Was haben wir nicht schon alles für Haie erlebt. Zombie-Haie, fliegende Haie, fliegende Nazizombie-Haie, elektrische Haie, Haie, die im Wüstenboden und im Schnee umher kurven, und und und. Mit dem Grizzlyshark haben wir nun einen ganz neuen Vertreter. Was diesen ausmacht? Nun, der Grizzlyshark jagt vornehmlich in Revieren des Grizzlybären. Der Comicband von Autor und Zeichner Ryan Ottley führt ihn entsprechend kongenial ein: Das erste Panel von „Grizzlyshark“ präsentiert eine Haiflosse, die die Baumkronen eines Waldes teilt!
In diesem Wald ist ein Vater-Sohn-Gespann unterwegs, um zu jagen. Dabei treibt vor allem den Vater eine seltsame Paranoia um, denn er fürchtet sich vor Haien. In einem Wald. Entsprechend belustigt bis verärgert reagiert sein Sohn auf die ewigen Warnungen vor den Meeresräubern. Hätte er mal lieber auf seinen Herrn Papa gehört. Denn kaum fließen nur wenige Tropfen Blut aus einer kleinen Wunde des Jungen, schnellt ein Hai aus dem Gebüsch hervor und beißt ihm den gesamten Unterkörper weg.
Der Vater schnappt sich seinen schwer verletzten Jungen und begibt sich auf die Suche nach Hilfe. Dabei kreuzen sie den Weg von drei Taugenichtsen aus einem nahe gelegenen Städtchen sowie einer Wissenschaftlerin und ihrem abenteuerlustigen Begleiter. Sie alle schicken sich an, dem Grizzlyshark die Flossen langzuziehen. Nichtsahnend, dass wo ein Hai ist, meist noch viele mehr herum schwimmen, und dass ein Seebär zur Lösung des Problems beitragen könnte.
„Der weiße Hai“ im Wald
Nach einer Comic Con im Jahr 2010 kamen Jason Howard und Ryan Ottley auf die Idee, eine Geschichte erzählen zu wollen, in denen ein Bär und ein Hai in vertauschten Rollen präsentiert würden. Also ein im Wald jagender Hai und ein unter Wasser lebender Bär. Mit dieser Idee nahmen sie an einem 24-Stunden-Comic-Tag teil. Ein Wettbewerb, bei dem es galt, innerhalb von 24 Stunden einen Comicstrip zu schreiben, zu zeichnen und zu lettern. So richtig hat das zwar nicht geklappt, aber vor allem Ryan Ottley ließ die Idee nun nicht mehr los.
Zwischen den Arbeiten an anderen Comics (vor allem für „Invincible“) schob Ottley immer mal wieder kleine Grizzlyshark-Sessions ein. Irgendwann standen da drei Hefte, die nun auch in Deutschland in einem Band vereint veröffentlicht wurden. Diese transportieren nur eine rudimentäre Story, in der es darum geht, dass die einen versuchen, dem Hai und seinen Kumpanen zu entkommen, während andere ihn gerne einfangen würden. Forschung und so.
Ottley ging es allerdings spürbar nur darum, maximal eine Art Rahmen zu haben, der das Gerüst für eine ganze Armada an mal grandiosen, mal grandios dummen Gags ist. Keine zwei Seiten vergehen, ohne dass nicht ein dämlich-lustiger Wortwitz oder ein splatternder Slapstick-Witz rund um die Haie gezündet wird. Teilweise präsentiert Ryan Ottley gleich seitenweise alle möglichen und unmöglichen Zufälle, die zu blutenden Wunden führen könnten, nur um hernach seinen Hai blutspritzend zuschnappen zu lassen.
Dabei sorgt sein Artwork in Verbindung mit der geilen Kolorierung von Ivan Plascencia für absolut geniale Splatter-Motive. Denn Ottleys Haie schnabulieren ihre Opfer nie im Ganzen, sondern beißen immer Stücke aus ihnen raus. Dabei sieht es einfach nur Klasse aus, wie der nicht gebissene Teil des Menschen auf den Biss reagiert, während ihm ganze Körperpartien am Stück verlorengehen. Das ist so detailverliebt und witzig anzuschauen, dass man gar nicht umhin kommt, immer wieder ganz genau hinzuschauen.
Der Spektakelfaktor von „Grizzlyshark“ ist groß genug, um über drei flux gelesene Hefte hinweg keinerlei Langeweile aufkommen zu lassen. Zumal schnell auffällt, dass die Story keine Hauptrolle spielen mag, dem Macher aber die Figuren sehr wichtig waren. Die sind nämlich weit weg vom üblichen Helden-Interieur anderer Comics.
Dem einen fehlt der gesamte Unterkörper, woraus zahlreiche herrlich dumme „Mir kann es nicht mehr auf den Magen schlagen“-Gags resultieren. Der nächste ist ein kannibalisches Baby und der dritte im Bunde ein gewaltiger, geistig zurückgebliebener Simpel, der mit dem Gemüt eines kleinen Kindes und „Fischiiii, Fischiiii“ rufend gegen die Haie antritt und sie mit bloßen Fäusten zu killen vermag.
Und selbst wenn dem ewigen Gekille und Gekröse gegen Ende dann doch ein wenig die Luft ausgeht, schmeißt Ottley den Seebären in den Ring und schon pumpt das Heft wieder seitenweise grandiosen Unsinn – inklusive im Wasser erstickenden und mit Booten herumfahrenden Haien. Keine Ahnung, was Ottley beim Verfassen der „Grizzlyshark“-Hefte alles konsumiert hat.
In optischer Hinsicht bedient sich Ryan Ottley eines etwas gröberen Artworks, das Figuren erzeugt, die man rundweg nicht als schön bezeichnen würde. Allerdings sind die eh nur zum Sterben da. In den Splatterszenen wuchert Ottley dann mit Details und Dynamik. Sprich: In diesen Panels ist richtig Action drin. Interessant ist das Lettering, das sich eine erstaunlich ungewöhnliche Schriftart zunutze macht.
Hailiger Bimbam: „Grizzlyshark“ ist blutroter Fun pur
Wer sich bei den zu Beginn genannten Hai-Kreaturen der Marke „The Asylum“ oder „SyFy“ beömmeln kann, der ist bei „Grizzlyshark“ genau richtig. Mit dem großen Unterschied, dass „Grizzlyshark“ nicht nur einfach eine dumme Idee hatte und sich darauf ausruht, so wie es die Trashfilm-Schmieden leider zu gerne machen.
Stattdessen zündet Autor Ryan Ottley auf Grundlage seiner absurden Idee ein wahres Sperrfeuer an Gags. Von denen mag nicht jeder zünden, aber so viele sitzen derart punktgenau, dass man den Band am Ende mit einem fetten Grinsen im Gesicht zur Seite legt. Und was kann man besseres über einen Comic sagen, der nie mehr erreichen wollte, als seine Leser zu amüsieren.
Alle Informationen zur Veröffentlichung von „Grizzlyshark“
Der Verlag Cross Cult hat sich der deutschen Veröffentlichung von „Grizzlyshark“ angenommen. Die präsentieren die drei zugrunde liegenden amerikanischen Einzelhefte in einem Band mit einem angenehm wertigen Hardcover. Zahlreiche Informationen zu dem Projekt, verworfene Ideen, Gags und Skizzen sowie Einblicke in den Schreibprozess runden den Band ab.
Grizzlyshark
Von Ryan Ottley (Autor, Artwork), Ivan Plascencia (Farbe)
Herausgeber : Cross Cult (25. Januar 2023)
Gebundene Ausgabe: 96 Seiten; Deutsch
Verlag: Cross Cult
Auflage: 1. Edition (25. Januar 2023)
ISBN-13 : 978-3986660314
In diesem Sinne:
freeman