Seit dem 12. Juli wird die deutsche Kinolandschaft durch das Actionspektakel “The Raid” mächtig aufgemischt. Dieser rasante und hochspannende Film von Action-Spezialist Gareth Evans begeistert mit rasanter Kampfkunst aus Indonesien und ausgetüftelten Kampfchoreographien und wir haben unsere Begeisterung in unseren inzwischen 4 Kritiken bereits hinlänglich zum Ausdruck gebracht.
Aber, wie entwickelt man eigentlich Filmkämpfe und was muss dabei beachtet werden? Koch Media, Verleiher von „The Raid“ in Deutschland, haben beim Berliner Schauspieler, Stuntman und Kampfchoreographen Sigo Heinisch nachgefragt.
Du arbeitest neben deinen Tätigkeiten als Schauspieler und Stuntman auch als Kampfchoreograph. Wie bist du zu diesem ungewöhnlichen Beruf gekommen?
Zunächst habe ich angefangen, Schauspiel zu studieren. Im ersten Jahr meiner Ausbildung besuchte ich einen Drehbuchkurs bei Wolfgang Pfeiffer, im zweiten Jahr nahm ich an den Wochenenden Unterricht an der Stuntschule von Action Concept in Köln. Mein Hauptstudium blieb aber weiterhin die Schauspielerei. Ich habe mich eigentlich schon immer für Action interessiert. Insbesondere Martial Arts haben mich früh in ihren Bann gezogen. Ich bin mit Filmen aus China aufgewachsen. Als kleiner Junge im Alter von sechs Jahren waren meine Idole Bruce Lee, Van Damme und Chuck Norris.
Schon damals habe ich angefangen, Judo zu trainieren, gefolgt von Taekwondo. Später dann auch Capoeira und Thaiboxen sowie Wing Tsun und Eskrima, ein philippinischer Kampf mit Stock und Klinge. An einer anderen Schule habe ich begonnen Jeet Kune Do und Grappling (Bodenkampf) zu trainieren. Zu dieser Zeit habe ich auch ein paar Mixed-Martial-Arts-Kämpfe gemacht.
Kampfsportchoreographie ist nur eine Sparte im Stuntbereich, die in Amerika eine größere Bedeutung hat als in Deutschland. Ich habe nach dem Studium als Türsteher gearbeitet. Dabei habe ich die Kollegen von nervous service kennengelernt, für die ich jetzt u.a. als Kampfchoreograf tätig bin.
Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um als Kampfchoreograph zu arbeiten?
Ein möglichst breit gefächertes Wissen ist essenziell. Man sollte also auch über die kulturellen Hintergründe und Techniken vieler Kampfsportarten genau Bescheid wissen. Dieses Wissen braucht man schließlich, um die jeweilige Kampfkunst im Film zeitgemäß in Szene zu setzen. Ein kleines Beispiel: Spielt die Handlung eines Films im 18. Jahrhundert, muss die Choreographie natürlich genau an die damalige Zeit angepasst werden. Was viele nicht wissen: Auch in Europa gibt es viele Volkskampftechniken. So haben beispielsweise die Iren einen eigenen Stockkampf.
Wie entwickelt man eine Kampfchoreographie für einen Film? Kann man sich das wie das Schreiben eines Drehbuchs vorstellen?
Erst muss man viel recherchieren und sehen, was sich aus der Story ergibt: Wie ist der Background der Figur und wie bewegt sich der Schauspieler? Auch die Örtlichkeiten müssen beachtet werden, denn es macht einen riesigen Unterschied, wo gekämpft wird. Im Wald zum Beispiel ist der Untergrund uneben, es gibt Löcher, der Boden ist vielleicht mit Moos bedeckt. All diese Bedingungen wirken sich auf die Choreographie aus.
Was war die gefährlichste Situation, der du beim Drehen oder bei Drehvorbereitungen ausgesetzt warst?
Bei „The International“ wurde über meinem Kopf eine 2 x 2 Meter große Glasscheibe zur Explosion gebracht. Das war nur eine kurze Szene. Dafür war die Situation des engen Zeitfensters wegen umso schwieriger umzusetzen. Ich sollte hochschauen und losrennen, wenn die Scheibe fällt. Beim zweiten Versuch gab es eine leichte Verzögerung der Explosion und ich bekam Splitter der Glasplatte in den Mund, was nicht so schön war. Ansonsten habe ich mich noch nie verletzt und bin immer mit einem blauen Auge davongekommen.
Was war das bisher anspruchsvollste Projekt an dem du beteiligt warst? Was hat dich daran besonders fasziniert?
„Don 2“ war das bisher anstrengendste Projekt, da wir viel am Stück gearbeitet haben. Wir haben drei Wochen in Mumbai gedreht. Die Art und Weise der Arbeit dort unterscheidet sich sehr von der in Deutschland.
In “The Raid” geht es ziemlich heftig zur Sache. Ist es schwieriger Kampfszenen zu choreographieren, die so hart sind?
Jein. Wenn du ein gutes Team hast, mit dem du regelmäßig trainieren kannst, ist es nicht schwieriger. In Deutschland darf man viele Sachen gar nicht zeigen: zum Beispiel Knochenbrüche und Abwürgen. Was übrig bleibt, ist nicht viel. Aber, wenn man realistische Kämpfe zeigen will, muss es etwas härter sein, so wie in “The Raid”. Viele Bewegungen sind zu klein und schnell, so dass sie die Kamera gar nicht aufnehmen kann.
Viele Infight-Szenen in “The Raid” sind ebenfalls toll gemacht. Bei einem Infight weichst du dem Angreifer nicht aus, sondern gehst in die Bewegung mit rein. Das macht die Sache schwieriger. Der Akteur, der die Bewegung ausführt, muss diese überzeugend präsentieren und der Angreifer sollte technisch besser sein, damit er auf die kommende Bewegung des Verteidigers reagieren kann.
Was zeichnet die Kampfchoreographie in “The Raid” aus? Was ist deiner Meinung nach das besondere an den Kampfszenen?
Die Anwendung von gewissen Kampfsporttechniken wie zum Beispiel Silat finde ich in ihrer Umsetzung besonders gelungen. Wenn man nach Indonesien geht, wird man überwiegend folkloristische Kämpfe zu sehen bekommen. Das wirkt meist etwas verspielt. Die Wirklichkeit ist alles andere als verspielt. Die Macher von THE RAID haben es verstanden, die Intensität der realen Kämpfe mit der Kamera so einzufangen, dass diese sehr authentisch wirken. Auch sieht man neue Bewegungen, die eine gewisse Abwechslung in die Kämpfe bringen. Auf diese Weise wird die Spannung weiter erhöht.
Welche Szene aus “The Raid” findest du am beeindruckendsten?
Die Fluchtszenen auf dem Gang, die haben eine unheimliche Dynamik.
Welche Filme haben dich in deiner Laufbahn besonders inspiriert und geprägt?
„Enter The Dragon” mit Bruce Lee, „Deadly Revenge” mit Steven Seagal und „96 Hours.”
Bei welchen Filmen der letzten zehn Jahre haben dich die Kampfszenen besonders begeistert?
Bei „Flashpoint“, bei „96 Hours“, bei „Ong-Bak“ der erste Teil – eine gute Mischung aus Realismus und Akrobatik, die unterhaltsam ist.
Mit welchem Actionregisseur würdest du gerne mal arbeiten?
Ich wollte immer mal mit dem Kampfchoreographen Olivier Schneider arbeiten, der bei „96 Hours“ beteiligt war, was auch schon geklappt hat. Der einzige Regisseur, mit dem ich sonst noch arbeiten möchte, wäre John Woo.
Wer ist für dich zurzeit der größte Actionstar?
Donnie Yen, der die Kampfchoreografie von „Der Puma – Kämpfer mit Herz“ gemacht hat, zeigt in seinen Filmen „Flashpoint“ und „Ip Man“ heftige Stunts. Er hat für beide Filme unterschiedliche Kampfstile zum jeweiligen Charakter entwickelt. Die Filme von Jason Statham finde ich ebenfalls sehr gut, auch weil ich die Story überzeugend finde. Und Bruce Willis natürlich, der ist schon so lange erfolgreich im Geschäft und immer noch vorne mit dabei.
Wir danken für das nette Gespräch!
© Koch Media, PureOnline
Die offizielle Facebook-Seite zum Film
Unser Diskussionsforum zu “The Raid”