Originaltitel: Gojira__Herstellungsland: Japan__Erscheinungsjahr: 1954__Regie: Ishirô Honda__Darsteller: Akira Takarada, Momoko Kôchi, Akihiko Hirata, Takashi Shimura, Fuyuki Murakami, Sachio Sakai, Toranosuke Ogawa, Ren Yamamoto, Kan Hayashi, Seijirô Onda, Takeo Oikawa, Keiji Sakakida u.a. |
Als ungewolltes Kind einer törichten Menschheit erschaffen, zu deren Nemesis er wurde – als Ikone der Popkultur und Sympathieträger in Erinnerung behalten: Godzilla. Die Wandlung dieses Sohnes aus Gorilla und Fisch, dieser Amphibienabwandlung des amerikanischen “King Kong”, beweist, wie wenig an menschlichen Zügen ihm gegeben ist. Die Menschen lieben an ihm vor allem das Knuddelig-Unbeholfene eines Stofftiers, außerdem den eigenen Charme der “Suitmation” genannten Effekttechnik, einen Menschen in ein tonnenschweres Gummikostüm zu stecken. Tragik haftet dem Monster aber kaum an, Godzilla-Romantik ist ein flüchtiges Gut, sofern es überhaupt existiert. Godzilla ist bloß ein kaltes Reptil, das hat sich das gesamte halbe Jahrhundert gehalten, bei aller Veränderung.
Die von Tomoyuki Tanaka erschaffene und von Ishiro Honda (“Krieg im Weltenraum“) erstmals in Szene gesetzte Kreatur zeigt sich dabei vorrangig von Ray Harryhausens Tricktechnik und somit von der US-Filmindustrie inspiriert. “Panik in New York” wird als wichtiger Einfluss gehandelt und zeichnet sich in verschiedenen Einstellungen deutlich ab, so etwa, als Godzillas monströser Kopf erstmals hinter einem Landstrich auftaucht, von dem kreischende Japaner flüchten.
Apropos Flucht. Das Erbe des “Godzilla”-Regisseurs ist es auch, Japan als gesellschaftlichen Gigakomplex nach dem Vorbild eines Ameisenhaufens interpretiert zu haben. Jegliche Individualität ist seither verdrängt aus dem Bild der ostasiatischen Inselkette. Weniger sind es Helden mit einem Namen, die sich Godzilla in den Weg stellen, sondern vielmehr beobachtet man flüchtende Punkte auf einer Landkarte, flüchtend vor etwas Riesigem, das von den Punkten selbst durch systematisches Agieren miteinander erschaffen wurde. In Godzilla spiegelt sich eben auch die Wissenschaft, die viel tiefer in die Prozesse und Gesetzmäßigkeiten von Chemie und Physik eingreift, als es unserer Spezies eigentlich zustünde.
Der Blick des Volkes auf sein selbst erschaffenes Monster muss immer ein intimer sein. “Godzilla” ist die Antwort auf die mit “King Kong” öffentlich zur Schau gestellte amerikanische Angst vor der Weltwirtschaftskrise, die von der anderen Seite der Erde hinüberschallt. Er widmet sich gut zwanzig Jahre später der Politisierung von Atomenergie und setzt sich mit der Atombombenkatastrophe von Hiroshima und Nagasaki auseinander. Ein Weltkrieg steht zwischen den beiden Monstern und er hat seine Spuren hinterlassen.
So steht die Urpräsenz King Kongs der Nichtnatürlichkeit von Godzilla entgegen; der eine hat das eigentliche Anrecht auf die Welt, während es den anderen gar nicht geben dürfte. Das Reptilienartige entbindet den Zuschauer bei Godzilla deutlich stärker von der Pflicht zur Empathie als dies beim menschenähnlichen Affenwesen der Fall ist. Im Originalfilm ist Godzilla ein Irrtum, der gar nicht böse oder gut im eigentlichen Sinne ist. Kaum mehr moralische Werte gehen von dem Ungetüm aus als von einer beliebigen Gewitterwolke aus einem Katastrophenfilm; beide zerstören, weil sie nun mal als Zerstörer funktionieren.
Das Resultat ist bei “Godzilla” und “King Kong” aber weitgehend das Gleiche: Menschen rennen kreischend davon. Und hier sitzt das Bindeglied zu den cineastischen Werten beider Filme.
Filmhistorisch vielleicht, aber keineswegs in der Umsetzung kann das japanische Werk mit Coopers und Schoedsacks Meilenstein mithalten. In der mit den Jahren erfolgten Verklärung des grünen Riesen geht schnell unter, wie mittelmäßig der Urfilm in den meisten filmischen Kategorien abschneidet. Sequenzen wechseln sich zu rhythmisch miteinander ab, als dass sie allzu effektiv Spannung schüren würden, einzelne Abschnitte üben sich in Wiederholung. Anstelle sorgsam zum Leben erweckter Trickeffekte wird im wahrsten Sinne des Wortes in Echtzeit Spielzeug kaputt gemacht. Plastikzüge werden ins Maul gestopft, kleine Drähte mit den Gummistiefeln mitgeschleift. Zugegeben, die beiläufige Art der Zerstörung durch einfache Fortbewegung hat etwas beunruhigend Infantiles an sich; es ist so, als sähe man als Ameise einem unartigen Kind mit motorischen Koordinationsproblemen vom Teppich aus beim Spielen zu. Als die schwitzenden Komparsen mit bleiernen Bewegungen Stück für Stück den Bodysuit in Bewegung versetzen, können sie kaum ahnen, dass sich die Schwerfälligkeit der “Suitmation” mal als filmische Ästhetik etablieren würde. Wie auch?
Schaut in den Trailer
httpv://www.youtube.com/watch?v=GuV-Vb1PlSU
Nicht nur die schon für damalige Verhältnisse eher naiven Effekte sorgen in jungen Franchise-Jahren bereits für einen improvisierten Charakter. Dies gilt umso mehr, da sich die todbringende Silhouette vor den brennenden Toren der Stadt abzeichnet. Wie aus dem Nichts durchbricht eine überdimensionale See-Echse die Mauern Tokios, von der die Stadtmenschen geradezu überrumpelt werden. Der Strand von Odo Island, hier betritt Godzilla erstmals Land, fungiert symbolisch als Grenzüberschreitung zwischen zwei Welten, die nicht zusammengehören. In der Umkehrung der Abenteuerfilm-Prämisse, die Menschen nicht etwa zu etwas Großem auf eine Insel zu bringen, sondern das Große gleich vor ihren Haustüren abzuladen, resultiert die Besonderheit des “Königs der Monster” und wohl auch die Furcht der Japaner. Deren Heimat war es schließlich, die vom Krieg unmittelbar zerstört wurde.
Daher regieren Effektshots, in denen Modelle von Bauwerken per Slow Motion in ihre Einzelteile zerlegt werden. Die Stadt brennt ohne Unterlass in “Godzilla”, doch selten hat man das Gefühl, da würde Monumentales zerstört; vielmehr Provisorisches, ja Papiernes ist es, das den Flammen zum Opfer fällt. Wovor sie da weglaufen mögen, fragt man sich, immer auf die Kamera zu oder an ihr vorbei. Was sie wohl so in Schrecken versetzen mag. Fragen, die man angesichts der bizarren Uncanny-Valley-Kreaturen Harryhausens nie gestellt hätte. Gleichwohl kaschieren Hondas Bildkompositionen allzu offensichtliche Mängel der Suitmation im Kontext eines humorlosen Katastrophenfilms durchaus effektiv, verbergen sie doch die Unvollkommenheiten im Schatten und lassen nur die Konturen der Zerstörung im Schein der Flammen erleuchten. Doch fehlt womöglich ein wenig die Perspektive des kleinen Bürgers, der aus dem Fenster seines bescheidenen Hauses hinauf in den Himmel blickt, wo ein Gott gerade seinen Zorn auf die Stadt niederregnen lässt. Zu viel gesichtsloses Gewusel, ein zu starker Fokus auf Wissenschaft und Militär, zu wenig aus Sicht der Betroffenen – als erzähle man die Geschichte mit den Augen des Bombenwerfers, die naturgemäß blind sind für das Ausmaß der eigenen Taten.
