Originaltitel: Furious 7__Herstellungsland: Japan, USA__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: James Wan__Darsteller: Jason Statham, Dwayne Johnson, Vin Diesel, Paul Walker, Elsa Pataky, Jordana Brewster, Lucas Black, Michelle Rodriguez, Kurt Russell, Tyrese Gibson, Ronda Rousey, Djimon Hounsou, Tony Jaa u.a. |
In meiner Kritik zu „Fast & Furious 6“ habe ich bereits herausgestellt, dass für mich Teil 5 des Franchises eine überzeugende Neuausrichtung der Filmreihe darstellte. Man schraubte das Proll- und Tuning-Gehabe genauso deutlich herunter wie den Auto- und Rennfahrtenfetisch und positionierte sich ganz eindeutig in eskapistischeren Actiongefilden. In der Folge machte man in Teil 5 mit einem riesigen Tresor halb Rio platt und ließ im darauffolgenden Teil mal eben einen Panzer über eine befahrene Autobahn rollen. Nebenbei etablierte man in „Fast & Furious 6“ auch eine Fehde. Eine Fehde zwischen zwei Familien. Denn als die Crew um Dominic Toretto den Übelwicht Owen Shaw ausschaltete, machte sie sich unwissentlich dessen Bruder zum ärgsten Feind.
Der hört auf den Namen Deckard, nahm schon im Epilog zu Teil 6 Han aus dem Spiel und kündigte an, er werde sich Dominic und Co. bald ausführlich vorstellen. Dementsprechend eröffnet „Saw“-Mastermind James Wan seinen „Fast & Furious 7“ auch mit ebenjenem Deckard Shaw, der seinem Bruder am Krankenbett schwört, er werde ihn rächen. Um die Gefährlichkeit von Deckard Shaw zu unterstreichen, zelebriert James Wan unter seinem Vorspann eine Montage, die einfach nur zeigt, wie Deckard das Krankenhaus verlässt. Aus für die Reihe ungewohnt schrägen Perspektiven präsentiert uns Wan das Schlachtfeld, das Deckard offensichtlich hinterlassen hat, als er zu seinem Bruder gelangen wollte. Dieser Einstieg rockt unfassbar. Dabei macht er nichts weiter, als Jason Statham über alle Maßen cool in Szene zu setzen. Als Zuschauer ahnt man schon jetzt: Hier wird nicht mehr viel schiefgehen…
httpv://www.youtube.com/watch?v=HSRr8qIMhZs
Wir sehen nun, wie Deckard mit Hobbs aneinandergerät und ihn ins Krankenhaus verfrachtet. Wie und warum er Han in Japan ausschalten konnte. Und last but not least wie er beinahe Dom und Brian in die Luft jagt. Dieser Typ ist saugefährlich. Das wissen nun nicht nur Dom und seine Kumpel. Doch natürlich stellen sie sich dem brutalen Briten. Vor allem Dom würde Deckard Shaw für den Mord an Han nur zu gerne in die Finger kriegen. Als er ihn beinahe stellen kann, schaltet sich eine Regierungsbehörde ein und offeriert ihm einen Weg, wie er Shaw einfacher zurechtstutzen kann. Der Weg führt über eine Hackerin, die in der Lage ist, ein weltweit operierendes Superüberwachungsprogramm zu steuern, das es Dom ermöglichen würde, Deckard aufzuspüren, wo auch immer der sich versteckt. Die Jagd auf die Hackerin und die sich wiederholenden Konfrontationen mit den Söldnern, die sie gefangen halten, sorgen in der Folge für immer brachialere Actioneskalationen, die den Fan mehr als nur einmal anerkennend mit der Zunge schnalzen lassen.
