Originaltitel: Hacksaw Ridge__Herstellungsland: Australien, USA__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Mel Gibson__Darsteller: Teresa Palmer, Hugo Weaving, Andrew Garfield, Sam Worthington, Vince Vaughn, Luke Bracey, Rachel Griffiths, Ryan Corr, Nathaniel Buzolic, Richard Roxburgh, Matt Nable, Milo Gibson u.a. |
Als Desmond Doss im Mai 1945 mit seinen Kameraden auf Okinawa eintrifft, tobt längst die verlustreichste Phase des Pazifikkrieges zwischen Japan und den USA. Die im Eilverfahren ausgebildeten Männer blicken bei ihrer Landung auf dem japanischen Eiland erstmals der Bestie Krieg in die Augen. Gefallene Kameraden werden auf LKW-Ladeflächen an ihnen vorbeigefahren. Überall blicken sie in leere, desillusionierte Augen. Der vermeintlich ehrenvolle Kampf ums eigene Vaterland am anderen Ende der Welt scheint gar nicht so ehrenvoll zu sein…
Nur wenig später erhalten die Soldaten den Marschbefehl. Ihr Ziel: Die massive Steilwand von Maeda, von den Soldaten ängstlich als Hacksaw Ridge bezeichnet. Die 122 Meter hohe Felswand ist nur über ein provisorisch angebrachtes Netzgeflecht zu erklimmen. Schon vor ihren ersten Kampfhandlungen müssen Doss und seine Kameraden so Kopf und Kragen riskieren. Während sie das Netz emporklettern, deckt die amerikanische Marine das Plateau oberhalb der Steilwand mit Artilleriefeuer ein. Auf die kletternden Soldaten regnet das Blut der von dem massiven Bombardement zerfetzten Japaner herab. Doch nichts kann die Soldaten darauf vorbereiten, was sie am Ende ihrer Klettertour erwartet…
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Das beeindruckende Setting der Steilwand leitet das brachiale, wuchtige, urstbrutale letzte Drittel des gnadenlosen Kriegsfilmes „Hacksaw Ridge“ ein. Bis dahin schüttete Regisseur Mel Gibson („Get the Gringo“) ein ganzes Füllhorn an Kitsch und Pathos über dem Zuschauer aus. Hierbei lernen wir Desmond Doss kennen. Ein streng gläubiger Angehöriger der Freikirche der Siebenten-Tag-Adventisten, der aufgrund schlimmer Ereignisse in seiner Vergangenheit geschworen hat, niemals eine Waffe in die Hand zu nehmen und erst recht keinen Menschen zu töten.
Ebenjener Desmond Doss beschließt dennoch der amerikanischen Armee beizutreten. Man versichert ihm, dass seine Abneigung gegen Waffen und Gewalt kein Problem sei, da er als Sanitäter dienen will. Doch seine Ausbildung bestreitet er bei einer Kampfeinheit, wo Desmonds Weigerung, eine Waffe anzufassen, alles andere als gerne gesehen wird. Doss wird vorgeworfen, die Moral der Gruppe zu untergraben. Er selber sieht seine Aufgabe darin, im Chaos des Krieges für etwas Menschlichkeit zu sorgen.
Diese erstaunlich gelungene Argumentation beider Seiten wertet vor allem das zweite Drittel von „Hacksaw Ridge“ rund um die Ausbildung von Doss und dessen Kameraden deutlich auf. Selbige erinnert ansonsten zu weiten Teilen überdeutlich an „Full Metal Jacket“ (mit einem erstaunlich starken Vince Vaughn („Term Life“) als sprücheklopfendem Schleifer) und übt sich in einer etwas unausgewogenen Mischung aus Pathos, Humor und dem Kampf Desmond Doss’ um Anerkennung unter den eigenen Kameraden. Diese sind allesamt leider arg schlicht gezeichnet, bedienen die bekannten Klischees und entwickeln nur in den seltensten Fällen ein Profil (hervorgehoben sei dahingehend Luke Bracey („Point Break“) als meines Erachtens stärkster Nebendarsteller).
Bis zu der Ausbildung musste „Hacksaw Ridge“ mehr schlecht als recht von dem ewigen Sunnyboy-Lächeln des Hauptdarstellers Andrew Garfield („The Amazing Spider-Man 2“) zehren, der sich an lecker Teresa Palmer („Ich bin Nummer Vier“) heran schmeißt. Die muss, gestraft mit einer schrecklich eindimensionalen Rolle, das Objekt der Doss’schen Begierden geben und eine kitschige Love-Story befeuern.
Erstaunlich ist, dass die ersten beiden Drittel des Filmes mit ihrer teilweise arg manipulativen Art und Weise sofort beim Zuschauer einschlagen. Der nimmt die Kitschkeule ebenso wahr wie das seifige Pathos, wird aber dennoch sofort in die Geschichte hineingezogen. Bekommt mit Desmond Doss eine starke Identifikationsfigur an die Hand und genießt die in flottem Tempo und fetten Bildern vorbeirasende Sentiment-Keule.
