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Ein Richter sieht rot

Originaltitel: The Star Chamber__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1983__Regie: Peter Hyams__Darsteller: Michael Douglas, Hal Holbrook, Yaphet Kotto, Sharon Gless, James Sikking, Joe Regalbuto, Don Calfa, John DiSanti, Otis Day, Jack Kehoe, Robert Costanzo, David Faustino u.a.
Ein Richter sieht rot

In „Ein Richter sieht rot“ von Peter Hyams gibt Michael Douglas den titelgebenden Justizbeamten

Während verschiedene Selbstjustizthriller und -actionfilme um einsame Rächer die 1970er und 1980er in Sachen Krawallkino prägten, so versuchte sich Peter Hyams („Diese Zwei sind nicht zu fassen“) im Jahre 1983 an einer zurückgenommeneren Variante.

Hierzulande in Anlehnung an den Bronson-Klassiker als „Ein Richter sieht rot“ betitelt, befasst sich „The Star Chamber“ mit Lücken im amerikanischen Strafrecht und damit verbundenen Problematiken. Die Eingangssequenz erforscht etwa wie zwei Polizisten einen Verdächtigen observieren, der allerdings ein potentielles Beweismittel in seinen Mülleimer wirft – durchsuchen ist tabu, da Privatbesitz. Dessen sind die Cops sich bewusst und durchsuchen den Müll erst, als er im Mülllaster (der städtisches Eigentum ist) befindet. Doch vor Gericht boxt ein Winkeladvokat den offensichtlich schuldigen Raubmörder frei, da die Polizisten nicht gewartet haben, bis der Müll auch im Laster war, sondern ihn bereits in der Auffangklappe durchsuchten.

Der Richter, der die Durchsuchung widerstrebend für unzureichend erklären muss, ist Steven R. Hardin (Michael Douglas). Der palavert mit dem befreundeten Richter Benjamin Caulfield (Hal Holbrook) über Fälle wie diesen, zeigt sich mit dem System desillusioniert und nimmt die Probleme mit nach Hause, wenn er ins Eigenheim mit Ehefrau und zwei Vorbildkindern zurückkehrt. Allerdings wird Hardins Privatleben nur kurz und alibihaft gezeigt, eventuelle Effekte seiner Arbeit auf das heimische Idyll ausgespart und auch sonst wenig daraus gemacht.

Nach einem weiteren Vorfall, bei dem zwei anscheinend Schuldige wieder ins Freie entlassen werden, tritt Caulfield an Hardin heran und erzählt von einer Geheimkammer aus Richtern, die gemeinsam über derartige Fälle verhandelt und gemeinsam ein Urteilt fasst. Bei übereinstimmendem Schuldig-Plädoyer wird ein Killer auf die Verbrecher angesetzt und derzeit ist ein Platz in der Kammer frei. Hardin nimmt das Angebot an…

httpv://www.youtube.com/watch?v=OCe1pHqP06A

Es gibt Filme, deren Prämisse fast schon die halbe Miete ist und „The Star Chamber“ kann man sicherlich dazu zählen, denn das Konzept einer derartig kompetenten Paralleljustiz im Angesicht von (vermeintlichem?) Systemversagen besitzt großen Reiz. Doch es ist eben nur die halbe, nicht die ganze Miete, weshalb das, was Peter Hyams als Regisseur und Co-Autor daraus macht, ein wenig enttäuscht. Gerade die Arbeit der Geheimkammer wird kaum beleuchtet: Man wohnt als Zuschauer ultrakurz ein paar Sitzungen bei, an deren Ende sowieso immer das einstimmige Todesurteil steht, große Debatten oder etwaige Unstimmigkeiten gibt es nicht zu sehen, nur ein paar Nachfragen. Das lässt sich natürlich so deuten, dass die Richter aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Zusammenhalts eh darauf vertrauen, alles richtig zu machen und dass fast jeder Antrag auf Paralleljustiz seine Richtigkeit hat, aber es beraubt den Film seines interessantesten Elements.

