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Escape from Mogadishu

Originaltitel: Mogadisyu__Herstellungsland: Südkorea__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Ryoo Seung-wan__Darsteller: Kim Yoon-seok, Jo In-seong, Heo Joon-ho, Koo Kyo-hwan, Kim So-jin, Jung Man-sik, Kim Jae-hwa, Park Kyung-hye, Park Myeong-sin u.a.
Escape from Mogadishu

Ryoo Seung-wans “Escape from Mogadishu” basiert auf realen Ereignissen, verpackt in das Gewand eines Actiondramas

Mit Filmen wie „Arahan“, „City of Violence und „The Berlin File“ wurde Ryoo Seung-wan zu einem profilierten Actionregisseur in Südkorea, nahm sich mit Werken wie „Battleship Island“ und nun „Escape from Mogadishu“ zunehmend historisch-politische Themen im Genregewand zur Brust.

„Escape from Mogadishu“ spielt im Jahr 1991. Während die alten Machtblöcke in der westlichen Welt zerfallen, ist der Bruderzwist von Nord- und Südkorea weiterhin in vollem Gange, wird aber in erster Linie politisch ausgetragen. Beide Staaten wollen gern in die UN und werben bei Mitgliederländern um Stimmen. Vor allem der afrikanische Kontinent wird dabei zum Spielball der politischen Winkelzüge, darunter auch das politisch zunehmend instabile Somalia. Südkorea wird von Botschafter Han Sin-seong (Kim Yoon-seok) vertreten, für den neben den regulären Botschaftsangestellten auch der Geheimdienstler Kang Dae-jin (Jo In-seong) arbeitet – es gibt hier die Politik vor und hinter den Kulissen, das merkt man schon an den Hauptfiguren.

Auf nordkoreanischer Seite ist die Lage spiegelbildlich, während man sich mit Spion-gegen-Spion-Manövern gegenseitig ausbootet, etwa wenn der nordkoreanische Geheimdienstoffizier ein paar Rebellen bezahlt, damit diese das Auto des südkoreanischen Botschafters überfallen, seine Gastgeschenke für den somalischen Präsidenten klauen und ihn zu spät zu einem wichtigen Treffen mit dem Staatsoberhaupt kommen lassen, sodass nordkoreanische Delegierte das Meeting wahrnehmen können. Doch trotz aller Winkelzüge und aller politischen Gemeinheiten macht „Escape from Mogadishu“ klar, dass es gewissen Grenzen gibt, die keines der beiden Koreas überschreitet, dass man sich immer noch auf ansatzweise zivilisierte Weise auszustechen versucht.

Mit der zivilisierten Lage in Somalia ist es allerdings vorbei, als der Bürgerkrieg ausbricht, die meisten Ausländer zu fliehen versuchen und die Botschaften ungeschützt dastehen. Als die nordkoreanische Botschaft überfallen wird, bleibt deren Bewohnern nicht als die Flucht zu den ungeliebten Nachbarn, mit denen sie eine Schicksalsgemeinschaft bei der Suche nach einem Ausweg bilden…

httpv://www.youtube.com/watch?v=NXxhxqvpGzU

Nicht nur aufgrund des historischen Kontextes, sondern auch aufgrund des Settings mag man bei „Escape from Mogadishu“ an „Black Hawk Down“ denken, zumal sich die Inszenierung in den Bürgerkriegsszenen durchaus an Ridley Scotts Film orientiert. Allerdings gibt es einen Unterschied: Wo die US-Soldaten dort noch kräftig Gegenwehr leisteten, sind die Protagonisten des südkoreanischen Films in erster Linie auf der Flucht. So gibt es keine klassischen Konfrontationen, sondern einen Überlebenskampf, der wahre Survivalaction ist: Im knalligen Finale des Films muss die Truppe das vom Bürgerkrieg zerfressene Mogadischu durchqueren, in Autos, die notdürftig mit Türen, Sandsäcken und Büchern als provisorischem Kugelfang ausgestattet sind. Die Inszenierung von Ryoo Seung-wan und die Kameraarbeit von Choi Young-hwan („The Knight of Shadows“) holen das Publikum hautnah heran, lassen die Todesangst und den Überlebenswillen im Kugelhagel spüren und sorgen so für Nervenkitzel, obwohl die Protagonisten nur fliehen, nicht zurückschlagen.

