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Gangster Chronicles

Originaltitel: Pawn Shop Chronicles__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Wayne Kramer__Darsteller: Elijah Wood, Norman Reedus, Paul Walker, Brendan Fraser, Vincent D’Onofrio, Matt Dillon, Thomas Jane, Lukas Haas, DJ Qualls, Rachelle Lefevre, Nicole Lovince, Chi McBride u.a.
Gangster Chronicles

Einer der letzten Filme von Paul Walker: “Gangster Chronicles”

Die erste Zusammenarbeit von Wayne Kramer und Paul Walker gilt vielen als einer der besten Streifen des unlängst verunglückten Walker und hörte auf den Titel „Running Scared“. Bei dem Streifen „Gangster Chronicles“ beschlossen beide Filmschaffende, erneut zusammen zu arbeiten. Das Ergebnis ist eine Galavorstellung für den sympathischen Walker, der hier wohl eine seiner besten schauspielerischen Leistungen überhaupt abruft und den Film gleich mit produzierte. Gemeinsam mit Limp Bizkit Frontmann Fred Durst! Eine schräge Paarung? Der Film ist noch schräger!!!

„Gangster Chronicles“ ist im Grunde eine Anthologie aus drei extrem schwarzen und stark angeschrägten Grotesken. Diese werden über den Schauplatz der Pfandleihe von Inhaber Alton lose miteinander verbunden. Des Weiteren enthält jede der drei Storys kleinere Bezugnahmen auf die jeweils anderen Episoden. Sei es, weil sich Charaktere ultrakurz begegnen oder Aktionen in der einen Episode eine andere marginal beeinflussen. Allen Episoden ist zudem ein gewisses übernatürliches Element gemein. Denn in allen Episoden versucht eine höhere Macht Einfluss auf die Geschicke der handelnden Charaktere zu nehmen. Die Episoden im Einzelnen:

The Shotgun

Die Meth-Junkies Raw Dog und Randy wollen gemeinsam mit Vernon den örtlichen Meth-Dealer Stanley ausnehmen. Doch um zum Treffpunkt zu gelangen, muss Vernon seine Schrotflinte in der Pfandleihe Altons versetzen, um Benzin für sein Auto kaufen zu können. Blöderweise hätten die drei genau diese Waffe für den Überfall gebraucht. Am Ende des Treffens bleibt Vernon angefahren an dem Treffpunkt zurück und Raw Dog und Randy wollen den Dealer mit Pfeil und Bogen ausrauben. Der Überfall endet im formvollendeten Chaos, auch weil Vernon plötzlich wieder auftaucht. Bewaffnet mit einer silberglänzenden Shotgun, die ihm ein ultracooler Fremder überließ…

Gangster Chronicles

Paul Walker rockt als Raw Dog durch die schräge Episode.

„The Shotgun“ ist für mich das absolute Highlight der Anthologie. Was Wayne Kramer an inszenatorischen Spieler- eien in diesen 35minütigen High-Speed-Thriller packt, ist absolut großartig. Dynamische Kamerafahrten, ultracoole Überblenden, schräge Perspektiven, Reißschwenks, Slow-Mos,… Kramer inszeniert die Episode hinsichtlich der aufgewendeten Stil- mittel wie eine Hommage an seinen großartigen „Running Scared“. Zentrum der Story ist ein fantastischer Paul Walker („Fast & Furious 6“), der als unter Schlafentzug leidender Meth-Junkie fantastisch aufspielt und mit Wucht gegen sein Schönlingsimage ankämpft. Da konterkarieren faulige Zähne sein Sunnyboy-Lächeln und beständig kratzt sich Walker nervös in seinem ungepflegten Bart herum. Und immer wieder wird er in herrlich abstruse Situationen und Dialoge verwickelt. Highlight dahingehend ist sein Schenkelklopfer-Dialog mit Randy (Ein großartiger Kevin Rankin, „Planet der Affen: Revolution“), in dem beide darüber sinnieren, warum sie eigentlich Teil der örtlichen Naziszene sind. Denn eigentlich mögen sie ja Schwarze und auch gegen Juden haben sie nichts.

Einen weiteren großartigen Auftritt hat Thomas Jane („Deep Blue Sea“) als „The Man“. Er wird vollkommen überhöht von Kramer in Szene gesetzt. Sogar das Bildformat ändert sich in dieser Szene von 16:9 auf Widescreen. Jane darf in der Folge in coolen Cowboyklamotten und mit potthässlichem Pornobalken Vernon-Darsteller Lukas Haas („Inception“) den letztendlichen Schubs in Richtung Katastrophe geben. Im überstilisierten Showdown der Episode erleben wir zudem einen vollkommen unkenntlich gemachten Norman Reedus („Blade 2“), der mit seiner Maske der unwirklichen Situation die Krone aufsetzt. Abgerundet wird das Finale von einer amtlichen Ladung schwarzen Humors, die die gesamte Episode vortrefflich abrundet.

Am Ende bleiben pointierte, herrlich absurde Dialoge, eine immer mehr eskalierende Handlung, tolle Darsteller, ein ultradynamisches Stilmittel-Bombardement und ein grandios schwarzhumoriges Ende. Kurzweiliger sind 35 Minuten meines Erachtens noch nie verflogen!

The Ring

In der zweiten Episode kommt ein frischvermähltes Ehepaar in die Pfandleihe und will seinen Ehering versetzen. Man befinde sich auf der Reise in die Flitterwochen und sei plötzlich in finanzielle Nöte geraten. Während der Ehegatte den Preis für den Ring noch nach oben treiben will, fällt sein Blick auf die Vitrine von Altons Laden und er erspäht einen ganz besonderen Ring. Er offenbart dem Pfandleiher, dass dieser Ring seiner ersten Frau gehöre, die vor Jahren verschwunden sei. Man habe sogar ihn verdächtigt, die Frau um die Ecke gebracht zu haben. Alton gibt dem Mann alle Informationen, die er zu dem Ring hat, woraufhin der Mann aufbricht, um das Schicksal seiner Frau aufzuklären. Nicht ahnend, dass eine Reise ins Herz der Finsternis vor ihm steht…

Gangster Chronicles

Matt Dillon foltert Elijah Wood.

Definiere Ironie! Hm. Wie wäre es damit: Elijah Wood („Herr der Ringe“) wichst in einer Episode von „Gangster Chronicles“, die den Titel „The Ring“ trägt, gegen sein Hobbit-Image an. Obendrein versklavt der weinerliche Hobbit Frauen, pfercht sie in Hundekäfigen ein und dreht mit ihnen Pornos, um sich daran zu ergötzen. Und das ist nur ein Element dieser zunehmend krasser werdenden Episode, in der Matt Dillon („Bad Country“) als Man on a Mission brilliert, der in einen Albtraum stolpert, welcher scheinbar kein Ende zu nehmen scheint.

In „The Ring“ inszeniert Kramer etwas geerdeter als in „The Shotgun“. Wo er in der Episode mit Paul Walker auch über die Stilmittel einen echten Fiebertraum entwirft, lässt er in „The Ring“ die grundlegende Story wirken und diese ist mal wirklich ziemlich krass geraten. Ohne viel nach dem Warum zu fragen, türmt er Aktion auf Reaktion und entfesselt am Ende eine Armee nackter „Zombiefrauen“. Nebenbei gibt es eine fiese Folterszene, in der Elijah Wood richtig leiden muss. Spätestens bei der schwarzen Schlusspointe sind dann auch Vergleiche mit den „Geschichten aus der Gruft“ nicht mehr wirklich abwegig und man ist mehr als gespannt, wie die „Gangster Chronicles“ nach diesen beiden grandiosen Episoden wohl ausklingen werden…

The Medallion

Und soviel vorweg: Ausgerechnet in seiner letzten Episode setzt sich Wayne Kramer so richtig auf den Arsch und versaut den Rauswurf aus seiner Anthologie. In „The Medallion“ geht es um den Elvis-Imitator Ricky, der seine beste Zeit seit Jahren hinter sich hat. Ausgebrannt und desillusioniert wuchtet er sich von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, wo er in unwürdigen und peinlichen Auftritten verheizt wird. Doch ein Gespräch mit dem Teufel scheint für ihn die Wende zu bringen…

Gangster Chronicles

Brendan Fraser als “The King”

„The Medallion“ ist die große Bühne des wie entfesselt aufspielenden Brendan Fraser („Die Mumie“), der hier als Ricky unnachahmlich und absolut großartig vom Leder zieht. Die beiläufig eingestreuten Elvis-Posen, meist in den Momenten, in denen sein Ricky am Hilflosesten ist, sitzen auf den Punkt und zeugen von einem fantastischen Timing des Darstellers. Leider ist die Geschichte um ihn herum von Anfang an so absurd, dass man sich überhaupt nicht darauf einlassen will. Auch fehlt ihr komplett die Fatalität der vorhergehenden Episoden. Zwar führt Kramer in „The Medallion“ alle bisherigen Episoden in einem coolen Schlussbild zusammen und verdichtet den Eindruck, dass sie sich schon immer gegenseitig beeinflussten, aber leider stimmt hier irgendwann gar nichts mehr. Das Tempo lahmt, die Dialoge sitzen nicht mehr und die Grundidee um die Verführbarkeit des Menschen durch das Böse wird viel zu offensiv ausformuliert.

Was vorher alles noch nebenbei und locker leicht schien, funktioniert in „The Medallion“ leider gar nicht mehr. Und auch inszenatorisch ist diese Episode die schwächste der Anthologie. Und das ist eben vor allem deshalb schade, weil man als Zuschauer mit diesem lausigen Rausschmeißer abgefertigt wird. Denn man fragte sich bis zu dieser Episode schon, warum es „Gangster Chronicles“ nicht in die Kinos geschafft hat. „The Medallion“ beantwortet die Frage mehr als erschöpfend.

Der Trailer von „Gangster Chronicles“

httpv://www.youtube.com/watch?v=cunYIsCPU1Q

Fazit zu „Gangster Chronicles“

Gangster Chronicles

“The Man” alias Thomas Jane spielt Schicksal.

Am Ende bleibt also das alte Anthologie-Problem: Manche Episoden überzeugen und sind richtige kleine Schmuckstücke, andere Episoden ziehen den Gesamteindruck mal so richtig runter. Das Highlight dieser Anthologie ist ganz klar die Paul Walker Episode „The Shotgun“. Doch die Matt Dillon Episode „The Ring“ folgt mit ihrer krassen Story auf dem Fuße. Der Wiederguckwert beider Episoden ist wirklich enorm. Dagegen kommt „The Medallion“ wirklich so gar nicht an, hat allerdings einen unfassbar guten Brendan Fraser im Gepäck, dem man definitiv eine ganz andere Episode gewünscht hätte. In weiteren Rollen erlebt man noch Vincent D’Onofrio („Escape Plan“) als Pfandleihhausbesitzer und Chi McBride („Human Target“) als dessen besten Kumpel, der sich mit D’Onofrio herrlich schräge Dialoge liefern darf. Inszenatorisch unterscheiden sich die Episoden vor allem in ihrer Dynamik deutlich und wirken durchweg wertiger als es das Budget von gerade einmal fünf Millionen Dollar befürchten lässt. Witzig ist der für Schlüsselmomente genutzte Bildformatwechsel, der sich als Konstante durch alle drei Episoden zieht.

Somit erweisen sich die „Gangster Chronicles“ jeweils als formidable Bühne für sehr stark aufspielende Darsteller, die in mal mehr mal weniger erfrischend krass erzählten Geschichten für unterhaltsame und weitestgehend vollkommen unvorhersehbare Kurzweil sorgen. Einzig den Rauswurf aus dem Film hätte man sich einfach stimmiger gewünscht.

Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint von Square One / Universum Film und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten. Leider gibt es bis auf einen informativen Audiokommentar keine Extras zum Film.

In diesem Sinne:
freeman

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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love

Copyright aller Filmbilder/Label: Square One / Universum Film__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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