Originaltitel: Gojira vs Desutoroia / Godzilla vs Destroyer__Herstellungsland: Japan__Erscheinungsjahr: 1995__Regie: Takao Okawara__Darsteller: Tatsumi Takuro, Yôko Ishino, Yasufumi Hayashi, Megumi Odaka, Sayaka Osawa, Saburô Shinoda, Akira Nakao, Masahiro Takashima, Momoko Kouchi, Ronald Hea, Kenpachirô Satsuma, Ryo Hariya u.a. |
Als Godzilla glühend vor atomarer Strahlung vor den Toren Hongkongs auftaucht, steht die G-Force-Vereinigung vor ihrer bislang schwersten Aufgabe: Sie muss verhindern, dass Godzillas Körper kollabiert und eine Katastrophe in Form einer Kernschmelze verursacht. Während das Militär versucht, seine Körpertemperatur mit Kühlraketen und anderen Mitteln zu senken, macht der Wissenschaftler Ijuin Kensaku (Tatsumi Takuro) eine folgenschwere Entdeckung: Der Oxygen-Zerstörer, mit dem der erste Godzilla vor vierzig Jahren bezwungen werden konnte, hat einige Meeresorganismen aus dem Stamm der Krebstiere mutieren lassen. Schon bald krabbeln die meterhohen Kreaturen aus dem Meer und attackieren die Bevölkerung. Doch es kommt noch schlimmer: Sie vereinigen sich zu Destoroyah, einem gepanzerten Zerstörer, der selbst Godzilla in der Größe überragt. Mit Hilfe seines Sohnes Godzilla Junior stellt sich der König der Monster seinem übermächtig erscheinenden Feind. Doch mit jedem Angriff droht die Kernschmelze freigesetzt zu werden…
Ein Bad in einer Wanne voller Eiswürfel soll ja das Immunsystem stärken. Fitness-Gurus schwören auf diese Methode. Müssten sie allerdings einem Koloss wie Godzilla Tipps geben, wie er am besten cool bleibt, würden sich ganz neue logistische Fragestellungen ergeben: Woher genug Eis nehmen, um die glühenden Rückenplatten abzukühlen, wenn der Reaktorkern erst einmal auf Hochtouren läuft?
In „Godzilla vs Destoroyah“ jedenfalls schwitzt der Champ das wohl mächtigste Fieber aus, das je einen Organismus befallen hat. Rot leuchtende Magma-Adern pulsieren von seinem Bauch aus und verteilen sich als Geäst über den ganzen Körper, der inzwischen alt und verhärmt wirkt wie der brüchige Asphalt einer Landstraße, die seit vielen Jahrzehnten nicht mehr erneuert wurde. Unter dem erkalteten Gestein regt sich aber nach langer Inaktivität etwas. Fast wie ein vergessener Vulkan, der nun auszubrechen droht. Wolken aus Wasserdampf umspülen die Aura des Hünen, als er seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht, dem Baden im Meer vor japanischen Küstenstädten. Die Inszenierung des ersten großen Spezialeffekts ähnelt dem Blick des Kochs auf seinen sprudelnden Kochtopf, und wer sein Sushi lieber durchgegart verspeist, dürfte im brodelnden Kielwasser des Monsters wohl allerhand verzehrfertigen Fisch vorfinden. Was diesmal ausbleibt, ist der übliche Frieden eines Godzilla-Abspanns, wenn die Natur wieder mit sich im Reinen ist. Stattdessen zählt ein unsichtbarer Countdown die Stunden bis zum totalen Meltdown.
Es reicht also bereits ein Blick auf das stark überarbeitete Godzilla-Design, um zu verstehen, dass die Heisei-Ära an diesem Punkt enden wird. Die Kontinuität der vergangenen Teile steuert unübersehbar auf ihren Abschluss zu, und wie es eben so ist am Ende einer Reise, es wird ein Blick zurück auf den Beginn geworfen. Der Oxygen-Zerstörer, der vierzig Jahre zuvor im Original das Leben des ersten Godzilla beendete, rückt wieder in den Fokus und dirigiert die Marschrichtung des Drehbuchs. Nach Jahrzehnten alberner Fortsetzungen weht wieder ein Hauch prä-apokalyptischer Dunkelheit durch die Franchise.
Der letzte japanische Godzilla-Streifen, bevor Roland Emmerichs die Welt mit seiner schief proportionierten US-Variante beglücken würde, macht sich seine privilegierte Position am Ende der Kette geschickt zu eigen. Takao Okawara lieferte schon zu Beginn der 90er zwei Godzilla-Filme, die vor Kinetik nur so strotzten, und so ist es keine Überraschung, dass wir zum Abschluss erst recht einen straff geschnittenen Monster-Thriller bekommen, der keine andere Richtung kennt als geradewegs durch die Mauer. Keine ablenkenden Subplots, keine politischen Verstrickungen, einfach nur eine tickende Zeitbombe von 100 Metern Höhe, die es mit allen Mitteln einzufrieren gilt. Äußerst stilsicher geht Okawara dabei mit den Suspense-Elementen bezüglich des anstehenden Endes um, was zu einer doch insgesamt recht düsteren, zu guter Letzt sogar etwas melancholischen Stimmung führt, beinahe so, wie man sie am Ende aller Tage wahrnehmen muss.
Dabei ist es keineswegs so, dass den Wissenschaftlern und Militärs der G-Force-Einheit inzwischen die blöden Sprüche ausgegangen wären, mit denen man eine solch düstere Stimmung konterkarieren könnte. Entweder das deutsche Dialogbuch oder bereits das ursprüngliche Skript legt den Kittel- und Uniformträgern immer wieder abstruse bildliche Vergleiche in den Mund, um das außergewöhnliche Treiben des Giganten mit einem pseudowissenschaftlichen Hintergrund zu versehen; so muss man diesmal einen schematischen Vergleich zwischen Godzilla und einem Kernkraftwerk in all ihrer Offensichtlichkeit über sich ergehen lassen sowie eine Erörterung der Frage, weshalb eine Kernschmelze gefährlicher ist als eine Explosion. Darüber hinaus ergeben sich mitunter Kommunikationsverläufe mit der Passform zweitklassig programmierter Rollenspieldialoge, wenn etwa ein Soldat feststellt, dass sich Godzilla Richtung Parkanlage bewegt, woraufhin sich sein Kollege fragt, wo er bloß hin möchte.
Wenigstens Godzilla Junior trägt inzwischen nicht mehr zur Belustigung bei, wurde sein Design doch ebenso wie das seines Dads grundlegend modifiziert, so dass er nun aussieht wie ein frisch aus dem Ei gepellter Theropode aus der Kreidezeit. Er ist nun also nicht mehr der aus Jim Hensons Puppenkiste entflohene Fremdkörper mit Glubschaugen, sondern ein ernstzunehmender Teil der zerstörbaren Modelllandschaft. Gerade wenn man ihn an der Seite seines Vormunds durch die Hochhausschluchten spazieren sieht, bekommt man als Zuschauer das erhabene Gefühl, einer Vereinigung der Generationen beiwohnen zu dürfen auf dem Kreuzweg in einen, wie man hoffen konnte, noch spektakuläreren Neubeginn.
Ziemlich fremdartig kommt derweil Destoroyah daher, der neue Gegner der Godzilla-Familie, der in seiner finalen Form auch als Mattel-Actionfigur nach Vorbild der Wilden Horde aus „He-Man“ vorstellbar wäre. Der Ursprungs-DNA nach soll es sich um ein Krebstier handeln. Würde man nach erfolgter Mutation eher an einen Drachenartigen oder einen geflügelten Dämonen denken, bedient sich das Creature Design gerade in den ersten Evolutionsstadien kräftig bei den ästhetischen Merkmalen der Gliederfüßer. Die Special-Effects-Abteilung versucht sich an einem Ballett trippelnder Füße, was in Anbetracht der drei Meter hohen, animatronisch zum Leben erweckten Mini-Kaiju eher zu einem klobigen Panzerrollen ausartet, das beinahe als On-Set-Testlauf für die computeranimierten Killerkäfer aus Paul Verhoevens „Starship Troopers“ durchgehen könnte. Der Kampf der Krebsmutanten gegen die Tokioter Polizei sorgt durch die perspektivische Variation für angenehme Abwechslung, bevor es im Finale standesgemäß in luftiger Höhe zur Sache geht.
Obgleich Destoroyah durchaus ein Gegner mit diabolischer Ausstrahlung ist, der ziemlich kompromisslos zu Werke geht, bleibt er angesichts der Probleme Godzillas mit der eigenen Körpertemperatur immer ein wenig im Hintergrund. „Godzilla vs Destoroyah“ hätte vermutlich auch ohne den Zusatz „vs Destoroyah“ funktioniert, wie ja nicht zuletzt der ähnlich gelagerte Plot von „Shin Godzilla“ 2016 bewies, zumal ohnehin ständig die Nähe zu Ishirō Hondas Original gesucht wird, dem bis dato einzigen Film ohne Versus-Konstellation. Schade, dass der „Zerstörer“ abgesehen von ein paar Auftritten in der „Godzilla Island“-Serie nie wieder in Erscheinung getreten ist, hätte er als Antagonist doch durchaus Potenzial gehabt für ein Skript, das sich noch stärker auf Monsterduelle konzentriert.
Der Abschluss der Heisei-Phase lässt sich davon jedoch nicht beirren und beschert Godzilla einen vorläufigen Abgang mit Wumms, verpackt in wahrlich ikonische Schlussminuten, von denen sich so manche Sekunde wohl für immer in das filmbibliothekarische Abteil des Cineasten-Hirns fräsen dürfte. „Godzilla vs Destoroyah“ überzeugt mit garstigem Monsterdesign, wohlproportionierter Action und einem zielstrebigen Ablauf, der vor allem eines aussagt: Wir haben uns entschieden und ziehen unsere Entscheidung voll durch. Tugenden, die der nachfolgenden Fisch-Fleisch-Variation aus Amerika in allen Entwicklungsstadien verwehrt bleiben würden.
Informationen zur Veröffentlichung von “Godzilla vs Destoroyah”
„Godzilla vs Destoroyah“ ist bereits seit rund 20 Jahren auf digitalen Datenträgern erhältlich. Marketing Film veröffentlichte 2002 eine DVD mit deutschem und englischen Ton, wobei die englische Tonspur von deutschen Zwangsuntertiteln begleitet wurde. An Extras waren Trailer, Bildergalerien und ein alternatives Ende an Bord. Splendid legte zunächst 2007 mit einer weiteren DVD-Auflage nach, ließ aber die Extras der Marketing-Scheibe vermissen. Auch auf der 2014 erschienenen Blu-ray-Premiere sucht man abgesehen von einer Godzilla-Trailershow (die NICHT den Trailer zum vorliegenden Film enthält) vergebens nach Bonusmaterial. Die Blu-ray ist nicht nur einzeln zu erwerben, sondern auch als Teil einer 11- beziehungsweise 12-teiligen Kollektion mit Godzilla-Filmen. Die japanische Tonspur sucht man übrigens auf allen erhältlichen deutschen DVDs und Blu-rays vergebens. Streamen kann man den Film natürlich auch.
Sascha Ganser (Vince)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Splendid__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja |