Originaltitel: San daikaijû: Chikyû saidai no kessen / Ghidora, the Three-Headed Monster__Herstellungsland: Japan__Erscheinungsjahr: 1964__Regie: Ishirô Honda__Darsteller: Yôsuke Natsuki, Yuriko Hoshi, Hiroshi Koizumi, Takashi Shimura, The Peanuts, Akiko Wakabayashi, Haruo Nakajima, Katsumi Tezuka, Masahashi Shinohara, Shôichi Hirose, Takuzô Kumagai, Shin Ôtomo u.a. |
Der Terminator. Ebenezer Scrooge. Tyrannosaurus Rex. Sie alle haben es getan: Sie sind zu den Guten gewechselt. So etwas passiert, wenn der verbotene Reiz des Bösen so stark auf eine Filmfigur abfärbt, dass wir es nicht ertragen können, sie weiter in den Reihen des Gegners zu sehen. Wir wollen verdammt noch mal, dass sie in unserem Team mitspielt! Die Ironie dabei jedoch: Kaum haben wir sie in unsere Reihen aufgenommen, ist sämtliche Coolness plötzlich verschwunden…
Godzilla ist in dieser Angelegenheit ein ganz besonderer Härtefall. Über Coolness und andere irdische Kategorisierungsversuche ohnehin erhaben, erfordert er eine ganz besondere Behandlung. James Cameron musste ja nur ein paar Kabel neu verdrahten, um seine Killermaschine umzuprogrammieren, Scrooge war bloß Dickens’ Gefäß für eine klassische moralische Wendung und der T-Rex durfte seine Natur im Grunde sogar beibehalten; bei ihm sorgten lediglich die Manipulationen im Drehbuch und bei der Inszenierung dafür, dass er im Laufe der „Jurassic“-Franchise plötzlich fast wie ein Menschenfreund erschien. Aber wie verkauft man ein wolkenkratzergroßes Rüpel-Reptil mit Spatzenhirn als einen Beschützer der Menschheit, das fast mehr Kollateralschaden verursacht hat als der Asteroid, der die Dinosaurier vernichtete?
Der Seitenwechsel wurde in den vier zuvor entstandenen Godzilla-Filmen natürlich sukzessive vorbereitet, doch entschieden wurde er vielleicht in Spielzeugläden, in den gedruckten Medien und allgemein gesprochen durch den flächendeckenden Siegeszug der Kreatur, die nicht nur Japan, sondern mit leichter Verzögerung auch Amerika im Sturm eroberte. Die Legitimation für die Wandlung vom atomaren Ungeheuer zum Protektionisten war durch das Volk längst abgesegnet, womöglich sogar innigst herbeigesehnt, als Shin’ichi Sekizawa das Drehbuch zu schreiben begann und darin einen Kurswechsel vollzog, der die Wahrnehmung der Monsterikone auf Jahrzehnte hinaus verändern würde.
Das erklärt vielleicht nicht völlig, aber doch zum Teil den sorglosen Schlamassel, in den Godzilla hier gerät. Eigentlich war seine Welt bis dahin recht geordnet. Gut, er musste sich mit einem prähistorischen Urvieh prügeln, King Kong die Leviten lesen und einer lästigen Motte die Flügel rupfen, aber derartige Vorkommnisse sind reinster Monster-Alltag im Vergleich zu dem Plot, den sein fünftes Abenteuer vorzuweisen hat.
Es handelt sich nämlich zugleich um das Filmdebüt von Ghidorah, der in den folgenden Jahren zu Godzillas Erzfeind aufsteigen würde, und das nicht ohne Grund. Der dreiköpfige, geflügelte, dafür jedoch armlose Drachen ist Quell reinsten Chaos schon von der Silhouette an gerechnet, ein wahres Störfeuer für jede Einstellung, in der man ihn zu sehen bekommt. Waren die Designs aller bisherigen Kaiju der Reihe bis zu einem gewissen Grad auf einen irdischen Ursprung zurückzuführen, entstammt diese Kreatur nun offensichtlich dem Reich der Mythologie und wird prompt auch als Außerirdischer präsentiert, der die Erde bloß besucht, um sie dem Erdboden gleichzumachen. Und damit betreten wir nun die wunderbare Welt des völlig losgelösten Nonsens.
Ergreift Partei bei “Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah”
httpv://www.youtube.com/watch?v=uJavUdCvoaQ
Ishirô Honda feiert hier nämlich nicht einfach nur den Einstand eines außerirdischen Monsters, sondern erzählt nebenbei von der Prinzessin eines fiktiven Bergstaats, die von Attentätern gejagt wird; womöglich, weil sie vor der Presse auch mal gerne erzählt, dass sie von der Venus stammt. Warnen möchte sie die Menschheit vor großem Unheil. Und überwältigt das moderne Japan mit ihrem merkwürdigen Auftreten und einem Gefolge, das einer anderen Zeit zu entstammen scheint. Der Film vereint fröhlich die überaus weltliche Präsenz trockener Staatsbeamter, die sich mit Flugzeugabstürzen und Militärgegenschlägen befassen, sowie exotisch gekleideter Bediensteter wie aus einem Wuxia-Tagtraum. Zwischenzeitlich geben dann auch noch die Shōbijin-Zwillinge Interviews und lassen eine baldige Ankunft Mothras erwarten; kein Wunder, zeichnete Sekizawa als Autor doch bereits für die ersten beiden Auftritte der Motte verantwortlich. Und dann bohrt sich auch noch Rodan aus der Asche des Aso-Vulkans und erweist sich somit als äußerst feuerfest. Das kann ja heiter werden… feiern wir also die Geburtsstunde jener Konstellation, die 45 Jahre später in den USA zu fetten Breitwandbildern mit protzigen Spezialeffekten und röhrenden Schreien inspirieren würde.
Die Wege der vier Monster laufen zunächst nur sehr langsam, dafür aber zielstrebig auf eine unvermeidliche Kreuzung hinaus. Honda liefert in der ersten Filmstunde alleine schon auf Augenhöhe der Menschen löffelweise Trash mit extra-großem Lätzchen für die Hauptspeise, die er für die zweite Hälfte verspricht. Als Schauplätze fungieren hauptsächlich die japanischen Wald- und Gebirgslandschaften. Eine vortreffliche Wahl. Anders als die Großstadtzentren, die in den späteren Phasen zum Rummelplatz erklärt wurden, bilden die beruhigenden Naturbilder einen mehr als angenehmen Kontrast zu der abstrusen Handlung. Menschenleere Plätze darf man sich allerdings nicht erhoffen. Überall tummeln sich Statisten, und sei es nur, um die Größenverhältnisse zwischen Humanoid und Monster zu veranschaulichen. Einer krackselt sogar den Vulkan hinunter und staunt nicht schlecht, als sich plötzlich ein Saurierschnabel aus dem Geröll bohrt. Die kleinen Japaner wohnen dem Spektakel quasi live aus erster Reihe bei und kommentieren die plötzliche Wendung von Ereignissen auch mal gerne mit Staunen oder Panik, je nachdem, wie unmittelbar ihr persönliches Leibeswohl in die Zielscheibe rückt. Kein Zweifel, hätte es damals schon Smartphones gegeben, man könnte ein Meer von Kameralinsen bestaunen.
Die Shōbijin sind es dann, die eine mögliche Allianz der Menschen mit Godzilla und Rodan zur Diskussion bringen, und spätestens jetzt wird „Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah“ das absurde Spektakel, das man sich erhoffte. Es ist der Auftakt einer Reihe unglaublicher „haben die das wirklich gedreht“ Momente, der in Gang gesetzt wird, als sich Mothra – im Larven-Stadium! – aus ihrer Höhle windet, um den langen Weg zu Godzilla und Rodan auf sich zu nehmen, die sich bereits gegenseitig munter mit Steinen bewerfen. Über die Reisedauer der Raupe kann nur spekuliert werden, Fakt ist, als sie endlich im Kriegsgebiet eintrifft, sind die beiden Streihähne immer noch dabei, sich gegenseitig auf die Mütze zu geben. Keine Beschreibung der Welt könnte der nun folgenden Etablierung einer „Monster-Sprache“ gerecht werden. Schnitt- und Gegenschnitt-Montagen und debil geschriebene Untertitel lassen ein Feuerwerk der Erkenntnis explodieren: Ach, so denken die also! Faszinierend.
Da die Allianzen also geschmiedet sind, geht es nun in die finale Konfrontation gegen den Fiesling, der gerade im Alleingang eine ganze Stadt mit seinen Laserstrahlen zerbombt hat. Es ist nichts Geringeres als der Triumphzug der Teamwork-Choreografie. Wer die X-Men mit vereinten Spezialkräften gegen den übermächtigen Feind hat antreten sein, sah lediglich die Schüler von Godzilla, Rodan und der immer noch flugunfähigen Mothra, die ihre ganze Fantasie spielen lassen, um siegreich von dannen zu ziehen. Dass Ghidorah letztlich auch wieder bloß mit Steinen beschmissen wird, zählt nicht, denn zwischenzeitlich haben wir ja Mothra-Raupe auf dem Rücken von Rodan Seide schießen sehen, während Godzilla sich vorne tapfer Blitze in den Arsch schießen lässt und so für putzige Unterhaltung sorgt.
Gar kein Zweifel: Die Godzilla-Franchise macht mit „Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah“ einen bemerkenswerten Evolutionssprung, der bis heute nachhallt. Wer hätte gedacht, dass solcher Blödsinn so eine Nachwirkung haben kann.
Informationen zur Veröffentlichung von “Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah”
Die Firma 8-Films hat sich für den 2011 veröffentlichten DVD-Release sowie die zur Besprechung vorliegende Blu-ray-Neuauflage von 2013 durchaus einige Arbeit gemacht. So gehörte “Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah” zu den wenigen Godzilla-Filmen, zu denen bis dato noch keine deutsche Synchronisation angefertigt wurde. Das sollte sich hiermit ändern. Sehr schön, dass der deutsche Ton passend zum Film leicht retro-lastig anmutet; auf Anhieb würde man jedenfalls nicht darauf kommen, dass es sich hier um eine Neuaufnahme handelt. Es ist allerdings ein leichtes Rauschen auszumachen, das sich zumindest anfangs störend bemerkbar macht. Natürlich kann man alternativ auch auf die japanische Originaltonspur (wie die deutsche in 5.1) zurückgreifen. Das Bild überzeugt nicht vollkommen, weil es in den meisten Passagen sehr weich wirkt und wenig bis kein Filmkorn aufweist, dafür allerdings ist es überwiegend frei von Verschmutzungen.
Bei den Extras wartet ein fachkundiger Audiokommentar von Jörg Buttgereit und Bodo Traber, ein von Buttgereit geführtes Interview mit dem “Gamera”-Regisseur Shûsuke Kaneko, ein sehr interessantes Hinter-den-Kulissen-Feature (quasi Godzilla in der Drehpause), der deutsche bzw. japanische Trailer sowie eine isolierte Musikspur.
Die Blu-ray kommt im normalen Keep Case mit Wendecover.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie von “Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah”
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Copyright aller Filmbilder/Label: 8Films__FSK Freigabe: FSK12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja (Release 2013) / Ja (Release 2011/2013) |