Originaltitel: La Maldición de Frankenstein__Herstellungsland: Frankreich / Spanien__Erscheinungsjahr: 1973__Regie: Jess Franco__Darsteller: Dennis Price, Britt Nichols, Howard Vernon, Anne Libert, Luis Barboo, Fernando Bilbao, Alberto Dalbés, Jess Franco, Lina Romay, Beatriz Savón, Doris Thomas, Daniel White u.a. |
Stumm liegt sie auf den Laken, ihr Körper vollständig überzogen mit Gold. Es ist das Werk eines Größenwahnsinnigen. Mit einer der irrwitzigsten Tötungsmethoden der Kinogeschichte hat sich James Bonds Widersacher Goldfinger einen besonderen Platz in der Riege der Supervillains gesichert und wird auch heute noch von seinesgleichen für seine Kreativität bewundert.
Schweigen ist Gold, Reden ist Silber, möchte man da meinen, denn ein knappes Jahrzehnt später eröffnet ein gewisser Jess Franco seinen neuesten Schnellschuss mit einem Hünen, der gefesselt an seine Wiege erste Laute zu formen beginnt und dabei vollständig eingesprüht ist mit Silberfarbe. Frosting-Fröbe und Franco-Frankenstein, auf den ersten Blick sind das aller Alliterationen zum Trotz zwei Welten, die nicht das Entfernteste miteinander zu tun zu haben. Vielleicht teilen sie aber doch eine gewisse heimliche Neigung, jene zur karikaturistischen Überhöhung nämlich, wie sie etwa auch Pulp-Comics zu eigen ist.
Man sagt, Franco habe sich für „Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein“ von italienischen Fumetti inspirieren lassen, die damals praktisch ein Überbegriff waren für billig produzierte Comicstrips, in denen Fragmente der Popkultur zu schwarzweißen Tuschezeichnungen verarbeitet wurden – natürlich nicht, ohne die Panels mit Sex, Gewalt und Kriminalität anzureichern. Bei einem Medium, das im damaligen Europa noch als reine Kinderunterhaltung betrachtet wurde, tatsächlich aber auch von Erwachsenen konsumiert wurde, erscheint diese Marktausrichtung nur logisch. Das Kind im Manne bleibt der Faszination für Monster zeitlebens treu, der Mann wiederum mischt dem Bedürfnis noch Erotika bei und es entsteht eine unwiderstehliche Universalformel. Als Inspiration eignet sie sich gerade auch für jemanden wie Jess Franco, weit mehr jedenfalls als die Klassiker der Weltliteratur, denen er als reiner Konsument wesentlich mehr Wertschätzung entgegenbringen konnte als es ihm über sein eigenes künstlerisches Schaffen gelang.
Anders nämlich als Bram Stoker, den Franco drei Jahre zuvor für seine Dracula-Adaption „Nachts, wenn Dracula erwacht“ aus einer Eingebung heraus zu seiner vorübergehenden Muse erklärte, darf Mary Shelley nun bloß noch Stichwortgeberin sein, wenn das zur Granitskulptur abstrahierte Frankensteinmonster über die Flure eines wunderschönen Schlosses an der portugiesischen Küste wankt wie eine schwere Vase, die jederzeit umzufallen droht. Das Ambiente betont die Anwesenheit der populären Romanfigur allenfalls durch ein paar schlichte Requisiten, darüber hinaus scheint sie aber zur falschen Zeit am falschen Ort reanimiert worden zu sein. Die Illusion hält schon aufgrund der durchschaubaren Maske keinem prüfenden Blick stand, ferner reicht auch ihre Fläche kaum aus, um die gesamte Mise en Cadre auszufüllen. Die macht nämlich stets den Anschein, bloß den Blick preiszugeben auf die Exponate eines Museums. Was dabei das Leitthema dieses Museums sein sollte, ist noch nicht einmal eindeutig zu bestimmen. Die Geschichte europäischer Burgen, des Pulp-Horrors, der erotischen Rituale oder des Kitsches? Es sind lediglich Splitterteile, von unterschiedlichen Objekten abgeplatzt und nun vom Regisseur miteinander verklebt, ohne dass er sich dabei allzu sehr um die finale Form kümmern würde.
