„Fünf Minarette in New York“ ist ein türkisches Terrorismusdrama, in dem die US-Stars Danny Glover, Robert Patrick und Gina Gershon als verkaufsfördernde Gesichter für den internationalen Markt dabei. Hauptfiguren sind zwei türkische Antiterror-Ermittler, die einen in New York verhafteten Verdächtigen in die Heimat überstellen sollen, aber irgendwann an dessen Schuld zweifeln.
Originaltitel: New York’ta Bes Minare__Herstellungsland: Türkei/USA__Erscheinungsjahr: 2010__Regie: Mahsun Kirmizigül__Darsteller: Danny Glover, Gina Gershon, Robert Patrick, Haluk Bilginer, Mustafa Sandal, Scott William Winters, Sharrieff Pugh, Mahsun Kirmizigül, Engin Altan, Justine Cotsonas, Ryan Silverman, Hisham Tawfiq, James Chen u.a. |
Fast jeder kennt die Binsenweisheit, dass gut gemeint das Gegenteil von gut ist. Das ist zwar nicht grundlegend richtig, aber würde man nach Belegen für diese These suchen, dann wäre „Fünf Minarette in New York“ ein ziemlich gutes Anschauungsbeispiel.
Der Beginn legt gut los, nähert sich amerikanischen Post-9/11-Filmen zum Thema Terrorismus an: Ein Journalist wird via Autobombe getötet, ein fanatischer Prediger heizt Gläubige zum Jihad an, während ein Informant die Nachricht überbringt, dass eine Welle von Anschlägen geplant ist, hinter denen ein Topterrorist namens Dajjal steckt. Eine Eliteeinheit der Polizei um den tapferen Cop Acar (Mustafa Sandal) zieht los und schaltet in einer dicken Actionsequenz erst einmal eine Anzahl von Bösewichten aus, womit sich Acar als Topmann für die Jagd nach Dajjal qualifiziert, wobei „Fünf Minarette in New York“ im Auftakt durchaus an Genreware wie „Operation Kingdom“, „Green Zone“ oder „Fair Game“ erinnert, in denen US-Filmemacher ähnliche Themen beackerten.
Weitere entscheidende Hinweise kommen noch von dem Antiterror-Ermittler Firat (Mahsun Kirmizigül), sodass man kurz vor dem Durchbruch zu stehen scheint, als das FBI unter der Leitung von Agent Becker (Robert Patrick) den flüchtigen Exilanten Hadji (Haluk Bilginer) in New York hochnimmt. Der floh dereinst als Mörder aus der Türkei und soll nun in den USA als Dajjal das Terrornetzwerk leiten. Acar und Firat sollen ihn in die Heimat überführen, womit der Film seinen internationalen Appeal ausspielen will: Bekannte Gesichter als Hollywoods zweiter Reihe in größeren Rollen, New York als Schauplatz für weite Strecken des Films, das garantiert Vermarktbarkeit über die türkischen Landesgrenzen hinaus.
Hadji, seine christliche Ehefrau Maria (Gina Gershon), seine Familie und seine Freunde, darunter der zum Islam konvertierte Marcus (Danny Glover) schwören auf die Unschuld des Verhafteten, doch Acar und Firat wollen ihre Mission durchziehen. So langsam kommen ihnen dabei aber Zweifel an Hadjis Schuld…
httpv://www.youtube.com/watch?v=XOqg6m6PtDY
2006 schaffte der Kriegsactioner „Tal der Wölfe“ (ebenfalls mit US-Co-Stars) den Sprung auf den internationalen Markt, sorgte aber mit seiner hetzerischen Attitüde und seinen platten Feindbildern für Kontroversen. „Fünf Minarette in New York“ nimmt sich da fast wie ein Gegenstück aus, denn hier wird jedes Argument abgewogen und differenziert betrachtet. Die Existenz von islamistischen Fanatikern und Terroristen wird nicht geleugnet, Hassprediger werden bei ihrem Tun gezeigt, aber auch darauf hingewiesen, dass nicht alle Muslime Terroristen sind, sondern viele von ihnen auch Opfer oder Gegner der Übeltäter. Ressentiments und Vorteile auf Ermittlerseite werden angeführt, aber auch Gründe dafür aufgezeigt. Auch sind nicht alle Figuren Sympathieträger, allen voran Firat, der Geständnisse auch durch Wasserfolter und ähnliches erpresst. Doch „Fünf Minarette in New York“ zeigt seinen Wandel zu einem besseren Menschen und Polizisten. Auch Menschenrechtsvergehen und Folter in der Türkei werden angesprochen, aber auch die Verbesserung durch die EU-Annäherung herausgestellt. Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Mahsun Kirmizigül („Mucize – Wunder“) positioniert sich als Vertreter eines aufgeklärten, liberalen und nuancierten Menschen- und Gesellschaftsbildes und sein Film ist ein Plädoyer dafür.