Immerhin der wissenschaftlich-experimentelle Unterbau bietet einiges mehr als die primitiven Monster-Clash-Fortsetzungen, die folgen würden, wirklich ergiebig ist aber auch er für sich alleine genommen nicht. Godzilla wird am Ende des Films gar heruntergespielt und eine noch viel größere Gefahr prophezeit, sollte sich der Mensch nicht ändern. Gemeint ist der nukleare Holocaust. Dass dieser moralische Fingerzeig den Weg ebnete für eine schnelle Fortsetzung, stellt einen lukrativen Nebeneffekt dar.
Als Monsterfilm betrachtet ist “Godzilla” eine Legende, die ihrem Ruf nicht zwangsläufig in jeder Hinsicht gerecht werden kann, erst recht nicht, je länger die Legende nachhallt. Betrachtet man das rohe, von Interpretation unbelastete Filmmaterial, so fällt es schwer, etwas herauszuheben, einen ikonischen Moment nur, der ähnlich nachhallen würde wie einer der vielen Momente, die das andere große Monster der Filmgeschichte, “King Kong”, zu einer Sternstunde des Kinos machte. Godzilla verdient sich seine Position an der Seite Kongs jedoch als unaufhaltsame Naturgewalt, die ebenso wertneutral ihr destruktives Potenzial ausschöpft wie die Atombombe, die erst in den Händen ihres Besitzers eine politische Dimension erlangt. Über Jahrzehnte hinweg würde der Gigant nie wieder so garstig sein wie in seinem ersten Auftritt, auch wenn die klobige Suitmation-Technik innerhalb eines völlig humorlosen Films wie „Godzilla“ zumindest gewöhnungsbedürftig ausfällt. Auch die gewählte Perspektive der Erzählung ist im dramaturgischen Sinne zumindest zu hinterfragen, ist es doch aufgrund der Distanz kaum möglich, sich in ihre Position hineinzuversetzen. Um die Ängste seiner Landsleute zu manifestieren, hätte Ishiro Honda allerdings kaum eine tödlichere Nemesis auf den Plan bringen können.
Informationen zur Veröffentlichung von “Godzilla”
Es liegt in der Natur der Sache, dass dem „Godzilla“-Original nicht nur filmhistorisch, sondern auch bei der medialen Auswertung noch die meiste Aufmerksamkeit zuteil geworden ist (sieht man mal vom Werbe-Overkill für die allerneuesten US-Adaptionen ab). Dabei ist zu unterscheiden zwischen der deutschen Kinofassung, der 14 Minuten längeren japanischen Originalfassung sowie der amerikanischen Fassung „King of the Monsters“, die in Filmdatenbanken gemeinhin als eigener Film behandelt wird, weil es sich um eine alternative Schnittfassung mit zusätzlichen Szenen handelt (inklusive des nachträglich hinzugefügten kanadischen Darstellers Raymond Burr als Identifikationsfigur für das westliche Publikum). Alle Fassungen waren bereits gebündelt in der „50th Anniversary“-Edition von Splendid zu finden, wobei jeder Fassung eine eigene DVD spendiert wurde. Mit im Paket war außerdem der damals brandneue Abschluss „Godzilla: Final Wars“ aus dem Jahr 2004. Die japanische und deutsche Fassung wurde auch einzeln auf DVD ausgewertet. Später Editionen auf Blu-ray enthielten nur noch die japanische Langfassung. Das gilt auch für die 11- bzw. 12-Disc-Collector’s Editions, die neben „Godzilla“ und der direkten Fortsetzung „Godzilla kehrt zurück“ noch diverse Sequels aus der Heisei- und Millennium-Ära (90er und 00er Jahre) beinhaltet.
Bildergalerie
Sascha Ganser (Vince)
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