Regisseur Wan offenbart dabei ein fantastisches Gespür für die ideale Verteilung seiner Action über den Film. Und er lässt sie im zunehmenden Maße immer mehr ausarten. Er hat den Fuß sozusagen immer am Gaspedal. Steigt er zunächst noch mit punktuellen, sehr kurzen Actionmomenten ein – Statham verwackelt seine Gegner oder initiiert Explosionen – entfesselt Wan in seiner ersten größer skalierten Actionszene eine unfassbare Stuntorgie. Eingeleitet wird sie mit den Szenen, bei denen die ersten Experten bei der Sichtung des Trailers skandierten, der Film werde wieder ganz viel CGI bereithalten. Kurz darauf wurden sie eines Besseren belehrt, denn für diesen Stunt wurden tatsächlich Autos aus einem Flugzeug geworfen und mittels Fallschirmen gelandet. Im fertigen Film ist diese Einlage auch dank der entfesselten Kameraarbeit wahrlich atemberaubend. Danach beißen sich unsere Helden an einem gepanzerten und von Bewachungsfahrzeugen flankierten Bus die Zähne aus. In der Folge werden Autos in Fetzen geschossen, sie explodieren, rasen Abhänge hinunter und zerschellen an Bäumen. Miniguns zerlegen andere Autos förmlich in ihre Einzelteile und Tony Jaa himself haut Brian-Darsteller Paul Walker ordentlich den Staub aus den Klamotten. Gekrönt wird die Actioneinlage von einer köstlich überzogenen larger than life Einlage, die auf diesen Atemnehmer aber passt wie Arsch auf Eimer.
„Leg dich nie mit der Familie eines Mannes an!“
„Fast & Furious 7“ bricht diese Szenen immer wieder selbst auf. Lässt seine Charaktere darauf hinweisen, wie absurd manche Einlagen doch sind oder wie unwahrscheinlich es ist, dass man nach einem Panzer und einem Tresor nun auch noch eine rollende Festung attackieren muss. Und diese Ironie tut dem Film tut. Erdet ihn wieder. Und sorgt für willkommene Schmunzelmomente.
Die zweite große Actioneinlage ist zweigeteilt und beginnt rund um das Emirates Palace Hotel und die Etihad Towers in Abu Dhabi. Hier stürzen sich Ronda Rousey („The Expendables 3“) und Michelle Rodriguez („Machete“) in einen erstaunlich harten Catfight, ballert Shaw in geschlossenen Räumen mit einem Granatwerfer herum und springen Dom und Brian mal eben mit einem Lykan Hypersport von Turm zu Turm. Das ist natürlich einfach nur over the top und es mutet an, als kenne James Wan einfach kein Halten mehr. Umgesetzt wird diese Szene als tolle Mixtur aus realer Stuntarbeit und fantastischen CGIs. Größer geht es kaum noch. Der Film schaltet dann auch erst einmal ein paar Gänge zurück und geht die zweite Hälfte der Actioneinlage etwas bodenständiger an. Dabei dominieren Shootouts und hübsche Explosionen.
Von hier geht es dann straight in Richtung Showdown. Diesem kann man vorwerfen, dass er ein wenig zerfasert. Aber genau das ist auch storyinhärent genauso vorgegeben bzw. wird plausibel begründet. Weshalb man es dem Film nicht zu sehr anlasten will, zumal er so an mehreren Fronten gleichzeitig für fetteste Schauwerte sorgen kann. Im Film selbst wird das, was nun folgt, irgendwann als „automobile Kriegsführung“ bezeichnet und kaum eine andere Bezeichnung träfe es besser: Jetzt werden ganze Straßenzüge von Los Angeles eingeäschert. Im Sekundentakt explodieren Autos, stürzen Parkhäuser ein, sorgt eine Drohne immer wieder für hochexplosive Momente, geben sich Statham und Vin Diesel („Riddick – Überleben ist seine Rache“) richtig Saures, zeigt Tony Jaa („Return of the Warrior“), warum er nach wie vor von allen Martial Arts Fans angebetet wird und reißt sich The Rock („Hercules“) seinen Gips vom kaputten Arm und wuchtet mit ebenjenem eine Minigun durch die Stadt. Actionirrsinn pur…
Dieser ist den ganzen Film hindurch absolut sauber inszeniert und immer mit dem Sinn für großes Spektakel in Szene gesetzt. Dass dabei CGIs nicht ausbleiben und auch gar nicht ausbleiben können, sollte bei der Beschreibung der Szenerien klar geworden sein. Die Qualität der Effekte ist dabei mehr als ordentlich und leistet sich keine offensichtlichen Aussetzer wie etwa in Teil 4. James Wan setzt in seiner Bebilderung vor allem auf Dynamik. Seine Kamera ist immer in Bewegung. Umkreist die Charaktere, steigt vor ihnen empor und fliegt an ihnen vorbei. In der Action überschlägt sie sich sogar und dreht sich einmal sogar vollständig um die eigene Achse. Mit verblüffendem Effekt für den Zuschauer. Auch die Montage der Action ist brillant. Das beginnt im Kleinen (etwa bei den rabiaten Cuts bei den Schaltvorgängen und dem anschließenden Gasgeben) und endet in fettesten Actionkettenreaktionen.
