Originaltitel: Greenland__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2020__Regie: Ric Roman Waugh__Darsteller: Gerard Butler, Scott Glenn, Morena Baccarin, David Denman, Brandon Quinn, Hayes Mercure, Andrew Bachelor, Gary Weeks, Rick Pasqualone, Joshua Mikel u.a. |

„Greenland“ macht Gerard Butlers Katastrophenfilmgurke „Geostorm“ vergessen.
Der große Gewinner des neuen Katastrophenfilmes „Greenland“ sei direkt zu Beginn dieser Review genannt: Gerard Butler. Der wetzt mit „Greenland“ nämlich eine extreme Scharte aus. Diese hört auf den Titel „Geostorm“ und ist ein Genre-Beitrag, auf den die Bezeichnung „Katastrophenfilm“ in vielerlei Hinsicht passt. In erster Linie war der Streifen weitgehend ungenießbar und erinnerte in seiner Absurdität an einen „The Asylum“-Trashfilm mit deutlich aufgepumptem Budget. Bei „Greenland“ wird nun ein vollends anderer Weg eingeschlagen. Zum Glück!
John Garrity ist auf dem Heimweg – und er ist nervös. Denn das bevorstehende Wochenende wird über das Wohl und Wehe seiner kriselnden Ehe entscheiden. Mit seiner Frau und seinem Sohn will er vor den Nachbarn bei einer von den Garritys ausgerichteten Party auf heile Welt machen. John ist so tief in Gedanken versunken, dass er den immer wieder im Radio erklingenden Namen „Clark“ kaum wahrnimmt.
Zuhause angekommen, genießt er die gemeinsame Zeit mit dem über alles geliebten Sohnemann Nathan. Doch zwischen John und seiner Frau Allison brodelt es spürbar. Für den Sohn halten beide die Fassade aufrecht. Am nächsten Tag soll John für die Gartenparty noch ein paar Besorgungen machen. Diesmal nimmt er die Berichte über Clark deutlicher wahr. Die Aussagen, dass der Komet ungefährlich für die Erde sei, beruhigen ihn. Denn der Himmelskörper ist der Erde inzwischen so nah, dass man ihn bereits mit bloßem Auge und bei hellichtem Tag sehen kann.
Im Supermarkt ereilt ihn eine Push-Nachricht – vom Präsidenten! Er solle sich mit seiner Frau und seinem Kind bereit machen, an einen geheimen Ort verbracht zu werden. John glaubt an einen Gag, doch als er wieder Zuhause ankommt, schauen die ersten Gäste der bevorstehenden Party gebannt auf den TV. Teile des Kometen würden sogleich in einem Ozean niedergehen. Doch der Einschlag bleibt aus. Stattdessen wird der Heimatort von Johns Familie von einer gewaltigen Druckwelle getroffen.
Als John erneut eine präsidiale Push-Nachricht ereilt, ist ihm klar, dass Clark bei weitem nicht so ungefährlich ist, wie zur Beruhigung der Bevölkerung kolportiert wird. Er schnappt sich seine Frau und seinen Sohn und bricht zu den Koordinaten auf, die ihm übersandt wurden. John ist Willens, für seine kleine Familie alles zu geben.
Schaut in den Katastrophenfilm mit Gerard Butler hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=NwwA7OdjYjI
Denken wir nur ganz kurz zurück an „Geostorm“. Hier waren die planlos verballerten Katastrophenbilder der eigentliche Star und wurden an einer unbekömmlichen Thriller-Suppe gereicht. Nichts an dem Film funktionierte, weil einem alle Figuren dieses Schwachsinns einfach nur total egal waren und der Film weder Spannung noch eine sinnige Dramaturgie transportieren konnte. Doch wie eingangs erwähnt, macht „Greenland“ glücklicherweise ganz viel ganz anders. Um nicht zu sagen: Erfrischend anders.

Gerard Butler versucht als John seine Familie vor der Auslöschung zu bewahren.
Denn Ric Roman Waugh („Angel has Fallen“) fokussiert bei seinem Katastrophenfilm, vermutlich auch aus Budgetgründen (ihm standen gerade einmal 35 Millionen Dollar zur Verfügung), vollkommen auf das menschliche Drama. Ihm geht es nicht um große Spektakelbilder. Die größten Zerstörungen finden weitgehend auf TV-Geräten statt. Familie Garrity ist nur einmal wirklich mittendrin, als Teile des Kometen auf eine Autobahn krachen. Hier läuft die Effektmaschine trotz niedrigen Budgets total rund, davon abgesehen erlebt die Familie aber ganz andere Katastrophen.
Immer wieder trennt das Drehbuch die drei, die daraufhin Mittel und Wege finden müssen, um wieder zusammen zu finden. Dabei pumpt das Drehbuch von Chris Sparling unentwegt Spannung und hält das Tempo auf einem wahrlich hohen Level. Ist die Reise der Familie Garrity einmal angekurbelt, kennt „Greenland“ kein Halten mehr. Eine bedrohliche und ausweglose Situation wird an die nächste gereiht. Manche Momente sind weithin absehbar, andere kommen wahrlich aus dem Nichts. Erst kurz vorm Schluss pausiert der Film kurz, um auch das Miteinander der Familie und deren Zukunft mit etwas weniger Rumms abzuklären.

