Originaltitel: Edge__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: Shane Black__Darsteller: Max Martini, Ryan Kwanten, Yvonne Strahovski, Alicja Bachleda, William Sadler, Beau Knapp, Robert Bailey Jr., Noah Segan, Jerry Vahn Knight, Alex Sawunyama, Nate Warren u.a. |
Zu Beginn seiner Karriere lebte Shane Black („The Nice Guys“) mit verschiedenen anderen Drehbuchautoren in einer WG, die „Pad o‘ Guys“ genannt wurde. Besonders oft kooperierte er mit Fred Dekker, mit dem er unter anderem die Drehbücher „The Monster Squad“ und dem nicht realisierten „Shadow Company“ schrieb und in dessen Regiearbeiten „Night of the Creeps“ und „RoboCop 3“ er Gastrollen übernahm.
Basierend auf den Pulpromanen von George G. Gilman (ein Pseudonym von Terry Harknett) schuf Black gemeinsam mit Dekker diesen rund einstündigen Pilotfilm für Amazon, der aber zu keiner Serie ausgebaut wurde. Es gehtum den früheren Soldaten Josiah Hedges (Max Martini), der im späteren Verlauf des Films den Spitznamen Edge erhält, an dem er Gefallen findet. Weniger Gefallen findet er daran, dass seine Ex-Kameraden unter Führung des Senatorensohns Harknett (Ryan Kwanten) seinen Bruder Jamie (Nate Warren) ermorden, auf der Suche nach einer ominösen Kiste, deren Bedeutung aber im Piloten noch nicht geklärt. Wichtig ist mehr der Brudermord als legendärer Anlass für Rache, der ja in diversen Western und Actionfilmen am Anfang der Handlung steht.
Einem ersten Hinweis auf die Mörder folgt Edge in das Städtchen Seward, benannt nach dem Sheriff Big Bill Seward (William Sadler), dessen Sohn Little Bill (Beau Knapp) zur Gang der Killer gehörte. Edge reitet ein und wird bald mit den strengen Regeln der Stadt konfrontiert: Big Bill hängt Leute bereits fürs Auf-die-Straße-Spucken, zwingt selbst Kinder zum Zusehen bei der Hinrichtung und verlangt, dass jeder Neuankömmling seine Waffen abgibt. Edge hat damit Probleme und pustet schnell den ersten Hilfssheriff weg, der ihm querkommt, wofür er von Big Bill den Job des Toten angeboten bekommt. „Edge“ ist durch und durch nihilistisch und zynisch, denn ein Leben ist hier nicht viel wert, da weder der Held noch seine Antagonisten lange fackeln oder große Skrupel haben, wobei die lakonisch-gewalttätigen Buchvorlagen auch mit dem sarkastischen Stil harmonieren, den Dekker und vor allem Black in ihren früheren Regie- und Drehbucharbeiten an den Tag legten.
Während Edge auf die Rückkehr Little Bills wartet und den Hilfssheriff gibt, bemerkt er, dass Big Bill auf der Suche nach einer erheblichen Menge Gold ist, die im Ort versteckt sein soll. In diese Suche sind auch mehrere andere Bewohner des Städtchens verstrickt, während sich die Machenschaften um das verschwundene Gold auch bald mit Edges Racheplänen überschneiden…
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„Edge“ ist Pulp durch und durch, laut, blutig und schwarzhumorig, gelegentlich auch bereit die Grenzen des guten Geschmacks zu verletzen. In der Tradition des Italowestern ist Edge ein fieser Hund, der man nur auf noch miesere Typen ansetzt, wenngleich sich am Ende des Piloten eine Vermenschlichung des Helden zeigt, wenn dieser merkt, welche Opfer sein rücksichtsloses Verhalten unter Umständen fordert. Dabei erinnert Edge an Lucas Hood aus „Banshee“, nur eben im tatsächlichen statt im metaphorischen Westerngewand. Denn auch Edge sorgt bei der Verfolgung eigennütziger Ziele nebenher für Ordnung und befreit den wilden Westen von fieseligen Subjekten. Eine Mischung aus Cowboy, Actionheld und Westerndetektiv, der am Ende des Piloten für höhere Aufgaben benötigt wird.
Denn Harknett entkommt und entpuppt sich in der finalen Szene als Teil einer Verschwörertruppe, die den Frieden in den USA kurz nach Ende des Sezessionskriegs zu torpedieren gedenken. Damit deutet sich ein Story Arc für die angedachte Serie an; doch die Finalszene entlässt den Zuschauer mit gemischten Gefühlen: Zum einen wirkt die Plan der Verschwörer (zumindest ohne große Erklärung) etwas absurd, zum anderen setzt die Szene mit einer Verbindung von Sex und Gewalt auf einen kalkulierten Schockeffekt und Tabubruch, der allerdings sehr gewollt und wenig überzeugend wirkt. Aber derartiges gab es im Bezahl- und Kabelfernsehen der letzten Jahre häufiger um sich als besonders provokant und gewagt zu positionieren, womit der Schluss von „Edge“ nur symptomatisch für ein verbreitetes Problem ist.
Bis die Endszene kommt, bietet „Edge“ aber einen knackigen Pulpwestern, der mit der Hintergrundgeschichte um die Goldsuche eine gelungene Einzelfolgenhandlung bietet, die mit gelegentlichen Twists, herrlich hassenswerten Bösewichtern und reichlich Konfrontation gelungene Genreunterhaltung bietet. Denn es ist klar, dass der unangepasste Edge und der despotische Big Bill nicht lange miteinander auskommen werden, nicht zuletzt da Edge ja Bills Filius meucheln will. Bis der Konflikt eskaliert ist auch noch Zeit für einige pointierte Wortgefechte, zwischen Edge und seinen Antagonisten, aber auch zwischen Edge und dem Saloongirl Beth, die auch mit Doppeldeutigkeiten nicht sparen, etwa wenn Beth sagt „They’re looking for a gilt box“ und Edge erwidert „I have seen plenty of guilt, but not your box“.
Ähnlich schräg und pulpig wie Wortgefechte ist auch die Gewalt ausgefallen, die gelegentlich ins Splattrige übergeht: Neben reichlich blutigen Einschüssen gibt es mit dem Rasiermesser abgesäbelte Finger, weggeballerte Zehen und ähnliche Scherze zu bewundern, während für reichlich Western-Shoot-Out-Action gesorgt ist. Im Finale nimmt es Edge mit einer kleinen Armee auf, wobei ihm eine Gattling ebenso treue wie zerstörerische Dienste leistet, wie sie in Italo-, Spät- und Neo-Western von „Django“ über „The Wild Bunch“ bis hin zu „The Last Stand“ und dem „Die glorreichen Sieben“-Remake schon bewundern waren. Das arbeitet Black mit moderner, aber übersichtlicher Actioninszenierung in Hochglanzbildern, sodass Actionfans voll auf ihre Kosten kommen.
Max Martini („13 Hours“) muss in der Titelrolle dann vor allem arschcool und abgebrüht sein, bekommt das aber ohne Probleme hin und kann in einigen Momente auch noch ein paar tiefergehende Facetten hinter Edges zynischer Fassade erkennen lassen. Yvonne Strahovksi („Chuck“) kommt noch nicht so gut zum Zuge, offeriert aber bei Beth interessante, ungeahnte Züge, die in einer Serie noch weiter ausbaufähig gewesen wären. In Sachen Schurken können Ryan Kwanten („Northmen“), Beau Knapp („Southpaw“) und vor allem William Sadler („The Hills Run Red“) Duftmarken setzen, denn ein derartig schillerndes Schurkenvolk hasst man als Zuschauer gerne.
Insofern ist „Edge“ ein simpler, aber temporeicher und effektiv inszenierter Rachewestern mit Pulp-Spirit, reichlich Actionschauwerten und detektivischen Elementen, der aber in den Schlussszenen strauchelt, die einen übergreifenden Plot anteasern. Die Besetzung ist gut aufgelegt, der schwarzhumorige Ton meist, stimmig, wenngleich gelegentlich etwas drüber. Trotz einiger Schwächen also schade, dass aus der Serienfortführung nichts wurde.
Knappe:
„Edge“ war online bei Amazon als Teil ihrer Pilot-Season verfügbar, bei der sie diverse Piloten abrufbar machten und die Zuschauer über eine Fortführung als Serie entscheiden ließen. „Edge“ war dieses Glück nach dem Feedback der Zuschauer allerdings nicht vergönnt.
© Nils Bothmann (McClane)
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