Wir zelebrieren Actionfilme, die rocken!

Farang – Schatten der Unterwelt

Originaltitel: Farang__Herstellungsland: Frankreich__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Xavier Gens__Darsteller: Nassim Lyes, Loryn Nounay, Olivier Gourmet, Chananticha Tang-Kwa, Vithaya Pansringarm, Sahajak Boonthanakit u.a.
Farang

In “Farang” schickt Xavier Gens seinen Hauptdarsteller Nassim Lyes auf Rachefeldzug

„Farang“ bedeutet „Langnase“ und ist ein Begriff, mit dem die Thailänder Ausländer aus westlichen Gefilden bezeichnen. Ein solcher ist auch die Hauptfigur in dem gleichnamigen Actionfilm von Xavier Gens („The Divide“).

Zu Beginn des Films erlebt man Sam (Nassim Lyes) jedoch in heimischen französischen Gefilden. Dort wird es aus dem Knast entlassen, hat hinter schwedischen Gardinen an seinen Kickbox-Fähigkeiten und seinem Aggressionsproblem gearbeitet. In seinem neuen Job auf dem Bau kommt er schnell an, doch die alte Gang will ihn nicht ziehen lassen. Es kommt zur ersten, eher klein skalierten Actionszene des Films, in der Sam auf dem Nachhauseweg von seinen früheren Kumpanen verfolgt wird und einen davon in Notwehr tötet. Es ist eine ungewollte Existenzzerstörung, denn auch als Akt der Notwehr darf er kaum mit Verständnis von seinem Bewährungshelfer und schon gar nicht von der Gang rechnen.

Ein Zeitsprung, fünf Jahre später: Sam hat sich nach Thailand abgesetzt und ein neues Leben aufgebaut. Er jobbt als Kurierfahrer für Gepäck und Gäste für ein Hotel. Seine Freundin Mia (Lorin Nounay) hat nicht nur eine Tochter aus einer früheren Beziehung, sondern erwartet auch ein Kind von ihm. Gemeinsam wollen sie den Traum vom eigenen Restaurant verwirklichen, weshalb Sam die Haushaltskasse beim Thaiboxen aufbessert. Die Vergangenheit ist fern und doch stets präsent, etwa wenn der Beamte beim anvisierten Landkauf nach Sams Papieren fragt, die er natürlich nicht vorzeigen kann.

Der Gangsterboss Narong (Olivier Gourmet) kauft dem Paar das gewünschte Land vor der Nase weg, jedoch nicht ohne Hintergedanken. Sam soll über seinen Job einen Schmuggelauftrag abwickeln. Als dieser in die Hose geht, muss er sich gegen Narong und dessen Schergen stellen…

Schaut euch den Trailer zu „Farang“ an

Dass „Farang“ ein Kinofilm geworden ist, ist eine kleines Überraschung, denn derartige Einzelkämpfer-Rachegeschichten wurden zunehmend in den Direct-to-Video-Bereich verlagert. Auch die Besetzung der Hauptrolle mit dem ehemaligen MMA-Champion Nassim Lyes erinnert an selige Videothekenzeiten, wobei man fairerweise sagen muss, dass Lyes bereits seit über zehn Jahren als Schauspieler reüssiert und in zahlreichen Filmen (z.B. „Made in France“ oder „The Last Mercenary“) zu sehen war. Zum Charakterdarsteller mag er dadurch nicht gereift sein, doch er schultert die Hauptrolle auch in ihren Charaktermomenten mehr als brauchbar und gibt sich schauspielerisch keine Blöße. Größtenteils muss er den Film auch allein tragen, sodass aus der Besetzung sonst eigentlich nur noch Olivier Gourmet („Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt“) als zutiefst berechnender Schurke sowie der charismatische Vithaya Pansringarm („Deliver Us from Evil“) als kampfstarker Trainer Sams noch ein paar Akzente setzen können. Der Rest besteht eher aus Typen, glücklicherweise mit markigen Gesichtern, darunter diverse Fiesfressen aus Narongs Gang.

Partnerin und Adoptivtochter sind dagegen eher für den Anlass da, also um wahlweise verletzt, getötet oder entführt zu werden, wie es in Reißern wie diesem an der Tagesordnung ist. Da macht „Farang“ keine Ausnahme, auch wenn er zumindest versucht seine Figuren durch die lange Exposition etwas mehr auszugestalten, was sich jedoch etwas negativ auf das Tempo auswirkt. Action ist gerade in der ersten Hälfte Mangelware, bis auf den erwähnten Appetizer am Anfang sieht man Sam nur einmal an einem Kampftag im Ring. Die anvisierte Tiefe erreichen die Standardfiguren dennoch nicht, egal wie viel Zeit der Film mit ihnen verbringt. Gens und sein Kameramann Gilles Porte („Budapest“) liefern zwar reichlich schöne Thailand-Bilder in bester TUI-Urlaubskatalog-Optik, doch so richtig kommt „Farang“ nicht in die Puschen, denn das Ganze ist zu generisch, der Ablauf zu vorsehbar, sodass das Publikum endlich auf den erwähnten Anlass für ordentlich Rache-ist-Blutwurst-Action wartet.

Doch auch in der zweiten Hälfte, wenn Sam in der Tradition von One-Man-Army-Reißern wie „Taken“ oder „The Man from Nowhere“ die Unterwelt so richtig aufmischt, fährt „Farang“ etwas mit angezogener Handbremse. Es gibt nur zwei größere Aufräumaktionen – bei der zweiten wird sich das Publikum erst so langsam gewahr, dass dies bereits der Showdown ist, dass alles danach nur noch Nachklapp sein wird. Alles andere ist extrem klein skaliert, in einem zwielichtigen Bordell muss Sam beispielsweise gerade mal einen Rausschmeißer aufmischen, der zudem noch in Rekordzeit besiegt ist. Außerdem konnte Gens, der den Film zusammen mit Magali Rossitto schrieb, auch nicht auf einen Bullshit-Twist im Finale verzichten, der zwar ein, zwei Details besser erklärt, vieles andere aber umso unsinniger erscheinen lässt – und den Film letzten Endes nicht entscheidend weiterbringt.

Wenn es dann aber mal kracht, dann erkennt man, dass Gens nicht nur den landläufig unterschätzten „Hitman“ inszenierte, sondern auch zusammen mit „The Raid“-Mastermind Gareth Evans an der knallharten Gangster-Actionserie „Gangs of London“ arbeitete. Jeder Schlag, jeder Treffer ist so inszeniert, gerade durch das Sounddesign und unterstützende Reißschwenks, dass man die Wucht, den Einschlag fühlen kann, etwa wenn ein Kontrahent mit dem Rücken auf den Betonboden knallt oder ein Kopf gegen eine Wand gedonnert wird. Schusswaffen kommen kaum zum Einsatz, meist sind Nahkämpfe mit Messern, Fäusten, Füßen und Ellenbogen angesagt. Die Choreographie ist stark und vermittelt das Feeling eines ruppigen Überlebenskampfes auf Leben und Tod. Bei einem Fahrstuhl-Fight im Finale muss der Held sich sogar selbst verstümmeln, um seine Gegner zu erledigen. Das führt auch zu einigen Gewaltspitzen im Stile von „The Raid“ oder „The Night Comes for Us“ – Gens erweist sich weiterhin als zeigefreudiger Regisseur im Action- wie im Horrorgenre. In den beiden besagten großen Action-Set-Pieces liefert „Farang“ dann auch das ab, was das Zielpublikum gerne sehen will – nur etwas mehr hätte es unterm Strich sein dürfen.

Insofern kann man sich einerseits darüber freuen, dass es ein altmodischer Rache-Actionreißer der alten Schule es mal wieder ins Kino schafft, einen fitten Hauptdarsteller und handgemachte Martial-Arts-Action mit einiger Härte präsentiert. Andrerseits lassen sich die Schönheitsfehler von „Farang“ nicht komplett ignorieren: Die Story ist 08/15, der finale Twist eher unnötig, die Exposition überlang, während sich die Action in erster Linie auf zwei große Aufräumaktionen in der zweiten Hälfte konzentriert. Die haben es dafür aber ordentlich in sich.

Starke:

StudioCanal bringt „Farang“ am 23. November 2023 in die deutschen Kinos. Der Film ist ab 18 freigegeben. Auf dem Fantasy Filmfest war der Film schon zu in Deutschland zu sehen. Der Film ist nach einem digitalen Start als Download-only inzwischen auch als DVD und Blu-ray zu haben.

© Nils Bothmann (McClane)

Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love

Copyright aller Filmbilder/Label: StudioCanal__FSK Freigabe: FSK 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

Tagged as: , , , , , , ,

Wie Viele Actionnerds gibt es?

  • Keine Sorge, du bist mit deiner Vorliebe nicht allein! Uns besuchten bereits 16851287 andere Actionnerds