Originaltitel: Tracks in the Snowy Forest / Zhi Qu Wei Hu Shan 3D__Herstellungsland: China__Erscheinungsjahr: 2014__ Regie: Tsui Hark__Darsteller: Tony Leung Ka-Fai, Zhang Hanyu, Lin Gengxin, Yu Nan, Tong Liya, Han Geng, Chen Xiao, Tse Miu, Du Yiheng, Hai Yitian u.a. |
Wenn Tsui Hark einen Film dreht, sind Pomp und Wahnwitz gesetzte Größen. So auch bei „Die letzte Schlacht am Tigerberg“, der auf dem populären Roman „Tracks in the Snowy Forest“ von Qu Bo basiert. Die im Ton eher ernsthaft gehaltene Story gerät unter Tsui Harks Regie immer überdrehter und protzt mit großen Bildern, noch größerer Ausstattung und viel viel größerer Action. Richtig rund will das Ergebnis aber nicht anmuten. Zu sehr schwankt der Film in seiner Tonalität zwischen brutaler Kriegsaction und fast schon karikaturartiger Figurenzeichnung.
Alles beginnt im China des Jahres 1946. Der 2. Weltkrieg ist seit kurzer Zeit vorbei. Die Japaner haben sich nach ihrer Kapitulation aus dem Land zurückgezogen, das sogleich in einem Bürgerkrieg versinkt. Vor allem im Nordosten des riesigen Landes wüten marodierende Banden und lassen ganze Landstriche im Chaos untergehen. Die chinesische Volksarmee beschließt, sich des Problems anzunehmen. Die Vorhut bilden Captain Shao Jianbo und die von ihm befehligte Einheit 203. Kurz nachdem es ihnen gelungen ist, einen Bahnhof aus der Hand der Banditen zu befreien, kommt dort ein Zug an. An Bord: Ein Soldat namens Yang.
Dieser ist den Mannen um Shao nicht geheuer und auch der Captain selbst beobachtet den Fremden argwöhnisch. Doch Yang wird zu einem wichtigen Werkzeug im Kampf gegen das Chaos werden. Erklärt er sich doch bereit, die Banditen rund um den Warlord Lord Falke zu infiltrieren und den Angriff der Einheit 203 auf dessen schier uneinnehmbare Festung vorzubereiten.
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„Die letzte Schlacht am Tigerberg“ beginnt mit einer starken Actionszene, in der Regie-Derwisch Tsui Hark („Detective Dee und der Fluch des Seeungeheuers“) die inzwischen ein wenig in Vergessenheit geratene Bullet-Time reaktiviert und für seine prunkvolle 3D-Optik einsetzt, um wild spritzenden Blutfontänen und aus der Leinwand heraus fliegenden Projektilen die richtige Bühne zu bereiten. In wilden Schnittfolgen wird hier ordentlich auf den Putz gehauen und festgelegt, dass die Action des Filmes eine gewisse Härte atmen wird.
Danach schlägt der Film einige wilde Haken. Zunächst wird der undurchsichtige Yang von Tsui Hark in einigen Momenten zu sehr ins Mythische überhöht. Das bringt den Film auch in Erklärungsnot, weil bis zum Ende bestimmte Reaktionen auf Yang nicht erklärt werden. Vielen Figuren scheint er kein Unbekannter zu sein, dennoch wird er von allen als Fremder behandelt. Währenddessen zeichnet Hark ein Bild eines zerstörten, am Boden liegenden Chinas, in dem Hunger und Not den Alltag bestimmen.
Der bis zu diesem Zeitpunkt eher in der Realität verhaftete Film bekommt mit der Vorstellung von Lord Falke einen ordentlichen Schlenker in Richtung Fantasy. Der Warlord und dessen Goons erinnern extrem an Comicfiguren und verhalten sich auch mehr wie überzeichnete Karikaturen und weniger wie Menschen. Den kompletten Übergang zum Abenteuer-/Fantasyfilm vollzieht Hark mit der Etablierung von drei Karten, die unter anderem den Weg zu einem gigantischen Schatz weisen sollen. Wer nun glaubt, dass der weitere Weg vorgezeichnet sei, wird sich schnell getäuscht sehen.
Denn nachdem Hark die Karten durchaus ausführlich eingeführt hat, macht er sie sogleich zum MacGuffin und kehrt zurück zu der Grundidee um die Soldaten, die die Banditen bekämpfen. Eine der Karten wird zu einer Art Eintrittskarte für Yang in Lord Falkes Kreise. Ist dieser Handlungsstrang abgehakt, spielen die Karten wirklich gar keine Rolle mehr. Nun schwelgt Hark im abgefahrenen Bösewicht-Kader seines Streifens und fährt immer noch schrägere Gestalten auf. Als Setting hat er eine cool rockende Burg inmitten eines Gebirgsmassives ausgesucht. Leider werden die Ereignisse auf der Burg immer repetitiver. Yang versucht, nicht enttarnt zu werden. Alle Gefolgsleute von Lord Falke misstrauen ihm. Yang versucht, nicht enttarnt zu werden. Lord Falkes Leute misstrauen ihm weiterhin… Der Spannungskurve tut das nicht gut – dem Involvement ebenso. Spätestens hier fragt man sich, wieso Hark sich selbst der Schatzkarten-Optionen beraubt hat.
Damit der Film nicht einschläft, lanciert Hark seine zweite große Actionszene in einem verschneiten Dorf. Hier geht Hark gefühlt wieder einen Schritt zurück in Richtung Realismus. Einige Figuren werden recht harsch aus der Handlung genommen und diverse Zeitlupentode erinnern an selige Heroic-Bloodshed-Epen. Geniales Highlight dahingehend sind die Auswirkungen einer Ladung Schrot auf einen menschlichen Körper. Spätestens in dieser (ein wenig an die „Sieben Samurai“ erinnernden) Actionsequenz ist Hark inszenatorisch fernab jedweder Vergleichbarkeit. Seine Action gerät immer komplexer. Die Stunts werden halsbrecherischer und es kommen in diversen Ski-Stunts sogar Seilzug-Momente zum Tragen. Dementsprechend werden auch mal Hausdächer als Sprungschanzen missbraucht. Wuchtige Explosionen und eine enorme Länge machen diese Szene zur besten Actionszene des gesamten Filmes.
Bei der eben auch der Showdown nicht mehr mithalten kann. Hier setzt Hark dann auch vermehrt auf ordentliche, aber immer durchschaubare CGI-Effekte und einen größeren Spektakelwert. Immerhin soll ja eine riesige Festung platt gemacht werden. Das funktioniert ganz ordentlich, fühlt sich aber nicht mehr so physisch an, wie die Dorfszene. Auch treten einige charismatische Bösewichter zu schnell ab. Apropos: Martial Arts Duelle gibt es in „Die letzte Schlacht am Tigerberg“ nicht. Hier wird scharf geschossen und dabei auch unvermittelt verreckt. Damit beraubt sich der Film freilich auch eines interessanten Variationsmittels. Aber geschenkt. Richtig genial wird der Showdown nämlich trotzdem…
Indem Hark selbst das eher bodenständige finale Aufeinandertreffen von Yang und Lord Falke einfach negiert und ein total überdrehtes, leider komplett CGI-verseuchtes, allerdings anders auch gar nicht umsetzbares Finale dranhängt. Das lässt „Die letzte Schlacht am Tigerberg“ noch einmal komplett in Richtung überdrehter Actioncomic kippen. Hier dreht Hark inszenatorisch voll auf und haut schräge Perspektiven und einen irre dynamischen Schnitt raus. In der Folge beraubt einen Hark jedweder Orientierung, indem er mühelos das Geschehen von den Beinen holt, auf den Kopf stellt und wieder komplett umdreht. Irre.
An der Beschreibung der Actionszenen und auch der Storyentwicklung sollte deutlich geworden sein, dass „Die letzte Schlacht am Tigerberg“ häufiger die Richtung wechselt. Mal realistisch angehauchter Kriegsfilm und mal Actiongroteske sein möchte. Das passt nicht immer zusammen. Von der vollkommen sinnbefreiten und in einem übel kitschigen Ende auslaufenden Anknüpfung an die Jetztzeit ganz zu schweigen. Das wirkt ab und an extrem konstruiert, unterhält aber in hohem Maße und sorgt für ein angenehmes Tempo, was bei fast 2,5 Stunden Laufzeit nicht unerheblich ist. Echte Spannung kommt bei diesen Richtungswechseln aber nicht auf. Was auch daran liegt, dass die Bedrohlichkeit von Lord Falke und seinen Mannen nie so wirklich im Film ankommt. So besteht die Einheit 203 aus gerade einmal 30 Mann und wehrt immer wieder Hundertschaften der Banditen ab. Lord Falke selbst schießt auch mehr daneben als mal zu treffen. Obendrein steht die Enttarnung von Yang nie zur Disposition, da selbiger sich schon früh mit absolut lachhaften Tricks seiner Enttarnung zu entziehen vermag.
Doch Hark schafft es trotzdem, das Interesse beim Zuschauer oben zu halten. Die vielen Ortswechsel, die fantastische Ausstattung, die opulenten Bilder, die coole Action, der tolle Score und sehr gute Hauptdarsteller (allen voran ein überhaupt nicht zu erkennender Tony Leung Ka Fai als Lord Falke) wiegen diverse Unebenheiten in der Geschichte, offene Handlungsstränge, die oberflächliche Figurenzeichnung, Patriotismus, Overacting in den Nebenrollen und so manches Spannungsloch ordentlich auf und münden in ein unterhaltsames, in Teilen absolut spektakuläres Filmerlebnis.
Die deutsche DVD/Blu-ray erscheint am 3. Dezember 2015 von dem Laben Koch Media und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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