Originaltitel: Free Fire__Herstellungsland: Frankreich, Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Ben Wheatley__Darsteller: Cillian Murphy, Brie Larson, Armie Hammer, Jack Reynor, Noah Taylor, Sam Riley, Sharlto Copley, Patrick Bergin, Michael Smiley, Enzo Cilenti u.a. |
Regisseur Ben Wheatley („High-Rise“) hat sich im Vorfeld seines Streifens „Free Fire“ richtig mit Actionfilmen eingedeckt. Seine Erkenntnis: Von den ganzen Zerstörungsorgien neuerer Zeit blieb bei ihm nicht viel hängen. Und wenn, waren es eher die kleineren Szenen, in denen die Action physischer wurde und nicht komplett aus dem Rechner kam.
Die besten Actionszenen, so Wheatley in den Extras zu „Free Fire“, hätten aber eh die Streifen aus den 70ern und 80ern gehabt. In denen seien Autostunts und dergleichen mehr noch richtig zelebriert wurden. Und trotz ihrer vergleichsweise eher kleinen Anlage würden diese ihn noch heute begeistern. Dementsprechend verwundert es sicher wenig, dass Wheatleys „Free Fire“ vergleichsweise kleiner skaliert daherkommt. Große Explosionen, Autoverfolgungsjagden oder noch größere Actionszenarios darf man sich hier keine erhoffen. Dafür einen der längsten Shootouts der Filmgeschichte.
Die dazugehörige Geschichte passt auf einen Bierdeckel. Einen kleinen. Chris, ein Kämpfer der IRA, ist in Boston, um hier einen Waffendeal mit einem windigen Waffenhändler aus Südafrika abzuwickeln. Doch die Chemie zwischen Käufer und Verkäufer stimmt so gar nicht. Das überträgt sich auch auf die Handlanger der beiden. Die Luft in der abgerissenen Lagerhalle, in der der Deal steigt, ist zum Schneiden dick, als die Lage auch schon eskaliert.
Bald fliegen Chris die blauen Bohnen nur so um die Ohren. Vollends zerfahren wird die Situation, als eine dritte Partei in die Ballerei einsteigt und die große Frage aufwirft, welche der Personen vor Ort ihr ganz eigenes Süppchen kocht. Bald ballert jeder auf jeden. Feuer frei!!!
Schaut in den filmlangen Shootout „Free Fire“ hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=if5LtWzWnN8
Wer sich Überraschungen, eine verstiegene Story oder unvorhersehbare Wendungen von „Free Fire“ erhofft, der dürfte recht schnell mit langem Gesicht vor der Glotze hocken. Wer aber coole Typen mag, die sich in einer endlosen Ballerei gegenseitig mit Kugeln eindecken und ihre zunehmend verzweifeltere Lage mit immer noch lakonischeren Sprüchen kommentieren, kommt in dem gerne mit geschliffenen Dialogen arbeitenden „Free Fire“ voll auf seine Kosten.
Dabei verzichtet Wheatley auf eine klare Identifikationsfigur. Umreißt seine „Helden“ nur schemenhaft und lässt dem Zuschauer die Qual der Wahl, mit welchem der topp aufgelegten Darsteller er lieber mitfiebern möchte: Cillian Murphy („Batman Begins“), Sharlto Copley („Hardcore“), Armie Hammer („Codename U.N.C.L.E.“), Jack Reynor („Transformers: Ära des Untergangs“) und Brie Larson („Kong: Skull Island“) werden dahingehend als größte Stars hofiert, doch „Free Fire“ entwickelt bis in die kleinste Nebenrolle hinein echte Typen, die alle mit individuellen Ticks und Eigenheiten auffallen. So ist zum Beispiel Sam Riley („Stolz und Vorurteil & Zombies“) als Koksnase Stevo schlichtweg großartig!
