Originaltitel: Getaway__Herstellungsland: Bulgarien, USA__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Courtney Solomon__Produktion: Joel Silver u.a.__Darsteller: Ethan Hawke, Selena Gomez, Jon Voight, Rebecca Budig, Bruce Payne, Maria Bobeva, Silvia Ranguelova, Velislav Pavlov, Gabe Lustman, Dejan Angelov u.a. |
Der Ex-Autorennprofi Brent Magna, der sich inzwischen aus unerfindlichen Gründen in Sofia niedergelassen hat, kommt eines schönen Vorweihnachtstages nach Hause und findet seine Wohnung verwüstet vor. Der mit Blut besudelte Boden lässt ihn Schlimmes ahnen. Da klingelt ein Handy. Brent geht ran und eine Stimme erklärt ihm, man habe seine Frau entführt. Wolle er sie lebend wiedersehen, müsse er sich in einem speziellen Parkhaus einfinden, ein dort parkendes, besonderes Auto klauen und mit selbigem in die Nacht Sofias rasen…
Kurz darauf sitzt Brent in der coolen Schüssel – ein Ford Mustang Shelby GT 500, getuned, natürlich! – und wird erneut angerufen. Ab sofort habe er alle Aufgaben zu erfüllen, die man ihm durchgebe. Widerwillig steuert Brent das Auto nun in voller Fahrt mitten in Menschenaufläufe, zerstört mit dem Auto Weihnachtsdekoration und rammt andere Wagen. Klar, dass so die Polizei auf ihn aufmerksam wird. Dieser solle er fortan entkommen. Schnappen ihn die Cops, sei seine Frau tot, stelle er sich selbst, töte man sie ebenfalls sofort.
Brent tritt das Gaspedal durchs Bodenblech und entkommt immer wieder seinen Häschern. Da gewährt ihm die Stimme eine Ruhepause. Kaum hat Brent das Auto abgestellt und kurz durchgeschnauft, bedroht ihn eine junge Dame mit einer Waffe. Brent kann sie überwältigen und wird von der Stimme instruiert, die Dame nicht mehr aus dem Auto zu lassen. Er gehorcht und muss bald bemerken, dass die Begegnung mit der jungen Frau wohl alles andere als zufällig war, erweist sie sich doch als wahre Halterin des von Brent gestohlenen Autos und obendrein als Tochter des Chefs der größten Bank Sofias. Nicht nur Brent glaubt nun zu wissen, auf was die Nacht hinauslaufen soll…
httpv://www.youtube.com/watch?v=HMZcEfwexiM
Doch ganz so leicht macht es sich „Getaway“ nicht… und dann gleichzeitig doch. Kurzum, die Geschichte ist nicht die Stärke der Dark Castle / After Dark Kollaboration, allerdings gibt der Film selbst auch nie vor, die Geschichte für mehr zu brauchen, als als Bindemittel zwischen den zahlreichen Actionszenen. Das wird spätestens dann klar, wenn Frank Aufgaben gestellt bekommt und eine Art Levelstruktur für den Film entwickelt wird. Fahre hier hin, fahre dorthin, fahre Rennen gegen die Polizei und/oder gegen die Uhr und erfülle hier eine Aufgabe oder brich da ein. Irgendwann fühlt sich „Getaway“ so wie eine Verfilmung der Videogames „Driver“ oder „Grand Theft Auto“ an, nur ohne die Komplexität von vor allem zweiteren Game zu erreichen. Und so kommt der Story eine rein funktionale Aufgabe zu: Gebraucht wird sie nur, um Tempo zu machen. Was freilich absolut legitim ist.
Was man dem Film in der Folge aber ankreiden muss, ist, dass er diverse Gelegenheiten verpasst, richtig Tempo zu machen. Zu Beginn ist alles noch absolut im grünen Bereich! Vollkommen unvorbereitet schmeißt einen Regisseur Courtney Solomon (Mitbegründer und Produzent des After Dark Filmfestes und mit Joel Silver, der „Getaway“ mit produzierte, auch für die After Dark Action Reihe verantwortlich) in die Grundsituation. Keine zwei Minuten nach Beginn des Filmes sitzt Brent in dem Ford Mustang und gibt ordentlich Stoff. Es kracht und scheppert und die Story entwickelt sich organisch, ganz nebenbei, über Informationsfetzen, die man während der Action aufschnappt. Doch dann lässt Solomon plötzlich immer wieder die Daumenschrauben los. Schafft Momente des vollkommenen Stillstands, in denen Frank und seine Beifahrerin quatschen und der Film empfindlich ausgebremst wird. So sehr, dass man als Zuschauer die Gelegenheit bekommt, über das Gesehene nachzudenken und die Logik des Filmes zu hinterfragen.
Warum bauen die Polizisten Sofias keine Straßensperren auf? Warum kommen keine Helikopter zum Einsatz? Warum lassen die Cops nach großen Crashes immer wieder von Brent ab und wie finden sie ihn immer und immer wieder so zielgenau wieder? Warum ballern sie nicht auf Franks Karre? Und hey, wieso führt da ein ganz anderer den eingangs angedeuteten Banküberfall durch? Wofür braucht es die Story um Frank fürs große Ganze? Und wieso lässt einen der „Schlusstwist“ glauben, dass alles zuvor Gesehene reichlich sinnlos war? An all diesen Fragen ist „Getaway“ selbst schuld. Zum einen, weil das löchrige Skript die Fragen selbst aufwirft und zum anderen, weil der Film selbst zu viele Gelegenheiten gibt, genau diese Fragen zu stellen. Also, wie bereits erwähnt: Wegen der Story sollte man den Film definitiv nicht gucken.
Man sollte der Action den Vorzug geben. Und diese macht wirklich Laune! Komplett handgemacht steigt hier in steter Folge eine Verfolgungsjagd nach der anderen – vornehmlich wenn die Dialoge zu hakelig und zu lang werden. Dabei werden nicht nur Straßen befahren, auch Treppen, Parkanlagen und sogar eine Eislauffläche wird zur Fahrbahn für den Ford Mustang. Der erweist sich in der Folge als absolut unkaputtbar. Nicht einmal Kugeln können ihm etwas anhaben, das Chassis wird selbst bei heftigen Einschlägen kaum verbogen und tanken muss Frank nicht ein einziges Mal. Einen tolleren Werbespot konnten sich die Bauer des Autos gar nicht wünschen. Dafür sieht es für die unzähligen Polizeiwagen – meist deutscher Fabrikation – nicht so gut aus. Sie überschlagen sich, fliegen in hohen Bögen durch die Kante, schlagen in andere Autos ein, verkeilen sich ineinander und bleiben auch mal an Mauern „hängen“. Leider schafft es der Regisseur nicht, eine Art Dramaturgie in die Verfolgungsjagden zu bringen. Dass selbige sich beispielsweise immer mehr steigern, was den Karambolagefaktor angeht. Oder noch spektakulärer werden. Manche verpuffen sogar reichlich höhepunktlos, weswegen die gebotene Daueraction durchaus auch mal ermüdet. Zwei richtig fette Explosionen reißen aber vermutlich jeden entschlummerten Zuschauer wieder hoch. Der Sinn beider Szenen erschließt sich zwar nie so wirklich, die Schauwerte allerdings stimmen.
Der Regisseur inszeniert die Rasereien sehr bodenständig und ohne viel optisches Brimborium. Die Kamera muss nicht wackeln, um Tempo zu suggerieren. Geerdete Kamerafahrten, ein sehr flotter, niemals unübersichtlich werdender Schnitt und der treibende Score pumpen ordentlich Adrenalin in die Rasereien und eine lange First Person Kamerafahrt, bei der die Kamera direkt an der Stoßstange des Ford Mustang zu hängen scheint und der Zuschauer so hinter einem SUV herrast, lässt die Geschwindigkeit im Kinosessel greifbar werden. Zwischen den Actionszenen überlässt Solomon seinen Schauspielern das Feld und inszeniert ohne jegliche Schnörkel das nachtschwarze Sofia. Interessant sind hier nur die Versuche, die zur Zeit allgegenwärtigen Bilder von Überwachungs- und Handykameras sinnvoll in die Handlung zu integrieren.