Bis man die Geheimkammer bei der Arbeit sieht, ist eh fast der halbe Film um, der sehr penibel Hardins Weg in diese Richtung nachzeichnet und gleichzeitig alle wichtigen Figuren einführt, darunter potentielle Verbrecher, Caulfield als Lockung in Sachen Selbstjustiz und den Cop Harry Lowes (Yaphet Kotto), der in einem Fall offizielle Ermittlungen anstellt, während die Geheimkammer hinter verschlossenen Türen darüber entscheidet. Diese lange Exposition ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits etabliert sie Hardin und seine Gewissensbisse sehr differenziert und legt den Finger auf die Wunde, was mögliche Schwachstellen im System angeht. Andrerseits zögert sie den Punkt hinaus, an dem es dann um die im Original titelgebende „Star Chamber“ geht, zumal der Film sich auch verzettelt: Ausgerechnet der Fall, der wiederum die Schwäche der Paralleljustiz aufzeigen soll, ist dermaßen durchkonstruiert und lässt in Sachen Logik ein paar entscheidende Fragen offen, dass er als Anklage gegen Selbstjustiz bestenfalls leidlich funktioniert.

Sowieso: Die meisten Angeklagten machen eh den Eindruck, dass man sie wegsperren sollte, egal ob sie das ihnen zur Last gelegte Verbrechen begangen haben, auch wenn die ursprüngliche Intention des Films dahingehend gelautet haben mag, dass man ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen soll (aber genau in einem entscheidenden Fall wird diese Intention wieder torpediert). Die Auflösung der Geschichte ist relativ simpel und mündet in einem leicht actionreichen Finale, das aber alle rechtlich-philosophischen Fragen zugunsten von Schauwerten über Bord wirft.

Doch trotz all seiner Verfehlungen besitzt „The Star Chamber“ neben seiner starken Prämisse weitere Qualitäten. Da wäre zum einen die gewohnt souveräne Inszenierung durch Peter Hyams, der das bedrückende Gefühl in den Gerichtsräumen, wenn Hardin gegen sein Gewissen handeln und trotz flehender Staatsanwälte Beweisstücke für unzulässig erklären muss, ebenso herüberbringt wie jenes Gefühl, der Bedrohung, wenn sich Hardin am Ende aus der Sicherheit seines White-Collar-Eigenheims und der Gesellschaft seiner Richterkollegen hinausbegibt.

Ein weiterer Pluspunkt ist Michael Douglas („The Reach“) als Mann zwischen den Fronten, der sich stets mit der möglichen Diskrepanz von Gerechtigkeit und Gesetzestext konfrontiert sieht. Douglas‘ Spiel ist es zu verdanken, dass man die verschiedenen Sinneswandel, die Hardin im Laufe des Films durchmacht, tatsächlich glaubt, auch wenn das Drehbuch sie nicht in allen Fällen sauber vorbereitet. Yaphet Kotto („Extreme Justice“) als No-Nonsense-Cop ist ebenfalls stark wie auch Hal Holbrook („Sons of Anarchy“) als treibende Kraft in der Geheimkammer. Dagegen ist der Rest entweder unbeschäftigt wie Sharon Gless („Burn Notice“) als Hardins Ehefrau oder auf Klischeerollen festgelegt wie die Darsteller der kriminellen Schmierlappen.

Eine interessante Idee, ein starker Hauptdarsteller und eine sichere Regie helfen „The Star Chamber“ über die Runden, doch das alles kann nicht ganz über die Verfehlungen des Drehbuchs hinwegtäuschen: Manche Wendung ist zu stark konstruiert und der spannendste Teil der Grundidee, nämlich das Wirken der Geheimkammer, wird enttäuschend wenig beleuchtet. Eine Mischung aus guten Ideen und verpassten Chancen, aber nicht ohne Reiz.

Knappe:

Ursprünglich mal ab 16 Jahren freigegeben wurde „Ein Richter sieht rot“ hierzulande inzwischen auf FSK 12 herabgestuft. Nachdem der Film lange Zeit als DVD von 20th Century Fox zu haben war, gibt es seit kurzem eine DVD-Neuauflage sowie ein Blu-Ray von Concorde. In Sachen Bonusmaterial sieht es allerdings bei allen Veröffentlichungen düster aus; die DVD von Fox bietet lediglich den Originaltrailer zum Film.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: 20th Century Fox/Concorde__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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