Große Spektakelbilder spielen in „Greenlan“ keine echte Rolle.
Und weil sowohl die Figurenzeichnung als auch das Schauspiel der Akteure stimmen, ist man immer drin in „Greenland“. Man drückt dem wuchtig aufspielenden Gerard Butler („Hunter Killer“) die Daumen, dass es ihm gelingen möge, seine Familie zu retten. Die wieder einmal wunderschön anzuschauende Morena Baccarin („Deadpool“) bietet ihm dabei immer Paroli und darf eine angenehm starke Frauenfigur entwerfen. Nur Roger Dale Floyd wirkt als Nathan in manchen Szenen überfordert. Nervt ab und an auch. Einen feinen Auftritt legt ein irre drahtiger Scott Glenn („Wenn er in die Hölle will, lass ihn gehen“) als Vater von Baccarins Figur hin.
Was an „Greenland“ erstaunt, ist, dass er ausgerechnet seine Hauptfiguren immer wieder auch reichlich selbstbezogen zeichnet. Getreu dem Motto „Jeder ist sich selbst der Nächste“ drängeln sich die Garritys auf eine unangenehm anzuschauende Art und Weise immer wieder durch die Reihen anderer, ebenfalls bedrohter Menschen. Gefährden mit manchen Aktionen das Leben anderer auch offensiv. John selbst darf wie zum Ausgleich zwar einmal eine Person vor dem sicheren Tod retten, aber das bleibt tatsächlich eine Ausnahme. Infolgedessen verliert man immer mal wieder irritiert den Bezug zu den Hauptfiguren. Denn das entspricht irgendwie so gar nicht dem Idealbild der Katastrophenfilmhelden. Macht den Film aber auch gefühlt realistischer, weil menschlicher. Im Angesicht der Gefahr mutieren wir eben nicht wirklich immer zu Helden. Ein weiterer Beleg für die etwas andere Herangehensweise an das Genre.

Die Frau würden wir alle gerne retten, das Kind nur bedingt. Es nervt leider ab und an.
Technisch bietet der Film trotz schmalerem Budget feine Kinobilder und eine agile Kameraarbeit. Zur Filmmitte kippt „Greenland“ komplett ins Sepiafarbene, ohne irgendwie billig auszuschauen. Erst zum Ende hin reißt Waugh dann wieder die Farben auf. Nimmt „Greenland“ nach kurzer Einleitung Fahrt auf, wird auch die Optik deutlich dynamischer. Teilweise auch zu dynamisch. Wenn sich Butler irgendwann mit ein paar Kerlen prügelt, hört man mehr als man sieht. Eine unrühmliche Ausnahme im ansonsten angenehm adrenalingeladenen, von einem netten Score vorangepeitschten Treiben.
„Greenland“ ist nicht das typische Rambazamba-Katastrophenkino
„Greenland“ erfindet das Katastrophenfilmgenre definitiv nicht neu. Ganz im Gegenteil: Vieles an dem Film von Ric Roman Waugh wirkt altbekannt. Doch der intimere Ansatz gibt dem Streifen eine frische Note. Durch die große Nähe zu den drei Hauptfiguren, denen der Film nur von der Seite weicht (weichen muss), wenn sie getrennt werden, erzeugt er enormes Involvement. Zieht den Zuschauer in das Katastrophenszenario hinein und lässt ihn sozusagen an der Seite der starken Darsteller und ihrer sauber gezeichneten Figuren mit ums Leben rennen.
Dass die großen Katastrophenszenarios dabei kaum bebildert werden, ist für den Spektakelfan natürlich traurig, dennoch dürfte auch der sich in „Greenland“ so gut wie nie langweilen. Dafür machen Regisseur und Drehbuch einfach zu viel Tempo und pumpen in ihre vergleichsweise eher kleiner gehaltenen Actionszenen viel Spannung. Was man dem Film vorhalten muss, ist, dass er ein wenig zu lang geraten ist, er in den Nebenrollen ein paar Klischees zu viel purzeln lässt und dass sein Ende zwar rund wirkt, aber der Punkt für ein viel besseres, im Film sogar offensiv aufgebautes Ende verfehlt wird.
„Greenland“ läuft seit dem 22. Oktober 2020 in den deutschen Kinos, ungeschnitten und mit einer Freigabe ab 12 Jahren.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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