Doch dann lässt Mel Gibson seinen Film rabiat umschlagen und entfesselt eine dröhnende, alles zermalmende Kriegsmaschinerie auf der großen Leinwand, die in ihrem Realismusgebaren bei der Gewaltdarstellung grausamste Züge annimmt: Hier zerplatzen Schädel, werden Körperteile abgerissen und Torsos zersprengt. Das Blut spritzt, Menschen werden zu Fleischklumpen geballert und immer wieder fliegen leblose Körper aufgrund von Druckwellen durch die Luft. Das erste große Gemetzel zwischen den Japanern und den Amerikanern lässt sogar die D-Day-Landung von Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ alt aussehen. Gibson kennt in diesen Momenten wahrlich kein Halten und verstört geradezu mit einer archaischen Sinfonie aus Stahl, Blut und Eingeweiden.
Diese inszeniert er in beinahe hypnotischen Bildern von in Zeitlupe brennenden, explodierenden und kämpfenden Soldaten. Immer wieder läuft er so Gefahr, die Gewalt zu sehr zu stilisieren und damit zum Selbstzweck verkommen zu lassen. Spätestens wenn die Kamera über einer Waffe schwebt, die über ein Meer aus Leichen hinweggleitet und weiterhin Tod und Verderben bringt, wirkt „Hacksaw Ridge“ sehr in die eigene Gewalttätigkeit verliebt.
Doch damit ist der Weg gen Heldenverehrung gerade mal zur Hälfte gegangen. Denn das, was Desmond Doss berühmt machte, schließt sich erst an dieses Inferno an. Zurückgedrängt von den Japanern müssen die Amerikaner überstürzt Hacksaw Ridge räumen. Nur Doss bleibt zurück. Desillusioniert von den vorherigen Kampfhandlungen fällt es ihm schwer, in dem, was er erlebt hat, etwas Göttliches zu entdecken.
Er fasst einen verzweifelten Entschluss. Er bleibt alleine auf der Hochebene zurück und rettet nach und nach im Alleingang die auf dem Schlachtfeld herumliegenden, verletzten Soldaten. Beider Seiten. Das ist insofern interessant, da Gibson die Japaner in seiner Heldengeschichte ausschließlich als gesichtsloses und blindwütig anrennendes Kanonenfutter zeichnet. Doch um wirkliche Ausgewogenheit wird es ihm bei dieser Story nie gegangen sein. Eher um den Heldenmut des unbeirrt glaubenden Doss. Der rettet mal eben mehr als 70 Mann unter Einsatz des eigenen Lebens und wird zum „Schutzengel“ seiner eigenen Truppe.
Die wird nur wenig später wieder auf Hacksaw Ridge vorrücken. Und wieder wird Gibson richtig brachial loslegen, wobei er diesmal aber in der Bildsprache ein wenig zurückhaltender bleibt. Jetzt ist es an der Zeit für Gibsons Botschaft. Und die besagt, dass wer glaubt, auch gewinnt. Er kann halt nicht aus seiner Haut. In diesem Moment verliert Gibson sein Publikum… bringt seinen Film aber zu einem runden Ende.
Final bleibt die unglaubliche Geschichte eines offiziell als Kriegsdienstverweigerers geführten Soldaten, der für seine Verdienste die Medal of Honor erhielt, ohne auch nur einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben. Bis Mel Gibson diese Grundessenz seiner Geschichte herausdestilliert hat, muss der Zuschauer durch ein Monster von einen Film durch. Was locker leicht und total verkitscht beginnt, weiß den Zuschauer mehr und mehr zu packen. Starke, weitgehend australische Darsteller wie Garfield, Palmer, Hugo Weaving („Matrix“) und Sam Worthington („Sabotage“) ziehen in die australische Produktion hinein. Und dann legt Gibson den Schalter um. Lässt „Hacksaw Ridge“ beinahe blindwütig toben und schockiert mit einer derben Schlachtplatte, die in ihrem Chaos absolut perfekt inszeniert ist und den Zuschauer so richtig mitnimmt. Schweigen in dem Film erstmals wieder die Waffen, schnauft man im Kinosessel genauso durch wie die Soldaten auf der großen Leinwand. Es folgt die tadellos inszenierte Heldenmut-Geschichte von Desmond Doss, die so weitgehend unbekannt sein dürfte, wahrlich zu verblüffen weiß und „Hacksaw Ridge“ erst recht zur echten Involvierungsbombe werden lässt. Dabei ist man sich ständig bewusst, dass Mel Gibson einen um den Finger wickelt, einen bis zuletzt in seinem Sinne manipuliert, auch dank des themenstarken, fantastischen Soundtracks zum Film. Zudem tut man sich aufgrund der Gewaltgeilheit des Filmes ab und schwer, eine kritische Grundhaltung dazu zu erkennen. Und dennoch (oder gerade deshalb?) packt einen der Film. Lässt einen nicht mehr los. Und wirkt extrem lange nach. Nur am Ende, wenn Gibson dieses Erlebnis von einem Film in eine Art Himmelfahrt münden lässt, ist er wirklich komplett drüber.
„Hacksaw Ridge“ läuft ab dem 26. Januar 2017 in den deutschen Kinos, hat ungeschnitten eine höchst erstaunliche FSK 16 Freigabe erhalten und kommt von Universum Film.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Universum Film__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 26.1.2017 in den deutschen Kinos |