Originaltitel: Godzilla II: King of the Monsters__Herstellungsland: USA/Japan__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Michael Dougherty__Darsteller: Kyle Chandler, Vera Farmiga, Millie Bobby Brown, Bradley Whitford, Sally Hawkins, Charles Dance, Thomas Middleditch, O’Shea Jackson Jr., Ken Watanabe, Zhang Ziyi, Aisha Hinds, David Strathairn u.a. |
Spätestens seit dem Erfolg von Marvels „The Avengers“ erfreut sich der Shared-Universe-Gedanke immer größere Beliebtheit, so auch im Hause Warner bzw. Legendary Entertainment, welche die Riesenmonster aufeinander loslassen wollen – wobei das ja schon die Vorgänger aus dem Hause Toho so machten. Bevor aber King Kong auf Godzilla trifft, kommt erst einmal „Godzilla II – King of the Monsters“, der bereits Grundsteine für das Zusammentreffen der beiden Monstergrößen legt.
Die Auftaktszene spielt während des Finales von „Godzilla“ im Jahre 2014, in den Ruinen von San Francisco, in denen sowohl Mark Russell (Kyle Chandler) als auch seine Frau Emma (Vera Farmiga) durch die Straßen irren. Genaueres über ihre Beziehung zu der Katastrophe erfährt der Zuschauer noch nicht, aber über den Fortgang ihres Lebens: Fünf Jahre später sind beide getrennt und während Mark sich in die Wildnis zurückgezogen hat und Wölfe beobachtet, macht Emma ähnliches, wobei sie Teenagertochter Madison (Millie Bobby Brown) dabei hat. Jedoch ist sie im Auftrag der Monsterbeobachtungsbehörde Monarch unterwegs und im chinesischen Dschungel ist sie nicht unmittelbar in der Wildnis, sondern in einem Labor, in der die Riesenmotte Mothra im Larvenstadium observiert. Damit wird die Monarch-Monster-Mythologie aus „Godzilla“ und „Kong: Skull Island“ fortgeführt: Überall auf der Welt überwacht Monarch nicht nur Riesenwesen, sondern hält diese auch in speziellen Einrichtungen.
Wissenschaftlerin Emma hat ein Gerät einwickelt, das die Frequenzen, mit denen Monster kommunizieren, identifizieren und replizieren kann. Doch ansonsten läuft es für Monarch gar nicht gut: Nach dem Godzilla-Zwischenfall wollen die Militärs lieber sämtliche Monster auslöschen, weshalb die aus „Godzilla“ bekannten Monarch-Wissenschaftler Ishiro Serizawa (Ken Watanabe) und Vivienne Graham (Sally Hawkins) vor einen Untersuchungsausschuss zitiert werden. Noch schlimmer wird es allerdings, als der Ökoterrorist Jonah Alan (Charles Dance) das Monarch-Labor in China stürmt, beinahe alle Anwesenden tötet und Emma mitsamt Madison und Frequenzgerät entführt. Das dient in der Folgezeit als MacGuffin, denn damit kann man die Monster steuern.
Für die Suche nach dem Apparat und den Entführten wenden sich Ishiro und Vivienne an Mark, der nicht nur ein persönliches Interesse hat, sondern das Gerät gemeinsam mit Emma entwickelte. Als Jonah jedoch den dreiköpfigen Drachen Ghidorah freisetzt, spitzt sich die Lage zu. Die Monarch-Wissenschaftler hoffen darauf, dass Godzilla als Beschützer der Menschheit fungiert…
httpv://www.youtube.com/watch?v=sUMh_O6nLHM
Riesenmonsterfilme müssen meist zwei Dinge beachten. Zum einen sollte die Action möglichst eindrucksvoll und einfallsreich sein. Zum anderen sollten die menschlichen Figuren mehr Aufgaben haben als bloß glubschäugig den Zerstörungsorgien zu folgen und deshalb da zu sein, weil sich menschliche Zuschauer schlecht mit marodierenden Riesenwesen identifizieren zu können. All das hatte „Kong: Skull Island“ mit seiner zackigen Survival-Story mit „Apocalypse Now“-Anleihen, den einfachen, aber markig gezeichneten Charakteren und den hervorragend getimten Actionszenen bravourös hinbekommen. Leider kann „Godzilla II – King of the Monsters“ nicht ganz an dessen Tugenden anschließen, obwohl mit Michael Dougherty ein genreaffiner Drehbuchautor und Regisseur am Zuge war, der für Script und/oder Regie bei Werken wie „X-Men 2“, „Trick ‘R Treat“ und „Krampus“ verantwortlich war.