Wenn das silberne Monster also mit Ächzen und Stammeln langsam sein eigenes Sprachspiel entwickelt, ist es dabei nicht gesellschaftlich isoliert wie die Version, die Boris Karloff im Universal-Klassiker verkörperte. Vielmehr ist es in allerbester Gesellschaft. Schon Franco persönlich, der eine kleine Nebenrolle als Assistent ausfüllt, hängt in seinen Szenen ausschließlich verkrümmt über einer Apparatur, als wäre er regelrecht mit ihr verschmolzen, als würde jeder Schritt von der Maschine weg seinen Tod bedeuten (was dann tatsächlich auch der Fall ist). Er ist völlig in seiner einfachen Aufgabe gefangen, die Regler zu drehen. Was um ihn herum geschieht, scheint er vor lauter Anstrengung nicht wahrzunehmen. Erst recht gilt das für Anne Libert, die bald danach die Szenerie betritt, frei zwar, mit den Gedanken aber völlig woanders, dabei nackt bis auf einen Umhang und ein paar grüne Federn. Den blutigen Mund verzerrt, die Augen wild rollend, verkörpert sie nichts weniger Absurdes als einen Vogelmenschen und eröffnet damit ihre ganz eigene Kategorie im großen Monster-Almanach. Genau genommen erweitert sie durch ihre bloße Erscheinung vor allem die Grenzen dieser vermeintlichen Prometheus-Erzählung und verdirbt ihre Reinheit. Spätestens jetzt hat sich der Film einer Crossover-Kultur zuwendet, wie sie im Comic-Bereich weit verbreitet ist. Es ist nicht das erste Mal für Franco, dass er diesen Weg beschreitet, hatte er doch ein Jahr zuvor bereits mit einem Teil derselben Besetzung in „Die Nacht der offenen Särge“ Dracula auf Frankenstein treffen lassen, wobei Letztgenannter schon damals von Fernando Bilbao gespielt wurde. Nur eine von vielen Überschneidungen im Francoversum. Wenn nämlich zwei Nackte auf dem Bett in einem Turmzimmer herumtollen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich um das gleiche Set handelt, in dem auch die „Nonnen von Clichy“ ihren privaten Vergnügen nachgingen; selbst das Plastikskelett im Hintergrund dürfte in beiden Werken gleichermaßen Statist gewesen sein.
Schaut in den Trailer von “Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein”
Während sich die Kontraste der Figuren, Motive und einzelnen Szenen innerhalb des Films also sozusagen gegenseitig beißen, gehen sie mit den Figuren, Motiven und Szenen anderer Werke der gleichen Periode also kurioserweise eine Symbiose ein. Im Umkehrschluss bedeutet das, man muss schon einige von Francos Arbeiten gesehen haben, um eine gewisse Homogenität wahrnehmen zu können, weil die sich erst über die Grenzen von Vor- und Abspann hinaus bildet. Ganz deutlich bedient „Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein“ den fliegenden Wechsel auch in der Funktion seiner Rollen: Dr. Frankenstein (Dennis Price) tauscht mit seinem Monster die Plätze, das Monster wiederum mit Madame Orloff (Britt Nichols), die von Cagliostro (Howard Vernon) beherrscht wird, welcher den ursprünglichen Platz von Dr. Frankenstein einnimmt. Was das Drehbuch mit der Charakterzeichnung anstellt, ähnelt der Kunstrichtung Fluxus, die sich in den 60er Jahren bildete, um den schöpferischen Prozess gegenüber dem fertigen Werk in den Mittelpunkt zu stellen – eine Idee, die dem Arbeitsethos des umtriebigen Spaniers auf dem Regiestuhl ziemlich in die Karten spielt.
So liegt es dann auch in der Natur der Sache, dass die fertige Schnittfassung haarsträubender Blödsinn geworden ist, der allerdings keineswegs am Auge des Betrachters vorbeizieht, um es mit Sand zu berieseln. Tatsächlich wirkt der Film völlig unbefangen in seinem Ausdruck und weiß trotz der Brüche in Erzählfluss und und in der Dramaturgie irgendwie zu bewerkstelligen, dass in jeder einzelnen Szene etwas geschieht, was auf die ein oder andere Weise Aufsehen erregt. Keine ausholenden Expositionen, keine Szenen, die nur im Dienste späterer Szenen stehen, denn sie alle erfüllen ihren eigenen Selbstzweck voller schmuddeliger Schauwerte. Es reicht schon, sich von den starrenden Glupschaugen Howard Vernons hypnotisieren zu lassen, der übrigens einen ganz hervorragenden Comic-Fiesling zum Besten gibt, oder von den zum O des Schmerzes verformten Lippen Britt Nichols’, durch deren entblößten Körper Stromstöße gejagt werden. Die Faszination für primitive Schundlektüre lässt sich in solchen Augenblicken durchaus authentisch nacherleben. Dazu gesellen sich Anflüge einer geisterhaften Stimmung, als Statisten mit Totenkopfmasken und weiten Gewändern durch die Kellergewölbe des Schlosses schlurfen und Reitende-Leichen-Schwingungen freisetzen… ganz im Kontrast zu den weichen Gegenlichtaufnahmen auf dem Balkon des Schlosses, die eher Fernweh erzeugen. Nicht vergessen werden darf die bizarre Sequenz, in der Luis Barboo und Beatriz Savón auf einer Empore voller Gummistacheln vom Frankensteinmonster ausgepeitscht werden, sie ist sozusagen der Kern der voyeuristischen Schaukasten-Ästhetik, die dieses Machwerk verfolgt. Ganz zu schweigen von der Soundkulisse: Dissonanter Jazz schallt da durch die Gemächer, wenn Anne Libert, die irgendwo zwischen der zugedröhnten Bridget Fonda aus „Jackie Brown“ und der psychotischen Uma Thurman aus „Batman & Robin“ ihre Zelte aufschlägt, nicht gerade von der schallenden Onomatopoesie krächzender Greifvögel begleitet wird. Welch eine Kakophonie des Irrsinns.
Christopher Lee dürfte letztlich froh gewesen sein, dass er nicht in einem Affenzirkus wie diesem mitspielen musste. Er trat unter Jess Franco letztlich in der deutlich besseren Literaturadaption auf. Vormachen durfte er sich deswegen aber nichts; auch „Nachts, wenn Dracula erwacht“ hatte alle Anlagen für, sagen wir, Schäferhundmenschen und elektrifizierende Liebesspiele mit Draculas Bräuten. Nur, dass sie damals noch verdrängt wurden, buchstäblich überklebt mit Feigenblättern aus Bram Stokers Romanseiten. Zwei Jahre später sind wir bei Frankenstein gelandet und alles ist vergessen; es wird gedreht, was die Fantasie hergibt. Ganz egal, wie das Ganze später auf der Leinwand aussieht.
Informationen zur Veröffentlichung von “Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein”
Limited Collector’s Edition #55
Eine eigene Reihe wie Jean Rollin oder Pete Walker hat Jess Franco bei Wicked Vision nicht bekommen, aber die „Limited Collector’s Edition“-Reihe mischt er mit seinen Werken inzwischen gehörig auf. Inzwischen ist er bereits zum vierten Mal in der Prestige-Serie vertreten.
„Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein“ ist schon dem Klang des Titels nach mindestens zwei Nummern trashiger als „Nachts, wenn Dracula erwacht“, zumal es diesmal unter den Darstellern keine Kaliber vom Format Lee und Kinski gibt. Insofern ist es nicht überraschend, dass der Dracula-Streifen filmhistorisch höhere Wellen geschlagen hat, was schlussendlich zu einem größeren Interesse und einer intensiveren kritischen Einordnung führte, was sich wiederum auf den Umfang der Boni der Sammleredition auswirkte, die mit 4 Discs aus allen Nähten platzte. Die insgesamt 55. Collector’s Edition verfügt nun erwartungsgemäß als 2-Disc-Set wieder über weniger Beschäftigungsmaterial, hat aber dennoch ein ziemlich beachtliches Paket zu bieten für einen Film seiner Klasse.
Die Verpackung
Drei Mediabook-Motive sind es mal wieder geworden, jeweils mit einer Limitierung von 333 Stück, so dass also insgesamt 999 Einheiten für den interessierten Käufer zur Verfügung stehen. An gefälligen Original-Artworks mangelte es diesmal, so dass gleich zwei neue Motive von Zeichnern in Auftrag gegeben wurden. Cover A basiert aber noch auf einem Originalmotiv und es führt uns gewissermaßen zurück zu den Anfängen von Wicked Vision, denn erinnert der geschnörkelte, psychedelische Zeichenstil auf weißem Hintergrund nicht ein wenig an das A-Cover von Rollins „Sexual-Terror der entfesselten Vampire“? Interessanterweise scheint das Frankensteinmonster im grauen oberen Abschnitt doch sehr viel mehr auf dem Profil Boris Karloffs zu beruhen als die Maske im Film. Näher an ihren Pendants sind die Gesichter von Howard Vernon und Anne Libert, die umspielt werden von bunt flatterndem Haar.
In Natura liegt zur Besprechung Cover B vor, gestaltet von Thorsten Benzel, seines Zeichens Geschäftsführer von kreative-medien und Herausgeber des Fanzines Creepy Images. Für den Hintergrund scheint er ordentlich von den Reitende-Leichen-Vibes des Films gepackt worden zu sein, sind diese toten Skelettgesichter im Umhang doch praktisch das Aushängeschild für den spanisch-portugiesischen Horrorfilm der 70er Jahre. Im Vordergrund ragt die angenähte Pranke des Monsters ins Bild, unten beleuchtet von einer grün fluoreszierenden Substanz, während die Büste von Britt Nichols in Griffweite bereit steht. Die eckige Strichführung wirkt sich auffällig auf den Stil aus, sie betrifft nicht nur die Konturen, sondern auch die schraffierten Farbtöne. Blickrichtung und Ausdruck des Entsetzens in Nichols’ Gesicht sind leider nicht hundertprozentig getroffen, dafür wirkt das Motiv aber auf angenehme Weise wie ein altmodisches Poster aus der damaligen Zeit.
Mit Variante C lässt Timo Wuerz dann im wahrsten Sinne des Wortes die Katze aus dem Sack und geht voll auf Exploitation, was erwartungsgemäß zu einem schnellen Abverkauf geführt hat. Synchron zum Schloss, das es gerechterweise auf das Cover geschafft hat (verleiht es dem Film doch seinen speziellen Charakter), sind auch die abgebildeten Nebendarsteller im Hintergrund in Untersicht abgebildet, um aus erhöhter Position auf die zentrale Szene hinabzublicken: Und da windet sich die nackte, mit Metallschnallen angebundene Britt Nichols schreiend auf dem Silbertablett, während Howard Vernon als ihr Meister prominent den Mittelteil ausfüllt. Das Farbspektrum von Blau über Lila bis Pink trifft nicht unbedingt den Ton des Films, die Zeichnung selbst ist aber gewohnt virtuos angefertigt und das Motiv so reißerisch wie nur denkbar.
Dass man beim Booklet als Frontcover lieber eine verwaschene Filmszene (Das Frankensteinmonster stemmt eine Frau in die Höhe) verwendet hat als ein weiteres Originalmotiv, deutet nur noch mehr darauf hin, dass es artworktechnisch wohl nicht viel in den Archiven zu holen gab; das letztlich verwendete Motiv verfolgt eher die Ästhetik eines Schaukastenmotivs, gerade auch durch den einkopierten Filmtitel im unteren Viertel. Auf der Rückseite blickt man in die starrenden Augen Howard Vernons, Blu-ray und DVD sowie die Flächen hinter den Trays sind routinemäßig in schlichtem Beige gehalten, wobei die Motive von Cover A und B nochmal als kleine Embleme hinter den Discs abgedruckt sind.
Das Booklet
Im Booklet arbeitet sich Lars Dreyer-Winkelmann an den unzähligen Irritationen des Films ab, indem er eine Checkliste mit logischen Fragwürdigkeiten aufbereitet, die man quasi als Anleitung der Marke „wie erziele ich Spaßgewinn durch die Sichtung eines Jess-Franco-Films“ verstehen könnte. Indem er zuvor die Parallelen zwischen den Franco-Streifen in aller Ausführlichkeit erläutert und dabei die meist der Literatur entliehenen Rollennamen als Fallbeispiel nimmt, erzeugt er ein Verständnis für die debile Freude, die eine Sichtung von „Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein“ erzeugen kann, wenn man sich nur darauf einlässt. Am Schluss steht über den Film das Kritiker-Urteil „dumm wie Brot“ fest, was in diesem Fall keineswegs gleichbedeutend ist mit einer Nichtempfehlung – ganz im Gegenteil. Auch auf die Unterschiede zur Alternativfassung (mehr dazu gleich) wird noch in allen Details eingegangen, bevor ab Seite 16 eine schmucke Galerie an Aushangbildern übernimmt.
Das Bild
Wenden wir uns nun dem Hauptfilm auf der Blu-ray zu, so bekommen wir gleich zu spüren, dass dem wechselhaften Inhalt auch in der wechselhaften Materiallage entsprochen wird. Die Bildqualität dieses Films hat, nicht ganz untypisch bei diesem Regisseur, tausend Gesichter. Da gibt es diese seltsamen Zwielicht-Sequenzen, die aussehen wie bei Tag gedreht und mit einem Blauschleier überzogen; dann gibt es die nahezu monochrom wirkenden Innenraumszenen, die so aussehen, als würde das Bodypainting von Frankensteins Monster auf die Umgebung abstrahlen. Es gibt die gelb-rötlichen Farbschemata, die eher zu „Die Nonnen von Clichy“ zu gehören scheinen als zu diesem Film; es gibt unscharfe Außenaufnahmen, in denen das Licht die Darsteller überstrahlt. Dann gibt es noch solche im Dunkeln, bei denen die satten Grundfarben (Blau, Rot) Doppelkonturen erzeugen. Ein kurzer Abschnitt zur Mitte hin ist so sehr mit Kornhagel überzogen, dass man die Gesichter nur verschwommen wahrnimmt. Oftmals sind auch die Kontraste sehr schwach, wenn etwa das Schloss von außen gezeigt wird oder allgemein Panoramen eingefangen werden. Das sind eben die typischen Charaktermerkmale einer Franco-Produktion der 70er Jahre. Die Blu-ray holt in manchen Abschnitten aber dennoch einiges aus dem Material, es macht Staubpartikel in der Luft sichtbar und unterstreicht bis in diese Mikrodetails hinein die speziellen Bildeigenschaften der jeweiligen Szene, auch wenn das eben bedeutet, dass man nie weiß, wie die nächste Szene aussehen wird. Das Format beträgt 2,35:1 und liegt in 1080p vor.
Der Ton
Bezüglich des Tons kommt es zu einer interessanten Konstellation, die viel mit der Fassungslage zu tun hat. Die französische Schnittfassung dieses eigentlich auf Spanisch gedrehten Films wird schließlich als Hauptfassung angesehen, weil sie der ursprünglichen Intention des Regisseurs entspricht und in dieser Form nicht der damaligen Zensur des Franquismus unterlag. In der Konsequenz bekommt man zum Hauptfilm nicht den eigentlichen Originalton serviert, sondern den französischen sowie ferner den englischen und deutschen Dub. Vielleicht kommt die französische Tonspur dem Original noch am nächsten, sie wirkt jedenfalls am wenigsten affektiert. Gerade die deutsche Synchronfassung ist leider nicht allzu gelungen und verdirbt manchmal ein wenig die Stimmung, auch wenn ihre Präsentation solide ausgefallen ist. Das Format ist in allen drei Fällen Zweikanal-Original-Monoton (DTS-HD Master Audio). Wer zu einer anderen Sprache greifen möchte, dem stehen auf Wunsch englische und deutsche Untertitel als Hilfestellung zur Verfügung.
Der Audiokommentar
Den obligatorischen Audiokommentar bestreitet diesmal Pelle Felsch im Solo-Modus, der im Vergleich mit den lockeren Konversationen vieler seiner Kollegen weniger anekdotische und nur manchmal filmhistorische, dafür eher interpretativ-analytische Ansätze verfolgt. Ein viel zu selten angewandter Kunstgriff, vermutlich auch deswegen, weil er sehr viel mehr Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen dürfte. Man merkt anhand der anspruchsvollen Satzkonstrukte, dass Felsch gewisse Teile seines Vortrags wohl von Notizen abliest, allerdings ist er ein so überzeugender Redner, dass er selbst verschachtelte Sachverhalte auf elegante Art zu vermitteln weiß. Die Exkurse mögen so manchem Zuhörer, der im Bild immerhin nach wie vor einen Trashstreifen mit angemalten Schauspielern betrachtet, weit hergeholt erscheinen, wenn Felsch zum Beispiel plötzlich die Definition von Zeit in Francos Œuvre auf den Plan bringt, als würde er über einen Christopher Nolan oder Richard Linklater sprechen. Seine Ausführungen haben aber immer Hand und Fuß und lassen sich durchaus mit den Eigenarten der Filme vereinbaren, gesetzt den Fall, man ist gewillt, ihnen in der gebotenen Tiefe auf den Grund zu gehen.
Die Alternativfassung
Neben der Hauptfassung von “Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein”, dem dieser Audiokommentar angehört, kann man bei Bedarf aber auch zur spanischen Alternativfassung greifen. Dass diese sogar 10 Minuten länger ist als die Hauptfassung, hat verschiedene Gründe: zum Einen wurden die Nacktszenen nicht etwa einfach ersatzlos aus dem Film geschnitten, sondern für den heimischen Markt noch einmal mit bekleideten Darstellern neu gedreht. So ist Britt Nichols nun mit einem Tuch bedeckt, als sie vom bösartigen Cagliostro in ein Monster verwandelt wird, Beatriz Savón ist beim Modellsitzen ebenfalls verhüllt und ob Luis Barboos Tiger-Unterwäsche nun würdevoller ist als die Version ohne, liegt dann wohl im Auge des Betrachters. Darüber hinaus entstanden während der Dreharbeiten von „Entfesselte Begierde“ aber noch weitere Szenen, in denen Franco erstmals seine spätere Ehefrau Lina Romay einsetzte. Nicht zu Unrecht wird schon im Booklet darauf hingewiesen, dass diese als Zwischenkapitel eingefügten Abschnitte nichts zur Handlung beitragen und für sich genommen langweilen, sie somit also entbehrlich sind. Die ebenfalls nur in der spanischen Version enthaltenen Sequenzen mit den in Laken gehüllten Gestalten, die wie Geister durch einen Wald gleiten, hätte man allerdings gerne auch in der Hauptfassung gesehen. Diese „Clothed“-Fassung enthält nun den deutschen und den spanischen Ton, wiederum mit deutschen und englischen Untertiteln. Sie ist anders als der Hauptfilm und die meisten Extras nur auf der Blu-ray enthalten und nicht auf der DVD.
Das Bonusmaterial
Das einzige Bonus Feature, das auf der DVD fehlt, ist der vom englischen Autoren Stephen Thrower präsentierte Beitrag „The Rites of Franco“ (27 Min.) aus dem Jahr 2017, der damals für die britische Blu-ray von Nucleus Films produziert wurde. Thrower referiert unter anderem über die Fumetti, die Franco als Inspiration gedient haben sollen, über die im Film genutzte Location, die Unterschiede in den Fassungen des Films oder über die Ausstrahlungskraft von Anne Libert als Vogelfrau. Letztlich kommt er gar zum gewagten Schluss, dass „Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein“ zu den zehn besten Franco-Filmen gehören könnte. In jedem Fall liefert er vorab reichlich Argumente für eine solche Perspektive, zumal der Beitrag einem hochwertigen Making Of absolut gerecht wird.
Ebenfalls an Bord ist ein etwa viertelstündiges Interview mit Jess Franco, das Mitte der 00er-Jahre anlässlich der Veröffentlichung der DVD von X-Rated zustande kam. Mit Jeansjacke und Zigarette bewaffnet sitzt Franco mitten in einer Gefängniszelle (was für eine Kulisse) und wird von seinem Gesprächspartner zunächst mit banal wirkenden Fragen konfrontiert: Was sind seine liebsten Drehorte, was sind seine liebsten Filme von anderen Regisseuren. Als dann schließlich die Frage kommt, ob Franco glaube, es könne noch einmal eine neue Regisseurs-Generation der Francos, Fulcis und D’Amatos entstehen, da wird das Interview auf einmal zum Abgesang auf die kontemporäre Kinolandschaft. Unter dem Einfluss der noch frischen 00er-Star-Wars-Trilogie wird Franco gar zum Propheten, als er rhetorisch fragt, was in Zukunft denn noch zu erwarten sei – Star Wars Teil 250? Er redet sich regelrecht in Rage, wandert dann bei Hitler-Bezügen sogar auf ziemlich dünnes Eis (obwohl er eigentlich nur ausdrücken möchte, dass das Kino heute keine Reibungspunkte mehr hat, durch welche es sich entwickeln kann), um schließlich einen sehr markanten Vergleich anzubringen: Was einem Kinski auf der Leinwand widerfuhr, das widerfuhr auch dem Zuschauer – doch was einem Affleck widerfährt, das rührt den Zuschauer nicht.
Weiter geht es mit dem amerikanischen und deutschen Titelanfang, stilecht projiziert auf die Mattscheibe eines Röhrenfernsehers, der mitten in einer mit Wicked-Vision-Artikeln geschmückten Bude steht. Ein nettes Feature für Fassungs-Nostalgiker. Und obwohl die Bonusfassung ja schon mit auf der Blu-ray enthalten ist, gibt es sogar noch einen 34-minütigen Vergleich der Haupt- und Alternativfassungen mit allen Bonus-Szenen und Abwandlungen. Die Bildschirmausschnitte sind dabei auf der linken und rechten Seite miteinander synchronisiert und zeigen dadurch ganz genau auf, wo die Unterschiede liegen. Sofern die jeweilige Szene in einer Fassung nicht existiert, bleibt der Bildschirm einfach schwarz. Ein tolles Feature, denn nur so werden die Details in den Änderungen überhaupt erst für das Auge sichtbar, etwa die Tatsache, dass Anne Libert zwar in beiden Fassungen das gleiche Kostüm trägt, ihren Umhang aber in der züchtigen Variante stets etwas geschlossener trägt.
Abgerundet wird mit dem Trailermaterial und einer Bildergalerie bestehend aus Postern, Artworks, Lobby Cards, Werbung, Stills, VHS-, DVD- und Blu-ray-Covern. Selbst ohne den Audiokommentar kommt man damit auf 90 Minuten Zusatzbeschäftigung und kann problemlos einen ganzen Filmabend mit der Collector’s Edition von “Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein” gestalten.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie
Sascha Ganser (Vince)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__Freigabe: FSK16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |