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Ghostbusters: Frozen Empire

Originaltitel: Ghostbusters: Frozen Empire__Herstellungsland: USA / Kanada__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Gil Kenan__Darsteller: Mckenna Grace, Celeste O’Connor, Carrie Coon, Annie Potts, Paul Rudd, Bill Murray, Finn Wolfhard, Kumail Nanjiani, Ernie Hudson, Patton Oswalt, Dan Aykroyd, Emily Alyn Lind, William Atherton, Logan Kim, James Acaster, Claudia Nell McCoy, Jesse Gallegos u.a.

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Poster

Das Poster von “Ghostbusters: Frozen Empire”.

Und wieder bündeln die körperlosen Schwingungen des Theremin den Zustand des Unheimlichen über Zeiten und Dimensionen hinweg. Das Jahr ist 1904, Manhattan wirkt mitten im Juli wie eine Geisterstadt aus einem verblichenen Fotoalbum, und selbst wenn damals noch Feuerwehrmänner anstelle von Geisterjägern im Einsatz waren, strömt das Ektoplasma New York bereits aus allen Poren. Jahreszeiten, ob saisonal oder kalendarisch, scheinen entweder gar nicht oder auch parallel zu existieren, jedwede Geschichte zerläuft in einem Malstrom im Bauch des Hook & Ladder Company 8 Firehouse. Jenseits ist Diesseits und 1904 ist 1984 und 2024 zugleich.

Das Gedicht „Fire and Ice“ von Robert Frost öffnet nicht umsonst die Pforten zu „Ghostbusters: Frozen Empire“. Gewissermaßen unterstreicht es die grundsätzliche Austauschbarkeit der Mittel zur Darstellung eines der populärsten Filmmotive, des Endes der uns bekannten Weltordnung. Schon Ivan Reitmans „Ghostbusters“ bahnte sich ungeniert seinen Weg von der intimen Begegnung mit paranormalen Aktivitäten in Hotelfluren und unterirdischen Bibliotheken bis hinein in die offene New Yorker Apokalypse, bei der zahllose Geister das Gewusel aus Menschen und Yellow Cabs aufmischten, bis der freundliche Marshmallowmann zur finalen Parade ansetzte. Kino ist besessen davon, die Ordnung aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch Kino ist vor allem der Leidenschaft verbunden, und so ist sein Zerstörungsmittel der Wahl in der Regel nicht Eis, sondern Feuer. Städte brennen ohne Unterlass in Hollywood, sie besiegeln das Ende des Alten und heißen das Neue willkommen. Die Geisterjäger hingegen sind selbst Fackelträger, sie schlugen ihre Zelte einst in einer alten Feuerwehrzentrale auf, um dort an Protonenstrahlern zu basteln, die alles verschmoren, was sich in einem Radius von mehreren hundert Metern um sie herum befindet.

Ein Imperium des Eises bietet sich da als neuer Großauftrag natürlich an, und das nicht nur, weil im realen Weltgeschehen gerade wieder der Kalte Krieg aus dem Winterschlaf zu erwachen beginnt. Anders als die Gottheit Gozer, die für „Ghostbusters: Legacy“ mitsamt Hündchen Zuul bequem und einfach aus dem Original gemopst wurde, ist Garraka grundsätzlich endlich mal wieder ein frisch entworfener Antagonist, gleichwohl jedoch einer, der einem unheimlich vertraut vorkommt. „Tall, dark and horny“ wird er von Venkman beschrieben, womit der sich im Wesentlichen auf grundlegende Eigenschaften böser Mächte bezieht. Die weiß leuchtenden Augen im Dunkeln, die dämonischen Teufelshörner, die spinnenartigen Nadelfinger, nicht zuletzt der Orb, der das Böse ein Jahrhundert lang im Zaum hielt, all das sind Standards im Fantasy-Genre, die aber ja gerade deswegen aufgefahren werden, weil sie Standards sind, weil sie sich auf Uraltes beziehen, auf Urängste nicht zuletzt.

Ghostbusters: Frozen Empire

Im Sommer hat der New Yorker Winterräumdienst aber eigentlich immer frei…

Selbst bei der Wahl des Regisseurs blieb man beim Traditionellen. Es gilt schließlich, die alte Marke behutsam wieder auf Hochglanz zu polieren. Dass Jason Reitman für einen zweiten Teil nicht mehr „Action“ rufen würde, hatte man sich damals schon denken können, aber Gil Kenan kennt sich dank „Monster House“ (2006) und dem „Poltergeist“-Remake (2015) ebenso gut, wenn nicht besser mit dem Übernatürlichen aus, zumal er bereits für „Ghostbusters Legacy“ gemeinsam mit Reitman am Drehbuch gearbeitet hatte. Diese Kooperation ist auch in „Frozen Empire“ erhalten geblieben, was man problemlos daran erkennt, wie nahtlos der zweite Teil in stilistischer wie erzählerischer Hinsicht zum ersten passt. Kein schlechter Ansatz, um Akzeptanz für die zweite Generation von Geisterjägern zu fördern, die momentan immer noch tief im Schatten der Originalbesetzung steht.

Diese immerhin wird diesmal nicht so trostlos als Gimmick abgefertigt wie noch in „Legacy“, sondern findet ganz ohne unangemessene Heldenverehrung endlich ihren Platz in der aktuellen Zeitlinie. Von alten Männern erwartet man nicht mehr unbedingt, dass sie wie Gazellen durch Raum und Zeit hüpfen, um Schurken den Garaus zu machen (sofern der alte Mann nicht gerade Indiana Jones heißt). Insofern ist es nur würdevoll und angemessen, dass sie nicht in abwegige Actionszenen gezwungen werden, die der Geisterjägerberuf zum Glück auch gar nicht so sehr erfordert; schon als Mittdreißiger wirkten Murray, Aykroyd, Ramis und Hudson ja eher unbeholfen als sportlich, was es ihnen relativ einfach macht, vierzig Jahre später wieder in die Overalls von damals zu schlüpfen. Ihr Alter wird zwar thematisiert, dann aber auch wieder nicht mit der penetranten Ironie, die so manchen Star der 80er schon in die Selbstdemontage geritten hat. Vielmehr geht es darum, Enthusiasmus (Stantz), Apathie (Venkman) und Pragmatismus (Zeddmore) der gut gereiften Form in ein dynamisches Konstrukt zu verwandeln, das ganz ohne nervige Botschaft einfach dazu da ist, die Goldfarbe auf die goldene Zeit der Herrschaften aufzutragen. Annie Potts bringt immerhin in zwei, drei kurzen Auftritten den Charme der alten Zeit zurück, wohingegen die immer schon überzeichnete Bürgermeisterfigur, die William Atherton spielt, eher schlecht gealtert ist. Ihr slapstickhaftes Auftreten passt nicht recht in einen Film, der zumindest bei den zentralen Figuren sehr auf Feinheiten achtet. Dass man aber nun immerhin auch Harold Ramis in Frieden ruhen lässt und nicht mehr explizit thematisiert, beweist exakt das Fingerspitzengefühl, das es zum gegenwärtigen Zeitpunkt braucht.

Ghostbusters: Frozen Empire

Für den Scheiß ist man nie zu alt.

Derweil hat sich hinter der alten Garde eine Menge getan – zu viel womöglich. Es wuselt geradezu vor Neuzugängen, und das trotz der bereits recht schillernden Spengler-Sippe, die alleine schon reichen würde, um die Handlung über die Ziellinie zu bringen. Die Sehnsucht nach Rick Moranis scheint so groß zu sein, dass man die Persönlichkeitsmerkmale seiner Figur gleich auf zwei Neuzugänge aufgeteilt hat. Kumail Nanjiani als feilschender Nichtsnutz und Patton Oswalt als Kellerkind mit Doktortitel bedienen jeweils Comicreliefs und sind lediglich dazu da, bestimmte Plot Devices in die Handlung einzubringen. Sobald sie ihren Job erfüllt haben, finden sie praktisch nicht mehr statt. Ein ähnliches Schicksal ereilt James Acaster, der in mancher Szene in Egon-Spengler-Gedächtnishaltung im Hintergrund steht und wissenschaftliche Mutmaßungen brabbelt. Dazu wird Logan Kim als Podcast wie Ballast durch den Plot gezogen, weil man offenbar diesmal keine sinnvolle Beschäftigung für ihn finden konnte. Viele dieser Charaktere verlaufen sich in Sackgassen, könnten aber natürlich für potenzielle weitere Filme wieder sinnvoller eingesetzt werden und hätten dann zumindest bereits ihre Einführung absolviert, so dass man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, man habe hier bereits für die Zukunft vorausgeplant.

Hauptaugenmerk liegt aber immer noch auf dem Spengler-Kern. Carrie Coon ist ein wenig zum Opfer des unübersichtlich geratenen Figurenrepertoires geworden, sie gerät zu einer der oben beschriebenen Nebenfiguren, insofern sie bloß hin und wieder als passive Stichwortgeberin in Erscheinung treten darf – zum Beispiel für Paul Rudd, der seinerseits zumindest wieder einige seiner seltsam kauzigen Gags abfeuern darf, mit denen er sich durchgehend als sympathischer Trottel outet. Finn Wolfhard wächst immer noch und macht die entsprechenden Veränderungen eines Heranwachsenden durch, doch während er im Vorgänger gefühlt im Mittelpunkt der Ereignisse stand, ist es nun erwartungsgemäß Mckenna Grace, für die sich Kenan am meisten interessiert. Sie zeigte schon damals das Potenzial ihrer feinfühlig geschriebenen Figur Phoebe auf, daher überrascht es nicht, dass man bei ihr exklusiv den Versuch unternimmt, sie von dem Getümmel im zentralen Plotstrang zu isolieren und ihr den einzigen ausführlich ausgearbeiteten Subplot zu spendieren, in dem ihre Persönlichkeit weiter reifen darf. Dieser Ansatz beginnt sogar recht stimmungsvoll mit einem Schachduell im Park bei Nacht, er wird dann aber eher holprig zu Ende geführt. Schon der von Emily Alyn Lind gespielte Geist passt im Grunde eher an die Seite von Geena Davis und Alec Baldwin in Tim Burtons „Beetlejuice“ als in einen Ghostbusters-Film. Die hübsche, kluge, von einem romantischen blauen Leuchten und einer fast schon Wong-Kar-Wai’schen Melancholie betretene Erscheinung passt konzeptionell nicht zu den verzerrten, dämonisierten Spektralwesen, die bislang in der Franchise aufgetreten waren. Als Katalysator für die Entwicklung von Phoebe mag sie ihren Zweck erfüllen, jedoch zu dem Preis, einen stilistischen Bruch zur Marke zu erzeugen, zumal dieser zunächst behutsam eingeführte Subplot irgendwann sehr abrupt und nicht ganz logisch in die Haupthandlung eingefädelt wird.

Ghostbusters: Frozen Empire

Wie damals in der Schule, als man immer beim Direx antanzen musste.

An anderer Stelle wiederum macht „Ghostbusters: Frozen Empire“ solche Brüche jedoch wieder gut. Stellenweise wird es wirklich zappenduster und auch mal ein wenig gruselig, zwar nicht ganz so sehr wie bei den auf Modellen und animatronischen Puppen basierenden Effekten des 84er-Films (und erst recht nicht vergleichbar der unaussprechlich gruseligen Ausstrahlung Wilhelm von Homburgs, der in „Ghostbusters II“ den Vigo verkörperte), aber doch so, dass es zumindest Kinder abseits der vielen Eiszapfen manches Mal ein wenig frösteln dürfte. Mit seinen schwarzen Dunstwolken und Energieströmen gen Himmelsdach bleibt die Effektschmiede zwar in den Basics verwurzelt, und die vielen Naturkatastrophen, die der Central Park nun schon mitmachen musste, kann man gar nicht mehr zählen, aber atmosphärisch passt die Kulisse mit ihren radikalen Sommer-Winter-Wechseln wunderbar in die fluktuierenden Wetterbedingungen der Frühlingszeit (und, wenn man will, in laufende Umweltdebatten). Im Prolog gibt es eine herrlich morbide Einstellung um eine Hand an der Kurbel eines Monographen und in einer stimmungsvollen Kulisse ist ein Labor eingerichtet, das sogar für eine Evolution des Geisterjägerberufs sorgt, geht es doch nicht mehr länger hauptsächlich um Gefangennahme und Entsorgung, sondern zunehmend auch um Studium und Wissenschaft.

Die Rückkehr Slimers war natürlich zu erwarten, ebenso, dass die „He Slimed Me“-Sequenz ironisch aufgegriffen werden würde. Schön ist es aber vor allem, dass er sich inzwischen die Feuerwehrzentrale als Rückzugsort ausgesucht zu haben scheint (nur fair, nachdem die Geisterjäger schließlich das Hotel in Schutt und Asche geschossen hatten) und auf diese Weise sogar eine kleine Hommage an sein Auftreten in der 1986er Trickserie eingeflochten wird. Für die Handlung spielt er zwar keine große Rolle, doch war das ja schließlich bei seinem Debüt auch nicht anders. Einige weitere alte Bekannte gesellen sich ebenfalls hinzu, so etwa die Löwen vor der Bibliothek und die Leserin in der Bibliothek, dazu verbreiten die aus dem Vorgänger bekannten Mini-Marshmallowmänner als Publikumslieblinge weiter munter Minions-Blödsinn. Für einige neue Gestalten hat es ebenfalls gereicht, unter denen einige weitere Motive aus der Trickserie aufgreifen: So sorgt etwa ein roter Flummi, der in jegliches lebloses Objekt fahren und es zum Leben erwecken kann, unter anderem dafür, dass sich Ecto-1 kurzzeitig in ein Höllenfahrzeug à la „Christine“ verwandelt.

Ghostbusters: Frozen Empire

Barraka hat die komplette Eiskarte von Brauner Bär bis Flutschfinger im Programm.

Das sind aber alles relativ autonome Spielereien, die letztlich nicht das Zeug haben, die Präsenzen zu einer Apokalypse mit felsengroßen Schaumzuckerflocken aufzubäumen. Vielleicht sind Kenan und Reitman einfach nicht Blockbuster-Macher genug, um diesen letzten Schritt in den Wahnsinn zu gehen. Da fegt eine Eiswüste über New York hinweg und die New Yorker sind als Masse nicht einmal richtig zugegen. In dieser Hinsicht war vielleicht sogar ein Film wie James Gunns „The Suicide Squad“ (2021) mit seinem Riesenseestern mehr „Ghostbusters“ als „Ghostbusters: Frozen Empire“.

Aber, bei allen Defiziten und bei aller Kälte: Man wird langsam warm mit der neuen Generation. Hier macht sich dann doch die feinfühlige Arbeit an den Hauptfiguren bemerkbar. Zumindest Mckenna Grace wird viel Platz gegeben, ihre Figur weiterzuentwickeln, sie ist längst der neue Star der Franchise. Schön auch, dass man sich bei allem Fanservice-to-go endlich mal wieder eine neue Storyline zutraut, auch wenn die im Sinne der ursprünglichen Idee eher an klassisches Fantasy- und Gruselkino der alten Schule angelehnt ist. Leider machen Keenan / Reitman den Fehler, ihr Skript mit zu vielen Figuren aufzublasen, was nicht nur der Geister-Action im Wege steht, von der es für einen zweiten Teil immer noch verhältnismäßig wenig gibt, sondern wird damit auch jedem Einzelnen Raum zur Entfaltung genommen. Dennoch: „Ghostbusters: Frozen Empire“ zeigt neben all seinen unverkennbaren Schwächen nicht nur ein besseres Händchen für den Umgang mit den alten Helden als „Legacy“, sondern beweist auch reifere Ansätze, um die initialen Stärken des Neustarts noch besser hervorzuheben. Sofern es die Gunst der Zuschauer erlaubt, kann man mit dieser Formel durchaus noch ein paar Fortsetzungen füllen. Man sollte sich allerdings langsam damit anfreunden, dass diese Stärken ganz woanders liegen als bei Ivan Reitmans Originalen.

6 von 10

Schaut in den Trailer von “Ghostbusters: Frozen Empire”

„Ghostbusters: Frozen Empire“ läuft seit 21. März 2024 in den deutschen Kinos. Plaion Pictures hat bereits eine Auswertung auf physischen Medien als DVD, Blu-ray und Ultra-HD Blu-ray angekündigt. Letztere werden offenbar als Sonderedition mit zwei unterschiedlichen Steelbook-Motiven erscheinen. Ein genaues Erscheinungsdatum ist zum Zeitpunkt dieser Kritik noch nicht bekannt.

Sascha Ganser (Vince)

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