Originaltitel: Ghostbusters: Afterlife__Herstellungsland: Kanada / USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Jason Reitman__Darsteller: Carrie Coon, Paul Rudd, Finn Wolfhard, Mckenna Grace, Logan Kim, Celeste O’Connor, Bill Murray, Dan Aykroyd, Ernie Hudson, Annie Potts u.a. |
Diese unerklärliche Macht des Klangs. Da ertönt nur kurz das Theremin in Reminiszenz an Elmer Bernstein, und prompt finden wir uns in der öffentlichen Bibliothek aus dem New York des Jahres 1984 wieder. Dabei behaupten die Bilder völlig Gegenteiliges. Eigentlich nämlich, so flüstern es die Weizenfelder im Wind, stehen wir mitten in der Einöde von Oklahoma, wo es nichts gibt als Ernteland. Trotz des Schattens einer verblassten Vergangenheit, der darin weht: Das ist nicht gerade das, was ein Geisterjäger sein Wohnzimmer nennen würde.
Am Anfang von „Ghostbusters: Legacy“ ist es beinahe so, als überlagerten sich zwei Welten, vielleicht auch zwei Zeiten, verbannt jeweils in die beiden Dimensionen des Mediums Film. Eigentlich sollten Bild und Ton miteinander harmonieren und eine Einheit bilden, nun aber aber zwicken sie sich gegenseitig und hebeln einander aus wie zwei Konkurrenten im Kampf um die Wahrnehmung des Zuschauers. Während die frisch polierte 2021er-Hochglanzoptik mit ihren tief wie Gewitterwolken hängenden Streifen aus Türkis und Mitternachtsblau die Oberfläche dominiert, dürfte die Sicht auf die Leinwand zumindest bei den älteren Baujahren wohl jedes Mal von leuchtenden Signalfeuern behindert werden, wenn Rob Simonsen mal wieder ihre Ohren mit den Notenpfaden Bernsteins füttert. Die Nostalgie-Synapsen schlagen dann Funken, obwohl auf visueller Ebene die Atmosphäre des verdreckten, vermüllten, ektoplasmisch hochaktiven 80er-Jahre-New-Yorks unwiederbringlich verloren ist.
„Nostalgie“ ist das große Stichwort, denn sie ist dieser mächtige Fluss aus grünem Glibberschleim, der überhaupt erst Energie durch den viel zu lange begrabenen Körper der Franchise pumpt. Kein Wunder, ist es doch niemand Geringerer als der Sohn des Originalregisseurs, der ihn wiedererwecken darf. Jason Reitmans Regiestuhl ist normalerweise an ganz anderen, wesentlich greifbareren Orten aufgestellt, er dürfte aber immerhin als Kind am Set von „Ghostbusters“ eine gewisse Prägung erfahren haben. Die Nostalgie gestattet es ihm nun darauf aufbauend, Zugang zu einem Stoff zu bekommen, dessen Textur ihm trotz eines persönlichen Bezugs vielleicht dennoch ein wenig fremdartig vorgekommen sein muss. Reitman Jr. nach völlig anders gearteten Werken wie „Thank You For Smoking“, „Juno“ oder „Up in the Air“ beim Jonglieren mit Geisterfallen und Protonenstrahlern zuzusehen, führt jedenfalls zu einem spröden Sehgefühl jenseits der Genre-Komfortzone. Es fühlt sich ähnlich ungelenk an wie ein Bond-Streifen unter Anleitung eines Marc Forster oder Sam Mendes. Es handelt sich bei „Ghostbusters: Legacy“ zweifelsohne um Outsider-Handwerk von jemandem, der eher Experte für leichte Alltagsdramen und Gesellschaftssatire ist, obwohl er das Ektoplasma eigentlich schon als Kind mit den Frühstücksflocken verabreicht bekommen hat.
Anstatt wie Paul Feig in der Neuauflage von 2016 eine karikaturistische Spiegelung des Originals anzustreben, die einen recht oberflächlichen Blick auf einen filmischen Kult der 80er wirft, verknüpft Reitman gemäß familiärer Verpflichtungen Gegenwart und Vergangenheit wesentlich feinfühliger, indem er viel Zeit und Mühe in einen sorgfältigen Aufbau investiert. In der ersten Stunde geschieht nicht viel in Bezug auf Schauwerte und Höhepunkte lauter Blockbuster-Unterhaltung. Hier mal ein Strudel, der sich aus einem Brunnen ergießt, da mal ein Strahl, der in den Himmel schießt; manchmal bewegt sich auch einfach mit rostigem Quietschen eine Lampe oder eine unsichtbare Präsenz schlägt in hohem Bogen das Pferd vom Schachbrett. In dieser Phase dreht sich alles bloß darum, das ungewohnte neue Setting zu präsentieren und die frischen Charaktere zu etablieren. Es werden also Alternativpfade gelegt, um anzuknüpfen an eine ergraute Zeit, die inzwischen nur noch in der Erinnerung weiterlebt, oder wenn man etwas zeitgemäßer unterwegs ist, dann vielleicht auch noch in rechteckigen Youtube-Videos, gebannt wie Geister in der Falle.