Allerdings konzentriert sich das Spektakel vor allem auf das letzte Filmviertel, ansonsten ist „Escape from Mogadishu“ eher ein Politdrama über zwei verfeindete Parteien, die einander erst ausbooten wollen, in der Notlage aber den Menschen auf der anderen Seite erkennen müssen – selbst dann, wenn die Systeme unvereinbar sind. Diese Form von Geschichts-Entertainment stellt die Koreaner als Brüdervölker da, welche durch die Umstände auseinandergehalten werden. Umstände, an denen der Einzelne nicht viel ändern kann. Dabei rutscht Ryoo Seung-wan gelegentlich etwas ins Predigende ab: So sind es die besonnenen Botschafter, die am Ende den Ton angeben, nicht die hitzköpfigen, misstrauischen Geheimdienstler.

Bei dem versöhnlichen Film gehen allerdings manche Aspekte des Plots verloren, wenn Handlungsstränge aus der Anfangsphase fallen gelassen werden, um sich voll und ganz auf das Zusammenwachsen der beiden Botschaftsbelegschaften zu konzentrieren. Der Mord an dem einheimischen Fahrer der Südkoreaner etwa wird nur als tragisches bis schockierendes Event eingebaut, die genauen Umstände spielen keine Rolle mehr. Das ist schade, denn so gut die Besetzung um Kim Yoon-seok („The Fortress“), Jo In-seong („The Great Battle“), Heo Joon-ho („Dragon Squad“) & Co. spielt, so gut sie das persönliche Drama, so würde man teilweise gern man über die politischen Zusammenhänge, sowohl in Somalia als auch im geteilten Korea, wissen.

Auch der Tonfall ist nicht immer eben. So wirkt „Escape from Mogadishu“ in seiner Anfangsphase überraschend humorvoll, etwa wenn Dae-jin die Zeit totschlagen und auf seinen Boss warten muss, nur um nach dem Meeting am Straßenrand stehen gelassen zu werden und sich doch mit einem nervigen Taxifahrer abgeben zu müssen. Zwar nimmt der Humor ab, sobald die Ränkespiele, die manchmal etwas von härteren Streichen haben, abnehmen und sich die Lage im Bürgerkriegsland sich zuspitzt, sodass der anfängliche Tonfall nicht unpassend, aber doch etwas ungewohnt ist. Jedoch braucht der Film auch etwas, um sich zu finden: Der Anfang mäandert ein wenig, die gemeinsame Hockerei in der Botschaft zieht sich ein bisschen, dafür ist die Schlussphase dieses auf realen Ereignissen basierenden Films umso dramatischer. Nicht nur, weil dort die actionreiche Flucht angesagt ist, sondern weil die Beteiligten an deren Ende einander verleugnen müssen, um keinen Ärger mit der jeweiligen Obrigkeit im Land zu bekommen.

So ist „Escape from Mogadishu“ aufgrund gelegentlicher Längen und eines nicht immer kohärenten Tonfalls nicht der ganz große Wurf geworden, ein ambitionierter Mix aus zwischenmenschlichem Drama, Politthriller und historischem Actionthriller ist Ryoo Seung-wan dennoch gelungen. Gerade das intensive Schlussviertel dieses Films, der irgendwo zwischen „Argo“, „No Escape“ und „Black Hawk Down“ liegt, ist wahrhaft intensiv und zieht das Publikum in seinen Bann.

Splendid Film/WVG hat „Escape from Mogadishu“ hierzulande auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. In Sachen Bonusmaterial gibt es Trailer und mehrere Featurettes.

© Nils Bothmann (McClane)

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