In der Action fährt Wheatley entsprechend der Einleitung einen eher kleineren und vor allem realistischeren Ansatz. In den Extras gibt er zu Protokoll, dass er ausgiebig recherchiert habe, was den Umgang mit Waffen und deren Auswirkungen angehe. Seine Erkenntnis: Wer nicht mit Waffen geübt sei, würde wohl nicht viel treffen. Erst recht keine beweglichen Ziele und schon gar nicht mit den verwendeten Waffen in seinem Film. Und wer getroffen werde, der würde wohl nicht sofort tot umfallen. Es sei denn, er würde direkt in den Kopf getroffen. Autotüren, Tische und dergleichen mehr böten obendrein keinerlei Schutz vor Kugeln.
Und all das sieht man in seiner Action. In „Free Fire“ wird viel geschossen und auch viel getroffen. Kaum eine der Figuren fängt sich weniger als 4-5 Kugeln. Doch viele dieser Treffer entstehen eher zufällig. Beispielsweise weil die Kugeln in der Lagerhalle immer wieder von Flächen abprallen und so ganz eigene, wundervoll seltsame Flugbahnen (um Ecken herum usw.) entwickeln. Wirklichen Schutz finden die ab Minute 30 nur noch von Deckung zu Deckung robbenden Figuren nirgends. Sogar durch Wände hindurch werden die blauen Bohnen verteilt.
Dieses Prinzip hinter der Action sorgt in Verbindung mit der Choreografie der Action für absolut begeisternde Momente, in denen zum Prinzip Zufall auch noch eine gehörige Extraladung Chaos hinzukommt. Das führt gerne mal zu einer Art Kettenreaktion, die sich dann meist auf mehrere Kombattanten gleichzeitig auswirkt (ich werfe hier nur mal die Schlagworte „Gasflaschen“, „Feuerlöscher“ und „Transporter“ in den Raum).
Zwischen diesen großartigen Momenten, und damit sind wir leider beim größten Problem des Filmes, geht aber trotz Geballers die Spannung immer mal wieder empfindlich in die Knie. Hier merkt man dann doch, dass die Story von „Free Fire“ einen Tick zu dünn ausgefallen ist und dass eine echte Identifikationsfigur fehlt, der man letzten Endes auch wirklich wünscht, aus dem Chaos irgendwie heil herauszukommen.
Keinerlei Grund zur Beschwerde bietet „Free Fire“ in technischer Hinsicht: Die erdfarbene, angenehm warme Optik wird vor allem in der Action mit intelligenten Schnitten ordentlich dynamisiert und wartet durchaus auch mit feinen Perspektiven auf. Der Soundtrack ist auf die Zeit der Handlung (1978) abgestimmt und hat von rockigen Nummern bis hin zu jazzigen Stücken einiges zu bieten. Wichtig zu erwähnen ist noch, dass die Action komplett handgemacht daherkommt. Platzende Bloodpacks inklusive. Mit derben Brutalitäten hält sich der Film bis auf kleinere Spitzen (ein Schuss durch die Nase!) aber erstaunlicherweise sehr zurück.
Was am Ende bleibt, ist ein knapp 90-minütiger Streifen, der um Minute 30 in seinen Showdown einsteigt und ab diesem Zeitpunkt einfach nur noch einen filmlangen Shootout darstellt. Die Story drumherum ist dementsprechend dünn. Regisseur Wheatley verlässt sich stattdessen auf sein stark aufgelegtes Ensemble, das echte Typen entwirft und ein paar großartige Sprüche abfeuert. Er selber sorgt für feine Actionszenen, die in ihren besten Momenten richtig mitreißend geraten sind. Leider hält diese Brillanz in den Ballerszenen nicht durchweg an. In diesen Momenten bekommt „Free Fire“ das eine oder andere Spannungsproblem, macht aber dennoch bis zur letzten Szene vor allem Actionfans einen großen Spaß!
Splendid Film bringt den Streifen am 25. August 2017 auf DVD und Blu-ray in den Handel. Die Freigabe ab 16 Jahren passt zu den aufgefahrenen Härten. Die Extras zum Film sind durchaus interessant ausgefallen und erlauben einige nette Blicke hinter die Kulissen.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
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