Ganz ohne Ertrag bleiben die Mühen nicht, denn eingedenk der Tatsache, dass Millionen Zuschauer wohl letztlich nur auf den großen Auftritt der Helden von damals warten, befinden sich die Neuen in einer ähnlich unkomfortablen Lage wie Paul Feigs Frauen-Quartett. Anders als dieses profitiert der Cast diesmal aber von geschmackvoll geschriebenen Rollen, die nicht einfach als Abziehbilder der Vorlagen durchgehen, weil sie die speziellen Marotten eines Venkman, Stantz, Zeddmore und Spengler, einer Janine, eines Louis oder einer Dana viel dezenter verpacken. Das gilt für Carrie Coon und Paul Rudd als erwachsene Leitfiguren, mehr aber noch für die vier zentralen Kinderdarsteller, die völlig unaufdringlich die Eigenschaften der originalen Ghostbusters annehmen, ohne dazu die eigene Persönlichkeit verdrängen zu müssen. In der Folge interessiert man sich für diese durchaus liebenswert gezeichneten Figuren um ein Vielfaches mehr als für das laut polternde Damenquartett wenige Jahre zuvor, das seine ganz eigene Agenda verfolgte und sich infolge dessen weit weniger darum scherte, wer oder was diese seltsamen Käuze eigentlich waren, in deren Overalls sie schlüpften. Besonders Mckenna Grace weiß als Egons Enkelin Phoebe zu begeistern, weil sie es schafft, die Erblinie zum Großvater sichtbar zu machen, ohne wie dessen Plagiat zu wirken. Sie bringt viele eigene Ticks in die Rolle. Gerade in Verbindung mit Newcomer Logan Kim geht der Plan auf, tritt der doch als ihr Leinwandpartner „Podcast“ quasi in die Fußstapfen von Ray Stantz und führt dessen naive Begeisterung für die Mythologie der Geisterwelt weiter. Hollywoods Nostalgiegefäß Nr. 1, Finn Wolfhard, ist nach „Es“ und „Stranger Things“ natürlich auch wieder dabei und belegt gemeinsam mit Celeste O’Connor die hintere Reihe der Hochgewachsenen, wobei Wolfhard die Rastlosigkeit Venkmans in Bezug auf das andere Geschlecht spiegelt und O’Connor Zeddmores innere Ruhe sowie seine Rolle als Urgestein des Ortes, der auf einmal von Geistern befreit werden muss. Coon und Rudd können hinter dem Viergespann nur noch die zweite Geige spielen, erfüllen als knuddelig-unbeholfenes Pärchen aber mit Bravour eine stützende Funktion.
Hat man sich einmal daran gewöhnt, dass wohl diesmal keine Luxus-Hotels vor den Augen Tausender Großstädter in Schutt und Asche zerlegt werden, sondern bloß abgelegene 50er-Jahre-Rollerskate-Diners und Discounter für den ländlichen Bedarf, so verspricht „Ghostbusters: Legacy“ zur Mitte hin an der Seite der souverän präsentierten Charaktere zu einer besinnlichen Wohlfühl-Nummer zu werden mit haufenweise reaktivierten Gadgets, Running Gags am laufenden Band, jede Menge Geistern und der Zelebrierung ekto- und protoplasmischer Spezialeffekte in all ihrer leuchtenden, andersweltlichen Herrlichkeit. Der „Muncher“, eine offensichtliche Verbeugung vor dem diesmal selbst nicht anwesenden Kult-Klops Slimer, scheint in einer Lagerhalle voller Metallrohre den Startpunkt für eine turbulente Geisterjagd zu setzen, als er sich mit den Kids anlegt und ein Feuerwerk aus Protonenstrahlen entfacht, das in eine furiose Autoverfolgung mündet, die dem guten alten Ecto-1 einen mehr als würdigen Auftritt beschert.
Dann aber kippt die bis dahin so ausgewogene Mischung, als ohne jede Not auf einmal der Fanshop seine Pforten eröffnet und mit Feuereifer Service am Kunden betreibt. Nach und nach schmuggelt sich ein Element des ersten Films nach dem anderen ins Skript, bis aus den einzelnen Teilen eine fast vollständige Kopie entstanden ist, eine Replika der memorabelsten Momente aus dem kollektiven Gedenken an „Ghostbusters“. Was in einzelnen Vorkommen zu Beginn noch unauffällig erscheint (immerhin machen wir schon im Prolog wieder Bekanntschaft mit dem berühmten Zuul-Sessel), das macht sich verdächtig, als ganze Sequenzen auf einmal nachgestellt werden, mal mit mehr Augenzwinkern, mal mit weniger, derweil der weniger geliebte zweite Teil auffälligerweise großflächig umgangen wird. Der bis dahin geltende Anspruch, einen Neustart zu wagen, wird nun mit jeder weiteren Szene überschrieben, bis schließlich kaum mehr etwas davon übrig ist. Schließlich stehen die Enkelkinder derselben Bedrohung gegenüber wie ihr Großvater und dessen Kollegen. Die Geisterhunde galoppieren nun mit der gleitenden Anmut digitaler Effektarbeit, Dämonin Gozer ist inzwischen mit der im Entstehungsjahr des Originals geborenen Olivia Wilde besetzt, doch den wahren Mut zur Veränderung sucht man vergebens. Angesichts des Umstands, dass auf einmal nur noch wohlbekannte Kreaturen auf die Leinwand losgelassen werden, denen auch noch die Unheimlichkeit ihrer Prototypen abgeht, fällt die Armut an frischen Geistern den Machern dann auch bald vor die Füße.
Es stellt sich im Zuge dessen die Frage, ob es dem Fan wirklich darum geht, die Rückkehr bekannter Personen, Dinge und Situationen zu feiern oder ob es ihm nicht vielmehr um die Rückkehr dieses seltsam morbiden Gefühls geht, das man als Kind hatte, wenn man sah, wie Louis nur eine Glasscheibe entfernt von der sicheren Gesellschaft von einem Monster eingekesselt wurde, wie sich Dana mit unnatürlich schneller Atmung in ein Tier verwandelte und wie Venkman während einer paranormalen Begegnung auf dem Hotelflur vollgeschleimt wurde. Wenn die Reaktivierung dieser Gefühle das Ziel gewesen sein sollte, verfehlt Jason Reitman es um Längen, denn die Offensichtlichkeit, mit der auf den Wiedererkennungswert bekannter Muster gesetzt wird, ist so erschlagend, dass man diese Morbidität letztlich gar nicht mehr nachfühlen kann. Dazu wäre es nötig gewesen, neue Geister zu erschaffen und mit ihnen neue Situationen zu arrangieren, die auf die gleiche Mischung aus Komik, Ekel, Grusel und Spaß zurückgreifen wie das Vorbild, ohne es einfach zu reproduzieren.
Und so steuert der Film schließlich auf seinen sentimentalen Höhepunkt zu, welcher sich aufgrund vorab begangener Fehler jedoch in etwas Mitleiderregendes verwandelt, das man den Herren Aykroyd, Murray und Hudson in der Form am liebsten erspart hätte. Trotz des vielversprechenden Aufbaus und der erstaunlich gut funktionierenden Neuzugänge: „Ghostbusters: Legacy“ setzt schlussendlich die falschen Schwerpunkte und verpasst die zum Greifen nahe Gelegenheit, einen echten Neubeginn mit Herz und Verstand auf den Weg zu bringen.
Informationen zur Veröffentlichung von “Ghostbusters: Legacy”
“Ghostbusters: Legacy” startete am 18. November 2021 in den deutschen Kinos. Bereits am 10. Februar 2022 erschien die Fantasy-Komödie in allen gängigen Formaten (DVD, Blu-ray, Ultra-HD Blu-ray) für das Heimkino. Die UHD selbst verfügt über keine Extras, ihr liegt aber die Blu-ray bei, auf der sich rund eine Stunde an Bonusmaterial befindet, darunter diverse Featurettes über die Originalfilme, die Spezialeffekte oder die Restaurierung des Ecto-1. Nur das 20-minütige Making Of “Beschwörung des Geistes” ist auch auf der DVD enthalten. Besonders schnell vergriffen war eine limitierte 8-Disc-Sonderedition, in der sich neben “Ghostbusters: Legacy” außerdem die ersten beiden Teile der Reihe jeweils auf UHD und Blu-ray befinden sowie zwei exklusive Bonus-Discs.
Sascha Ganser (Vince)
Den Film bei Amazon kaufen
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Sony Pictures__FSK Freigabe: FSK12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja |