Originaltitel: Gladiator II__Herstellungsland: USA/Großbritannien/Kanada/Marokko__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Ridley Scott__Darsteller: Paul Mescal, Denzel Washington, Pedro Pascal, Connie Nielsen, Joseph Quinn, Fred Hechinger, Derek Jacobi, Lior Raz, Yuval Gonen, Peter Mensah, Matt Lucas, Rory McCann, Tim McInnerny, Alec Utgoff u.a. |
Im hohen Alter dreht Ridley Scott nicht nur wie ein Besessener, oft eine Großproduktion im Jahr, sondern greift auch seine alten Arbeiten auf. Als Produzent war er an „Blade Runner 2049“ beteiligt, als Regisseur drehte er die „Alien“-Prequels „Prometheus“ und „Covenant“ sowie nun das späte Sequel „Gladiator II“.
Dessen Geschichte war eigentlich beendet, der Held Maximus tot, doch die Fortsetzung setzt rund 15 Jahre später an. Der Traum einer senatsregierten Republik Rom ist ein Traum geblieben, stattdessen sitzt das sadistische Brüderpaar Geta (Joseph Quinn) und Caracalla (Fred Hechinger) auf dem Thron. Der Expansionstrieb ist des Reichs geblieben, wie Lucius (Paul Mescal) schmerzlich feststellen muss: Sein Volk der Numidier wird von den Truppen Roms unter der Führung von Acacius (Pedro Pascal) angegriffen und versklavt, seine Frau Arishat (Yuval Gonen) wird während der Schlacht getötet. Lucius selbst stürzt schwer verletzt ins Meer und darf zwischen Leben und Tod in Nike-Werbespot-Ästhetik der Jenseitsfahrt der Seele der Gattin beiwohnen, ehe er ins Leben zurückkehrt und als Gefangener ins römische Reich gebracht wird.
Daheim wird Acacius für seine Heldentaten geehrt, aber auch gleich auf den nächsten Feldzug eingestimmt, obwohl er dies gar nicht möchte. Er träumt den Traum eines demokratischeren Roms, ist er doch mit Lucilla (Connie Nielsen) verheiratet, der Tochter von Marcus Aurelius und ehemaligen Liebschaft von Maximus. Für Lucius hingegen führt der Weg in die Gladiatorenschule von Macrinus (Denzel Washington), der sich schnell von den Fähigkeiten seines Neuzugangs überzeugt. Nicht die erste und nicht die letzte Parallele zum Original, die den schmerzlichen Unterschied der Filme bewusst macht: Während man Maximus‘ Weg durch die Ränge über Kämpfe hinweg in einer Montage sah, da besitzt Lucius augenscheinlich das Instant-Talent, um direkt zu den Spielen zu Acacius‘ Ehren als Premium-Zweikämpfer mit nach Rom genommen zu werden.
Macrinus verspricht seinem Schützling die Chance auf Rache, einen Kampf gegen Acacius auf Leben und Tod – sollte er sich weiterhin bewähren. Also tritt der Gladiator in der Arena an, schließlich hat er keine Wahl, doch der Wunsch nach Vergeltung gibt ihm Kraft…
Schaut euch den Trailer zu „Gladiator II“ an
Als „Gladiator“ anno 2000 erschien, da war er ein Anachronismus: Eine Wiederbelebung des eigentlich ausgestorbenen Sandalenfilms mit den neuesten Mitteln der Technik, aber durch diese Mischung auch irgendwie zeitlos. Ein in sich geschlossener Film, der zu keinem Zeitpunkt nach einer Fortsetzung schrie, weshalb es für „Gladiator II“ besonders von Nachteil ist, dass er immer wieder so offensiv den Bezug zum Vorgänger sucht. Schon die Handlung gleicht sich bisweilen bis aufs Haar, von der toten Ehefrau als Motivation über die Ränkespiele im Hintergrund der Gladiatorenspiele bis hin zum Racheplot, in dem jeder Arenakampf der nächste Schritt zum Ziel ist. Die positiven Figuren träumen immer noch den Traum, der Rom war, jener immer noch prominent verkörpert durch Lucilla und Gracchus (Derek Jacobi). Insofern ist es nur eine kleine Überraschung, wenn Lucius‘ immer wieder angeteaserte Herkunft enthüllt wird, kann er in der Logik von „Gladiator II“ doch nur eine bestimmte Person sein.
Doch nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen werden Motive, Situationen und Szenen aus dem Erstling wiederholt – und gerade da geht der Vergleich meist zuungunsten von „Gladiator II“ aus. Nie sieht man dies so sehr wie in den Arena-Set-Pieces, die im Erstling nicht nur die großen Highlights waren, sondern auch alle ihre in sich geschlossene Dramaturgie hatten und sich durch tolle Rauminszenierung auszeichneten. Hier trifft dies nur auf einzelne Actionszenen zu, etwa der Fight gegen den Champion auf dem Nashorn. Andere Szenen hingegen werden fragmentarisch und nebenbei gezeigt (Attacke auf und Schutz der verurteilten Verschwörer), andere dagegen regelrecht abgebrochen, sobald der Plot Point erzählt ist, wie die Seeschlacht im Kolosseum. Dabei ist diese in der Anlage durchaus beeindruckend, wenn auch historisch nur semikorrekt: Naumarchien wie diese gab es in Rom tatsächlich, jedoch meist auf Seen, seltener in Amphitheatern, und Haie konnte man dabei sicher nicht loslassen. Doch als Spektakel macht dies einiges her, nur leider hapert es an besagter Dramaturgie und Rauminszenierung: Nur in einem Nebensatz wird angedeutet, dass die Gegner Bögen haben, Lucius‘ Truppen nicht, selten ist so wirklich klar, wie viele Leute gerade noch auf jeder Seite am Leben sind, und das Ende des Ganzen kommt völlig abrupt.
Szenen wie die Naumarchie sind Beispiele für die Höher-schneller-weiter-Sequel-Logik des Films, der Einlagen wie den Tiger-Gladiatorenkampf oder den Kampf gegen die Streitwagen im Original konsequent toppen will. Da kaum ein reales Tier das leisten kann, was die Biester im Sequel tun sollen, geht in erster Linie Kollege Computer ans Werk, was bisweilen gut aussieht (Nashorn), bisweilen ziemlich missraten ist (Paviane). Auch sonst wechselt beim CGI die Effektqualität teilweise innerhalb einer Szene, gerade beim Auftakt an der Küste Numidiens. Ergänzt wird das Ganze durch immer noch pompöse Ausstattung, mit der Scott teilweise das Flair des Originals heraufbeschwören kann. Umso enttäuschender angesichts all dieses Aufwands ist dann allerdings der überraschend unspektakuläre Showdown, in dem Lucius gegen einen merklich unterlegenen Gegner antritt und diesen dementsprechend leicht besiegt.
Gerade auf der Schurkenseite hat „Gladiator II“ es schwer. Der Erstling hatte Commodus als starken wie eindeutigen Bösewicht, hier kommt der Film nicht auf den Punkt. Acacius wird zwar von Lucius als Racheziel auserkoren, das Publikum erfährt jedoch schnell seine guten, heroischen Seiten, weshalb er als Antagonist nicht taugt. Geta und Caracalla dagegen sind bleiche Lauchs, Verkörperungen spätrömischer Dekadenz, anscheinend offen für jedes Laster und jede Grausamkeit, als habe man auf den intriganten, seine Schwester begehrenden Commodus noch einen draufsetzen wollen, ohne den Figuren jedoch seine Präsenz und Stärke zu geben, weshalb sie als Oberschurken kaum taugen. Und dann ist da noch Macrinus, der ganz offensichtlich eigene Ziele verfolgt, wenn er seine Position im Machtgefüge stärkt und Rivalen durch riskante Wetteinsätze in die finanzielle Abhängigkeit treibt, von dem man aber lange nicht weiß, ob er Lucius ausnutzt oder diesem hilft. So fehlt es in der Gemengelage an einem klaren Schurken – *SPOILER* und wenn sich Macrinus auf der Zielgerade als Fiesmöpp zu erkennen gibt, dann ist das für eine funktionierende Dramaturgie eigentlich viel zu spät. *SPOILER ENDE*
Drehbuchautor David Scarpa, der für Scott schon „Alles Geld der Welt“ und „Napoleon“ schrieb, bekleckert sich hier eh nicht gerade mit Ruhm. Nicht nur ist seine Geschichte ein Aufguss des Originals mit anderen Figuren, manche Plotentwicklung wird regelrecht übers Knie gebrochen. *SPOILER* Da stehen sich beispielsweise Lucius und Acacius endlich zum Racheduell gegenüber, da ist der Gladiator am Ziel seiner Wünsche und besiegt den Erzfeind nach einem enttäuschend kurzen Duell. Doch nur weil Acacius ihm erzählt, dass er Lucius‘ Mutter liebt, will Lucius den Mörder der eigenen Gattin am Leben lassen – übrigens nur wenige Szenen, nachdem er besagte Mutter noch wutentbrannt fortschickte. Wenn Lucilla, Gracchus und ihre prodemokratischen Mitverschwörer wiederum wenige Szenen später in der Arena niedergemetzelt werden sollen, während Lucius und seine Mitgladiatoren zu deren Rettung eilen, dann können weder Scarpas Script noch Scott Inszenierung die Fallhöhe des Ganzen vermitteln. *SPOILER ENDE*
Immerhin ist Scott trotz seines größtenteils mäßigen Spätwerks immer noch ein kompetenter Handwerker, der das Geschehen immer noch in hübsche, gelegentlich auch beeindruckende Bilder zu packen weiß, auch wenn diesen der Neuheitenwert seines „Gladiator“ von 2000 abgeht. Die vorhandene Action ist gut choreographiert und übersichtlich, sodass sie trotz der erwähnten Dramaturgiemängel innerhalb der Set Pieces durchaus etwas her macht. Vor allem aber bietet „Gladiator II“ trotz seiner Mängel, trotz des unguten Vergleichs mit dem Erstling immer noch genug Kurzweil und Tempo, dass die rund zweieinhalb Stunden ziemlich flott rumgehen, auch wenn sie leider nicht sattmachen.
Paul Mescal („Aftersun“) müht sich in der Hauptrolle redlich, lässt es aber am Charisma und der Präsenz eines Russell Crowe missen, sodass er zwar okay ist, aber okay ist für eine Rolle dieser Tragweite in einem Epos dieser Große einfach zu wenig. Pedro Pascal („Massive Talent“) und Connie Nielsen („Nobody“) sind gut, aber haben viel zu wenig Screentime, um das wirklich ausspielen zu können und bleiben daher nur Randerscheinungen, während Derek Jacobi („Mord im Orient-Express“) und Peter Mensah („Snake Eyes: G.I. Joe Origins“) in ihren Minirollen untergehen. Joseph Quinn („A Quiet Place: Tag Eins“) und Fred Hechinger („Kraven the Hunter“) liefern unter bleicher Schminke semiüberzeugendes Schmierentheater ab, was angesichts des Talents der beiden schade ist. Einzig und allein Denzel Washington („The Equalizer 3“) erweist sich als Rampensau, der als gewiefter Taktiker und grinsender Schweinehunde regelmäßig den kompletten Film zu klauen droht.
So erweist sich „Gladiator II“ als typischer Vertreter des Ridley-Scott-Spätwerks: Der Mann dreht zwar mit einer Schlagzahl, als hätte er noch unheimlich viel zu sagen, aber raus kommt meist nur handwerklich sauberes, aber dürftig erzähltes Hochglanzkino. „Gladiator II“ ist einigermaßen flott, kann seine Mängel aber nie übertünchen, gerade im Vergleich zum Vorgänger, den er leider immer wieder sucht. Gerade die Arena-Set-Pieces sind wieder Highlights, aber fast alle mit Makeln versehen, sodass man sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht. Als Sequel zu „Gladiator“ ist das Ganze freilich unnötig, aber immerhin besser als Scotts zwei „Alien“-Prequel-Verschlimmbesserungen.
Starke:
Paramount hat „Gladiator II“ am 14. November 2024 in die deutschen Kinos gebracht, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Paramount__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, seit 14.11.2024 in den deutschen Kinos |