So findet die Action hier wieder oft im Dunklen oder im Vernebelten statt, außerdem ist die Kamera wackliger und der Schnitt schneller als bei den Wemmsereien auf dem sonnigen Skull Island. Im Gegensatz zu Gareth Edwards in „Godzilla“ blendet Dougherty aber nicht andauernd vor den Actionszenen aus, sondern lässt die Monster randalieren. Dabei gelingen ihm einige famose Szenen, etwa wenn Riesenvogel Rodan eine Monarch-Fliegerstaffel aufmischt oder im Finale die Tag Teams Godzilla/Mothra und Ghidorah/Rodan gegeneinander antreten. Der Ökoterroristenplot lässt auch Raum für etwas konventionelle Shoot-Out-Action, die aber nur kurz am Rande abgearbeitet wird. Vor allem geht es um das Monstergerumpel und da liefert „Godzilla II – King of the Monsters“ eben mit den erwähnten inszenatorischen Abstrichen. Die sind schmerzlich, zumal Dougherty immer wieder beweist, dass er beeindruckende Bilder um die Riesenwesen konstruieren kann, nicht nur innerhalb der Action – gerade dann, wenn Einzelpersonen einem Monster gegenüberstehen, überträgt Dougherty das Gefühl von Erhabenheit, das die Figuren fühlen müssen, aufs Publikum.
Ansonsten funktionieren die Charaktere mal mehr, mal weniger gut. Das Familiendrama der Russells ist tatsächlich recht gelungen, da der Film erst nach und nach entblättert, was während und nach der Godzilla-Attacke von 2014 geschah, auch wenn man bestimmte Dinge schnell ahnt. Problematischer sind da Ishiro und Vivienne, die wenig über den Erklärbärstatus hinauskommen, und die militärischen Monarch-Zuarbeiter, die mal einen markigen Spruch ablassen oder ebenfalls Erläuterungen abgeben dürfen. So bleiben viele der menschlichen Figuren Statisten. Auch Jonah funktioniert vor allem als Katalysator für die Monsterrangeleien, liefert aber ein paar aktuelle Ökobezüge: In den Zeiten von Klimawandel und Umweltzerstörung sind für ihn randalierende Riesenviecher der beste Weg zur Bevölkerungsschrumpfung und Schaffung eines ausgeglichenen Ökosystems. Das hat zwar Anbindung an aktuelle und wichtige Diskurse, wirkt bisweilen aber auch etwas forciert.
Immerhin: Der Ökosystem-Gedanke strukturiert das Monsterverse ein wenig mehr, etwa mit verschiedenen Hierarchien im (Riesen-)Tierreich und der Verortung von Wesen wie Godzilla oder Ghidorah darin. Dabei leistet der Film auch schon Vorarbeit für den anstehenden „Godzilla vs. Kong“ (wobei die Post-Credit-Sequenz von „Godzilla II – King of the Monsters“ schon andeutet, wie dieser Kampf wohl verlaufen wird) und teasert an, dass Monarch 17 Kreaturen überwacht oder gefangen hält. Neben Godzilla, Ghidorah, Mothra und Rodan treten einige für kurze Szenen auf, aber vor allem hat man damit Stoff für weitere Monsterverse-Filme in der Hinterhand. Problematisch wird es nur, wenn man die Mythologie nicht einfach für sich lassen kann, sondern der Meinung verfällt, dass man jeden Aspekt (pseudo)wissenschaftlich erklären muss. Also häufen sich vor allem in Filmhälfte zwei in Szenen, in denen erklärt werden muss, wie denn nun der aus „Godzilla“ übernommene MacGuffin Radioaktivität und der neue MacGuffin Frequenzgerät genau funktionieren, was ihre Auswirkungen sind usw. Hätte man Pulp einfach mal lieber Pulp sein gelassen, nicht stetig den Erklärbär gespielt – mit jeder bemühten Erklärung wirkt das Treiben eigentlich nur noch unsinniger.
Ein weiteres Manko von Hälfte zwei ist jenes, dass man für Ruhepausen zwischen den Monsterclashes sorgen muss. Also wird Godzilla zwischenzeitlich aus dem Spiel genommen und muss erst wieder reaktiviert werden (ellenlange Erklärungen inklusive), wodurch aber ein paar Tempoprobleme in dem Film entstehen, da gerade Hälfte eins ordentlich auf die Tube drückt. Diese ist dann handlungsseitig erquicklicher, liefert sogar die eine oder andere handfeste Überraschung. Hälfte zwei hat dann mehr knallige Action, holpert aber erzählerisch mehr. In einem Punkt ist „Godzilla II – King of the Monsters“ aber erfrischend konsequent: Die Reihen der Belegschaft werden ausgedünnt und dabei nicht nur die Stichwortgeber aus der zweiten bis dritten Reihe.
Wobei selbst kleinere Rollen prominent besetzt sind. Bradley Whitford („Cabin in the Woods“) sorgt für Laune als Monarch-Wissenschaftler mit losem Mundwerk, während O’Shea Jackson Jr. („Criminal Squad“) und Aisha Hinds („Star Trek: Into Darkness“) versuchen das Beste aus ihren undankbaren Soldatenrollen zu machen. Die Schauspielschwergewichte Ken Watanabe („Die Geiselnahme“), Sally Hawkins („Shape of Water“) und David Strathairn („Das Bourne Ultimatum“) reaktivieren ihre „Godzilla“-Rollen und setzen Akzente, bleiben aber ebenso Nebendarsteller wie Zhang Ziyi („The Cloverfield Paradox“) als Monarch-Wissenschaftlerin und Nachfahrin der „Kong: Skull Island“-Forscherin San Lin. Kyle Chandler („Zero Dark Thirty“) wirkt dagegen zwar immer wie ein Nebendarsteller, der sich versehentlich in eine Hauptrolle verirrt hat, schlägt sich aber wacker als heldenhafter Wissenschaftler-Daddy. Noch stärker ist Vera Farmiga („The Commuter“) in der wohl stärksten Performance des Films, wobei Millie Bobby Brown ihr kaum nachsteht. Trailer hatten noch vermuten lassen, dass sie bloß ihre „Stranger Things“-Rolle aufkocht, doch besagte Szene ist im Film anders als im Trailer. Dagegen wirkt Charles Dance („Dracula Untold“) wie die Ökoterroristenversion seiner „Game of Thrones“-Rolle, ist aber ein herrlich fieser Sausack.
So macht „Godzilla II – King of the Monsters“ mehr richtig als „Godzilla“, aber weniger als „Kong: Skull Island“: Die Action ist nicht so übersichtlich und der Menschenplot weniger interessant als dort, zumal der Film manchmal zu sehr in Erklärwut ausartet. Doch stark komponierte Shots, bildgewaltige Zerstörungsaction und die starke Besetzung sorgen dafür, dass „Godzilla II – King of the Monsters“ mehr Spaß macht als Edwards‘ Film oder Tohos dröger „Shin Godzilla“.
© Nils Bothmann (McClane)
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„Godzilla II – King of the Monsters“ ist ein Monsterfilm, der es mit seiner Vorlage ernst meint
Das Volk hat gesprochen! Es verlangte nach mehr Godzilla, es sollte mehr Godzilla bekommen. Man muss die fertige Fortsetzung nicht gesehen haben, um sich dessen gewiss zu sein. Ein Blick in den Trailer oder auf die Poster reicht schon. Oder auch ein Helikopterflug über Skull Island mit anschließender Deutung der Höhlenmalereien. Kein Versteckspiel mehr, damit sind wir durch. Diesmal wurde nämlich die halbe Tōhō-Werkstatt geplündert. Und so etwas macht man nicht, wenn man weiter dem „Weißen Hai“ nacheifern möchte. Schon rein rechnerisch kann man sich ausmalen, was passiert, wenn man vier altgediente Legenden des Kaiju-Films in einem Zweistünder zusammenbringt und drei von ihnen auch noch ihr US-Debüt feiern lässt. Ebenso gut könnte man an mehreren hunderttausend Tonnen TNT zündeln. Was soll man damit schon anstellen, wenn nicht alles an einem Abend als japanisches Feuerwerk verpulvern?
Nichts gegen die MUTOs, die den Monster- und auch Sound-Designern im 2014er Neustart von Gareth Edwards durchaus gelungen sind; doch bei ihnen handelte es sich eben um Neukreationen (auch mal schön) ohne Fan-Base im Rücken, die auch noch solo gegen den König antreten mussten. Jetzt wird erstmals wirklich spürbar, dass Hollywood den japanischen Gründervätern endgültig den Respekt zollen möchte, den Emmerich noch mit Füßen trat, als er ein Zerrbild des Riesenlurchs erstmals dem amerikanischen Markt vorstellte. 20 Jahre nach Emmerich ist dies hier nun tatsächlich als majestätischer Action-Walzer in Makrodimensionen konzipiert, der sich mit Respekt verbeugt anstatt in amerikanischer Arroganz zu schwelgen. Inbegriffen ist die Erfüllung aller Begierden, die Edwards vor fünf Jahren durch sein Nicht-Zeigen (oder maximal Ausschnitt-Zeigen) geweckt hat. Die daraus resultierende Fokus-Verschiebung spricht für sich. Mehr Prügel, mehr Laserstrahlen, mehr Tōhō: Gäbe es einen Sonderpreis für die Berücksichtigung von Fan-Wünschen, „Godzilla II: King Of Monsters“ müsste ihn eigentlich abräumen.
Damit ist natürlich noch nichts über die Umsetzung gesagt. Letztlich laufen moderne Godzilla-Streifen aus Hollywood doch immer wieder auf dieselbe Problematik hinaus: Wie ersetzt man Statisten in Gummianzügen gegen zeitgemäße Computeranimationen und bewahrt dabei trotzdem den Charme der japanischen Vorlage? Ist das überhaupt möglich?
Das trashige Vergnügen, das die Suitmation-Technik in Bewegung bereitet, ist selbstverständlich nicht zu erwarten, sehr wohl allerdings wird mit den Japanern die Freude an der Biegung aller physikalischen Gesetze geteilt. Wer einen überdimensionalen Flugsaurier aus einem Vulkan ausbrechen lässt, der hat zweifellos keine Scheu mehr, den Pfad des Realismus zu verlassen. Abseits der Spur dagegen gibt man vor, das Irreale könnte nach den Gesetzen der Natur funktionieren. So kommen wir in den Genuss von Bildern, die nicht nur effektiv mit Größenverhältnissen spielen, sondern auch mit der Physik, die hinter dem Antrieb steckt. Wenn Rodan sich in die Lüfte erhebt, ist davon ein Umfeld von mehreren Kilometern betroffen; stürmt er über ein Dorf, wird dieses durch den Luftsog dem Erdboden gleichgemacht. Die Manöver in der Luft sind stets von einer massigen Wucht geprägt, die spürbar macht, dass die Schwingen einen mehrere tausend Tonnen schweren Körper in der Luft halten müssen. Rodan hat mit seiner Ausbruchsszene und einem kurzen Auftritt im Endkampf verhältnismäßig wenig Screentime, hinterlässt dabei aber Spuren der Verwüstung auf der Leinwand und einen Eindruck schieren Volumens in der Wahrnehmung des Zuschauers.
Bei Mothra ist der Ansatz ein anderer. Seit sie in „Mothra bedroht die Welt“ 1961 ihren ersten Leinwandauftritt feierte, ist ihre Konnotation eine weibliche und somit ein einsamer Gegenentwurf in einem Universum voller trampelnder Kolosse, denen stillschweigend das männliche Geschlecht unterstellt wird. Begleitet wurde sie seit jeher von Metamorphose und Entwicklung. Die einzig würdige Einführung konnte also nur eine solche sein, bei der ihre wahre Gestalt nur stückweise enthüllt wird. Sie ist das erste Kaiju des Films und tritt zunächst als weiche, organisch pulsierende Silhouette in Erscheinung, die zwar für ihr Umfeld aufgrund ihrer Größe genauso eine Gefahr darstellt wie alle anderen Kreaturen des Films, jedoch hochsensibel auf äußere Reize reagiert. Die Autoren errichten damit auch die notwendige Verbindungsbrücke zwischen Mensch und Monster. Die winzige Hand der kleinen Hauptdarstellerin Millie Bobby Brown ist nur wenige Zentimeter von der Epidermis der Riesenlarve entfernt. Es entsteht ein Moment wie mit dem Brontosaurus in „Jurassic Park“: Faszination siegt über Furcht.
Kein Zweifel besteht daran, wie sich die Hackordnung nach oben hin weiter fortsetzt: Natürlich kann King Ghidorah keine andere Position einnehmen als die des Hauptgegners Godzillas. Der dreiköpfige Drachen ist einem westlichen Publikum vielleicht noch am schwersten zu vermitteln, weil er sich so deutlich wie kaum ein anderes Kaiju an die japanische Mythologie lehnt; so soll die achtköpfige Riesenschlange Yamata no Orochi bei seinem Entwurf als Inspiration gedient haben. Die Creature Designer von „Godzilla II“ berücksichtigen das mit einem stark an fernöstlicher Folklore orientierten finalen Design, das anders als Mothra, Rodan oder Godzilla nicht mehr viel Irdisches in sich trägt und somit auch als Verkörperung von Zerstörung und Tod durchgeht.
Gefunden wird er ähnlich wie Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ im ewigen Eis, als eingefrorene Box der Pandora. Einmal befreit, geht es um nichts anderes mehr als gnadenlose Auslöschung. Es ist wahrhaft ein Film voller wild schwingender, hasserfüllt fauchender Köpfe, die Blitze spucken und unentwegt fürchterliches Unheil anrichten. Voller majestätischer Silhouetten einer balzenden Kreatur, die noch längst nicht fertig ist mit ihrem Werk, solange auch nur noch ein Kreuz aufrecht im Boden steckt. Ghidorah ist so präsent, dass mancher Godzilla-Fan trotz stark gestiegener Screentime seines Lieblings zu dem Urteil gelangen könnte: Nein, das ist mir immer noch nicht genug. Vielleicht handelt es sich sogar um einen verkappten Ghidorah-Film, denn die Konstellation der vier Hauptmonster ist exakt die gleiche wie in seinem Debüt „Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah“.
Dieses zutiefst fragile Gebilde aus Antagonisten bildet nun das Gerüst, um allerhand Grundzutaten der Originalfilme miteinander für ein festliches Monster-Bankett zu verrühren. Es geht um die Dominanz Einzelner, um die Allianzen zwischen Verbündeten, um die haarfeine Grenze zwischen Naturwissenschaft und Religion und natürlich auch diesmal wieder darum, vor der Zerstörung der Umwelt zu warnen. Der Film stellt dabei eine hochinteressante These auf, die den ewigen Widerspruch des Städte zerstörenden Menschenfreunds gewissermaßen auflöst: Wo immer Godzilla seine Fußspuren hinterlassen hat, folgt ihm die Erholung der Natur. Der Grundstein für diese These wurde bereits 2014 gelegt, als ein verstrahltes Gebiet gezeigt wurde, das in Abwesenheit des Menschen die Möglichkeit zur Regeneration erhielt.
Nachdem ein lilafarbener Bösewicht namens Thanos gerade in Marvels Comic-Adaptionen die Selbstjustiz auf die Ebene des Genozids gestellt hat, wird diese Rolle nun von ganz normalen Menschen übernommen, die den drohenden Untergang der Welt vor sich sehen und sich zum Handeln gezwungen fühlen. Im Zuge dessen entstehen Charaktere, die auf den ersten Blick flach und eindimensional wirken, weil sie auf den Gesamtzusammenhang bezogen eine simple Trigger-Funktion einnehmen: Als „Entfessler“ treten sie in Erscheinung, Schmiede ihres eigenen Schicksals also, Beschwörer ihrer eigenen Dämonen. Dass die so ins Spiel gebrachten Giganten oft nichts besseres zu tun haben, als die kleinen Ameisen auf dem Boden mit ihren Blitzen zu peitschen und ihren Hufnägeln zu zerdrücken, lässt sich allenfalls durch dieses unsichtbare Band erklären; rein rezeptiv jedenfalls müsste das Interesse der Monster an ihren Erweckern wesentlich geringer sein.
Demzufolge entsteht bei der Konzeption der Actionszenen auch so manche Holprigkeit, sobald der Fokus vom „normalen“ Makro- in den Mikrokosmos wechselt. Solange sich zum Beispiel die Animatoren Rodans auf die reine Flugphysik konzentrieren können, erschaffen sie fast schon glaubwürdiges Demo-Material nach dem Motto „was würde mit den Luftteilchen passieren, wenn es in Wirklichkeit so ein mächtiges, flugfähiges Tier geben würde?“. Sobald aber Kampfjets ins Spiel geraten, muss die Dynamik komplett neu berechnet werden, will man das Ungetüm auch nur halbwegs in die Nähe der Rückspiegel der Piloten bringen.
Besonders im Schlusskampf, als sich sämtliches Viehzeug in der Stadt zum Tag-Team-Wrestlingmatch verabredet, sollte man schon viel Vertrauen in die Kraft des Zufalls aufbringen, wenn es darum geht, die menschlichen Charaktere durch den Acker der Verwüstung zu lotsen und möglichst wieder unbeschadet aus den Trümmern zu bergen. Je länger der Endkampf jedenfalls dauert, desto größer die Überzeugung: In einer risikofreudigen Alternativwelt wäre es den Versuch wert gewesen, einfach mal einen Godzilla-Film im „Koyanisqaatsi“-Stil zu drehen: Ohne Dialog, nur Musik und dazu der Tanz der Giganten. Wozu das CGI-Ballett in Verbindung mit Bear McCrearys Musik und dem 45-köpfigen Team für die Soundeffekte nämlich imstande gewesen wären, zeigen einzelne Sequenzen, in denen das Audiovisuelle zur Vollendung reift: etwa dem Moment, als erstmals das wunderschön neu interpretierte „Mothra“-Theme erklingt. Überhaupt ist Mothra der Mittelpunkt von einigen der ästhetischsten Augenblicke des Films.
Ganz ohne Menschen geht es aber eben nicht, also wurde der Cast mit allerhand großen Namen aufgepumpt, bis in unscheinbare Nebenrollen hinein, die von Akteuren wie CCH Pounder oder Zhang Ziyi besetzt werden. Als unterbeschäftigt werden sie bezeichnet, das Versagen der Autoren bei der Figurenzeichnung wird bereits in proportionaler Umkehrung zu 2014 als Hauptmangel angeführt (und dabei vergessen, dass auch 2014 schon über die Figuren gemeckert wurde, ebenso wie bei „King Kong“ und überhaupt jedem einzelnen Godzilla-Film, der jemals in Japan gedreht wurde). Dabei liegt das eigentliche Problem vielleicht eher im Zusammenschnitt der Berührungspunkte zwischen Mensch und Monster. Das sind zwei Ebenen, die hier parallel zueinander ablaufen. Entsprechend vorhersehbar wird der Rhythmus: Auf Reaktivierung von Kaiju #1 folgt eine Umweltdebatte, dann Reaktivierung von Kaiju #2, die Debatte wird mit harschem Ton weitergeführt, Kaiju #3 erwacht, dann beginnen Godzillas Rückenplatten zu leuchten und plötzlich gibt es nichts mehr zu debattieren. Genießt den Weltuntergang, Freunde.
Godzilla, nun, der mimt den angeschlagenen Boxer, der unsere Sympathien längst gewonnen hat, seit er den MUTO bei Edwards mit seinem rar eingesetzten Atom-Atem regelrecht zerfetzt hat. Was für ein befriedigender Moment das war, ein Augenblick zum Jubeln, wie in der letzten Runde von „Rocky“, als der geschundene Außenseiter plötzlich noch einmal zurückschlägt. „Godzilla II“ ist nun ein Äquivalent zu „Rocky II“, der ultimative Beweis, dass wir es hier mit dem wahren König der Boxer zu tun haben. Der Film schreckt nicht einmal vor anthropomorphen Darstellungen zurück, um die Rangorder klarzustellen.
Das gelingt nur bedingt. Über Edwards’ Sparsamkeit kann man ja meckern, wie man will, aber atemberaubende Bilder wie den Fallschirmsprung, den initialen Schrei der Bestie oder eben den Final Move („Fatality“, wie man bei „Mortal Kombat“ sagen würde) bekommt die Fortsetzung in dieser Intensität nicht mehr hin. Na klar, immer noch möchte man die Fäuste recken, wenn sich unser alter Kumpel wieder aufrappelt und einen Gegenschlag ausführt, es ist aber schon eine Menge Atomleuchtkraft vonnöten, um uns zu überzeugen, dass hier ein nochmaliger Höhepunkt vorliegt. Dabei spielt auch mit ein, dass die grundsätzlich wuchtig choreografierten Kämpfe zwar nicht hinter schnellen Schnittfrequenzen versteckt werden (diesen Irrweg haben wir hoffentlich für alle Zeiten hinter uns gebracht), dafür aber hinter einer blau-weißen (bzw. im Fall von Rodan rot-braunen) Farbpalette, die sich expressionistisch über die Animationen legt und leider viel von ihrer Dynamik verschluckt. Regentropfen, Nebel und Nachtdämmerung verzerren viele Höhepunkte unnötig, noch dazu wird das Setdesign einmal mehr von Zentralen voller Bildschirme, Knöpfe und Hi-Tech-Geräte dominiert. Hier behält „Kong – Skull Island“ mit seinem exotischen Setting klar die Nase vorne.
Trotzdem ist „Godzilla II“ ein Monsterfilm, der es mit seiner Vorlage vollkommen ernst meint. Aller Schwächen zum Trotz: Das erschafft Sympathien. Die werden nur noch größer, als die 2017 verstorbenen Yoshimitsu Banno (Regisseur des herrlich bekloppten „Godzilla vs. Hedorah“) und Haruo Nakajima (vielfacher „Godzilla“-Darsteller) im Abspann geehrt werden und Godzilla, Mothra, Ghidorah und Rodan als „Him/Herself“ geführt werden – voller Respekt gegenüber all den Statisten, die am Set der Tōhō-Produktionen stundenlang im eigenen Safte brühten, um ihr Publikum glücklich zu machen.
Warner bringt „Godzilla II – King of the the Monsters” am 30. Mai 2019 in die deutschen Kinos.
© Sascha Ganser (Vince)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Warner Bros. Entertainment Inc. and Legendary Pictures Productions__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 30.5.2019 in den deutschen Kinos |