Originaltitel: Mosura tai Gojira / Mothra vs. Godzilla__Herstellungsland: Japan__Erscheinungsjahr: 1964__Regie: Ishirô Honda__Darsteller: Akira Takarada, Yuriko Hoshi, Hiroshi Koizumi, Yû Fujiki, The Peanuts, Yoshifumi Tajima, Kenji Sahara, Jun Tazaki, Kenzo Tabu, Yutaka Sada, Akira Tani, Susumu Fujita u.a. |
Spiel, Spaß, Spannung… Schmetterlinge
Wäre „Godzilla und die Urweltraupen“ ein Suspense-Horrorfilm, so würden wir in unserem Kopf permanent eine Uhr ticken hören und auf kleine Risse in der Eierschale achten. Das angespülte Riesen-Ei am Strand eines japanischen Dorfes würde uns wie eine dieser Party-Torten vorkommen, in die man eine Stripperin gesteckt hat. Nun, vielleicht wäre mit Blick auf die Franchise eine Atombombe noch wahrscheinlicher. Man müsste die Neugier der Schaulustigen zwangsläufig als moralische Verfehlung betrachten, die höchstwahrscheinlich im Laufe der Handlung noch vom Drehbuch bestraft würde. Wir jedenfalls würden solange hinter dem nächsten Felsen Deckung suchen, das Ei könnte schließlich in die Luft fliegen.
Wäre „Godzilla und die Urweltraupen“ ein Finanz-Thriller, so erfreuten wir uns an dem skrupellosen Vorgehen kapitalistischer Schweinepriester, die selbst dann ein Geschäft wittern, wenn sie nicht einmal genau wissen, was es eigentlich ist, das sie da zu Geld machen wollen. Unsere Helden der Geschichte sind die tugendhaften Wissenschaftler, denen nichts als das Wohl der Erde am Herzen liegt, und die tapferen Reporter, die der Wahrheit auf der Spur sind. Hoffen wir also, dass sie den fiesen Unternehmern gemeinsam das Handwerk legen. Ein Hoch auf die Wissenschaft, es lebe die Pressefreiheit!
Wäre „Godzilla und die Urweltraupen“ ein Katastrophen- und Abenteuerfilm, so hätten die Japaner gerade erst wieder den Tokyo Tower neu aufgebaut, den Mothra drei Jahre zuvor noch dem Erdboden gleichgemacht hatte – und prompt bliebe Tölpel Godzilla mit dem Schwanz im nächsten Turm stecken und würde ihn bei dem Versuch, sich loszueisen, ebenfalls niederreißen. Uuups! Liebe Städter: Geht euch das ständige Umkippen von Bauwerken langsam auf die Nerven? Keine Sorge, es gibt eine Lösung für eure Probleme. Macht doch einfach mal Urlaub auf Infant Island! Dort gibt es traumhafte Strände voller Gerippe, dumm in die Wäsche schauende Riesenschildkröten, Eingeborenenvölker, die den ganzen lieben Tag Bongos trommeln und bunt beleuchtete Götzen-Statuen! Einfach anbetungswürdig!
Wäre „Godzilla und die Urweltraupen“ eine Familien-Sitcom, würden wir uns königlich darüber amüsieren, wie Godzilla von seiner Alten mächtig auf die Mütze bekommt. Der selbsternannte König der Männ… ähm, Monster versucht sich noch gestikulierend aufzuplustern und die symbolischen Hosen anzubehalten, doch sie keift herum und macht solch einen Riesenwind um Nichtigkeiten (er sei ein Säufer meint sie, er strahlt schon radioaktiv von dem ganzen Alkohol, sagt sie… pah!), dass durch ihr Gezeter am Ende sogar die Zwillinge aufwachen, die bis dahin brav in ihrem Puppenbettchen geschlafen hatten. Und als Krönung schlagen die sich auch noch auf die Seite ihrer Mutter und spucken Papazilla an, bis der sich nicht mehr bewegen kann. Im Publikum säße übrigens ein einzelner Kerl, der pausenlos Eier mampft, anstatt an den vorgesehenen Stellen zu lachen.
„Godzilla und die Urweltraupen“ bedient zwar keines dieser Genres mit ganzem Herzen, aber doch ein bisschen von allen. Es ist eben ein Godzilla. Der vierte wohlgemerkt und dabei zugleich der erste, in dem er auf Mothra stößt. Noch im gleichen Jahr würde das Riesenreptil auf die Seite der Guten wechseln („Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah“), es handelt sich hier also um die seltene Gelegenheit, ihn noch einmal so fies zu sehen, wie Ishirō Honda ihn einst schuf: als atomar strahlende Bedrohung, die hinter den japanischen Bergen auftaucht und Fischerdörfer so kampflustig anglotzt wie ein Rabauke eine frisch aufgebaute Lego-Burg.
Schaut in den Trailer von “Godzilla und die Urweltraupen”
httpv://www.youtube.com/watch?v=RFDNj1nJdP8
Doch unser alter Bekannter lässt sich eine Menge Zeit. Während er vermutlich immer noch seine Kampfwunden aus dem Kampf mit King Kong näht, nimmt der Film das gemächliche Tempo des ersten „Mothra“-Films an, mit dem die Wege hier gekreuzt werden. Ein Sturm lässt zu Beginn mächtig Atmosphäre aufkommen und der darauffolgende Tag bringt Mysteriöses zu Tage, um das sich allerhand typische Comic Reliefs aus der Honda-Schmiede tummeln können: Eher positiv konnotierte Reporter und Wissenschaftler stehen Villains gegenüber, die zur Not auch über Leichen gehen, um ihren Reichtum zu vermehren. Monster lassen sich zunächst aber lange nicht blicken; zur tricktechnischen Auflockerung dienen allenfalls ein paar Spielereien mit den Größenverhältnissen rund um das angespülte Ei und eine erweiterte Szene um die Shobijin-Zwillinge, die in einem Büro mit den fiesen Kapitalisten Fangen spielen. Dazu werden noch große Matte Paintings aufgestellt und mit klein abgefilmten Menschengruppen zu einem Panorama aufgeblasen. Ansonsten muss man sich mit den üblichen Konflikten zwischen Intellektuellen und Aggressoren vor der Kulisse besorgter Bürger und schussbereiten Militärs begnügen, die diesmal leider weder einen besonders abgefahrenen Subplot zu bieten haben noch außergewöhnlich viel Humor beinhalten, sieht man mal von einem Redakteur ab, der ein Ei nach dem anderen in sich hineinstopft.
Auch als Mothra und Godzilla schließlich den Ring betreten, bleibt der Ton vergleichsweise gemäßigt. Selbstredend kommen Fans der Miniatur-Modellkunst in der letzten halben Stunde trotzdem auf ihre Kosten, jedoch fehlt einerseits der Druck der Zerstörungsorgien späterer Fortsetzungen, andererseits setzt so ein Crossover zwischen zwei etablierten Kaijus nun auch nicht mehr gerade die tiefen Subtexte der frühen Solo-Auftritte frei. Wenn man sich entscheiden müsste, würde man aber sagen, dass Honda vor allem letztere Richtung einschlagen wollte. Denn hier kämpft natürlich nicht einfach bloß Mothra gegen Godzilla, sondern Mutter Natur gegen die Atombombe, inszeniert als finaler Standoff zweier Giganten, die noch ganz unter sich sind. Als die Wissenschaftler mit dem Strahlenmessgerät unterwegs sind und das Ei als unbedenklich einstufen, wird klar, dass Godzilla für seine alte Rolle vorgesehen ist, ein trampelndes Kernkraftwerk, das wie ein Boomerang auf die Gott spielenden Menschen zurückfällt.
Weil die Choreografie dieser metaphorischen Linie entsprechen möchte, ist sie vergleichsweise ernst angelegt. Godzilla, der normalerweise für allerhand GIF-würdige Gesten zu haben ist, hat einen eher humorlosen Auftritt. Selbst das Kostüm wirkt schlaff; in der Bewegung wabbeln seine Bäckchen wie die Lefzen einer Dogge. Unter Berücksichtigung des Gegners ist es auch kein Wunder, dass die Attacken fast körperlos ausfallen; Atomstrahlen, Windböen und Giftstaub sind die bevorzugten Waffen in der Konfrontation. Einzig seinen Schwanz muss Godzilla mehrmals vor den hinterlistigen Attacken von Motte und Urweltraupen in Sicherheit bringen. So sind’s halt, die Frau’n…
Wer dem Vollblut-Trash der wahrhaft abgedrehten Teile nicht allzu sehr zugetan ist, der wird sich über diese insgesamt doch eher gemäßigte Ausrichtung vielleicht sogar freuen. Andererseits; schaut so jemand überhaupt freiwillig Godzilla-Filme? Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich „Godzilla und die Urweltraupen“ wie im Grunde fast jeder Teil der langen Reihe als Fan-Liebling eignet, je nachdem, welche persönlichen Maßstäbe man setzt. Tōhō hat aber wesentlich verrückteres und unterhaltsameres Zeug in seinem Katalog.
Gute
Informationen zur Veröffentlichung von “Godzilla und die Urweltraupen”
Die DVD lebt
Der Release von „Godzilla und die Urweltraupen“ könnte ein wenig Verwirrung verursachen. Im April noch erschien „Mothra bedroht die Welt“ als Blu-ray-DVD-Combo. Das Mothra-Godzilla-Crossover gibt es nun aber nur noch als Doppel-DVD. Warum das?
Der Grund für das technische Downgrade besteht offenbar in einer Kombination aus Vorgaben durch den Lizenzgeber und einfacher kaufmännischer Logik. „Mothra bedroht die Welt“ wurde noch von Columbia / Sony vertrieben, eine Veröffentlichung im Dual-Format stellte somit kein Problem dar. Anders liegt der Fall bei „Godzilla und die Urweltraupen“. Hier ist die Tōhō der Lizenzgeber und deren Vorgaben besagen offenbar, dass die Veröffentlichung von Blu-ray-DVD-Kombinationen für ihren Katalog nicht erwünscht ist. Es lief also auf eine Entscheidung für eines der beiden Medien hinaus. Und da die DVD auch über zehn Jahre nach der Einführung ihres blauen Nachfolgers immer noch die größeren Marktanteile erzielt, waren die Würfel zugunsten der Doppel-DVD gefallen – zumal die Kaiju-Classics-Reihe von Anolis ursprünglich ohnehin eine DVD-Reihe war.
Bild und Ton
Nun, die Technik-Afficionados werden darüber sicherlich keine Luftsprünge machen, denn den Film sehen wir nun (vorerst) nicht in der bestmöglichen Präsentation. Gleichwohl hat man sich natürlich bemüht, dennoch das Beste aus dem Medium herauszuholen – schließlich ist die DVD in Bestform gerade auf einem guten HD-TV immer noch zu mehr als zufriedenstellenden Ergebnissen in der Lage. Wären da bloß nicht die teilweise vorzüglichen Transfers der bisherigen Blu-rays im Hinterkopf abgespeichert… dies beiseite geschoben, bietet die vorliegende DVD aber immerhin ein solides Bild, das gerade in den Monster-Close-Ups besonders detailreich wirkt. An anderen Stellen erscheinen die Konturen allerdings auch mal etwas weich; hin und wieder kommt es außerdem zu minimaler digitaler Artefaktbildung. Die Farben wirken durchgängig leicht ausgewaschen. Verschmutzungen lassen sich dagegen kaum ausmachen.
Der Ton liegt in Deutsch und Japanisch im 2.0-Mono-Format vor. Qualitativ sind beide Spuren auf einem sehr ähnlichen Level, der Originalton hat naturgemäß gerade bei der Sprachwiedergabe einen natürlicheren Klang. Wer die 1974 erstellte Synchronfassung schaut, wird u.a. Arne Elsholtz (Akira Takarada) und Wolfgang Völz (Jun Tazak) zu hören bekommen.
Audiokommentare und Filmfassungen
Es sind übrigens zwei, oder wenn man es ganz genau nehmen will, drei Fassungen des Films an Bord. Nur die japanische Fassung auf Disc 1, die man wohl als Hauptfassung bezeichnen kann, besitzt beide Tonspuren, wobei eine Passage von wenigen Sekunden Dauer kurz vor Filmende ohne nur im Originalton vorliegt. Für die japanische Fassung finden sich auch neu erstellte deutsche Untertitel. Sie lässt sich außerdem mit zwei deutschen Audiokommentaren abspielen, die beide eigens für diesen Release aufgenommen wurden. Einmal haben wir die Möglichkeit, uns in die gesellige Runde von Jörg Buttgereit, Bodo Traber und Alexander Iffländer zu begeben, denen man natürlich anhört, dass sie hier nicht zum ersten Mal einen Godzilla-Kommentar aufnehmen. An einer Stelle schicken sie dann virtuelle Grüße an den anderen Kommentar, der solo von Florian Bahr beigesteuert wird. Hier wird der Zuschauer mit „Sie“ begrüßt und erfährt folglich eine etwas formellere Stimmung. Man könnte also sagen, es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Gemeinsam haben die Kommentare das Fachwissen über alles, was Schuppen, Flügel oder Reißzähne hat.
Das Bonusmaterial
Das übrige Bonusmaterial teilt sich relativ gleichmäßig und vor allem thematisch passend auf beide DVDs auf. Auf der Haupt-Disc bekommen wir mit „60 Jahre Godzilla: Akira Takarada erzählt“ allerdings das Kernstück geboten. Der immer noch lebende Hauptdarsteller des Films, der zuletzt sogar noch ein kleines Cameo in der US-Version von 2014 feierte (das allerdings leider auf dem Schneidetisch landete), erzählt hier während eines Aufenthalts in Essen eine gute halbe Stunde lang über das 50-jährige Jubiläum des Filmes (das Interview datiert ebenfalls von 2014) und über seine generellen Erfahrungen im Filmgeschäft. Sehr viel scheint ihm schon immer daran gelegen zu haben, sich in die amerikanische Perspektive einzudenken und sich vorzustellen, welchen Blick auf die japanische Echse wie auch das japanische Volk die Amerikaner haben mögen. Während des Gesprächs beweist er auch immer wieder einen ausgeprägten Sinn für derberen Humor, den man ihm auf den ersten Blick gar nicht zutrauen würde. So habe er seinen früheren US-Schauspielkollegen Nick Adams („Das Grauen auf Schloss Witley“) den „geilen Nick“ genannt, weil der ihn immer gebeten habe, ihm attraktive Japanerinnen vorzustellen; außerdem sei Nick, ebenso wie er selbst, ein ziemlicher Trinker gewesen.
Abgesehen vom japanischen Kinotrailer und einer Bildergalerie mit internationalen Motiven hat die erste Disc außerdem noch eine knapp 8-minütige Super-8-Fassung in s/w zu bieten, mit herrlich verwaschener Optik, übelsten Materialverunreinigungen und einem Ton, der fast schon als Demo für Hörschwäche im Alter durchgeht. Wer die Blu-ray vermisst, schaut hier einfach nochmal rein, um sich richtig abzuhärten.
Ostereier-Suche
Disc 2 hat dann neben der deutschen Kinofassung des Films, die ohne japanischen Ton oder Audiokommentare auskommen muss, noch eigene Extras zu bieten. So gibt es hier den durchaus hörenswerten deutschen Trailer (mit richtigem Retro-Flair), einen Werberatschlag, das Presseheft und noch einmal eine eigene Bildergalerie mit rein deutscher Motivauswahl. War es das? Nicht ganz – da hat sich doch tatsächlich ein Easter Egg auf die Disc geschlichen. Nichts wäre passender bei einem Film, der sich hauptsächlich um Eier dreht. Wir möchten unbedingt dazu auffordern, auf Eiersuche zu gehen, zumal sich das versteckte Feature absolut lohnt! Wer jedoch findet, dass Anolis das Ei zu gut versteckt hat, der kann sein Glück ja mal auf dieser Seite versuchen – denn auch wir haben hier irgendwo in dieser Kritik einen kleinen Abschnitt versteckt, in dem wir euch den Lösungsweg verraten und schon mal einen kleinen Ausblick geben, was euch erwartet! Vielleicht sind wir beim Versteckspielen ja ein weniger perfektionistisch…
Die Verpackung
Bei der Verpackung müssen übrigens gegenüber „Mothra bedroht die Welt“ keine Abstriche gemacht werden. Wieder bekommt der Käufer für sein Geld ein sehr wertiges, ungemein schweres Metalpak in der bekannten Metall-Optik mit flotten roten Rennstreifen. Der Innendruck ist eine schicke Schwarzweiß-Collage aus Godzilla, Mothra und den schlüpfenden Raupen. Außerdem mit dabei: Ein 20-seitiges Booklet mit reichhaltigen Produktionsdetails, vielen Postern und Aushangfotos, Kapitelliste sowie dem Text „Ein Überraschungsei für Godzilla“ von Ingo Strecker, der das Zustandekommen dieser Produktion aufbauend auf den Solo-Filmen analysiert und anschließend ausführlich auf Effektarbeit und Darsteller eingeht. Er kommt übrigens zu dem Schluss, dass es sich bei „Godzilla und die Urweltraupen“ um einen der besten Beiträge aller japanischen Monsterfilme handelt. Muss man nicht so sehen, kann man aber. Das ist das Schöne an der kulturellen Rezeption dieser Filme: Sie sind nur auf den ersten Blick alle ähnlich. Tatsächlich sind sie so unterschiedlich wie die Geschmäcker, die sie anziehen.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie von “Godzilla und die Urweltraupen”
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