Dummerweise kein sonderlich sauber erzähltes oder inszeniertes. Das fängt schon mit dem wilden Mix aus Genres und Stilen an. Zu Beginn wird das Einmaleins der Terrorismusactionfilms mit Zeitlupenballereien, Spezialeinheiten und Explosionen in der einzigen größeren Actionsequenz des Films zitiert, danach wird der Film erst zum Terrorismusthriller und später noch zum persönlichen Drama, das alle vorigen Ansätze und Storyfäden über Bord wirft. Wer den Journalisten getötet hat und warum? Egal. Was mit den Planungen der Terroranschläge ist und wer sie wo vorbereitet? Nicht so wichtig. Was es mit dem Terrormufti auf sich hat, den man zwischenzeitlich verhaftet? Sollen sich andere Filme drum kümmern. Noch dazu ist „Fünf Minarette in New York“ in vielerlei Hinsicht sehr inkonsequent: Da wird Hadji von Anfang an personifizierte Unschuld dargestellt, aber Marcus und seine Jungs lassen trotzdem den Gefangenentransport überfallen, was einen Autocrash und Verletzte zur Folge hat, aber wohl in erster Linie Laufzeit schinden soll. Woher diese Connections zu Gewalttätern kommen, wo doch Hadji und Freunde solche Unschuldslämmer sind, erklärt der Film natürlich. Ebenso wenig wie die Frage, wer genau die Straßengang ist, welche die Befreiung durchführt.
Auch stilistisch ist vieles eher holprig und kopiert große Vorbilder, etwa wenn bei einem Mexican Standoff auf einem Hochhausdach die 360-Grad-Kamerafahrt dermaßen exzessiv eingesetzt wird, also wolle sich Kirmizigül als Schmalspur-Michael-Bay bewerben. Betont dramatische Szenen dagegen mit dem Pathos einer Seifenoper dargebracht und schwelgen in minutenlangen Heularien, die wiederum im krassen Gegensatz zu mancher Thrill- und Actionszene stehen. Noch dazu scheinen oft nicht die Charaktere, sondern das Drehbuch zu sprechen, wenn Dialoge gerade zu lehrerhaft die (durchaus lobenswerten) Thesen Kirmizigüls durchdeklinieren.
Das ist schade, denn einzelne Teile haben durchaus Pfeffer (etwa die erwähnte Actionsequenz zu Beginn), der finale Twist und das dramatische Ende überzeugen, doch leider wollen viele Einzelteile nicht zusammenpassen. Die US-Darsteller hängen sich ins Zeug, wobei vor allem Robert Patrick („Back Roads“) als bärbeißiger FBI-Agent in seinem Element ist. Gut ist auch Danny Glover („Flug durch die Hölle“) als bester Kumpel, während Gina Gershon („La Linea 2“) leider in erster Linie dazu verdammt ist, den schmachtend-leidenden Anhang Hadjis zu geben. Den verkörpert Haluk Bilginer („The Reluctant Fundamentalist“) mit genug Charisma, um gegen die drehbuchseitige Überstilisierung der Figur zum edelsten aller Edlen etwas abzufangen. Mustafa Sandal („Mr. E“) und Mahsun Kirmizigül (der in manchen Einstellungen wie ein türkischer Bruce Campbell aussieht) sind okay, in einer Nebenrolle ist „The Blacklist“-Co-Star Hisham Tawfiq zu sehen.
Ein nobles Anliegen, leider holprig umgesetzt: „Fünf Minarette in New York“ ist in seinen Intentionen ausgewogen und überlegt, in seiner Umsetzung aber unbeholfen und uneinheitlich. Gelungenen Einzelszenen steht eine Story gegenüber, die einzelne Fäden wahllos aufnimmt und fallen lässt und am Ende mit einigen großen Löchern im Plot dasteht. Nicht uninteressant, aber auch nicht wirklich gelungen.
„Fünf Minarette in New York“ erschien zuerst bei dtp entertainment auf DVD und Blu-Ray, ist ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben und enthält als Bonus Trailer und eine Bildergalerie. Starmovie brachte eine inhaltsgleiche DVD-Neuauflage unter dem Titel „Der Terrorist“ heraus.
© Nils Bothmann (McClane)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: dtp entertainment/Starmovie__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |