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Dienerinnen des Satans

Originaltitel: Les Démoniaques__Herstellungsland: Belgien/Frankreich__Erscheinungsjahr: 1973__Regie: Jean Rollin__Darsteller: Lieva Lone, Patricia Hermenier, Joëlle Coeur, John Rico, Willy Braque, Paul Bisciglia, Louise Dhour, Mireille Dargent, Miletic Zivomir u.a.

Dienerinnen des Satans

Dienerinnen-des-Satans-Cover

Cover B der “Jean Rollin Collection #3”.

Schon die Einführung vermittelt, dass Jean Rollin diesmal einen Aufbau im Sinn hat, der einer konventionellen Narration zugeneigter ist als üblicherweise bei seinen Vampirfilmen, die eher gemäß einer Traumlogik funktionieren. Die Schergen der Geschichte mit dem reißerischem Vokabular eines Groschenromans einzeln in einer Montage vorzustellen und sie zu alldem auch noch zu den Hauptfiguren zu erklären, mag nach heutigen Standards wieder ungewöhnlich sein (und somit absolut wiederentdeckenswert), es lässt aber auf Anhieb den Geist alter Abenteuerfilme wieder auferstehen, als man all die Schwarz-, Rot- Blau- und Dotterbärte schon aufgrund ihrer sadistischen, skrupellosen Art mit der höchsten Aufmerksamkeit bedachte.

„Les Démoniaques“ ist für den Regisseur als Mischung aus Piraten- und Geister- bzw. Dämonenfilm dementsprechend nicht nur ein thematisch fernliegendes, sondern zugleich ein ungewöhnlich temporeiches Werk, das den üblichen hermeneutischen Kreiseln schlafwandelnder Vampirinnen im durchsichtigen Gewand diesmal über die konsequente Zickzack-Linie eines typischen Rape-and-Revenge-Streifens ein Schnippchen schlägt. Die Konstellation ist eindeutig: Eine Bande verkommener Piraten vergewaltigt brutal die desorientierten Opfer eines Schiffbruchs, um später von den eigenen Taten heimgesucht zu werden.

Entsprechend instinktiv, aber zielstrebig fällt das Handeln der Beteiligten aus, ungewohnt vertraut ist man mit den Schachzügen des Drehbuchs, auch wenn man deswegen noch längst nicht von einem konventionellen Filmerlebnis sprechen kann. Rollins Visionen werden im Handwerk nämlich durchaus sichtbar: Eine Küstenkneipe, die mit dem Leben einer lauten Gesellschaft aus rauen Seebären und fröhlichen Trinkern gefüllt wird (wegen der Faschingskostüme und diverser unbesetzter Stühle ist das Resultat nicht ganz so detailliert ausgefallen, wie man sich eine zünftige Piratenkneipe eigentlich vorstellt), verwandelt sich von einem Moment zum nächsten in eine totenstille Geisterhöhle. Hier findet nun eine herrlich stimmungsvolle Heimsuchung durch die geschändeten Frauen statt, die als vermeintliche Geister anklagend ihre Finger auf den angetrunkenen Kapitän richten und ihn somit gewissermaßen verurteilen.

Die hierin vorzufindende Unmittelbarkeit des Schnitts, die Dualität das Auftretens gleich zweier Racheengel sowie ihre schmutzig-weiße Gewandung sind typische Markenzeichen des Regisseurs. In dieser hervorragend montierten Sequenz werden die Schuldgefühle des vermeintlich gefühllosen Anführers der Bande etabliert und somit der Grundstein für die weitere Fortentwicklung gelegt. Lieva Lone und Patricia Hermenier, deren Rollen ursprünglich wieder mit den Castel-Zwillingen hätten besetzt werden sollen (dies hätte wohl einen weiteren Qualitätsgewinn bedeutet), werden in den orgiastischen, gleichwohl theatralisch-übersteigerten Vergewaltigungsszenen an der Küste zunächst physisch und schauspielerisch stark gefordert, müssen dann aber zum Glück kaum mehr beitragen als mit totem Blick ihre Verfolger einzuschüchtern, denn ihre Unerfahrenheit mit der Schauspielerei sieht man ihnen an.

Die aus dem Erotikbereich stammende Joëlle Coeur hat mit dem gleichen Problem defizitärer Schauspielerei zu kämpfen, löst es allerdings offensiver. Schon in ihrer Einführung überzieht sie mit erhobenen Augenbrauen und zuckenden Mundwinkeln gnadenlos, wird der überzeichneten Charakterisierung durch Drehbuch und Off-Kommentar dadurch aber wider besseren Wissens vollkommen gerecht und entwickelt sich als Psychopathin mit Ausbrüchen der Angst, der Wut und der sexuellen Ekstase zu einem klaren Highlight des Films. Selbst die Erotik- und Nacktszenen, derer sie natürlich einige zu absolvieren hat, vermag sie mit ihrer Zerrissenheit fast nahtlos an die Handlung zu binden. Auch wenn sie mit dieser recht dilettantischen Spielweise in jedem A-Film ein echtes Ärgernis wäre, hier ist sie der Mittelpunkt einiger der besten Szenen und sorgt immer wieder für Schlüsselbilder.

Solche werden allerdings hauptsächlich von der Kulisse geliefert. Die einmal mehr wunderbar anzusehenden Impressionen der Ruinen und Katakomben des Klosters von Villers-la-Ville nahe Brüssel gehören zu den Rollin-typischeren Schauplätzen, aber gerade der brennende Spant eines auf Riff gelaufenen Schiffes sorgt für spektakuläre Bilder ungewohnter Art und zugleich für eine weitere Szene, die aufgrund ihrer Spannung und optischen Komposition herauszuheben ist. Die spätere Rückkehr zu diesem Schauplatz am Tage bei Nutzung der dramaturgischen Möglichkeiten von Ebbe und Flut vervollständigt den durchweg positiven Eindruck der genutzten Drehorte und liefert ein nicht minder spektakuläres Finale.

Restaurations- und Synchronisationsbeispiele

httpv://www.youtube.com/watch?v=-UJs-aT8CLU&t=40s

Die Atmosphäre gleitet vom Schlüpfrigen, Überzeichneten und Pulpigen indes immer wieder gerne ins Surrealistische. Passend, dass auch der Teufel höchstselbst und sogar ein ihm dienender Clown (!) Einfluss auf die Handlung nehmen. Ersterer erinnert mit seinem theatralischen Auftreten an Goethes „Faust“, letzterer mit seiner pantomimischen Gestik stark an die Stummfilmzeit; schon in der Kneipenszene deutet ein entrücktes Nebeneinander hektisch agierender Besucher und bleich geschminkter Geister in starrer Pose eine solche Richtung an. Ferner streut der abwechslungsreiche Soundtrack immer wieder Reminiszenzen an die Ära des tonlosen Films ein. Dass Rollin mit „Les Démoniaques“ also offenbar eine Hommage an den frühen Expressionismus im Sinn hatte, führt ihn ein Stück weit weg von der barocken Romantik eines „La Vampire Nue“ hinein in ein fast schon postmodern zu bezeichnendes Experiment mit dem Ausdruckstanz verstrichener Epochen.

Dessen Gelingen unterstreicht das offenbar tiefe Verständnis des Regisseurs für die Erbenreihe, der er angehört. Die recht deutliche Fokussierung auf das Thema Vampirismus wird oft und gerne fehlinterpretiert. Selbst innerhalb dieser Thematik verarbeitet er eine große Bandbreite an Strömungen, die mit der reinen Betrachtung des Subgenres längst nicht erfasst ist; spätestens mit seinem Ausflug ins Piraten-Fach untermauert er nun seine Vielfältigkeit, die man ihm aus der Ferne vielleicht nicht zugestehen würde.

8 von 10

„Dienerinnen des Satans“ in einer ganz besonderen Edition

Zum dritten Mal beehrt uns Wicked-Vision mit einer Ausgabe der vorzüglichen Jean-Rollin-Collection. Diese richtet sich aufgrund der eigenwilligen Machart der Filme zwar eher an ein Nischenpublikum, dieses allerdings bekam mit den bisherigen Veröffentlichungen eine Vollbedienung in Sachen Restauration, Ausstattung und Verpackung.

Nr. 3 setzt allerdings noch einmal einen oben drauf. Wie üblich im Mediabook veröffentlicht, darf man sich diesmal sogar zwischen drei Coverartworks entscheiden (allesamt limitiert auf je 500 Stück). Der Film ist noch einmal drei Minuten länger als der US-Extended-Cut und stellt somit die bis dato längste Filmfassung dar. Das Bild wurde einer Restauration unterzogen und fällt vor allem mit natürlichen Farben auf, mit denen die Wirkung der jeweiligen Szenen unterstrichen wird; Filmkörnung ist dabei reichlich vorhanden, stört aber nicht, sondern unterstreicht den Charakter des Films.

Ein ganz besonderes Feature ist der deutsche Ton: Dieser wurde nämlich eigens für diese Fassung angefertigt und besticht mit einer erstaunlich gut funktionierenden Retro-Synchronisation, die durch künstliche Verfremdungseffekte eine Herstellung zur Entstehungszeit suggeriert. Das klingt zunächst einmal befremdlich, tatsächlich hört man aber keinen Unterschied zu einer Originalsynchro, zumal die Sprecher einen durchweg sehr guten Job machen.

Abgerundet wird das Paket durch eine Reihe von Extras. Jean Rollin tritt durch eine weitere Einführung vor dem Film in Erscheinung und hat für ausgewählte Szenen auch einen Audiokommentar eingesprochen. Eine Featurette und ein Interview mit „LeBosco“-Darsteller Willy Braque verraten sehr viel über die Drehumstände und generell über die Probleme und Möglichkeiten französischer Filmproduktionen.

Neben verschiedenen Trailern und einer Bildergalerie findet man zudem noch Outtakes des brennenden Schiffs sowie eine geschnittene Sexszene, die es wenigstens in der vorliegenden Schnittfassung völlig zu Recht nicht in den Film geschafft hat. Film und alle Extras sind weiterhin auf einer Bonus-DVD vertreten (hierher stammen die in diesem Artikel verwendeten Screenshots). Abgerundet wird das Paket von einem 24-seitigen Booklet mit je einem Text von Pelle Felsch und Oliver Nöding.

Sascha Ganser (Vince)

Bildergalerie zu Dienerinnen des Satans“

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Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked-Vision Media__FSK Freigabe: ungeprüft__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja

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