Ethan Hawke ist derweil neben dem Ford Mustang der eindeutige Star von „Getaway“. Mit seinen interessanten Projektwahlen der letzten Zeit – der Horrorstreifen „Sinister“, der Survival-Thriller „The Purge“ und nun der Actioner „Getaway“ – erinnert der Mime irgendwie an Nicolas Cage, als selbiger sich mit ungewohnten Projekten aus der Arthouse-Ecke freistrampelte. Dabei schaltet Hawke hier ähnlich ins schauspielerische Standgas, wie Cage bei seinen Blockbusterausflügen, kann aber aufgrund seines durchaus vorhandenen Charismas punkten. Mehr bleibt ihm auch nicht, denn ansonsten sieht man Hawke eigentlich in keinem einzigen dramatischen Moment, stattdessen reißt er beständig mit verzerrtem Gesicht an Lenker und/oder Schalthebel seines Autos oder lässt seinen Fuß acten, dass er das Gaspedal durchdrückt. Seine Mitfahrerin wird von einer unfassbar nervigen Selena Gomez („Spring Breakers“) gegeben. Diese offenbart einige extreme Defizite in Sachen Schauspiel und ist weder als versierter Technikgeek noch als selbstlose Helferin von Brent in irgendeiner Form glaubwürdig. Zudem sieht sie neben Hawke aus, wie dessen babyspeckgesichtige Teenietochter, nicht aber wie ein toughes Girlie – von dem Geschreie und Gekeife bei den Actionszenen ganz zu schweigen. Jon Voight („Der Staatsfeind Nr. 1“) bestreitet in erster Linie eine Sprechrolle, wobei man ihm eine gewisse Souveränität nicht abstreiten kann. Wirklich cool kommt er aber nie rüber. Ansonsten kennt man aufgrund der sehr ostblocklastigen Besetzung maximal noch den „Passagier 57“ Bösewicht Bruce Payne, der sich aber kaum von seinen bulgarischen Darstellerkollegen abzuheben vermag.
Und damit hätten wir ein weiteres Problem des Filmes: Seinen Schauplatz. Zugegeben, dass Stuntteam müht sich nach Leibeskräften, spektakuläre Crashes zu inszenieren. Aber irgendwie wirken die in den Ostblockstraßen nicht so richtig. Wo sind die verwinkelten Straßenzüge und die Hochhausskyline, wo ist die obligatorische Fußwegraserei mit „Weg da“ Gebrüll, wo sind Fahrzeuge, die in Ladenfronten krachen. Irgendwie fehlt da etwas. Und das gilt für den gesamten Film. In erster Linie fehlt die Nonstop-Verfolgungsjagd, die der Trailer suggerierte. Stattdessen stoppt der Film immer wieder. Spätestens dann fehlt ihm eine plausible Story und das Tempo passt nicht mehr. Zieht das Tempo an, fehlt es an echten, richtig zelebrierten Höhepunkten, was die Action etwas beliebig macht und es schwer erscheinen lässt, eine wirklich herausragende Verfolgungsjagd zu benennen. Dann fehlt für Ethan Hawke – sieht man vom Ford Mustang ab! – ein ordentlicher Co-Star, Selena Gomez fehlt jegliches Talent und Jon Voight fehlen starke Szenen zum Glänzen.
Tja, und dem Zuschauer fehlen irgendwann 90 Minuten seines Lebens. Das ist nicht einmal negativ gemeint, denn man kann „Getaway“ aufgrund der vielen Versäumnisse freilich gar köstlich und vor allem genüsslich zerpflücken, ODER man arrangiert sich mit den Fehlern des Filmes und begreift ihn einfach als recht flott durchgezogene Auto-Stuntshow. In beiden Fällen kann am Ende durchaus gelungene Unterhaltung stehen. Sei es in Form eines üblen Verrisses oder in Form einer Ode an endlich mal ausreichend viele Verfolgungsjagden in einem Actioner. Und da ich den Film weder verreißen mag noch den überlangen Werbespot für Ford über die Maßen lobhudeln möchte, platziere ich mich einfach irgendwo zwischen den Extremen und denke, dass ich dem Film damit nicht allzu sehr Unrecht tue.
„Getaway“ wird in Deutschland von Wild Bunch Germany vermarktet und ist ab 21. November 2013 in den deutschen Kinos zu sehen. Inzwischen kann man ihn auch auf DVD und Blu-ray erwerben.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
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