Abseits der Action bleibt einem nur zu sagen: Ja, James Wan kann auch Blockbuster. Seine Bilder stehen dem eines Michael Bay oder eines Justin Lin (der Regisseur der brachialen Vorgänger) in nichts nach. Wer sich von Wan aufgrund seiner Vergangenheit („Conjuring“) einen raueren Look gewünscht hat, sollte diese Hoffnung schon vor dem Kinobesuch ad acta legen. Spätestens bei dem eingehenden Proll-Wettbewerb an einer Rennstrecke mit wackelnden Ärschen und dümmlich grinsenden Zaungästen empfiehlt sich Wan auch als Bildlieferant für fette Hip Hop Tracks. Mit dieser Musik sollte man btw. keine Probleme haben, denn diese tönt ohne Unterlass und mit brachialem Bassfundament aus den Boxen.
Natürlich hat es auch Szenen zwischen den Actionmomenten. Diese fügen sich deutlich organischer in das restliche Konzept ein als noch in den Vorgängern. In meiner Wahrnehmung hat der Film trotz seiner langen Laufzeit (gute 2 Stunden 20 Minuten) nicht einen einzigen Tempohänger oder auch nur eine überflüssige Szene. Die Ausrichtung auf das „simple“ Rachemotiv tut dem Film extrem gut. So bleiben auch die arg pathetischen, immer am Rand zur unfreiwilligen Komik lavierenden Familienansprachen von Dom im Rahmen. Dass man zudem Handlungsstränge aus dem Vorgänger mit Leichtigkeit aufnimmt und weiter webt (etwa Lettys Rückführung in ihr vergessen geglaubtes Leben), bringt weitere Pluspunkte. Dabei fällt auch auf, dass der Film noch glaubwürdiger als Ensemblestück funktioniert. Wan fokussiert nicht sonderlich auf einzelne Charaktere und gesteht jeder Figur ihre fünf Minuten zu. Dabei lässt er auch den Bösewicht nicht so hinten herunterfallen, wie es beispielsweise Owen Shaw im Vorgänger passierte.
Überhaupt sollte Jason Statham („The Expendables“) darüber nachdenken, häufiger mit Wan zu arbeiten. Dieser lässt ihn nämlich mal so richtig genial herüberkommen. Statham wird so spielend zum besten Bösewicht des Franchises und funktioniert einfach prächtig in seiner Rolle. Die Darsteller von Doms Crew liefern dagegen genauso ab, wie Dom es immer für die fiktiven Charaktere propagiert: Es wirkt, als seien die Dreharbeiten zu einem neuen „Fast & Furious“-Film eine Art Familientreffen. Mit Leuten, die man mag, mit denen man gerne lacht und die zugunsten eines anderen auch gerne mal in den Hintergrund treten. Dabei werden weiß Gott keine oscarreifen Schauspielleistungen zutage gefördert, aber das Ergebnis überzeugt und schafft Figuren, mit denen man auch gerne mitfiebert. Toll fand ich, dass der bisher immer ein wenig in der Luft hängende, mit dem sechsten Teil wieder etwas ins Bewusstsein zurückgeholte dritte Teil der „Fast & Furious“-Reihe mit einem Gastauftritt von Hauptdarsteller Lucas Black endlich richtig in der Mythologie verankert wird.
Von den Neulingen im Franchise hat nur Kurt Russell („Big Trouble in Little China“) als Regierungsagent Mr. Nobody einen größeren Auftritt spendiert bekommen. Ist er einmal im Film installiert, übernimmt er in gewisser Weise den handlungsantreibenden Part. Und das kann Charismatiker Russell hervorragend! Es wäre toll, wenn er Teil des Franchises bliebe. Tony Jaa dagegen hat nur zwei größere Auftritte abbekommen. Er agiert als Henchmen eines Terroristen, der von einem leider farblos bleibenden Djimon Hounsou („Guardians of the Galaxy“) gegeben wird, und darf natürlich in beiden Szenen seine Körperbeherrschung zeigen. Dabei haut Regisseur Wan vor allem in Szene zwei ein paar spektakuläre Perspektiven raus, um Jaas Können richtig abzufeiern. Dialoge bellt Jaa in Thai, nur eine Zeile darf er verständlich darreichen. Im Großen und Ganzen macht er definitiv das beste aus der Situation. Dagegen darf Ronda Rousey wirklich nur einmal austeilen bzw. in Erscheinung treten. Sie hätte gerne noch ein wenig mehr zeigen dürfen. Nathalie Emmanuel, als Hackerin an Bord gekommen, ist ebenfalls eine der großen Gewinnerinnen des siebten Teils, da sie eine wirklich grundsympathische Figur entwirft und eine tolle Chemie mit dem Rest von Doms Crew hat.
Die letzten Szenen von „Fast & Furious 7“ gehören Paul Walker („Brick Mansions“). Zunächst wird dessen Figur, auch mittels Rückblenden in vorherige Teile, aus der Reihe verabschiedet. Danach verabschiedet man sich indirekt von dem Darsteller selbst und lässt ihn in einer metaphorisch tollen Szene zu neuen Horizonten aufbrechen. Man mag gar nicht darüber diskutieren, ob diese Verabschiedung insgesamt ein wenig zu lang geraten ist, denn sie ist in erster Linie vor allem eines: Wunderschön! Und sie passt einfach perfekt zu dem in der Reihe immer wiederkehrenden Motiv der Familie. Doch nicht nur diese Szenen setzen Walker ein würdiges Denkmal. „Fast & Furious 7“ selbst tut es ebenso. Denn der entpuppt sich meiner Meinung nach als bislang stärkster Eintrag in die Reihe: Die Story wird straff vorangetrieben und funktioniert prächtig. Die Chemie zwischen den Figuren ist großartig, der von Statham gegebene Bösewicht macht richtig Laune und auch der Humor ist von einer sehr angenehmen Sorte. Und die Action… die haut zum wiederholten Male so richtig rein und findet ein gutes Maß zwischen vollkommen überskalierten Spektakelszenen und kleineren, nichtsdestotrotz wuchtigen und direkten Momenten. Ein Full House wird dem Film nur aufgrund einiger obskurer bzw. bizarrer Szenen verwehrt. Absolutes „Highlight“ ist dahingehend die Wiederbelebung eines Charakters im Showdown, die sogar den sehr ähnlich gestrickten „Weil ich dich liebe“ Moment aus Matrix an Peinlichkeit übertrifft.
Der Film ist seit dem 1. April 2015 in den deutschen Kinos zu sehen und kommt von Universal Pictures International Germany. Er ist ungeschnitten mit einer FSK 12 versehen worden. Seit dem 13. August 2015 kann man den Film in einem Extended Cut auf DVD und Blu-ray erwerben.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Universal Pictures International Germany__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |