Originaltitel: Gojira tai Megagirasu: Jii Shômetsu Sakusen__Herstellungsland: Japan__Erscheinungsjahr: 2000__Regie: Masaaki Tezuka__Darsteller: Misato Tanaka, Shôsuke Tanihara, Masatô Ibu, Yuriko Hoshi, Toshiyuki Nagashima, Tsutomu Kitagawa, Minoru Watanabe u.a. |
2000. Das neue Jahrtausend ist da, und obwohl das alte gerade erst Augenblicke zurückliegt, trägt Japan bereits voller Überzeugung das Gesicht der Zukunft. Verkörperte der direkte Vorgänger „Godzilla 2000: Millennium“ (1999) als Startpunkt der Millennium-Ära noch die rohe, analoge Natur seines eigenen auslaufenden Jahrzehnts, scheinen mit dem Glockenschlag sämtliche Wurzeln zur rückständigen Vergangenheit gekappt. Als bedürfe es eines Nachweises, beginnt „Godzilla vs. Megaguirus“ mit einem Rückblick auf das Ur-Original von 1954. Schmutzige Atomenergie, ein Relikt aus barbarischen Vorzeiten, verdrängt vom technischen Fortschritt der neuen Zeitrechnung, die dank Plasma-Technologie inzwischen vermeintlich sauber und diskret vonstatten geht.
Entsprechend gestaltet sich das Szenenbild, als nach dem chaotischen Prolog samt obligatorischer Zerstörungsorgie schließlich Ort und Jahreszahl der neuen Handlung eingeblendet werden. Tokio im Jahr 2000 also, eine ebenmäßige, menschenleere Würfelfläche aus hellgrauem Beton und verspiegelten Glaswänden, eine vakuumierte Mecha-Spielwiese, durch deren Stillleben auf einmal widerstandslos ein Hochgeschwindigkeitszug gleitet wie eine Nadel durch das Öhr. Die Ästhetik der frisch geborenen 2000er ist klinisch-steril und stromlinienförmig, so ordentlich wie das aufgeräumte Kinderzimmer eines angehenden Psychopathen. Man könnte auch sagen, Tokio ist wieder zu seinem originalverpackten Mint-Zustand zurückgekehrt und so bereit wie noch nie, den großen Zertrampler zu empfangen, auf dass die Verpackung mit möglichst viel Crunch zertrampelt werden möge.
Der große Zertrampler allerdings bevorzugt es, der Bildfläche bis Minute 40 (!) fernzubleiben. Regiedebütant Masaaki Tezuka, der vorher immerhin bei der Arbeit an zwei Godzilla- und zwei Mothra-Filmen Erfahrung als Regieassistent sammeln durfte, kümmert sich in seinem ersten eigenen Film zunächst einmal darum, seine Charaktere zu etablieren, denn jegliche Franchise-Kontinuität war zusammen mit dem 20. Jahrhundert an der Jahrtausendwende zerschellt. Praktisch der komplette Cast des Films wurde neu zusammengestellt, lediglich Tsutomu Kitagawa kehrt unter dem Godzilla-Suit für einen zweiten Einsatz zurück.
Viel Originalität lassen Tezuka und seine Autoren Hiroshi Kashiwabara und Wataru Mimura, die bereits den Vorgänger schrieben, jedoch nicht walten. Die G-Graspers, die Godzilla zum Schutz der Menschheit studieren und jagen, sind lediglich eine ideenlose Variation der G-Force, die in „Godzilla vs. Mechagodzilla“ (1993) ihren ersten Auftritt absolvierte. Auch Hauptdarstellerin Misato Tanaka ähnelt ihrer Vorgängerin Megumi Odaka, die sechs Godzilla-Filme der späten 80er und frühen 90er begleitete, fast schon so sehr wie die Peanut-Zwillinge einander, wobei Odaka ihre Rolle eher im Stil einer Naturschützerin interpretierte, während Tanaka vergleichsweise draufgängerisch unterwegs ist. Insgesamt ist inhaltlich von einer Neuausrichtung aber kaum zu sprechen, zwischen den Fronten zweier sich prügelnder Riesenmonster weiß sich die Menschheit eben nur mit einem drögen Mix aus Wissenschaft und Militär zu helfen, deren Besprechungsräume ähnlich grau wirken wie die spröde-futuristischen Carrera-Autobahnen zwischen Tokios Hochhäusern und Werbeschildern. Kein Wunder, dass den Ingenieuren in einer solchen Arbeitsumgebung lediglich schwarze Löcher in den Sinn kommen, die man ja schließlich als Spezialwaffe gegen Riesenwuchs einsetzen könnte, fast wie intergalaktische Hula-Hoop-Reifen…
Von den kaum interessanten menschlichen Akteuren abgesehen glänzt auch Godzillas neuer Sparringpartner nicht gerade mit besonderen Merkmalen. Ähnlich wie Destoroyah aus dem 1995er Eintrag in die Franchise ist Megaguirus die finale Entwicklungsstufe einer Evolution im Schnelldurchlauf, nur dass diesmal keine Krebstiere den Ausgangspunkt bilden, sondern riesige Urzeitinsekten, die aus einem schleimigen Ei schlüpfen und sich im Wasser vermehren, um später ihre Energie auf das große Muttertier zu übertragen. Godzilla ist also gut beraten, ein paar Streckübungen zu machen und sich mit Anti-Mückenspray und Fliegenklatsche auszurüsten.
Die geflügelten Plagegeister, gemessen an Kaiju-Maßstäben winzig, gemessen an der Maximalgröße eines normalen Insekts allerdings riesig, sorgen in der ersten Hälfte zumindest für ein wenig unterhaltsames Vorabendprogramm, bis endlich der Star die Bühne betritt. Wenn sie sich hinterlistig krabbelnd von einer Hauswand an ihre menschlichen Opfer anschleichen, erreicht das einen durchaus vergleichbaren Ironiefaktor wie B-Movies vom Schlage „Infestation“ oder „Stung“, auch wenn das Kleinvieh auf Dauer nicht satt macht.
Dass sich Mr. G so rar macht, ist also keinesfalls förderlich. Ist er dann aber einmal da, wird zum Glück Klasse statt Masse geliefert. Wenn er sich denn mal vor die Linse verirrt, dann wird das von der Regie stets als Event zelebriert. Gerade die erste Begegnung im Wasser kann einige Wow-Effekte auf Grundlage spektakulärer Winkel verbuchen, die auf spezielle Weise die Proportionen des Ungeheuers ins Bild zu rücken wissen. Die Linse rotiert gerne aus der Entfernung kreisförmig um das aufgewühlte Wasser und wechselt dann zur Nahaufnahme von Tanaka, die sich an den gigantischen Rückenplatten festklammert, während der Riese das Wasser zerteilt. Ein formidables Zusammenspiel aus Miniaturarbeit, Setpiece und unterstützenden Spezialeffekten, durch Kamera und Schnitt dynamisch eingefangen. Zerbröckelnde Hausfassaden und in die Luft fliegende Brücken mag man in diesem Film schmerzlich vermissen, man wird aber dafür von dem Sinn der Effekte für Haptik und Kinetik mitgerissen.
Das gilt dann auch für den zentralen Kampf zwischen Godzilla und Megaguirus, dessen Wrestling-Choreografie zwar auf 50 Jahre alte Schablonen zurückfällt, die aber anhand der reinen Schwerkraft trotz allem in den Bann zieht. Ob nun der Herausforderer völlig eben in der Luft schwebt, während der Flügelschlag immer schneller wird, oder ob der Champ mit atomarem Atem zum ultimativen K.O.-Schlag ausholt, in diesen kurzen Momenten zeigt die Filmserie, warum sie über die Jahrzehnte auf so viele Teile anwachsen konnte. Blutiges Gemetzel braucht es da nicht einmal, wohl aber die dezente Note SciFi-Technologie. Wenn das Design der Fluggeräte mal nicht auch die Stark Industries aus den Avengers-Filmen unterbewusst inspiriert hat…
Was „Godzilla vs. Megaguirus“ eben fehlt, ist der ultimative Exzess. Gerade weil die Chance zum Neuanfang mit einer frischen, packenden Storyline vergeben wurde und sämtliche Charaktere lediglich Wiedergänger der Figuren aus den 90ern sind, hätte es noch eine Extraportion Chaos und Zerstörung gut gebrauchen können. Masaaki Tezuka liefert stattdessen leere Kulissen, die oft wie sterile Studiobauten aussehen, und einiges an Leerlauf, während er Ideen von anno dazumal recycelt. Die Momente, in denen der König der Monster glorreich leuchtet, sind aber auch diesmal wieder da.
Informationen zur Veröffentlichung
Während „Godzilla vs. Megaguirus“ in seinem Heimatland Japan im November 2000 in den Kinos startete und in den USA zumindest drei Jahre später über den SyFy-Channel zu sehen war, zogen in Deutschland volle sechs Jahre ins Land, bevor Kaiju-Fans in den Genuss des ersten Godzilla-Abenteuers des neuen Jahrtausends kommen konnten. Splendid veröffentlichte den 24. Film der Reihe im August 2006 direkt auf DVD. Seitdem erschienen mehrere Neuauflagen. 2014 folgte dann der Sprung auf die Blu-ray. Besprochen wurde an dieser Stelle die Blu-ray als Teil der 2018 erschienenen Box mit zwölf Filmen. Der Hauptfilm ist dabei mit deutschem und japanischem Ton enthalten, deutsche oder niederländische Untertitel können auf Wunsch auch dazugeschaltet werden. Als Bonusmaterial winkt leider nur eine Trailershow.
Sascha Ganser (Vince)
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