektakelkino. Alle fünf Filme eint die Figur des John McClane, die beständig zur falschen Zeit am falschen Ort war. „Die Hard – Das erste Jahr“ wirft nun – der Titel deutet es an – einen Blick auf McClanes erste Fälle als New Yorker Cop.
Die Hard: Der Anschlag
Es ist der 4. Juli 1976. New York. Die Stadt bereitet sich auf die große 200 Jahrfeier der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vor. 1976 ist auch das erste Dienstjahr von Officer John McClane. Dieser begann nach seinem Dienst in Vietnam mit einer Ausbildung zum Cop in seiner Heimatstadt. Am Morgen des 4. Juli 1976 ist er mit seinem Ausbilder Ken Bingham auf Streife. McClane hasst den bulligen Cop und der Tag selber verläuft auch sehr eintönig: Ein paar Taschendiebe hier, ein Exhibitionist da. Ein aufregender Tag im Dienst schaut anders aus.
Doch in New York braut sich Ungemach zusammen. Das erfährt die junge Rosie spätestens dann, als sie beobachtet, wie zwei Cops einen zwielichtigen Gesellen eiskalt umnieten und die unerwünschte Zeugin fortan unerbittlich verfolgen. Dabei kreuzt Rosie mehrmals McClanes Weg, wagt es aber nicht, ihn um Hilfe zu bieten. Wie könnte sie auch, immerhin ist auch er vermutlich nur ein korrupter Cop. Und McClane hätte auch gar keine rechte Zeit, denn er wird mitten im Dienst von einer reichen Dame und deren Ehemann engagiert, um deren Feiertags-Bootsparty vor unliebsamen Besuchern zu beschützen. Doch es kommt, wie es kommen muss: Die zwei Mörder-Cops und eine Handvoll Gangster kapern das Boot und nehmen die reichen Gäste des noch viel reicheren Ehepaares aus. Dabei übersehen sie zum einen Sicherheitschef McClane und zum anderen Rosie, deren Flucht sie ebenfalls auf das Boot geführt hat. Gemeinsam blasen sie zum Gegenangriff…
McClane war in Vietnam. Er hasst New York so sehr wie er es liebt. Er mag seine Vorgesetzten nicht. Und er ist ein Klugscheißer. „Die Hard – Das erste Jahr“ erlaubt einige Einblicke in die Flegeljahre des toughen New Yorker Cops. Der Sammelband von Panini Comics vereint zwei Miniserien, die jede für sich eine eigene Geschichte erzählen und je aus vier Einzelheften bestehen. Dabei erinnert die erste Geschichte um die Kaperung einer Jacht und die Geiselnahme der Passagiere an die klassischen „Stirb Langsam“ Muster. Terroristen nehmen die Örtlichkeit ein, nehmen die Gäste als Geisel und planen, das Schiff öffentlichkeitswirksam mit ordentlich Dynamit zu versenken. McClane wird dabei ein Stück weit übersehen und räumt sogleich unter den Terroristen auf. Wenn irgendwann dann auch die Figur der Rosie vom Terror-Obermotz als Schutzschild missbraucht wird, denkt man unweigerlich an die ikonischen Szenen im Nakatomi Plaza, als Gruber McClanes Holly bedrohte und hernach den Abgang probte.
Doch eigentlich ist der Weg zu dem Terrorakt beinahe spannender als das eigentliche Finale. Seitenweise schauen wir hier zu, wie Charaktere kurz vorgestellt und in Stellung gebracht werden. Dabei scheinen die Figuren vollkommen autark voneinander zu handeln, erst gegen Ende wird dann klar, wie eng ihre Lebenswege miteinander verknüpft sind. Das erzeugt ordentlich Spannung, alleine schon weil lange Zeit vollkommen unklar ist, worauf die Story nun eigentlich hinauswill.
Die Eröffnung des Sammelbandes überzeugt mit flapsigen Sprüchen McClanes, die dieser meist in einer Art Off-Stimme abfeuert. Denn neben diversen Dialogen dürfen wir mehrmals in die Gedankenwelt von McClane eintauchen. Erst da bemerkt man, was für ein sarkastisches Mistschwein dieser junge Rekrut wirklich ist. In der Story überwiegt eine sepiafarbene, sehr detailverliebte Optik, die dem Comic einen filmischen Look verleiht, der genau wie die Story stark an das 70er Jahre Thriller-Kino erinnert. Und auch der junge McClane ist optisch gut getroffen. Aus dem kantigen Gesicht blitzen immer mal wieder Bruce Willis’ markante Gesichtszüge heraus, ohne dass man ihn 1:1 in die Comicwelt übertragen hätte.
Somit ist die erste Story von „Die Hard – Das erste Jahr“ ein flotter, atmosphärisch stimmiger Thriller, der in seiner Funktionsweise zum einen stark an die Cop-Thriller der 70er und zum anderen gegen Ende an die ikonischen Handlungsmuster des ersten „Stirb Langsam“ Streifens erinnert. Schade ist, dass die Terroristen etwas schemenhaft bleiben. Es wird beispielsweise angedeutet, dass sich der überfallene Geldsack und der Terroristenführer bereits kennen, ausgestaltet wird dieser Ansatz leider nie. Darum bleibt ausgerechnet der Anführer der Übelwichte deutlich farbloser als einige seiner Henchmen. Das Artwork des Comics überzeugt und erweckt ein lebendiges Manhattan (inklusive typischer Frisuren und Kleidung) der 70er zum Leben. In Sachen Action bleibt man allerdings deutlich hinter den Filmabenteuern zurück. Eine kleine Explosion und einige Shootouts, das war es auch schon. Da die Handlung aber mehr auf Spannung denn auf Action setzt, vermisst man sie auch nicht wirklich.
Die Hard: Die Geiselnahme
Geschichte zwei spielt ein Jahr später, also im Jahre 1977. McClane ist seit einem Jahr im Besitz seiner Marke und aktuell mit seiner Partnerin Olga Cruces auf der Jagd nach einem Typen, der in regelmäßigen Abständen erotische Massagesalons ausraubt. McClane genießt den eher ruhig verlaufenden Fall, doch Olga ist mehr als angepisst. McClane und sie sind nämlich die einzigen ihres Reviers, die nicht an dem deutlich prestigeträchtigeren Fall des „Son of Sam“ dran sind. Ein Serienkiller, der seinerzeit das ganze Land in Atem hielt.
Doch bevor sie sich so richtig ärgern kann, eskaliert der Fall, den sie mit McClane untersucht. Es gelingt McClane und Olga nämlich dank eines Zufalls, den Dieb zu stellen. Doch dieser kann sich in einem Massagesalon verbarrikadieren und nimmt die Kunden als Geiseln. Der einzige Weg in den Salon sind die Lüftungsschächte der Klimaanlage. Und dreimal dürft ihr raten, wer diesen Weg nehmen muss…
Was McClane zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen kann, ist, dass zeitgleich eine ganz andere, noch viel größere Nummer läuft. Und McClane wäre nicht McClane, wenn er sich dieser Problematik nicht auch annehmen würde. Story zwei des Sammelbandes „Die Hard – Das erste Jahr“ ist ein wenig verzwickter aufgezogen als die erste. Wieder wird zu Beginn ein hübsches Netz aus verschiedensten Charakteren gewoben, ohne dass der Leser erahnen könnte, wer hier warum und wie mit wem zusammenarbeitet. Das sorgt für eine hübsche Grundspannung, die den Leser interessiert dranbleiben lässt. Erst auf den letzten Seiten werden alle losen Enden der Erzählung verknüpft und schlüssig aufgelöst.
Nebenbei erfahren wir, das McClane sein ganzes Leben lang mit engen Schächten konfrontiert war. Ob er als kleiner Junge unter einem Abrisshaus entlang kroch oder in Vietnam vor Friendly Fire in einen der Vietcong-Tunnel flüchtete, McClane bekam viele Möglichkeiten, sich selbst seine Angst vor Enge via Schocktherapie auszutreiben. Diese köstliche Bezugnahme auf diverse Krabbeleinlagen McClanes in „Stirb Langsam 1 oder 2“ wird flankiert von einer wunderschön beiläufig eingewobenen ersten Begegnung von McClane und seiner Holly.
Ansonsten ist der Comic-McClane dem Film-McClane in Story zwei ein ganzes Stück ähnlicher geworden. Er agiert zunehmend unberechenbarer für die Bösewichter dieser Welt, hält nicht viel von Vorgesetzten, setzt seinen Dickschädel gerne durch und frotzelt sich ordentlich einen zurecht. Ebenfalls sehr gut funktioniert seine Partnerin Olga, die erstaunlich tough angelegt wird und schon 1977 den Emanzipationsgedanken in New Yorks Straßen trägt. Bei den Bösewichtern setzt man dieses Mal auf etwas schlüssigere Motive, weshalb sie etwas besser als in der ersten Geschichte funktionieren.
Optisch wird das Konzept der ersten Story beibehalten. Es dominiert ein sepiafarbener Grundton, der auch Story zwei wie einen etwas „angegrauten“, urbanen Copthriller der damaligen Zeit wirken lässt und dank eines härter agierenden McClane durchaus auch Erinnerungen an harte Filmcops dieser Zeit (Stichwort Dirty Harry) weckt. Das Ergebnis ist erneut ein flotter kleiner Thriller, der eine angenehm spannende Story erzählt, plastische Charaktere auffährt und die durchaus verzwickte Story zu einem schlüssigen Ende bringt.
Die Hard – Das erste Jahr: Überzeugender Rückblick in die Vergangenheit einer Action-Ikone
Abschließend kann man die beiden Miniserien nur als äußerst gelungene Abstecher in die frühen Jahre einer der Actionikonen schlechthin betrachten. Beide Storys sind allerdings deutlich weniger eskapistisch angelegt als die Filmreihe. So wird beispielsweise die Action sehr sparsam dosiert. In der Folge fühlen sich beide Storys mehr wie Thriller aus der Hochzeit der 70er Jahre an. Die Plots sind recht komplex konstruiert, es wird ein ganzes Bouquet an handelnden Personen aufgespannt und McClane selber erinnert stark an die einsamen Hardboiled-Helden jener Zeit. Zudem wird der Held aus „Stirb Langsam“ gut getroffen. Seine sarkastische Flapsigkeit schlägt sich immer wieder Bahn, genau wie seine Laissez-Faire Grundhaltung gegenüber allem und jedem. Insgesamt fühlt sich die Story um den Überfall auf das Boot des reichen Geldsackes etwas stimmiger an, einfach weil diese Story näher dran ist an den Funktionsweisen der Filmreihe.
Optisch fällt nur im Detail auf, dass hier für jede Geschichte ein anderer Zeichner zuständig war. Gabriel Andrade Jr. arbeitet bei Story zwei nicht sooo detailversessen wie Stephen Thompson bei Story eins. Dafür ist Andrades McClane Bruce Willis deutlich ähnlicher. Ein einigermaßen deutlicher Unterschied besteht in der Kolorierung der Bilder. Wo Stephen Thompson mit seinem Koloristen Matthew Wilson viel mit Schraffuren arbeitet und so noch detailreichere Panels erschafft, setzen Gabriel Andrade Jr. und sein Kolorist Stephen Downer auf einen eher flächigen Farbeinsatz, der ebenfalls nicht ohne Reiz ist. Auf einen ersten, einen flüchtigen Blick fallen diese Unterschiede aber gar nicht auf, weshalb „Die Hard – Das erste Jahr“ beim ersten Durchblättern stark wie aus einem Guss wirkt. Reizvoll sind im Detail aber beide Herangehensweisen.
Insgesamt kann man „Die Hard – Das erste Jahr“ jedem McClane Fan nur ans Herz legen. Die Comics erweitern die Mythologie um den Charakter gekonnt und bieten kurzweiligen und spannenden Lesespaß in tadelloser, atmosphärisch extrem stimmiger Optik!
In diesem Sinne:
freeman
Alle Informationen zu „Die Hard – Das erste Jahr“
Die Hard – Das erste Jahr
von Howard Chaykin
Zeichner Story 1: Stephen Thompson, Story 2: Gabriel Andrade Jr.
Broschiert: 192 Seiten
Verlag: Panini
ISBN-13: 978-3862010707
Copyright aller Bilder: Panini Comics/Panini Verlags GmbH